Luftverkehr über Warschau wird eingeschränkt

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Flug-Passagiere von und nach Warschau müssen sich ab 1.Mai auf eine massive Streichung von Flügen einstellen. Die polnische Regierung hat jetzt eine Verordnung herausgegeben, die Einschränkungen des Luftraums über Warschau vorsieht. Grund dafür sind nicht etwa die Luftfahrt-Sanktionen gegen Russland und der Krieg in der Ukraine, sondern ein seit Wochen geführter Tarif-Konflikt um die Gehälter der Fluglotsen.
In Verbindung mit den beschränkten Möglichkeiten der Flugsicherung über den Warschauer Luftraum werden in der amtlichen Verordnung die Start- und Landezeiten auf den beiden größten polnischen Flughäfen in Warschau – Chopin-Flughafen Warschau und Modlin – auf den Zeitraum von 9.30 bis 17.00 Uhr eingeschränkt. Dies hat nicht nur eine Streichung von mindestens ein Drittel aller Flüge von und nach Warschau zur Folge. Betroffen könnten auch Flüge durch den polnischen Luftraum sein, was durch Umleitungen Auswirkungen auf den gesamten europäischen Luftverkehr hat.
Welche Flug-Verbindungen annulliert werden, ist bislang noch offen. In der Regierungs-Verordnung ist aber eine Prioritäten-Liste mit Flugzielen aufgeführt, die bevorzugt bei der Abfertigung des Flugverkehrs behandelt werden. Ganz oben auf der Prioritäten-Liste stehen die Flugziele London, Frankfurt, New York, Paris und Brüssel. Im weiteren Verlauf der Liste werden u.a. München, Wien und Zürich aufgeführt. Am unteren Ende der Liste stehen Düsseldorf, Berlin und der polnische Regionalflughafen Goleniów (bei Stettin/Szczecin).
Mit den am 1.Mai vorgesehen Beschränkungen zieht die polnische Regierung die Notbremse nach den seit Wochen ohne Einigung geführten Verhandlungen über die Gehälter der Fluglotsen.
Das zivile polnische Luftfahrtsamt PAŻP hatte Ende vergangenen Jahres ein neues Vergütungssystem mit einer Senkung der Gehälter für die Fluglotsen eingeführt. Die Gehälter-Senkung wurde mit dem Rückgang des Flugverkehrs in der Corona-Pandemie und den geringeren Einnahmen aus den von den Airlines zu entrichtenden Gebühren begründet. 180 der 208 in Warschau arbeitenden Fluglotsen nahmen die Gehalts-Kürzung nicht hin. Ende März schieden die ersten 44 Fluglotsen aus dem Dienst aus. Für weitere 136 Fluglotsen endet die Kündigungsfrist am 30.April. Damit würden ab 1.Mai nur noch 28 Fluglotsen zur Verfügung stehen.
Nach erfolglosen Verhandlungen mit der Gewerkschaft kündigte die im April neu ernannte Leiterin der Flug-Sicherheitsbehörde eine Rücknahme der Kündigungen und Rückkehr zu den alten Vergütungs-Bedingungen an. Diese Versprechen sahen die gewerkschaftlichen Vertreter und Anwälte der Lotsen jedoch nicht erfüllt. Nach Ostern wurde nahezu täglich über die Gehaltsforderungen verhandelt. Bislang ohne Ergebnis.

Nach deutschen Fluglotsen höchste Vergütungen in Europa

Infrastruktur-Minister Andrzej Adamczyk, der zuletzt als Vermittler die Verhandlungen begleitet hat, verwies darauf, dass eine gute Bezahlung für Fluglotsen völlig unstrittig ist. Schließlich tragen Fluglotsen eine enorme Verantwortung. Ein kleinster Fehler von ihnen kann Hunderten von Menschen das Leben kosten. Entsprechend hatten polnische Fluglotsen vor Beginn der Corona-Krise nach den deutschen Fluglotsen die höchsten Gehälter in Europa. Ein erfahrener Fluglotse kam mit den Zuschlägen in der Spitze auf bis zu 100 000 Złoty im Monat, also umgerechnet mehr als 20 000 Euro.
Mit der Corona-Pandemie und dem Rückgang des Flugverkehrs wurden die Gehälter der Lotsen drastisch reduziert. Nach Angaben des Ministers haben die Fluglotsen in Warschau gegenwärtig ein Gehalt von rund 33 500 Złoty (rund 7500 Euro) im Durchschnitt pro Monat. Die höchsten Gehälter liegen mit den verschiedenen Zuschlägen gegenwärtig bei 70 000 Złoty ( rund 15 500 Euro) . Laut dem Minister laufen die Forderung der Gewerkschaft auf eine Verdopplung der gegenwärtig gezahlten Durchschnitts-Gehälter hinaus. Dies hätte die Konsequenz, die von den Airlines zu entrichtenden Flug-Gebühren zu erhöhen, was zu einer Verteuerung der Flug-Tickets für die Passagiere führen würde.
Die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaftsvertretung der Fluglotsen und der Luftfahrtbehörde dauern noch weiter an.
Die von der Regierung vorgesehenen Beschränkungen auf den Warschauer Flughäfen sind zunächst bis 31. Mai befristet.

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Russische Kohle gesetzlich verboten, nicht aber LPG-Gas

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Das polnische Parlament hat in seinen heute in Kraft getretenen Sanktions-Gesetz den Import von Kohle aus Russland und Belarus beschlossen. Der Import von russischen LPG-Gas wurde jedoch vom Verbot ausgeschlossen.
Der Senat, die zweite Kammer des polnischen Parlaments, hatte ursprünglich in einer Änderung zum Gesetzentwurf den Import von russischen LPG-Gas in die Sanktionen eingeschlossen. Mit knapper Mehrheit hat die Regierungskoalition diese Änderung überstimmt. Vizepremier Jacek Sasin von der nationalkonservativen PiS-Partei argumentierte, dass das Import-Verbot für russisches LPG-Gas schädlich wäre.
LPG (Liquefied Petroleum Gas) ist ein Propan-/Butan-Gemisch, das in Polen insbesondere in ländlichen Regionen zum Heizen und Kochen und als Autogas benutzt wird. Neben Italien nimmt Polen in Europa einen Spitzenplatz in Europa bei der Verwendung von LPG-Flüssiggas als Fahrzeug-Antrieb ein.
3,5 Mio Polen wären der Möglichkeit beraubt, billigen Treibstoff zu tanken, wenn der jetzt beschlossene Sanktions-Mechanismus auch auf russisches LPG-Gas Anwendung gefunden hätte, verteidigte Vizepremier Sasin den Beschluss der Regierungskoalition. Von der Opposition kam dagegen heftige Kritik. Seit Wochen führt Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und seine Regierung in der Öffentlichkeit verbale Angriffe gegen die Führung anderer EU-Staaten, darunter Deutschland, dass sie Sanktionen gegen Russland insbesondere beim Bezug von russischen Erdgas und Erdöl verzögern und damit Putins Krieg in der Ukraine weiter finanzieren. Wenn es jedoch um die eigenen Interessen geht, gilt dies nicht. ,,Die Regierung liebt es, den Splitter in den Augen des anderen zu sehen, Sie selbst ist jedoch auch kein Primus“ kritisierte eine Abgeordnete der Oppositionspartei Polska 2050 den Beschluss, den Bezug von russischen LPG-Gas vom Verbot auszunehmen.

