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Corona – Polen startet Massenproduktion von Schutzmasken

,,Polen ist der letzte Staat in der EU, auf dessen Territorium sich noch professionelle Näherei-Betriebe befinden“, meint Wirtschaftsministerin Jadwiga Emiliewicz. Die Regierung will dies jetzt ausnutzen. In einem von ihr aufgelegten Projekt sind über 200 Nähereibetriebe zusammengefasst, die monatlich 40 Mio. Schutzmasken produzieren werden.

Jahrzehntelang hatte die zentralpolnische Stadt den Ruf als ,,Manchester des Ostens“. Nahezu jeder europäische Marken-Hersteller ließ hier seine Hemden, Blusen und andere Bekleidungsstücke nähen. Diese Entwicklung brach mit der Globalisierung der Wirtschaft um die Jahrtausend-Wende ab. Vor allem aus Kostengründen wurde die Produktion nach China, Indien und anderen asiatischen Ländern ausgelagert. Viele der Hunderte von Näherei-Betrieben in und um Łódź gaben danach auf oder hielten sich nur noch mühsam über Wasser. Erst in den vergangenen Jahren erfolgte eine Rückbesinnung auf die eigenen Nähereien, insbesondere bei polnischen Bekleidungs-Herstellern. Mit den heimischen Nähereien und ihre Erfahrungen konnte man schneller auf Kollektions-Wechsel in kleineren Mengen und in höherer Qualität auf die Markt-Bedürfnisse reagieren. Die Fortexistenz dieser professionellen Näh-Betriebe zahlt sich jetzt bei den allgemeinen Mangel an Schutz-Masken aus, die bisher fast ausschließlich nur noch in China produziert wurden. Da auch in Polen seit Mitte April eine Masken-Pflicht gegen die Ausbreitung des Corona-Virus gilt, hat die Regierung in Warschau jetzt das Projekt ,,Polskie Szwalnie“ (,,,Polnische Nähereien) aufgelegt. An dem Projekt sind über 200 Näherei-Betriebe beteiligt, die monatlich 40 Mio. Schutzmasken produzieren werden.

Die Produktion ist bereits gestartet.. Realisiert wird das Projekt von der staatlichen Agentur für Industrieentwicklung ARP. Für die Organisation sind 7 Unternehmen der Bekleidungs-Branche verantwortlich. Dazu gehören u.a. der Sportbekleidungs-Hersteller OTCF, Eigentümer der Marke 4F, der Danziger Bekleidungs-Konzern LPP, der Herren-Bekleidungshersteller Pako Lorente aus Zielona Góra, der Sweatshirt-Produzent Rascal Industry sowie der Damenoberbekleidungs-Hersteller Modesta aus Łódź . Die Unternehmen sind verantwortlich für die Logistik, Lagerung und die Material-Anlieferung an ihre lokalen Nähereien sowie Warenabholung. Bei den Masken handelt es sich nicht um Do-it-yourself-Produkte oder andere Stoff-Provisorien, wie sie gegenwärtig in anderen Ländern gefertigt werden, um den Mangel an Atemschutzmasken zu beheben. Gefertigt werden u.a. teilchenfiltrierende Atemschutzmasken vom Typ N95 (FFP2) und 3Ply.
Die Nähereien fertigen die Masken aus zertifizierten Spunbond-Vliesstoffen aus Polyproyplen, die die staatliche ARP-Agentur bei der polnischen Firma Texton aus Zgierz (bei Łódź ) einkauft. Die ARP selbst wird in den nächsten Tagen In Stalowa Wola eine Fabrik mit acht Produktionslinien für die Masken-Herstellung eröffnen. Monatlich sollen dort 29 Mio. Masken hergestellt werden. Darüber hinaus hat das Staatsunternehmen die Produktion von Masken an weitere Firmen der Textilbranche in Auftrag gegeben. In der Summe sollen bis Ende Juni 100 Mio. Masken In Polen gefertigt werden. Zu den weiteren Firmen, die Masken produzieren, gehören Nife Sp. z o.o. (7 Mio. Masken), TW Plast (50 Mio. Bis Ende Juni) Andrema Tex, die Protektor S.A. in Lublin, Rascal Industry , TZMO, Teofilów und Arlen S.A.
Mit dem Projekt ,,Polnische Nähereien” werden Tausende von Arbeitsplätzen gesichert, betonte Wirtschafts-Ministerin Emilewicz. Die polnische Produktion biete die beste Masken-Qualität und das Engagement des Staates bei dem Projekt die Garantie für niedrige Preise der Masken. Da inzwischen aber auch die chinesischen Fabriken wieder ihre Produktion aufgenommen haben, ist es aber nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die stark überhöhten Preise infolge des bisherigen Mangels wieder an ihr ursprüngliches Niveau anpassen passen werden.

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Corona-Polen: Öffnung der Grenze nicht vor dem 3.Mai

Die polnische Regierung hat mit Wirkung vom heutigen 20.April einige ihrer restriktiven Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Epidemie gelockert. Für den Einzelhandel wurden einige Erleichterungen vorgenommen, die allerdings nur symbolischen Charakter haben. Schon wesentlicher ist die Öffnung der Kirchen. In Abhängigkeit von der Größe der Kirche können jetzt bis zu. 500 Personen an Gottesdiensten teilnehmen. Den Bürgern wird auch wieder der Zugang zu den Wäldern erlaubt. Jugendliche über 13 Jahre dürfen sich wieder ohne Begleitung eines Erziehungsberechtigten in der Öffentlichkeit bewegen. Die Schließung der Grenze zu Deutschland und den anderen Nachbarstaaten bleibt jedoch weiter bestehen.

,,Es ist heute noch keine Öffnung der Grenzen geplant“, erklärte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Dafür sei es noch zu früh. Dies gelte auch für die Quarantäne-Bestimmungen für grenzüberschreitende Berufspendler. Nach ihrer Rückkehr nach Polen müssen sie sich weiterhin in eine 14tägige Haus-Quarantäne begeben. Eine Öffnung der Grenzen werde es frühestens nach dem 3.Mai geben, unterstrich Morawiecki.

Mit den jetzt eingeführten Erleichterungen will die Regierung offensichtlich etwas den Druck aus den Kessel nehmen. Die polnische Bevölkerung hat zwar mit großer Disziplin die bereits frühzeitig im März eingeführten Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen eingehalten. Unter der Oberfläche gärt es jedoch, insbesondere bei den rigiden Maßnahmen, deren Sinn für die Menschen nicht nachvollziehbar war und ist. Dazu gehörte das Verbot, die Wälder zu betreten. Dieses Verbot wurde jetzt abgeschafft.
Ein weiteres nicht nachvollziehbares Verbot bleibt aber weiterhin bestehen: Die Benutzung von Fahrrädern in der Stadt. Die sozialen Medien sind voll von Klagen darüber, dass Polizisten massenhaft Strafzettel für das Fahrradfahren in der Stadt ausgeteilt haben. Die höchste Strafe, die einer Fahrrad-Fahrerin in Kraków zuteilt wurde, waren 12 000 Złoty, umgerechnet rund 2500 Euro.
Mehr Nachsicht zeigte die Regierung dagegen bei den Forderungen der Kirchen-Führung,die Beschränkungen bei dem Besuch von Gottesdiensten zu lockern. Bisher war die Zahl der Personen, die an den Heiligen Messen teilnehmen konnten, auf fünf Personen beschränkt. Dem Appell von Erzbischof Stanisław Gądecki, Vorsitzende der Konferenz des Polnischen Episkopats, zur Lockerungen der Vorschriften haben sich zahlreiche Politiker der nationalkonservativen Regierungspartei PiS angeschlossen. Ab heute ist die Zahl der Kirchgänger deshalb nur noch durch die jeweilige Größe der Kirche unter Wahrung des Sicherheits-Abstands von zwei Metern beschränkt. Die Gläubigen müssen aber Mund und Nase bedecken. Der Geistliche ist von der Maskenpflicht befreit. In Polens größte Kathedrale am Pilgerort Lichen können damit über 500 Personen am Gottesdienst teilnehmen. Auch bei Beerdigungen auf Friedhöfen wurde die Zahl der Teilnehmer an der Trauerfeier auf 50 Personen ( bisheriges Limit 5 Personen) erweitert.