Polen bisher zweitgrößten EU-Importeur von russischer Kohle

Das jetzt per Gesetz beschlossene Verbot russischer Kohle schmerzt Polen wie die gesamte EU am wenigsten. Laut Eurostat hat Russland 2020 über 43 Mio. t Steinkohle an die EU verkauft. Mit 9,40 Mio. t war Polen nach Deutschland (14,23 Mio. t) zweitgrößter Importeur von russischer Steinkohle in der EU. Allerdings wurde russische Steinkohle in Polen nicht als energetische Kohle zur Stromerzeugung eingesetzt. Die vom Staat kontrollierten Kohlekraftwerke setzen polnische Steinkohle ein. Russische Steinkohle wurde bisher in den Privat-Haushalten und örtlichen Heizwerken zur Wärmeerzeugung eingesetzt. Russische Steinkohle ist von besserer Qualität als polnische Steinkohle und billiger.
Die polnischen Kohle-Gesellschaften haben bereits angekündigt, die eigene Kohle-Förderung zu erhöhen. So will die Tauron-Gruppe ihre Förder-Kapazität von gegenwärtig 4,6 Mio. t auf 6 Mio. t erhöhen. Auch Polens größter Kohlekonzern PGG hat eine Erhöhung des Kohle-Abbaus angekündigt. Allerdings wird dies nicht innerhalb von wenigen Monaten geschehen und auch nicht ausreichen, um die russische Steinkohle zu ersetzen. Kohle wird auf dem Weltmarkt zugekauft werden müssen, allerdings zu höheren Preisen. Und das wird dann wohl auch russische Steinkohle sein, denn es stehen genügend Länder bereit, die sich nicht an den Sanktionen beteiligen und russische Steinkohle-Exporte annehmen. So suggeriert ein Bericht russischen Lomonossow-Universität, dass die russische Steinkohle, die bisher an die EU verkauft wurde, künftig in die Türkei geliefert wird. Mit der schon seit vielen Jahren in der internationalen Geschäftswelt praktizierten Methode der ,,Neutralisierung der Warenherkunft“ wird diese dann schon als nichtrussische Kohle in der EU weiterverkauft.

Stopp für russische und belarussische Lkw

Das vom polnischen Parlament beschlossene Sanktions-Gesetz verbietet auch deren Transit durch Polen. Darüber hinaus ist auch heute Nacht (16.April) auf Antrag Polens im Rahmen des fünften Sanktionspakets der EU ein Verbot für russische und belarussische Straßen-Transportunternehmen auf dem EU-Gebiet in Kraft getreten. Bereits im Vorfeld hatte es mehrfach Straßen-Blockaden von pro-ukrainischen Initiativ-Gruppen an den Grenzübergängen nach Belarus gegeben. Die polnischen Zollbehörden selbst haben in dieser Woche bis 12.April 236 Lkw mit russischen und belarussischen Kennzeichen die Einfahrt nach Polen verweigert. Zu erwarten ist, dass mit dem heute generell eingeführten Einfahrt-Verbot Russland und Belarus Gegen-Maßnahmen treffen werden und die Einfuhr von Lkw mit EU-Kennzeichen verbieten. Allerdings gibt es Ausnahmen, u.a. für den Transport von medizinischen Produkten und Lebensmitteln sowie Vieh-Transporten.

Polnische Liste zur Einfrierung des Vermögens

Das vom polnischen Parlament beschlossene Sanktions-Gesetz sieht auch die Einfrierung des Vermögens von Privatpersonen und Unternehmen vor, die Putins Krieg unterstützen. Dazu soll eine spezielle Personen-Liste erarbeitet werden. Namen sind bislang noch nicht benannt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird auf der Liste auch Wjatscheslaw Moshe Kantor stehen. Dem russischen Milliardär mit einem geschätzten Vermögen von 3 Mrd. Dollar werden Beziehungen zu Putin nachgesagt. Seine Karriere begann aber bereits unter Boris Jelzin, als er mit dem Vermögen aus dem Verkauf von Computern sich die Mehrheits-Rechte an dem russischen Chemie- und Düngemittelkonzern Acron sicherte. 2012 versuchte Kantor mit Acron die polnischen Stickstoffwerke in Tarnów zu übernehmen, an denen der polnische Staat beteiligt war. In Warschau wurde dies als Versuch einer feindlichen Übernahme bewertet. Für Polen war die Abhängigkeit von weiteren russischen Rohstoffen –in dem Fall Apatit, ein wichtiges Erz zur Gewinnung von Phosphor und damit zur Herstellung von Düngemitteln – nicht hinnehmbar. Durch eine Fusion mit anderen polnischen Düngemittel-Werken, in deren Ergebnis die Azoty-Gruppe entstand, und eine Änderung der Statuten wurde Kantor, der international als Philanthrop  im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus eine große Reputation genießt und zu den Großspendern  der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gehört, die Übernahme erschwert. Letztlich konnte Kantor mit Acron seinerzeit nur 12 Prozent von Polens zweitgrößten Chemie-Unternehmen erwerben. In den nachfolgenden Jahren kaufte Kantor mit Acron weitere Aktien-Pakete an der Börse zu und besitzt heute knapp 20 Prozent an der Azoty-Gruppe. Weitere Zukäufe machen allerdings keinen Sinn, da sich der polnische Staat durch die geänderten Statuten die operative Kontrolle über die Azoty-Gruppe gesichert hat.

Keine Vergabe von öffentlichen Aufträgen

Auf der Sanktions-Liste dürfte auch der russische Milliardär Oleg Deripaska stehen, der über die auf Zypern registrierte MKAO Rasperia Trading mit rund 30 Prozent Anteilen zu den Eigentümern des Baukonzerns Strabag gehört. Nach Aufkündigung des Syndikatsvertrag Anfang März mit der von Deripaska dominierten Rasperia Trading durch die anderen Strabag-Aktionäre hat Deripaska über die Rasperia Trading zwar keine Mitbestimmungsrechte mehr, ist aber weiterhin an der Strabag beteiligt. Vieles wird nun von der Auslegung des polnischen Gesetzgebers abhängig sein, ob die Strabag künftig noch öffentliche Aufträge in Polen erhält. Schließlich ist der Baukonzern einer der größten Auftragnehmer von öffentlichen Bauaufträgen in Polen. Laut tenders. guru hat die Strabag im Verlauf der vergangenen drei Jahre in Polen öffentliche Aufträge im Wert von über 3 Mrd. Złoty an sich ziehen können. Im polnischen Sanktionsgesetz ist dagegen der Ausschluss von auf der Sanktions-Liste stehenden Personen und Unternehmen an öffentlichen Auftrags-Vergabeverfahren festgeschrieben. In Polen ist der mit dem Kreml vernetzte Deripaska nach Recherchen der Stiftung Moje Panstwo Nutznießer von 31 im Handelsregister registrierten Gesellschaften. Die Mehrheit von ihnen ist mittelbar mit der Strabag verbunden. Dazu gehört auch das Hotel Polonia-Palace im Zentrum von Warschau. Das Luxus-Hotel war lange Zeit die Visitenkarte von Warschau.
Das Hotel gehört zur Gruppe der Syrena-Hotels. Die gehört zu der auf Zypern registrierten Syrena Immobilien Holdings Ltd. Verfolgt man weiter die Kapital-Verbindungen, taucht dann laut der Stiftung der Name Oleg Deripaska als Nutznießer auf.

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Polen kauft 250 Abrams-Panzer für die Eiserne Division

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Das polnische Verteidigungsministerium hat jetzt einen Vertrag für die Lieferung von 250 amerikanischen Abrams-Panzern vom Typ M1A2 unterzeichnet. Mit einem Vertragswert von 4,75 Mrd. Dollar ist der Kauf der Abrams der teuerste Rüstungs-Einkauf in der Geschichte der polnischen Armee.
Vize-Premier und PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński hatte bereits im vergangenen Sommer den Kauf der Panzer angekündigt. Zu dem Zeitpunkt war allerdings noch nichts bestätigt. Langwierige Verhandlungen standen erst am Anfang. Der Krieg in der Ukraine hat nun alles beschleunigt. In dem finalen Akt hat jetzt Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak den Vertrag zu Lieferung von 250 Abrams-Panzer an die polnischen Streitkräfte unterzeichnet. ,,Die ersten 26 Panzer sollen noch dieses Jahr in Polen eintreffen, um mit der Schulung der Panzerbesatzungen zu beginnen. Ihre Aufgabe ist die Abschreckung eines eventuellen Aggressors“, sagte der polnische Verteidigungsminister bei der Vertragsunterzeichnung.
Bei den Abrams M1A2 für die polnischen Streitkräfte handelt es sich um die dritte Generation SEPv3. Erst 2018 in die Serien-Produktion gegangen, wurden sie vor zwei Jahren in den Dienst der amerikanischen Land-Streitkräfte gestellt. Ältere Versionen der Abrams hatten sich u.a. bei der Operation ,,Wüstensturm“ im Zweiten Golfkrieg Anfang der 90er Jahre und bei späteren Einsätzen der US-Armee im Irak-Krieg und in Afghanistan bewährt. Die von Polen bestellten Abrams-Panzer wurden projektiert, ,,um den russischen Panzern der neuesten Generation entschieden die Stirn zu bieten“, ist der polnische Verteidigungsminister überzeugt.

Polnische Armee mit Abrams größte Panzerwaffe in Europa

Die polnische Armee verfügt gegenwärtig über 247 deutsche Leopard-Panzer, 352 veraltete
sowjetische Panzer T-72 sowie 232 PT-91-Panzer (modernisierter T 72). Mit den 250 amerikanischen M1A2 Abrams-Panzer wird die polnische Armee einen größeren Panzerbestand haben als die britischen und französischen Streitkräfte sowie die Bundeswehr. Nach Russland verfügt die polnische Armee dann über die
größte Panzerwaffe in Europa.
Bei polnischen Militär-Experten ist unumstritten, dass die Abrams hervorragende moderne Panzer sind. Einige Zweifel bleiben dennoch bestehen, ob eine starke Panzerwaffe noch ein Mittel der modernen Kriegsführung ist. Dies macht auch der Krieg in der Ukraine deutlich. Die russische Armee hat dort große Panzer-Verluste erlitten. Obwohl viele der russischen Panzer über ein Anti-Luftraketensystem verfügten, wurden sie ein leichtes Ziel für Drohnen und moderne Panzer-Abwehrraketen, die von einzelnen Schützen aus der Deckung abgeschossen werden.
Mit den Abrams-Panzern steht die polnische Armee jedoch auch vor der Herausforderung, den Bestand von drei verschiedenen Panzer-Typen im System zu warten und zu erhalten, was neben der Material-Logistik mit enormen Kosten verbunden ist. Zudem sind die Abrams-Panzer 70-Tonnen-Kolosse. Sie verbrauchen doppelt so viel Treibstoff wie der deutsche Leopard. Bereits im vergangenen Jahr hatte der ehemalige
General-Chef der polnischen Streitkräfte, Panzer-General Mirosław Róźański kritisch angemerkt, dass die Abrams Panzer nur wenig für polnische Bedingungen geeignet sind. Viele Brücken würden überhaupt nicht deren Gewicht standhalten. Dies betrifft insbesondere die Infrastruktur im Osten Polens, wo die 2018 von der PiS-Regierung reaktivierte ,,Eiserne Division“ mit den Abrams Panzern zum Schutz der östlichen Flanke Polen ausgerüstet wird.
Die mit den Beinamen ,,Eiserne Division” reaktivierte 18. Mechanisierte Division gilt in der polnischen Militärgeschichte als Elite-Einheit. Sie wurde nach der Wiedererlangung der nationalen Souveränität und Gründung der Zweiten Polnischen Republik 1919 aus Einheiten der Blauen Armee gebildet und im polnisch-ukrainischen Krieg beim Anschluss Ost-Galiziens an Polen erfolgreich eingesetzt.
Die Blaue Armee (benannt nach der Uniform-Farbe) rekrutierte sich im 1.Weltkrieg aus polnisch-amerikanischen Freiwilligen, die für die Unabhängigkeit Polens an der Westfront unter französischen Oberkommando kämpften.