Für den Einzelhandel hat die Lockerung der Vorschriften dagegen eher nur symbolischen Charakter. In kleinen Läden der Grundversorgung mit bis zu 100 m2 Verkaufsfläche dürfen jetzt 4 statt bisher 3 Kunden pro Kasse bedient werden. In größeren Läden wurde das Limit auf 1 Kunden pro 15 Quadratmeter Verkaufsfläche erweitert. Damit werden z.B. in einem Supermarkt mit 3000 m² Verkaufsfläche gleichzeitig bis zu 200 Personen eingelassen. Die Ladenbetreiber sind weiterhin verpflichtet , den Kunden Desinfektionsmittel und Handschuhe sicherzustellen. Die speziellen Sperr-Öffnungszeiten für Rentner von 10 bis 12.00 Uhr bleiben bestehen, jedoch nur noch an den Wochentagen. Baumärkte müssen weiterhin an Wochenenden geschlossen bleiben. Weiterhin geschlossen bleiben alle Einzelhandels-Läden (außer Grundversorgung) und Dienstleistungseinrichtungen in den Shopping-Malls. Für die Gastronomie und Hotellerie gibt es weiterhin keine Lockerung der Verbote.
Die Lockerung der Bestimmungen erfolgt in einer Phase, da Polen nach Auffassung von regierungsunabhängigen Experten erst noch der Höhepunkt der Corona-Krise bevorsteht. Diese Prognose, dass erst nach Ostern, den traditionellen Familienfest in Polen, die Krise an Dynamik gewinnt, scheint sich durch die jüngsten Zahlen zu bestätigen. Erstmals ist am vergangenen Sonnabend (18.April) die Zahl der innerhalb eines Tages offiziell bestätigten Corona-Fälle auf über 500 angestiegen. Die Betonung liegt dabei auf offiziell. Nach wie vor werden in Polen nur sehr wenige Corona-Tests durchgeführt, was insbesondere Oppositionspolitiker kritisieren.
Bisher sind in Polen offiziell 9287 Corona-Fälle registriert (Stand 19.April). 360 Menschen starben an den Folgen einer Corona-Infektion.

 

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Corona–Polen: Masken- und Maulkorb-Zwang angeordnet

Die polnische Regierung hat mit dem heutigen Datum (16.April) das Tragen eines Mundschutzes angeordnet. Um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, müssen alle Bürger in der Öffentlichkeit Mund und Nase bedecken. Die Pflicht zum Tragen eines Mund- Nasenschutzes gilt in der gesamten Öffentlichkeit, einschließlich Geschäften, öffentlichen Einrichtungen, aber auch an Arbeitsplätzen und in Kirchen.

Neben den bereits bestehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Einschränkung der individuellen Bürger-Rechte enthalten die von der Regierung angeordneten Maßnahmen z.T. kurios anmutende Anforderungen. So ist nach wie vor den Bürgern der Zugang zu Wäldern untersagt. Schutzmasken müssen auch an Stränden und in den Treppenhäusern von Mehrfamilienhäusern getragen werden. Auch in privaten Pkw mit mehr als einen Beifahrer, die nicht mit dem Fahrer in einem Haushalt leben, besteht die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.

Ersatzweise ist auch das Tragen eines Schals oder Halstuches zulässig, denn nach wie vor ist eine ausreichende Versorgung mit Schutz-Masken nicht gewährleistet. Die Staatspost Poczta Polska hat in den nächsten Tagen den Verkauf von Schutzmasken in ihren Postfilialen angekündigt. In einigen Großstädten wie Warschau und Kraków macht sich die Polnische Vending-Gesellschaft (Organisation der Automaten-Aufsteller) hier die Lücke für sich zunutze und hat damit begonnen, an ihren Automaten Schutzmasken zum Verkauf anzubieten. Allerdings ist dort der Preis für eine gewöhnliche Einweg-Schutzmaske mit 8,80 Zloty (rund 2 Euro) außerordentlich hoch.

Die Regierung selbst hat in einer ihrer üblichen Propaganda-Shows 80 Tonnen an Schutzmasken und –anzügen sowie anderen Schutzmaterial für medizinische Einrichtungen aus China in Empfang genommen. Dazu präsentierten sich Regierungschef Mateusz Morawiecki und Staatsschatz-Minister Jacek Sasin vor der geöffneten Luke des größten Transportflugzeugs der Welt, der Antonow An-225. Die Präsentation vor Mikrofonen und laufenden Kameras glich einen Staats-Empfang. Dabei handelte es bei der in der chinesischen Stadt Tianjin aufgenommenen Ladung nicht um eine Schenkung der chinesischen Regierung, sondern um einen gewöhnlichen kommerziellen Kauf. Bei Kommentatoren, die nicht der Reglementierung der PiS-Regierungspartei unterliegen, hat diese Aktion Kritik hervorgerufen. Sie werfen der PiS-Regierung eine fehlende Reflektion zum Schaden der transatlantischen Beziehungen zu den USA in einer Situation vor, da US-Präsident Donald Trump die Welt-Gesundheitsorganisation und die chinesische Regierung für ihr Versagen und ihrer Informationspolitik bei der Ausbreitung der Corona-Krise in die Kritik nimmt.
Die Hofierung der Schutzmaterialien aus China ist nicht der einzige Kritik-Punkt an der Corona-Krisenpolitik der Regierung. Für großen Unmut in breiten Kreisen der Bevölkerung haben die Gedenk-Feierlichkeiten der PiS-Partei- und der Staatsführung zum 10. Jahrestag des Absturzes des Regierungs-Flugzeuges bei Smolensk gesorgt. Der frühere Staatspräsidenten Lech Kaczyński und über 90 Mitglieder der Regierung, des Parlaments und führende Vertreter von Parteien und Massenorganisationen sind dabei ums Leben gekommen. Dabei war es für jeden polnischen Bürger nachvollziehbar, dass Jarosław Kaczyński Blumen an den Denkmälern niederlegte, die an seinen tragisch ums Leben gekommenen Bruder erinnern. Was jedoch den Groll der Menschen bei den Fernsehbildern von den Gedenkfeiern erregte, wie demonstrativ die Mitglieder der PiS-Parteiführung alle amtlichen Regelungen im Kampf gegen die Verbreitung des Corona-Virus ignorierten. Die Führung der Regierungspartei ging in Gruppen, die mehr als zwei Personen zählten, keiner trug eine Schutzmaske oder Schutzhandschuhe.