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Polnische Städte erwarten weitere 5 Mio. Flüchtlinge

Foto: MJN / Twitter

Über 1,43 Mio. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben bereits die Grenze nach Polen überschritten. Die Hilfsbereitschaft eines übergroßen Teils der polnischen Bevölkerung ist nach wie vor groß. Doch es gibt bereits erste Stimmen, die vor gigantischen Problemen des Landes und der Gefahr einer humanitären Katastrophe warnen.
142.300, 141 500 und 117 600 – Das sind die Zahlen der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die allein in den vergangenen drei Tagen über die Grenze nach Polen geströmt sind. Nach Schätzung des polnischen Migrations-Wissenschaftlers Maciej Duszczyk von der Warschauer Universität haben bereits etwa 40 Prozent der nach Polen geflüchteten Ukrainer das Land wieder verlassen oder sind bereits auf den Weg in andere EU-Länder. Es verbleiben aber immer fast eine Million Flüchtlinge in Polen. Einige von ihnen haben in den an den Grenzorten zur Ukraine eingerichteten Notunterkünften Platz gefunden. Der größte Teil wurde jedoch von Privat-Personen, Freunden, Bekannten in privaten Unterkünften aufgenommen. Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die jetzt an der Grenze zu Polen ankommen, sind allerdings bereits schon Menschen, die keine Kontakte nach Polen oder in die EU haben.
Inzwischen erinnern die Bilder vom Warschauer Zentralbahnhof an die vom Spätsommer 2015 in Budapest. Mit einem wesentlichen Unterschied: Eine Vielzahl von Privat-Personen, Helfer von privaten und nichtstaatlichen Organisationen, Unternehmen und lokalen Behörden leisten aufopferungsvolle Hilfe, kaufen auf eigene Kosten Lebensmittel, Hygiene-Produkte, medizinische Hilfsmittel für die Flüchtlinge. Aus ihren Reihen kommt jetzt zunehmend Kritik an der Regierung, deren einziger Verdienst, wie in Kommentator der ,,Rzeczpospolita“ ironisch schreibt, bisher darin bestand, ,,die Polen nicht bei der Verteilung ihrer Hilfsgaben an die ukrainischen Kriegsflüchtlinge gestört zu haben“. Es wurden weder zentrale Flüchtlings-Aufnahmelager noch große Wohneinrichtungen vorbereitet. Alles wurde den privaten Initiativen überlassen, die jetzt an die Grenzen ihres Leistungsvermögens stossen.
Es herrscht inzwischen ,,Chaos“ , erklärte Warschaus größte private Bürger-Initiative MJN. Die Flüchtlinge im Zentrum von Warschau würden unter schlechten Bedingungen leben, ohne angemessenen Zugang zu Heizung, Wasser, Strom, Toiletten und regelmäßigen Mahlzeiten.
Auch der Verband der polnischen Großstädte UMP appelliert an die Regierung, jetzt schleunigst ein professionelles System zur Aufnahme der Flüchtlinge und ihre Weiterleitung in anderer Landesteile zu organisieren. Die Zeit, da die Hilfe nur vom Herzen kommt, sei vorbei, sagte der Vorsitzende des Städteverbandes, Rafał Trzaskowski, Stadtpräsident von Warschau. Es kommen immer mehr Kriegsflüchtlinge. Der Städteverband rechnet mit weiteren 5 Mio. Flüchtlingen. Um mit dieser gewaltigen Herausforderung müsse sich die Regierung auch professionelle Hilfe vom UN-Flüchtlingshilfswerk und der Europäischen Union holen.
Von den von der Regierung angekündigten 40 Złoty (8,30 Euro) pro Tag an Personen und Einrichtungen, die Ukrainern eine Unterkunft bieten, ist bei den Kommunen noch nichts angekommen, beklagt der Städteverband. Zudem sei der Betrag viel zu niedrig.
Die finanzielle Hilfe ist Bestandteil eines vom polnischen Parlament gebilligten Gesetzes zur Unterstützung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge. In dem Gesetz wird den Ukrainern ein Schutzstatus, die Legalisierung ihres Aufenthalts für 18 Monate, der genehmigungsfreie Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Sozialleistungen, Bildung und Gesundheit zugesprochen. Die ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen hier die gleichen Rechte erhalten wie polnische Bürger. Von den Rechten werden allerdings die Ehepartner von ukrainischen Kriegsflüchtlingen ausgegrenzt, die eine russische Staatsbürgerschaft oder die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes haben. Dies gilt  auch generell für Kriegsflüchtlinge mit anderer Staatsbürgerschaft.
Allein die Kosten für die gesundheitliche Betreuung der Kriegsflüchtlinge werden von der Regierung auf 8 Mrd. Złoty geschätzt. Dieser Schätzung liegt allerdings die Annahme von rund 1 Mio. ukrainischer Kriegsflüchtlinge in Polen zugrunde.
Bei den Kostenschätzung von 8 Mrd. Złoty handelt es sich jedoch nur um einen kleinen Ausschnitt der Kosten, Belastungen und Probleme, mit denen die polnische Gesellschaft zukünftig konfrontiert sein wird.

Die Welle der Hilfsbereitschaft, die Polen gegenwärtig durchzieht, könnte bald zusammenbrechen, warnt der Migrations-Experte Duszczyk. Spätestens dann, wenn die ersten Fragen und Proteste in der polnischen Gesellschaft auftauchen, wenn für die eigenen Kinder die Plätze in den Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen, das Schul-System auseinanderplatzt – in Polen sind bereits 250 000 Kinder, den Flüchtlingen die Sozialleistungen wie 500+ zugesprochen werden, oder der Zugang zur eigenen medizinischen Versorgung erschwert ist. Dann tauchen auch die Dämonen der leidvollen, nur in Ansätzen aufgearbeiteten polnisch-ukrainischen Vergangenheit auf, die viele Polen heute noch bewegen.

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Polen sperrt Luftraum für russische Flugzeuge

 

In Reaktion auf die Invasion russischer Truppen in der Ukraine hat Polen seinen Luftraum für russische Fluggesellschaften gesperrt. Das von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki angeordnete Verbot gilt seit heute Mitternacht. Mit der Anordnung ist sowohl der Start und die Landung von Flugzeugen russischer Fluggesellschaften, insbesondere der Aeroflot, auf polnischen Flughäfen verboten wie auch der Über-Flug von deren Flugzeugen über das polnische Territorium aus anderen Staaten.

Nach Angaben der polnischen Luftfahrtbehörde verkehrten Mitte Februar vor Krieg-Ausbruch in der Ukraine täglich zwischen 970 und 1 110 Flüge zwischen Russland und anderen europäischen Ländern, rund 250 bis 350 nach oder von Polen.
Mit der Sperrung seines Luftraums folgte Polen dem Beispiel von Großbritannien, das ein sofortiges Landeverbot für Russlands nationale Fluggesellschaft Aeroflot auf seinen Flughäfen ausgesprochen hatte. Als Reaktion darauf hatte Russland sofort auch britische Flugzeuge aus seinem Luftraum verbannt. Eine ähnliche Reaktion aus Moskau wird auch im Fall von Polen erwartet.
Luftfahrtexperten verweisen darauf, dass der Luftraum über Russland für die europäischen Luftfahrtgesellschaften strategische Bedeutung hat. Flüge von Europa nach Asien unter Umgehung des Luftraums über Sibirien sind kaum rentabel. Darüber hinaus verlängert sich bei Langstrecken-Flügen von Europa nach Asien über das Schwarze Meer und den Nahen Osten die Flugzeit.
Neben Polen haben auch die EU-Länder Tschechien und Bulgarien ihren Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt.
In Warschau hatte man ursprünglich erwartet , dass die EU eine Entscheidung zur Schließung des Luftraums – die in die Zuständigkeit jedes Landes fällt – koordinieren würde. Dies ist jedoch ausgefallen. Ohnehin erwartet man in Warschau entschlosseneres Handeln vom Westen gegen Putin anstatt langer Diskussionen, Ankündigungen und Protest-Erklärungen. Noch vor dem Abflug zum EU-Krisengipfel zu den Sanktionen gegen Russland erklärte Regierungschef Morawiecki : ,,Genug von den allgemeinen Erklärungen zur Unterstützung der Ukraine, genug von den Naivitäten. Die Zeiten des Geschwätzes und allgemeinen Geredes sind vorbei“. Das EU-Sanktionspaket müsse so ausgebaut werden, dass es für den russischen Aggressor in der Ukraine abschreckend wird.

Selbst der ehemalige EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk, der im Gegensatz zur nationalkonservativen PiS-Regierung für eine europafreundliche Politik steht, übte scharfe Kritik an der inkonsequenten Sanktionspolitik der EU und einiger ihrer Länder. Namentlich nannte er Deutschland, Ungarn und Italien. Auf Twitter schrieb Tusk: ,,Eure Sanktionen sind scheinheilig. Schande über diese Regierungen, die schwierige Entscheidungen blockiert haben.“ Auch Regierungschef Morawiecki hat bei seinem heutigen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz Deutschland aufgefordert, seinen ,,betonierten Egoismus“ aufzugeben. Die Ukraine brauche substanzielle Hilfe.  Morawiecki appellierte an das Gewissen Deutschlands, damit endlich wirklich harte Sanktionen beschlossen werden, die Russland unter Druck bringen. Im Zentrum der polnischen Forderungen steht der Ausschluss Russlands vom internationalen SWIFT-Bankensystem.  Auch müsse nicht nur Nord Stream 2, sondern auch die schon seit über 10 Jahren bestehende Erdgasleitung Nord Stream 1 abgeschalten werden.

Polnischer Waffentransport in die Ukraine. Foto Blaszczak / Twitter

Polen selbst hat dagegen weitere Waffen in die Ukraine geliefert. Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak veröffentlichte dazu auf seinem Twitter-Account ein Foto mit einem Lkw-Konvoi, der gestern in der Ukraine angekommen ist. Zu der gelieferten Militär-Ausrüstung gehören u.a. Panzer-Abwehrwaffen. Wegen der Situation in der Ukraine hat das polnische Verteidigungs-Ministerium auch die erhöhte Einsatz-Bereitschaft der Armee angewiesen. Urlaub, Ausgang usw. wurde gestrichen. Die Soldaten müssen in den Kasernen bleiben.

Heute wurde auch in Przemyśl an der Grenze zur Ukraine ein Rettungszug bereitgestellt, der für den Transport von 150 Verletzten aus der Ukraine umgerüstet wurde.


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Erstes Teilstück von Polens Eisernen Vorhang fertiggestellt

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Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat diese Woche den ersten fertiggestellten Abschnitt des 5,50 Meter hohen stählernen Grenzwalls an der polnischen Ostgrenze besucht. Bis Ende Mai soll er das polnische Territorium auf einer Länge von 186 Kilometern vom Nachbarland Belarus abriegeln.
Der Bau des stählernen Bollwerks wurde im vergangenen Herbst von der nationalkonservativen PiS-Regierung beschlossen, um den vom Lukaschenko-Regime in Belarus organisierten Ansturm von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten wirkungsvoll abzuwehren. Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes hat es seitdem über 40 000 Versuche des illegalen Grenzübertritts von Belarus nach Polen gegeben. Nach Androhung und Einleitung von Sanktions-Maßnahmen der EU gegen Belarus, konzertiert von diplomatischen Verhandlungen, sind diese jedoch ab Dezember deutlich zurückgegangen.
Morawiecki sagte bei seinem Inspektions-Besuch an dem Grenz-Bollwerk, dass die polnische Grenze ,,ein Heiligtum“ sei. War vor einigen Monaten noch zur Rechtfertigung des Mauerbaus und zur Einforderung der Solidarität der EU-Mitgliedsländer vom ,,Schutz der EU-Außengrenze“ die Rede, so legte Morawiecki jetzt Wert auf die Feststellung, dass ,,wir damit auch die Ostflanke der NATO schützen“.
Morawiecki erinnerte daran, wie ,,die EU vor Jahren versucht hatte, uns, die an der Ostflanke der NATO gelegenen Ländern, zu überreden, dass diese Grenzen offen bleiben. Wir haben uns damals dem grundsätzlich widersetzt. Und heute sagen Brüssel und Paris das, was wir damals gesagt haben. Sie haben uns recht gegeben. Heute sehen sie deutlich, das wir damals recht hatten und recht haben“. Gegnern und Zweiflern an der Sinnhaftigkeit des Grenz-Bollwerks will Morawiecki damit wohl sagen, dass die polnischen Regierung den Segen der EU hat, einen neuen Eisernen Vorhang zu errichten, der Europa vom Osten abtrennt. Darauf lässt auch seine Danksagung an die polnischen Grenzschützer schließen, dass die polnischen Grenzen ,,nicht nur eine Kontur auf der Landkarte sind“.