Zu Ostern gehört es in Polen zur Tradition, die Grabmale der Verstorbenen zu besuchen. In diesem Jahr waren jedoch alle Friedhöfe wegen der Corona-Krise amtlich für Besucher geschlossen. Nicht jedoch für Jarosław Kaczyński. Für ihn wurde der Friedhof geöffnet. Die breite Masse der Bevölkerung hat daher die Gedenkfeiern als Signal der Staatsführung verstanden: Ihr könnt zu Hause sitzen und auf die Verbote der Regierung hören. Wir als Staatsmacht stehen darüber. In kritischen Medien-Kommentaren wird diese arrogante Machtdemonstration als Demoralisierung der Gesellschaft und Demontage des Rechtsstaates bewertet.
Verstärkt wird sie noch durch die klammheimlich von der Regierung angeordnete Kontrolle von Handy-Daten. Wie die Stiftung Panoptykon jetzt enthüllte, hatte Ministerpräsident Morawiecki bereits am 24. März die vier großen Mobilfunkbetreiber angewiesen, die Ortungs-Daten von Handy-Nutzern an die Behörden zu übermitteln, die sich in Haus-Quarantäne befinden. Sich unter den vorgegebenen Bedingungen in häusliche Quarantäne zu begeben ist zwar eine rechtliche Verpflichtung. Und die Behörden haben das Recht, deren Einhaltung zu kontrollieren, schreibt dazu der Stiftungs-Experte Wojciech Klicki auf der Seite von Panoptykon. Das öffentliche Narrativ war bisher jedoch ein anderes. Darin wurde auf die gesellschaftliche Verantwortung und die Verantwortung des einzelnen appelliert. So war es jeden einzelnen selbst überlassen, ob er eine speziell für die Einhaltung der Quarantäne-Bestimmungen entwickelte Haus-Quarantäne App- auf sein Handy installiert. Diejenigen, die die App nicht installierten, taten dies bisher in der Überzeugung, dass der Besuch der Polizei die einzige Form der Kontrolle zur Einhaltung der Haus-Quarantäne sei. Sie sehen sich jetzt getäuscht, heißt es bei der Stiftung Panoptykon, die elektronische Formen der Überwachung der Gesellschaft untersucht.
Eine andere Form der Überwachung, ja der Verordnung eines Maulkorbes, ist eine Anweisung des Gesundheits-Ministeriums an die Krankenhäuser, sich nicht öffentlich zur Corona-Krise zu äußern, insbesondere nicht zu Mängeln bei notwendigen Ausrüstung der Gesundheitseinrichtungen. Doch nicht alle halten sich an das Verbot. Professor Krzysztof Simon, Oberarzt In der Infektions-Abteilung des Wojewodschafts-Spezialkrankenhauses In Breslau (Wrocław) erklärte jetzt in einem Interview mit der Zeitung Rzeczpospolita, dass er sich von keinen Minister Äußerungen zu fachlichen Themen verbieten lasse, die in Sorge um die Gesundheit der Menschen im Zusammenhang stehen. ,,Noch leben wir in einem Land, in dem die Freiheit, darunter die Freiheit des Wortes, besteht.“ Der Oberarzt kritisierte in dem Beitrag die Falsch-Aussagen von Ministerpräsident Morawiecki, dass Polen sich schon seit Monaten auf die Corona-Epidemie vorbereitet habe. Das Gegenteil sei der Fall gewesen.
Der Mediziner rechnet wie auch andere von der Regierung unabhängige Institutionen damit, dass Polen erst Ende April den Höhepunkt der Corona-Krise erreicht. Vor diesem Hintergrund sei das Festhalten der PiS-Parteiführung an den Präsidentschafts-Wahlen Anfang Mai unverantwortlich. Auch wenn die Wahl nur als Briefwahl erfolgen soll, sei dies ,,ein paranoides skandalöses politisches Spielchen auf Kosten der Gesundheit und des Lebens der Menschen“, sagte der Mediziner.
Zum jetziger Zeitpunkt gibt es in Polen bestätigte 7582 Corona-Fälle. 286 Menschen verstarben.

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Corona: Discounter jetzt Non stop geöffnet

Neue Regelungen für den Handel
Gesonderte Öffnungszeiten nur für Rentner

Polens führende Discount-Ketten Biedronka (Jeronimo Martins) und Lidl (Schwarz-Gruppe) verlängern ihre Öffnungszeiten bis 24.00 Uhr. In Großstädten wie Kraków, Breslau oder Danzig bleiben dagegen ihre Discount-Märkte rund um die Uhr offen. Die Discount-Märkte ziehen damit die Konsequenzen aus den heute (2.April) von der polnischen Regierung angeordneten Regelungen. Diese zielen darauf ab, die Kontakt-Möglichkeiten weiter einzuschränken, um eine Ausbreitung des Corona-Virus zu verringern. Alle Lebensmittel-Märkte sind danach angewiesen, zum besonderen Schutz von älteren Menschen Sperrzeiten von 10.00 bis 12.00 Uhr für Rentner einzurichten. In diesem Zeitraum dürfen nur ältere Menschen ab 65 Jahre in den Super- und Discount-Märkten einkaufen. Durch diese Einschränkung sollen ältere Menschen, die besonders vom Corona-Virus gefährdet sind, geschützt und gleichzeitig die Ansteckungs- und Übertragungs-Möglichkeiten eingeschränkt werden.

Neben der Schließung von Friseur- und Kosmetik-Salons wurden auch Einschränkungen für die Bau-Märkte angeordnet. Die waren in den vergangenen Wochen von den Kunden überlaufen worden. Wie in Deutschland hatten auch die großen Bau-Marktketten in Polen plötzlich Kartoffeln angeboten, um unter der Kategorie Grundversorgung der Bevölkerung einer Schließung zu entgehen. Alle großen Einkaufszentren – mit Ausnahme der Lebensmittelmärkte – waren bereits vor zwei Wochen geschlossen worden. Die Regierung hat jetzt zumindest eine Schließung aller Baumärkte an Wochenenden angeordnet.

Zu den verschärften Regelungen für den Handel wurde jetzt auch ein Limit für den Aufenthalt von Personen in Läden angeordnet – pro Ladenkasse nicht mehr als 3 Kunden.

 

Abstands-Regelungen und regel-mäßiges Desinfizieren der Hand-flächen von Einkaufswagen ist in den meisten Läden schon die Norm. Mit den neuen Regelungen sind jetzt alle Kunden verpflichtet, Einweg-Handschuhe beim Ein-kaufen zu tragen. Lidl will zudem ab nächste Woche für sein Ver-kaufspersonal Gesichts-Schutz-hauben einführen.

Die Discount-Märkte Biedronka und Lidl haben dies zum Anlass genommen, ihre Öffnungs-Zeiten massiv zu erweitern. Eine Fortsetzung des seit zwei Jahren in Polen herrschenden Konsum-Booms animierend, erklärt Biedronka, dass die von der Regierung eingeführten Regelungen zu langen Schlangen von Kunden geführt haben, die ihre Einkäufe machen wollen. Mit der Verlängerung der Öffnungszeiten wolle man den Kampf gegen die Corona-Epidemie unterstützen. Gleichzeitig werde aber durch längere Öffnungszeiten bei der angeordneten geringeren Zahl von Verbrauchern im Laden den Kunden mehr Komfort beim Einkaufen und auch eine höhere Sicherheit beim Einkaufen geboten, behauptet Biedronka.

 

Sowohl bei Biedronka wie auch bei Lidl beträgt ab heute die Grund-Öffnungszeit in allen Filialen von 6.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Lidl geht noch einen Schritt weiter: In den Großstädten bleiben die Märkte rund um die Uhr geöffnet. Wenn man darauf steht, kann man also auch nachts um 3 Uhr bei Lidl einkaufen. Der deutsche Discounter plant deshalb auch zusätzliche Mitarbeiter einstellen.

Der Einkauf rund um die Uhr beginnt bei Biedronka in der Woche vor Ostern. Die Oster-Einkäufe sind etwas Besonderes und wir benötigen mehr Zeit, um sorgfältig Produkte auszuwählen und uns um jede Einzelheit zu kümmern, meint man bei Biedronka in Verkennung der Realitäten der Corona-Krise.

Ostern hat im katholisch geprägten Polen einen besonderer Stellenwert. Auch das erste schöne Frühlingswetter hält viele polnischen Familien nicht davon ab, Ostern mit Jung und Alt in geschlossenen Räumen am gedeckten Tisch zu verbringen, den Gang zur Oster-Messe eingeschlossen. Ein Ablauf in dieser Form dürfte dieses Jahr jedoch zu einer explosionsartigen Ausweitung der Corona-Krise in Polen führen, ist zu befürchten. Das ,,Mehr-Generationen-Leben“ ist in Polen ähnlich ausgeprägt wie in Italien und Spanien. Bei der Bedeutung, die die Oster-Feiertage im polnischen Familien-Leben haben, ist es daher sehr fragwürdig, ob die von der polnischen Regierung angeordneten Kontakt-Sperren auch zu Ostern eingehalten werden.

Gegenwärtig (2.April) sind in Polen 2692 bestätigte Corona-Fälle registriert. 51 Personen sind infolge der Corona-Infektion verstorben.