Der Eiserne Vorhang war zu Zeiten des Kalten Krieges ein Symbolbild für die Trennung von Ost und West.

In den sozialen Medien gibt es bereits erste ironische Anspielungen, die das Bauwerk an Polens Ostgrenze mit der Marginot-Linie vergleichen, jener in den 30er Jahren errichteten Verteidigungslinie an Frankreichs Grenzen, um sich gegen Angriffe aus Deutschland und Italien zu schützen. Benannt wurde sie nach ihrem Schöpfer, den damaligen Verteidigungsminister Marginot. Hoffnungen, dass das 186 Kilometer lange Stahl-Bollwerk an Polens Ost- und damit an der EU-Aussengrenze als ,,Morawiecki-Linie“ in Geschichtsbücher eingeht, wird sich der polnische Regierungschef allerdings kaum machen. Da hat wohl sein großer Schirmherr, der PiS-Parteivorsitzende Jarosław Kaszyński, den Vortritt.
Die Bau-Fortschritte haben auch deren Gegner mobilisiert. Wissenschaftler, Umweltschützer und auch Anwohner im Grenzgebiet fordern in ihren Protesten und Appellen an die EU-Kommission eine fachgerechte Umweltverträglichkeits-Prüfung und einen Stopp der Bauarbeiten.

UNESCO-Weltnaturerbe – Teilung des Białowieża-Urwalds

Südöstlich der Masuren beim touristischen Wassersportparadies Augustów beginnend, wird sich die 5 Meter hohe Stahlsperre entlang der Grenze zu Belarus nach Süden durch mehrere Naturschutz-Gebiete ziehen, darunter auch den weit über seine Grenzen bekannten Białowieża-Urwald. Er gilt als der letzte echte verbliebene Urwald Europas. Das 1200 Quadratkilometer große und sich zu über die Grenze erstreckende Waldgebiet mit den höchsten Laubbäumen Europas ist der Lebensraum von über 12 000 Tierarten, darunter Wildpferde, freilaufende Wisente und Luchse. Der Urwald ist bereits seit Jahrzehnten ein als UNESCO-Weltnaturerbe anerkanntes Gebiet . Wissenschaftler und Naturschützer verweisen bei ihren Protesten u. a. darauf, dass die Tiere durch die Sperre nicht mehr wandern können und die Artenvielfalt beschränkt wird. Der Kritik hält die polnische Umweltschutz-Behörde GDOS entgegen, dass in die Sperre Übergänge für die Tiere, insbesondere die freilaufenden Bisons eingebaut werden. Wie große die Schneisen durch den Urwald geschlagen werden und wie viel Bäume den Einschnitt-Schneisen zum Opfer fallen werden, vermag die Umweltschutzbehörde allerdings nicht zu sagen.
Laut den Planungen des polnischen Innenministeriums werden insgesamt 82 000 Stahlplatten und Pfosten auf eine Länge von 186 Kilometern entlang der Grenze zu Belarus in einer Höhe von 5 Metern verbaut. Gekrönt wird das gigantische Bauwerk von einem Stacheldraht-Verhau. Gespickt wird das Bauwerk mit Bewegungsmeldern, Kameras und anderen Überwachungs-Sensoren. Die Kosten werden umgerechnet auf insgesamt 400 Mio. Euro geschätzt.

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Premiere – Brüssel entzieht Polen EU-Gelder



Foto: PL-Agentur



Die EU-Kommission wird erstmals Gelder aus dem für Polen im EU-Haushalt bereitgestellten Mitteln abziehen. Konkret geht es dabei um die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Fall des polnischen Braunkohle-Tagebaus Turów verhängten Geldstrafen, deren Zahlung Polen verweigert. Wie Kommissionssprecher Balazs Ujvaria betonte, erfüllte die EU-Kommission mit der Mittelkürzung ihre rechtliche Verpflichtung, von dem Gericht verhängte Strafgelder einzutreiben. Die Mittelkürzung einer ersten Tranche in Höhe von 15 Mio. Euro erfolge in den nächsten zehn Tagen. Der Betrag entspricht den vom EuGH verhängten Strafgeld für ein Monat im Zeitraum vom 20. September bis 19.Oktober. Dabei bleibt es nicht!
Im jahrelangen Streit um dem im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland gelegenen Tagebau Turow hatte der EuGH im vergangenem Mai einer Klage der Tschechischen Republik folgend die sofortige Schließung des Tagebaus angeordnet. Tschechien begründete die Klage damit, dass die polnischen Behörden ohne ordentliche Umweltverträglichkeitsprüfung die Betriebsgenehmigung für den Tagebau verlängert hatten, der zu einem fortschreitenden, die Trinkwasserversorgung gefährdenden Abbau des Grundwassers, Erdverwerfungen sowie Lärm-und Staubbelastungen in der tschechischen Nachbarregion führt. Da Polen nicht der gerichtlichen Anordnung folgte, verhängte der EuGH am 20.September ein Zwangsgeld von einer halben Million Euro pro Tag.

Warschau: Strafzahlungen kategorisch abgelehnt

Unabhängig von der technischen Unmöglichkeit, einen Tagebaubetrieb von heute auf morgen zu schließen, setzte Polen den Braunkohle-Abbau in Turów mit Verweis auf dessen Beitrag zur Energiesicherheit des Landes fort. Strafzahlungen wurden kategorisch als weder rechtlich noch faktisch begründete Entscheidungen eines übergriffigen EU-Verwaltungsapparats abgelehnt, die nach Darstellung von Regierungssprecher Piotr Müller über die EU-Verträge hinausgehen und die Vertragsgarantien der Energiesicherheit verletzten.
Doch auch in den direkten Verhandlungen mit der tschechischen Regierung war die polnische Seite lange Zeit nicht zu einer Kompromiss-Regelung bereit. Seit dem Frühsommer vergangenen Jahres traten beiden Verhandlungsseiten 24 mal ohne ein Ergebnis zusammen. Zuletzt feuerte Regierungschef Morawiecki noch Anfang des neuen Jahres den polnischen Botschafter in Tschechien. Dem wurde eine Interview mit der ,,Deutschen Welle“ zum Verhängnis, in dem er die ,,Arroganz der polnischen Verhandlungsführung“ gegenüber der tschechischen Regierung für den Misserfolg der Verhandlungen verantwortlich machte.

Frauen leiteten Kompromiss-Lösung ein

Der Durchbruch bei den festgefahrenen Verhandlungen ist auf ein Treffen von zwei Frauen mit dem gleichen Vornamen Anna zurückzuführen: Die neuernannte Klima-Ministerin Anna Moskwa und ihre tschechische Amtskollegin Anna Hubaczkova verständigten sich im Januar in Warschau auf eine Kompromiss-Lösung. Vergangene Woche folgte nun eine von den Ministerpräsidenten beider Länder unterzeichnete Vereinbarung zur Beendigung des Streits. Danach zahlt Warschau an Prag als Kompensation für den Schaden 45 Mio. Euro und lässt einen Erdwall als Lärmschutz um den Tagebau errichten. Die tschechische Regierung zieht dafür umgehend ihre Klage gegen Polen vor dem Europäischen Gerichtshof zurück, was inzwischen geschehen ist.

Bezahlt werden muss trotzdem

Für Warschau ist damit die Sache erledigt. Nicht aber für die EU-Kommission! Nach Rücknahme der Klage durch die Tschechische Republik sind zwar die täglich fälligen Bußgeldzahlungen für Polen sofort ausgesetzt worden. EU-Kommission und EuGH stehen aber auf dem Standpunkt, dass unabhängig von der mit Tschechien getroffenen Vereinbarung die bis dahin (Datum der Rücknahme der tschechischen Klage) fällig gewordenen Strafgelder nachgezahlt werden müssen. Insgesamt handelt es sich dabei um knapp 70 Mio. Euro, die seit dem 20.September aufgelaufen sind und deren Zahlung Polen kategorisch verweigert.

Entzug von weiteren EU-Geldern

Nach Kürzung der EU-Haushaltsmittel für Polen um eine erste Tranche in Höhe von 15 Mio. Euro für den Zeitraum vom 20.September bis 19 Oktober teilte EU-Sprecher Balazs Ujvaria heute mit, dass an die polnische Regierung ein Schreiben ergangen ist mit der Mitteilung eines weiteren Einzugs von 15 Mio. Euro für den Zeitraum vom 20.Oktober bis 18.November. Polens Regierungssprecher Piotr Müller sagte gegenüber der Nachrichtenagentur PAP, dass die polnische Regierung ,,alle rechtlichen Mittel“ gegen die Brüsseler Entscheidung ausschöpfen werde. Bereits zuvor hatte Regierungschef Morawiecki auf einer Pressekonferenz erklärt, dass ,,wir mit alle Entschiedenheit Widerspruch dagegen einlegen werden und nicht nur an den gesunden Menschenverstand appellieren“. Morawiecki will dazu Gespräche mit den Regierungschefs anderer EU-Länder führen. ,,Ich werde ihnen eine einfache Frage stellen. Verehrter Kollege aus diesem oder einem anderen Land, Würdest Du Dich damit einverstanden erklären, wenn eine Richterin des Obersten Gerichtshofes (gemeint ist die EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta – d. Red.) Dich anweist, ein Tagebau oder ein Kraftwerk zu schließen, die Millionen Einwohnern dienen oder 5 Prozent des Stromversorgungssystems Deines Landes sichern?“
Neben den Streit um den Tagebau Turów, der Polen letztendlich in der Summe mehr als 110 Mio. Euro kostet, droht dem Land der Entzug von weiteren EU-Geldern. So hatte der Europäische Gerichtshof auch im vergangenen Herbst ein Zwangsgeld von täglich 1 Million Euro im Verfahren um die strittige Disziplinarkammer für Richter in Polen verhängt. Auch hier hat Warschau bisher keine Zahlung vorgenommen. Inzwischen sind hier bereits über 100 Mio. Euro aufgelaufen.

© Magda Szulc / infopol.PRESS

Polen erwartet mit Gerüchten angeheizten Ansturm von Migranten

 

Foto: Podlaska Policja / Twitter

Die Spannungen an der polnischen Grenze zu Belarus nehmen weiter zu. Polen erwartet heute einen inszenierten Ansturm von Tausenden Migranten auf die polnische Grenze. Auslöser dafür sollen nach Angaben polnischer Sicherheitsbehörden gezielt gestreute Gerüchte sein, dass die in den bitterkalten Wäldern der Grenzregion schmachtenden Migranten von Deutschland aufgenommen werden.

Das polnische Innenministerium hatte bereits im elektronisches RCB-Warnsystem ein Alert über die Mobilfunk-Kanäle an die im Grenzgebiet feststeckenden Migranten herausgegeben. Neben arabischer, englischer und polnische Sprache auch in deutsch. Darin werden die Migranten gewarnt, den Gerüchten zu glauben, dass sie am 15. November in einer organisierten Aktion von Bussen aus Deutschland an der Grenze abgeholt und von Polen durchgelassen werden. Dies sei eine totale Lüge und Unsinn! ,,Polen wird seine Grenze zu Weißrussland weiterhin schützen. Wer solche Gerüchte verbreitet, will die Migranten dazu bewegen, die Grenze zu stürmen, was zu gefährlichen Entwicklungen führen kann“
Ist es nur ein Zufall, dass zeitgleich mit der Warnmeldung des polnischen Innenministeriums sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in der ,,Bild am Sonntag“ gegen eine Aufnahme der Migranten in Deutschland ausspricht? ,,Wir dürfen diese Migranten weder in der EU noch in Deutschland aufnehmen“, sagte Kretschmer. Weiß Kretschmer mehr als in der Öffentlichkeit bekannt? Oder war es nur ein Kommentar auf die Aussagen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin?