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Blitzartig Produktion auf Desinfektionsmittel umgestellt

Mit dem Kupferkonzern KGHM hat diese Woche eine weiteres branchenfremdes Unternehmen die Produktion von Desinfektionsmitteln aufgenommen. Gerade in Krisen-Zeiten zeigen sich polnischer Unternehmen von ihrer besten Seite: schnell und flexibel auf Lücken und dem Bedarf zu reagieren. Und Produkte herzustellen, die mit ihrem Kerngeschäft überhaupt nichts zu tun haben. So hat das KGHM-Tochterunternehmen Nitroerg die Produktion des Desinfektionsmittel nitrosept aufgenommen. Nitroerg ist eigentlich ein Hersteller von Sprengstoffen. Das Unternehmen verfügte weder über eine Produktionslinie, noch über die Technologie. Trotzdem hat das Unternehmen innerhalb von nur zehn Tagen die Desinfektionsmittel-Herstellung aus dem Boden gestampft. Nach Angaben der KGHM-Konzernleitung produziert Nitroerg täglich 30 000 Liter Desinfektionsmittel.

Die Aufnahme der Desinfektionsmittel-Produktion erfolgte auf staatlichen Geheiß. Entsprechend wurden die ersten Produkt-Partien an öffentliche Gesundheits-Einrichtungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus kostenlos ausgeliefert. Das Desinfektionsmittel nitrosept wird jedoch auch an kommerzielle Abnehmer verkauft. ,,Jedoch mit geringer Marge, die die Produktionskosten deckt“, betont KGHM-Vorstand Marcin Chludziński.

Wie im Fall des KGHM hat auch der vom Staat kontrollierte Erdölkonzern PKN Orlen den staatlichen Appellen folgend blitzartig die Herstellung von Desinfektionsmitteln aufgenommen. Und dies im großen Maßstab. Bereits schon in der ersten Märzwoche hatte PKN Orlen in seinem Raffinerie-Betrieb in Jedlicze die Produktions-Linie, auf der bisher Scheibenwischer-Flüssigkeit hergestellt wurde, im Rekordtempo auf die Herstellung von Desinfektionsmittel umgestellt. Rund um die Uhr im Dreischicht-System wird seitdem dort ein Mittel zur Desinfektion von Händen hergestellt.

Das Produkt setzt sich zu 70 Prozent aus Äthanol, sowie Isopropylalkohol, Glycerin Wasser und Duftstoffen zusammen. PKN Orlen hatte für die Produktion des Desinfektions-Mittel von der polnischen Arznei-Zulassungsbehörde die Zulassung zur Verwendung von Äthanol in Pharmakopöe-Qualität (Pharmakopöe – Arzneibuch-Sammlung mit verbindlichen Qualitäts-Vorschriften) erhalten. In der gegenwärtigen Markt-Situation ist Äthanol in diesem Qualitäts-Standard preiswerter und auf dem Markt mehr verfügbar als das von der Europäischen Chemikalien-Agentur ECHA zertifizierte Äthanol.
Nachdem die ersten Produktions-Mengen an die staatliche Einrichtungen für strategische Material-Reserven ausgeliefert wurden, hat der Erdölverarbeitende Konzern begonnen, das Desinfektionsmittel über seine Tankstellen in Polen zu vertreiben. Die 1-Liter-Flasche wird dort zum Preis von 15 Zloty angeboten. Weiterhin wird das Produkt auch im 5-Liter Kanister angeboten. Mittlerweile wurde auch eine zweite Produktionslinie eröffnet. Nach Angaben von PKN Orlen ist die Produktions-Menge im März auf 2,5 Mio. Liter ausgelegt. Sie soll im April auf 4,5 Mio. Liter erhöht werden.

PKN Orlen betreibt über seine Tochter-Gesellschaft Orlen Deutschland GmbH auch über 600 Tankstellen (Star / Orlen) in Deutschland. Der Anfrage von infopol.PRESS an Orlen Deutschland, ob das Desinfektionsmittel in der 1-Liter-Flasche und dem 5-Liter-Kanister künftig auch an den deutschen Tankstellen von PKN Orlen verkauft wird, ist die deutsche Konzerntochter bislang ausgewichen.

Neben dem Kupferkonzern KGHM und PKN Orlen haben noch weitere polnische Unternehmen die Produktion von Desinfektionsmitteln aufgenommen. Dazu gehört Polfa Tarchomin. Das Unternehmen stellt in seinem Warschauer Betrieb u.a. Antibiotika und Insulin her. Um auf den plötzlichen Bedarf zu reagieren, habe ein spezieller Mitarbeiter-Stab innerhalb von 24 Stunden die Rezepturen für die Desinfektionsmittel erarbeitet, teilte Polfa-Chef Jarosław Król mit.
Dabei handelt es sich um die Anti-Virusflüssigkeit Trisept TZF (in 30 ml-Handpackung sowie in 5 Liter) und um Dezynmax TZF, ein Mittel zur Desinfizierung von Räumen (in 5-Liter Verpackung).

Neben Unternehmen mit staatlicher Beteiligung haben auch Privat-Unternehmen mit der Aufnahme der Produktion von Desinfektionsmitteln auf die sprunghaft angestiegene Nachfrage reagiert. Eines davon ist die Boryszew Group, die in verschiedenen Industrie-Branchen aufgestellt ist. Zu der Unternehmensgruppe gehören u.a. auch in Deutschland die Automotive-Zulieferer-Betriebe in Salzgitter, Prenzlau, Langenhagen, Gardelegen, Doberschau und Idar-Oberstein. Die Unternehmens-Gruppe besitzt aber auch mit der Boryszew ERG den größten Hersteller von Kühl- und Enteisungsmitteln für die Bahn- und Luftfahrtbranche in Polen. Boryszew ERG hat jetzt sein Produkt-Palette erweitert und produziert unter den Produkt-Namen ERG CleanSkin nun auch antibakterielle Mittel für die Desinfektion von Händen sowie für die Desinfizierung von Räumen im privaten, öffentlichen und Industriebereich. Die Präparate bauen auf einen 72prozentigen Äthyl-Alkohol auf.

Die notwendigen Genehmigungen für die Produktions-Aufnahme habe man innerhalb von zehn Tagen erhalten, erklärte Boryszew-Vorstand Piotr Lisiecki. Mit den modernen Produktionslinien und dem jahrelangen Knowhow in der Chemiebranche sei garantiert, dass ,,unsere Kunden ein Produkt von höchster Qualität erhalten, welches alle Anforderungen erfüllt“. Die Produktion läuft rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.
Die Präperate werden in der 5-Liter-Verpackung sowie in der 500ml-Sprühflasche über die kommerziellen Vertriebs-Kanäle (ERGcleanskin@boryszew.com) von Boryszew angeboten.

Die Bereitschaft der Unternehmen, das desolate und chronisch unterfinanzierte polnische Gesundheits-System im Kampf gegen den Coronavirus zu unterstützen, ist enorm. Neben der Produktion von Desinfektionsmitteln, Schutz-Masken oder der Bereitstellung von Labor-Kapazitäten für Corona-Tests spenden Unternehmen Geldbeträge für örtliche Krankenhäuser.

Die Hilfsbereitschaft hat aber auch eine Kehrseite, die EU-Kommissionschefin Ursula van der Leyen gerade vor dem EU-Parlament mit den ,,nationalen Egoismus einzelner EU-Staaten“ umschrieb. Dies hat gerade das norwegische Unternehmen Norenco in seiner Fabrik im ostpolnischen Biała Podlaska erleben müssen. Das Unternehmen produziert dort seit 1997 Hygieneartikel und Produkte der Haushaltchemie für den skandinavischen Markt. Nach Angaben von Norenco-Chef Arne Haukland plante das Unternehmen, den norwegischen Markt mit wöchentlich zwei Lkw mit Desinfektionsmittel zu beliefern. Dies wurde vom polnischen Zoll untersagt.

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28.März 2020

Foto: PL-MVI-Agentur

Corona: Polen stoppt die falschen und richtigen Pendler

Polen hat die bislang geltenden Ausnahme-Regelungen für Pendler im grenzüberschreitenden Verkehr ausgesetzt. Ab heute (27.März) müssen sich Berufspendler einer 14tägigen Quarantäne unterziehen . Damit werden die Konsequenzen aus dem Mißbrauch der Pendler-Regelungen durch polnische Bürger gezogen. Gleichzeitig ist es auch ein Eingeständnis, dass der Cordon sanitaire gegen den Corona-Virus , den man mit der Grenzschließung schaffen wollte, eine Fiktion war. Angepasst an die Notwendigkeiten, müssen wir jetzt unsere eigenen Beschlüsse korrigieren“, räumte Innenminister Mariusz Kamiński ein.
Als Polen am 15. März seine Grenzen für deutsche und andere Ausländer sperrte, wurden u.a. Ausnahme-Regeln für Berufs-Pendler und Fahrer im internationalen Transport-Verkehr geschaffen. Polnische Bürger, die aus dem Ausland einreisten, sollten sich dagegen einer 14tägigen Hausquarantäne unterziehen.
Die Realität sah allerdings ganz anders aus. Wie das Kommando des polnisches Grenzschutzes für die Grenze an der Oder zu Deutschland mitteilt, wurden allein im Zeitraum vom 15 bis zum 22.März 160 000 aus Deutschland einreisende Personen kontrolliert. Eigentlich hätten die sich entsprechend der amtlichen Anordnung einer häuslichen Quarantäne unterziehen müssen. Haben sie aber nicht. Tatsächlich waren es gerademal ein Drittel – 48 000. Der polnische Grenzschutz werde deshalb jetzt ein spezielles elektronisches Programm an den Grenzübergängen zur Erfassung und Kontrolle der einreisenden Personen einführen, um wiederholte Ein- und Ausreisen ohne Quarantäne-Aufenthalt zu unterbinden, teilte Joanna Konieczniak, Sprecherin des Grenzschutz-Kommandos infopol.PRESS mit.

Mißbrauch von Ausnahme-Regelungen

Die Situation ist noch durch den Mißbrauch der Ausnahme-Regelungen durch polnische Bürger verschärft worden. Der polnische Grenzschutz hat zwar konsequent die Einreisenden nach Polen kontrolliert. Nicht jedoch bei der Ausreise nach Deutschland. Hier war die Grenze weiterhin offen. Deutschland hatte zwar am 15.März zeitweilige Kontrollen zu den Nachbarländern Frankreich, Dänemark, Österreich, Luxemburg und der Schweiz eingeführt, nicht jedoch zu Polen. Viele Polen, die überhaupt keine Berufspendler sind, haben dies für private Einkäufe ausgenutzt. Und so sah man denn auch in den vergangenen Tagen Vertreter jener typischen polnischen Personengruppe, die Einkaufen als Zeitvertreib betrachtet, gemütlich durch Discounter-Märkte in der deutschen Grenzregion cruisen als gäbe es keine Corona-Krise. Mit den typischen polnischen Berufspendlern, die jeden Tag zwischen 5.00 und 7.00 Uhr zur Arbeit nach Deutschland eilen, hatten diese nichts gemeinsam.

125 000 polnische Pendler betroffen

Die Betroffenen sind jetzt die Pendler, die sich 14 Tage in Quarantäne begeben müssen und für die dieser Quarantäne -Aufenthalt mit finanziell-existenziellen Konsequenzen verbunden ist. Die Regierungen grenznaher Bundesländer wie Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern haben den polnischen Pendlern 65 bzw 70 Euro pro Tag angeboten, damit die dringend im Land benötigten polnischen Arbeitskräfte im Land bleiben. Dabei haben diese Bundes-Länder noch einen relativ niedrigen Anteil an der Gesamtzahl polnischer Pendler. Das Problem ist viel komplexer. Laut dem jüngsten Bericht von Eurostat (People on the move – statistics on mobility in Europe) sind es insgesamt 125 000 Personen, die in Polen wohnen und nach Deutschland zur Arbeit pendeln. Bei den grenzüberschreitenden Arbeitskräften nimmt Polen damit in Beziehung zu Deutschland einen absoluten Spitzenplatz in der gesamten EU ein.

 

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Deutsche Personalvermittler: 14 Tage warten auf polnische Arbeits-Pendler Foto: PL-MVI-Agentur

Für die polnischer Pendler, die auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages mit einem deutschen Arbeitgeber in Deutschland arbeiten, ist der 14tägige Quarantäne-Aufenthalt finanziell weniger ein Problem, wenn die Kurzarbeiter-Regelung greift. Das ist aber nicht der Regelfall.
Viele polnische Arbeits-Pendler arbeiten nach dem gleichen Modell, was im Pflegebereich angewandt wird und von den Sozialverbänden und Gewerkschaften seit Jahren kritisiert,und von der deutschen Politik stillschweigend toleriert wird. Sie arbeiten vermittelt über polnische Arbeitsvermittlungs-Agenturen auf der Grundlage von zivilrechtlichen Verträgen, die in Polen ,,Müllverträge“ (umowa śmieciowa) genannt werden. Dabei ist der Pendler sozial nicht abgesichert und muß dafür selbst aufkommen. Für die brechen aus finanzieller Sicht bei der Rückkehr nach Polen schwere Zeiten an.

,,Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne man noch nicht sagen, ob dies ein Anstieg der Anträge auf Sozialhilfe zur Folge habe“, sagte Adriana Dydyna-Marycka, stellvertretende Bürgermeisterin der Grenzstadt Słubice gegenüber infopol.PRESS .

Die Stadtverwaltung Słubice und ihr Bürgermeister Mariusz Olejniczak sowie der Bürgermeister von Świnoujście (Swinemünde) waren diejenigen, die an die Regierung in Warschau appelliert hatten, die Grenzen vollständig zu schließen. Man habe dies aus Sorge um die Gesundheit der Bürger von Słubice getan. Viele Bürger der Stadt hätten sich dafür ausgesprochen, weil sie durch den Grenz-Verkehr die Gefahr der Einschleppung des Coronavirus aus Deutschland sehen, der ihr Leben und Gesundheit bedroht.
Auf die Frage, ob die Stadtverwaltung die von deutscher Seite geforderten Ausnahme-Regelungen insbesondere für die polnischen Ärzte und Krankenschwestern , die in den grenznahen deutschen Krankenhäusern arbeiten, unterstützt, reagierte die Bürgermeisterin mit Zurückhaltung. Eine Alternative wäre ja die Anmietung von Quartieren auf deutscher Seite.

Andere Geisteshaltung an der Grenze zur Tschechien

Eine völlig andere Geisteshaltung als in den polnischen Amtsstuben entlang der Grenze zu Deutschland herrscht dagegen bei den polnischen Amtskollegen in den Gemeinden und Städten an der Grenze zur Tschechien. Allein in der Stadt und dem Kreis Cieszyn sind über zehntausend Menschen jetzt von der Erwerbslosigkeit bedroht. Über 2000 von ihnen haben in den benachbarten tschechischen Kohle-Gruben gearbeitet.  ,,Die Menschen sind hier empört“, berichtet Katarzyna Koczwara Sprecherin der Grenzstadt Cieszyn, infopol.Press. ,,Ich habe Tränen in den Augen gesehen. Viele Menschen, die jahrelang in den tschechischen Gruben gearbeitet haben, stehen über Nacht völlig vor dem Nichts. Sie haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, kein Sozialversicherungsanspruch und sind empört über die Maßnahmen unserer Regierung“. Ganz anders würden sich dagegen die tschechischen Behörden verhalten. Die tschechische Regierung habe schon viel früher und konsequenter Maßnahmen gegen den Coronavirus getroffen als Polen. ,Und die tschechischen Behörden halten trotzdem weiterhin die Grenze für den Pendler-Verkehr offen.“
Die Situation sei wegen der sozialen Konsequenzen der Grenzschließung von polnischer Seite spannungsgeladen. Es drohe ein ,,Bunt“. Das heißt soviel, die Menschen beginnen dort gegen die Grenzschließung zu rebellieren. Auch die Stadt Cieszyn will sich nicht mit der Situation abfinden. Sie hat den Polnischen Städte-Verband ZMP eingeschalten, damit er bei der Regierung in Warschau interveniert und eine Rücknahme der Pendler-Regelung einfordert.
Magda Szulc /infopol PRESS

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Polen verschärft Regelungen gegen Corona

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat mit Wirkung vom  24.März die Einführung eines allgemeinen Ausgangs-Verbots erlassen. Ähnlich wie in Deutschland und Großbritannien ist der Ausgang aus dem Haus nur noch für notwendige Gänge zur Arbeit, Apotheke, Arzt, Einkäufen oder zum Ausführen des Hundes erlaubt. Damit verbunden ist auch eine Einschränkung der individuellen bürgerlichen Freiheiten. Bisher waren noch Versammlungen bis zu 50 Personen erlaubt. Jegliche Zusammentreffen von Personen im öffentlichen Raum wird jetzt auf zwei Personen minimiert. Von besonderen Gewicht im katholisch geprägten Polen ist die Anordnung, dass die Zahl der Personen, die an den Heiligen Messen in der Kirche teilnehmen, auf fünf Personen beschränkt wird. Noch zu Beginn der Corona-Krise hatte das Episkopat der Katholischen Kirche zu einer erhöhten Zahl von Messen in den katholischen Kirchen ausgerufen. Dieser Aufruf wurde jedoch schnell wieder zurückgezogen. Das Episkopat mußte sich überzeugen lassen, dass Massen-Gebete zu Gott nicht dienlich sind, die Verbreitung des Corona-Virus einzuschränken. Das inzwischen zehnte Todesopfer in Polen, dass an COVID-19.verstorben ist, war denn auch ein Kaplan aus einer ostpolnischen Kirchengemeinde.

Weiterhin ordnete die Regierung eine Beschränkung des öffentlichen Verkehrs in der Weise an, dass die Zahl der Fahrgäste bezüglich der jeweiligen Zahl an Sitzplätzen in Bussen, Strassenbahnen, Zügen um Zwei geteilt wird.

Bei Verstößen gegen die Verbote droht ein Ordnungsgeld.  Und das ist mit bis zu 5000 Zloty (etwas mehr als 1000 Euro) deutlich höher als die milden Bußgelder, die Nordrhein-Westfalen jetzt für Verstöße gegen die Auflagen  eingeführt hat.

Polen hatte bereits frühzeitig auf die Ausbreitung des Corona-Virus reagiert und neben der Grenz-Schließung Schulen, Kindegärten, Universitäten sowie  Gastronomie-Betriebe und die großen Einkaufszentren geschlossen. Einige der von Warschau getroffenen Maßnahmen sind genauso inkonsequent wie die in Berlin. So wurde z.B. die Läden in den großen Einkaufs-Malls geschlossen und nur die Lebensmittel-Märkte offengehalten. Die Bau-Märkte sind jedoch weiterhin für die Allgemeinheit geöffnet. Das Bild ist hier das gleiche wie in Deutschland. Lange Schlangen vor den Eingängen. Es sind vor allem die älteren, vom Korona-Virus besonders bedrohten  Generationen und jene, die eigentlich zu Hause sitzen sollten, die sich jetzt mit all dem eindecken, was sie zum ,,alljährlichen Frühjahrs-Putz“ brauchen. Die Leidtragenden sind die, die noch einigermaßen die Wirtschaft am Laufen halten wie z.B. die Handwerker, die sich in die Schlange der Wartenden stellen müssen, die Blumen und Pflanzen für Garten und Balkon kaufen.

Elektronische Fußfessel für Quarantäne-Insassen

Momentan  (24.März) gibt es in Polen 774 nachgewiesene Corona-Infektionen und lediglich 10 Todesfälle. Die Zahl der angeordneten häuslichen Quarantänen reicht dagegen schon bis zu 100 000. In der Mehrheit handelt es sich dabei um polnische Bürger, die aus dem Ausland  zurückgekehrt sind und zwangsweise 14 Tage sich in häuslicher Quarantäne aufhalten müssen.

Mit der Einhaltung der Auflagen gibt es erhebliche Probleme, heißt es aus Polizeikreisen.  Jeder zweite hält sich nicht an die Auflagen. Die örtlichen Polizeibehörden erhalten von den Sanitär-Behörden die Daten der Personen, die sie zu kontrollieren haben. Die Kontrollen fallen je nach Region unterschiedlich aus. In ländlichen Regionen wird noch an die Wohnungs-Tür geklopft oder mittels Anruf per Telefon der Eingewiesene aufgefordert, aus dem Fenster ein Zeichen an die im Polizei-Streifenfahrzeug vor dem Haus parkenden Beamten zu geben. Bei dem großen Umfang der Kontrollen wird auch das Verfahren   über Handy-Ortung per GPS angewandt, um zu kontrollieren, ob sich der Quarantäne-Kandidat auch zu Hause befindet.

Als die sicherste Methode wird in Polizei-Kreisen jedoch das Anlegen einer elektronischen Fuß-Fessel erachtet. Allerdings sind das bisher nur Überlegungen ,,Die Regierung sollte diese Möglichkeit in Erwägung ziehen“, zitiert dazu die Zeitung Rzeczpospolita den früheren Chef des Innenministeriums, Marek Biernacki.

Weiterhin keine Verschiebung der Präsidentschaftswahlen

Für den 10. Mai sind in Polen die Präsidendschafts-Wahlen angesetzt. Für die regierende PiS-Partei sind dies Schicksals-Wahlen, denn wenn ihr Kandidat, der bisherige Staatspräsident Andrzej Duda die Wahl nicht gewinnt,  sondern ein Kandidat der Opposition, dann ist das Ende der PiS-Politik   besiegelt. Der polnische Präsident hat das Veto-Recht. Bei der Wahl eines Oppositions-Kandidaten würde der jedes Gesetz der PiS-Regierung blockieren können.

Die Corona-Krise spielt jetzt den PiS-Kandidaten, Staatspräsident Duda in die Hände. Noch vor Beginn der Krise hatte der stark an Popularität verloren, als er ein umstrittenes Gesetz unterzeichnete, das den zur PiS-Propaganda verkommenden Staatsfernsehen TVP 2 Mrd. Złoty als Ausgleich für nicht eingetriebene Rundfunk-Gebühren zuschiebt.

Duda nutzt jetzt die Chance, sich jeden Tag im staatlichen Fernsehen als sich rastlos um das Wohl der Bürger sich kümmernder Landesvater zu präsentieren. Die anderen Kandidaten haben dagegen keine Chance, einen Wahlkampf mit öffentlichen Auftritten  zu führen. Dies wird jetzt durch das allgemeine Versammlungs-Verbot und das Kontakt-Verbot von mehr als zwei Personen im öffentlichen Bereich noch verstärkt.

Um ein Minimum an Chancengleichheit für alle Kandidaten zu wahren, spricht sich deshalb in jüngsten Meinungs-Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung für eine Verschiebung der Wahlen aus. Aus der Zentrale der PiS-Partei tönt dagegen die Stimme von PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, der dies konsequent ablehnt. Auch Regierungs-Chef Morawiecki (PiS) hat bei der Verkündungen der neuesten Maßnahmen auf die drängenden Fragen von Journalisten nach einer Verschiebung der Wahlen zum Ausdruck gebracht, dass es dafür jetzt keinen Veranlassung gebe.

Mit einer gut gemanagten Krise, bei der sie alle Zügel in der Hand hält, hat die PiS-Partei jetzt die vielversprechende Aussicht, die Präsidentschafts-Wahlen sicher zu gewinnen.

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Polen senkt wegen Corona-Krise die Leitzinsen

Der Geldpolitische Rat der Polnischen Nationalbank (NBP) hat erstmals seit 5 Jahren die Leitzinsen gesenkt. Der wichtigste Leitzins – der Referenzsatz – wurde um 0,5 Prozent auf 1 Prozent gesenkt. Das ist das niedrigste Niveau in der Geschichte der polnischen Zentralbank.

Die Maßnahmen dienen dazu, die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen aus der Coronavirus-Verbreitung zu beschränken und in der weiteren Perspektive eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu stimulieren“, begründet die Nationalbank NBP den Zinsschritt.
Außer dem Referenz-Satz wurde der Lombard-Satz auf 2 Prozent und der Discount-Satz, der seit zehn Jahren unverändert war, auf 1,10 Prozent festgelegt. Der Lombard-Satz ist der Zinssatz, zu dem sich die Kredit-Institute durch Verpfändung eigener Wertpapiere von der Zentralbank kurzfristig Liquidität verschaffen können. Der Discount-Satz ist dagegen der Zinssatz, zu dem die Kreditinstitute Wechsel an die Zentralbank verkaufen können, um sich ebenfalls Liquidität zu verschaffen.
Die Zins-Entscheidung fiel in dem zehnköpfigen Geldpolitischen Rat der Nationalbank denkbar knapp aus. Die Hälfte der Rat-Mitglieder stimmte dagegen. Die entscheidende Stimme hatte jedoch der Präsident der Nationalbank Adam Glapiński . Der hatte schon Tage zuvor unisono mit Staatspräsident Andrzej Duda auf eine Absenkung der Leitzinsen gedrängt.
Der Zinsschritt der Nationalbank hat bei den Volkswirten und Bank-Analysten geteiltes Echo gefunden. Während die einen darauf verweisen, dass die kurzfristige Stützung der Bonität der Wirtschaftsunternehmen in der gegenwärtigen Situation absolut notwendig sei, verweisen andere auf die Inflationsgefahr. Polen hatte Anfang des Jahres mit knapp 5 Prozent mit die höchste Inflationsrate in Europa, die u.a. auf die Erhöhung der Strompreise, anderer Dienstleistungen und der Verteuerung von Lebensmitteln zurückzuführen ist. Nationalbank-Präsident hält dem entgegen, dass der jetzt zu beobachtende Rückgang der Nachfrage nach Dienstleistungen und Non-Food-Produkten sowie der Rückgang der Weltmarkt-Preise für Rohstoffe die Inflations-Risiken minimieren.
Leszek Balcerowicz, ,,Vater der polnischen Reformen“, der vor 30 Jahren mit eiserner Hand das damals zerüttete polnische Wirtschafts-und Finanzsystem (Inflationsrate 700 Prozent) wieder auf Stabilitätskurs brachte, kritisierte den Zinsschritt als undurchdachtes Nachahmen der US-amerikanischen Zentralbank Fed. Die hatte Zinssenkung zwei Tage vorher unter Druck von US-Präsident Donald Trump die Zinsen um 1 Prozent gesenkt. Dieser Zinsschritt ist weitgehend ohne Wirkung auf die Wirtschaft verpufft. Die Situation in Polen sei eine andere als im Westen, wo es keine hohe Inflation gebe. Die FED müsse sich keine Sorgen machen, dass durch ihre Zinssenkung der Dollar schwächer wird. In Polen bestehe schon die Gefahr, dass die polnische Währung an Währung verliert. Statt der von Glapiński und Staatspräsident Duda forcierten propagandistischen Zins-Senkung brauchen die Wirtschafts-Sektoren und Unternehmen, die von der Corona-Krise am härtesten getroffen sind, jetzt auf sie ausgerichtete selektive Hilfs-Maßnahmen, sagte Balcerowicz der Zeitung Rzeczpospolita.
Anders als die zweckoptimistischen Prognosen der Regierung und Volkswirte staatlicher Banken hat jetzt auch die amerikanische Investitionsbank Stanley Morgan ein düsteres Bild für die polnische Volkswirtschaft in diesem Jahr gezeichnet. Durch die Corona-Pandemie werde Polen in eine Rezession erleben, wie es sie noch nie gesehen habe. In ihrer düstersten Prognose erwartet die Banker von Morgan Stanley einen Rückgang der polnischen Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 5,6 Prozent. Im vergangenen Jahr erzielte Polen noch ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent, was der PiS-Regierung im Rahmen von Wahlversprechen massive Sozial-Transfers erlaubte.
Bei den düsteren Aussichten erwarten die Analysten von Morgan Stanley, dass die polnische Nationalbank noch eine weitere Zins-Senkung vornehmen wird.

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Corona. Ausnahme-Regelungen für Deutsche in Polen

Nicht-Staatsbürger dürfen seit dem 15.März nicht mehr nach Polen einreisen, titelten zahlreiche deutsche Medien. Wie aus der polnischen Staatskanzlei zu erfahren ist, handelt es aber  nicht um ein generelles Einreise-Verbot für alle Deutschen und anderen Ausländern nach Polen. Immerhin gibt es in Polen 89 000 ausländische Kapital-Firmen, auf die über zwei Drittel des gesamten polnischen Exports entfallen. In vielen dieser Unternehmen sind die Führungs-, aber auch Fachkräfte Ausländer, darunter 8000 Deutsche. Für sie wurden Ausnahme-Regelungen geschaffen. Dies gilt auch für die Österreicher, Schweizer, Franzosen, Engländer, Amerikaner und anderen Ausländer, die in Polen in Unternehmen und Auslands-Organisationen arbeiten. Nicht zu vergessen die rund 1,5 Mio. Ukrainer, die in polnischen Firmen arbeiten und ohne die die polnische Wirtschaft zusammenbrechen würde.

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In diesem Fall können Deutsche und andere Ausländer nach Polen einreisen, wenn sie am Grenzübergang eine Bescheinigung vorlegen, die ihre reguläre Beschäftigung in Polen belegt, teilte die Staatskanzlei in Warschau mit. Sie müssen sich auch keiner Quarantäne unterziehen. Im Regelfall nehmen die Grenz-Beamten nur eine Fieber-Messung vor. Wenn der Ausländer keine Corona-Verdachts-Momente aufweist, kann er ohne Quarantäne-Zwang nach Polen einreisen.
Dies gilt auch ausländische Fahrer von Waren-Transporten und Geschäftsleuten, die ihre Firma in Polen oder andere polnische Firmen für geschäftliche Zwecke aufsuchen.
Wichtig für eine problemlose Einreise ist vor Antritt der Reise die Vorbereitung entsprechender Dokumente. Unternehmen, die Transporte in Polen abholen, sollten sich schon vorher die CMR-Bescheinigung von ihren polnischen Partner mailen lassen und eine Bescheinigung für den Fahrer mit Name, Lade-Ort, und Kennzeichen des Fahrzeugs erstellen. Auch deutsche Unternehmer sollten für eine Dienstreise nach Polen sich vorher selbst eine Bescheinigung ausstellen, auf der Name, Funktion und vor allem die Adresse des zu besuchenden Unternehmens deutlich hervorgehoben ist. Und ganz wichtig: Stempel. Aber das weiß ohnehin jeder Polenerfahrene Unternehmer, dass die polnische Beamten-Hierarchie auch in Zeiten elektronischer Daten-Verarbeitung und –übertragung immer noch den Stempel huldigt.
Auch Deutsche und Ausländer, die mit einer polnischen Staatsbürgerin bzw Staatsbürger verheiratet sind, können nach Polen einreisen. Allerdings müssen sie sich nach der Einreise in eine häusliche Quarantäne begeben.
Die Einreise-Regelung gilt auch für Kinder, bei denen ein Elternteil polnische Mutter oder polnischer Vater sind.

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Corona: Polen schließt Grenzen mit Schuld-Zuweisung

Im Stile von US-Präsident Donald Trump, also mit Vorwürfen gegen die westlichen EU-Staaten, hat Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki wegen der Corona-Pandemie die Schließung der Landes-Grenzen angeordnet. Seit Mitternacht den 15. März sind die Grenzen geschlossen.   Wir können uns nicht erlauben, dass der Virus nach Polen gebracht wird, ,,um weitere unsere Bürger zu infizieren.“, heißt es in der offiziellen Erklärung.

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Der Seitenhieb richtet sich vor allem gegen Deutschland und die Behörden in Nordhein-Westfalen und ihren laschen Umgang mit den Vorgängen im Kreis Heinsberg. Polens erster bestätigter Corona-Fall fand dort seinen Ausgangspunkt. Eine polnischer Bürger hat sich dort bei Karnvalsveranstaltungen infiziert und den Virus nach Polen eingeschleppt. Vor der jetzigen Schließung der Grenzen hatte das polnische Außenministerium  bereits eine Woche zuvor eine Reisewarnung für Nordrhein-Westfalen ausgegeben.

Deutscher in Polen verstorben

Inzwischen ist die Zahl der Corona-Verdachtsfälle auf 62 gestiegen. Auch gibt es bereits einen ersten Todesfall. Eine 55jährige Frau ist in Poznań an COVID-19 verstorben. Allerdings hatte sie schwere Atemwegs-Vorerkrankungen. Auch ein 72jähriger Deutscher soll  bei einem Besuch in der Wohnung von Bekannten in Bochlin (nahe Danzig/Gdansk) am Corona-Virus verstorben sein, berichteten zunächst polnische Medien. Rückfragen beim Wojewodschaftsamt ergaben jedoch, dass der Deutsche vermutlich an Grippe verstorben ist. Genaue Befunde liegen allerdings noch nicht vor.

PKN Orlen schließt Gastronomie-Punkte an Tankstellen – in Polen, nicht in Deutschland

In Polen wurden bereits bis zum 25.März die Schließung aller Schulen, Kitas und Hochschuleinrichtungen angeordnet.  Alle Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen wurden untersagt. In den großen Einkaufszentren dürfen nur noch Lebensmittel-Märkte, Apotheken und Drogerien geöffnet werden. Bei IKEA wurden alle Möbelkaufhäuser geschlossen. Der staatlich kontrollierteTankstellenkonzern PKN kündigte an, ab sofort die gastronomischen Einrichtungen in seinen Tankstellen zu schließen und die gastronomische Angebote auf ein Minimum zu reduzieren- in Polen!  In Deutschland, wo PKN Orlen über 600 Tankstellen betreibt, gibt es solche Einschränkungen nicht.

Die polnische Regierung hat auch alle Flug- und Zugverbindungen nach Polen ausgesetzt. Nachdem bereits  im Vorfeld an den Grenzübergängen nach Deutschland  stichprobenartige Kontrollen für einreisende Busse und Transporter mit mehr als 8 Personen eingeführt wurden, sind jetzt ab Mitternacht zum 15.März alle Grenz-Übergänge geschlossen worden. Die Grenzschließung gilt zunächst für 10 Tage.

Allen Nicht-Staatsbürgern  wird die Einreise nach Polen verwehrt, meldeten viele deutsche Medien. Wie aus der polnischen Staatskanzlei zu erfahren ist, handelt es sich aber nicht um ein generelles Einreise-Verbot für alle Deutschen und anderen Ausländern nach Polen. Welche Deutsche bzw. andere Ausländer trotz Grenzschließung  nach Polen einreisen dürfen, erfahren Sie hier.

PL-MVI-Agentur

Deutsche: Kurz vor Grenzschließung Schlangestehen beim Zigaretten-Händler Foto: PL-MVI-Agentur

Das Einreise-Verbot trifft in erster Linie die Deutschen, die seit vielen Jahren jeden Tag  zu Zehntausenden die polnischen Grenzstädte aufsuchen, um dort die – inzwischen nur vermeintlich – billigeren Waren und Dienstleistungen einzukaufen.   Am Vortag der Grenzschließung haben sie noch aufgestachelt von den Medien-Meldungen in einem Anflug von Hysterie die polnischen Grenzstädte überflutet, um sich dort mit Zigaretten einzudecken oder den Auto-Tank vollzumachen.

Ein viel größeres Problem bringt die Grenzschließung für die polnischen Bürger mit, die im westlichen Ausland arbeiten. Denn anders als im kleinen Dänemark oder Tschechien, die nahezu zeitgleich die Grenzen geschlossen haben, sind die Dimensionen der Arbeits-Migration hier ganz andere. Knapp 2,5 Mio. Polen arbeiten in Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Holland, Frankreich und allen anderen westeuropäischen Ländern. Sie dürfen zwar nach Polen einreisen. Jedoch müssen sie sich nach der Einreise eine Quarantäne unterziehen. Und diese Quarantäne erfolgt nicht auf Grundlage der Freiwilligkeit, sondern unter ,,przymus“, teilten Beamte des polnischen Grenzschutzes infopol.PRESS mit.  Also unter Zwang.  14 Tage  dauert die Quarantäne. Gerade für jene polnischen Arbeitskräfte, die im Ausland im Wochen- oder 14-Tage-Rhythmus arbeiten, kann dies für eine Weiterbeschäftigung problematisch werden.

Das Gleiche gilt für die Tausenden polnischen  Pendler, die jeden Tag nach Berlin, Dresden oder anderen Orten in Grenznähe zur Arbeit fahren. Für sie entfällt die Quarantäne-Pflicht. Doch je nach Verlauf der Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf den jeweiligen Arbeitsbereich, sind die Pendler Risiken ausgesetzt. Sie müssen Nachweis-Bescheinigungen vorweisen. Bei einem Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitgeber dürfte dies kein Problem sein. Und auch wenn in dem Fall ein Corona-Verdacht auftritt und der polnische Arbeitnehmer zu Hause bleibt, muß er sich um die Lohnfortzahlung keine Sorgen machen. Anders sieht es dagegen bei den Pendlern aus, die auf Grundlage eines Vertrages mit einer  polnischen Zeitarbeits-Firma  in Deutschland arbeiten. Für sie gilt, was für alle Arbeitgeber in Polen vorgegeben ist.

Um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft abzumildern hat die polnische Regierung Finanzhilfen und die zeitweise Aussetzung von Steuer- und Sozial-Abgaben versprochen.  Auf eine Haupt- Forderung  der Arbeitgeber-Verbände ist sie aber nicht eingegangen. Die verweisen auf Kurzarbeiter-Regelungen, wie es sie in Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Ländern schon seit Jahrzehnten gibt. In Polen gibt es solche Regelungen nicht. Hier muß entsprechend den gesetzlichen Regelungen ein Arbeitgeber bis zum 33 Tag der Krankschreibung eines Mitarbeiters die Kosten übernehmen.   Wenn jetzt ein Mitarbeiter wegen des Corona-Verdachts in die Haus-Quarantäne geschickt wird, kann es ganz schnell passieren, dass der rigide Sanitärdienst Sanepid sofort den ganzen Betrieb schließt. Polens größter Arbeitgeber-Verband Lewiatan argumentiert in seiner Stellungnahme, dass in dieser Situation ,,höhere Gewalt“ gegeben ist, und nicht die Arbeitgeber, sondern auch der Staat mit die Kosten der Lohnfortzahlung wegen der Quarantäne mittragen muß. So wie es jetzt ist, würden die Arbeitgeber nach Auffassung des Verbandes doppelt bestraft werden. Der Produktions-Stopp gefährdet nicht nur die Existenz der Firma. Der Arbeitgeber muß  gleichzeitig noch die Kosten der Lohnfortzahlung tragen.

Besonders dramatisch , und das bereits vor der Grenz-Schließung, ist die Situation in der Transport-Branche, die in der EU einen Spitzenplatz einnimmt.  Knapp ein Drittel aller grenzüberschreitenden Transporte zwischen Lissabon und Talinn werden von polnischen Transport-Unternehmen mit 247 000 Fahrzeugen ausgeführt. Die ersten großen polnischen Branchen-Unternehmen beginnen ihre Fahrer in den Zwangs-Urlaub ohne Bezahlung zu schicken. Die Busverkehrs-Branche – die polnische Flotte im internationalen Busverkehr zählt 14 000 Busse – existiert praktisch jetzt schon nicht mehr. Über 90 Prozent der Bestellungen und Reservierungen sind für die nächsten drei Monate storniert worden. ,,Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir ohne Hilfe von außen nicht überleben können”, schreiben die Verbände in ihrem Hilfs-Appell an Ministerpräsident Morawiecki.

Doch der Staatshaushalt und die öffentlichen Finanzen sind überhaupt nicht auf die Corona-Krise vorbereitet. Mit der Corona-Krise ist jetzt eine Situation eingetreten, wovor die Ökonomen in Polen seit Jahren gewarnt haben. Während andere Länder in der EU die zurückliegende Konjunktur genutzt haben, um finanzielle Reserven zu bilden und die Verschuldung abzubauen, hat die PiS-Regierung die Einnahmen-Überschüsse ungehemmt für Sozial-Transfers im Rahmen von Wahlversprechen hochgetrieben. Finanzielle Reserven zur Unterstützung der Wirtschaft sind jetzt nicht mehr vorhanden.

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