Vermittlung von Deutschland

Putin hatte nach den Telefonanrufen von der noch amtierenden deutschen Regierungschefin Angela Merkel in der Öffentlichkeit Vorwürfe aus den Westen zurückgewiesen, die Russland mit der Situation an der Grenze zu Polen in Verbindung bringen. In einem Fernseh-Interview am Wochenende erklärte Putin, es seien die westlichen Länder, ,,die an dieser Krise schuld haben“. Anspielend auf Merkels Politik in der Flüchtlingskrise 2015 sagte Putin weiter ,,sie selbst haben die Bedingungen geschaffen, dass zu ihnen Tausenden, Hunderttausende Menschen kommen“. Gleichzeitig äußerte Putin die Erwartung, dass Deutschland und die EU mit dem belarussischen Machthaber Lukaschenko ins Gespräch kommen.
Der EU-Außenbeauftragter Josep Borrell hat dieses Wochenende bereits vorgefühlt. In einem Telefon-Gespräch mit dem belarussischen Außenminister versicherten sich beide Seiten, die Kommunikationskanäle offen zuhalten. Polens Diplomatie mit ihrer seit Jahren bekannten und forcierten Russland-Phobie ist dabei außen vor.

video Podlaska Policja

Polen und die EU werfen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, in organisierter Form Menschen aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um auf diese Weise Vergeltung für Brüsseler Sanktionsbeschlüsse zu üben.
Die von der nationalkonservativen PiS-Partei geführte Regierung hat die harte kompromisslose Abwehr der Migranten durch die massiv aufgefahrenen polnischen Sicherheitskräfte an der ostpolnischen Grenze vordergründig in den innenpolitischen Auseinandersetzungen mit der Opposition als Verteidigung des polnischen Vaterlands und des Christentums instrumentalisiert. Dabei ist die Situation an der polnischen Ostgrenze nicht mit den Dimensionen der Flüchtlingskrise von 2015 im Süden Europas vergleichbar. Die Angaben der polnischen Behörden zur Zahl der Menschen, die sich im Grenzgebiet zu Polen aufhalten sind widersprüchlich. Sie reichen von 2500 bis 15 000 Migranten. Überprüfbar sind sie nicht, da Polen bislang sowohl der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex, die nur 120 Kilometer weiter in einer der teuersten Büro-Immobilien Warschaus residiert, als auch humanitären Hilfsorganisationen sowie den Medien den Zugang zur Sperrzone an der Grenze verweigert.

Legalisierung von Push-backs

Push-backs, also die gewaltsame Zurückdrängung der Migranten durch die polnischen Sicherheitsbehörden sind da an der Tagesordnung. Mit stillschweigender Zustimmung durch die EU-Instanzen in Brüssel. Deren Doppel-Moral zeigt sich auch darin, dass sie einerseits begründeter Weise Warschau seit Jahren ein Verletzung rechtsstaatlicher Grundlagen vorhält, anderseits aber die Verordnung des polnischen Innenministerium und das abgeänderte Ausländer-Gesetz, das die nationalkonservativen Regierung im Oktober durch das Parlament gedrückt hat, mit Bedacht übersieht. In dem Gesetz werden Push-Backs ohne die Möglichkeit des Zugangs zum Asyl legalisiert. Dies ist nicht nur nach der Genfer Flüchtlingskonvention, sondern auch nach EU-Recht verboten.
Die polnische Regierung hat ihr hartes Vorgehen bisher damit verteidigt, dass es sich bei den an vom Lukaschenko-Regime an die polnische Grenze gedrängten Menschen nicht um Flüchtlinge, sondern um Migranten handele. Anfangs mit der Kritik an den polnischen Grenzschützern über deren Kaltherzigkeit gegenüber dem Elend der an der Grenze abgewiesenen Menschen und den Tränen der Frauen und Kinder konfrontiert, sieht sich die PiS-Regierung jetzt von den vielfach kolportierten Bildern und Videos mit den von den belarussischen Behörden angetriebenen Männern bei ihren Versuchen, die polnischen Grenzschutzanlagen zu zerstören, in ihrem harten Vorgehen bestätigt. Dies hat der in den vergangenen Monaten schwächelnden PiS-Partei zwar wieder eine deutliche Oberhand in den Meinungs- und Wählerumfragen gegeben. Es ändert aber nichts daran, dass die polnische Regierung zunehmend die Kontrolle über die Situation in der polnischen Grenzregion verliert. Und das nicht nur wegen der hohen Zahl der von der deutschen Bundespolizei aufgegriffenen illegalen Migranten, die über die belarussische Route gekommen sind. Bereits mehr als 6000.

Wandel vom Subjekt zum Objekt eines Ost-West-Machtspiels

Die Migrationskrise an der polnischen Grenze ist zum Bestandteil des Machtspiels zwischen Ost und West geworden, in dem Polen nur noch die Rolle eines Objekts zukommt.
Dies hat auch die Drohung des belarussischen Diktators Lukaschenko nach der Ankündigung von verschärften EU-Sanktionen deutlich gemacht, dem Westen den Gashahn zuzudrehen. Die Drohung bezieht sich auf die über belarussisches Territorium führende Jamal-Gasleitung, durch die russisches Erdgas nach Deutschland strömt. Eigentümer der Gasleitung ist die russische Gazprom. Der russische Staatspräsident Putin hat zwar offiziell Belarus vor einem solchen Schritt gewarnt, der einen Vertragsbruch des von Russland abhängigen Landes darstellt. In Warschau hegt man jedoch keinen Zweifel, dass Lukaschenko die Drohung nicht ohne Absprache mit Moskau getroffen habe und Russland jetzt die wohlkalkulierte Drohung als Druckmittel gegenüber der EU nutzt, für die fertiggestellte Ostsee-Pipeline Nordstream 2 endlich den Gashahn zu öffnen.

,,Von Feinden umringt“

Auf die Krise an der Grenze hat der die Regierungspolitik diktierende PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczyński mit der Stärkung seiner Doktrin der Selbstisolation reagiert. In zwei Ansprachen zum polnischen Unabhängigkeitstag am 11. November betonte er, dass Polen nicht nur aus dem Osten bedroht wird, sondern wir ,,auch große Probleme im Westen haben“. Es ist die Wiederbelebung der alten Theorie von den ,,zwei Feinden“ aus der Vorkriegszeit, die Polen umstellt haben. Abgesehen von den absurden Vergleichen des Lukaschenko-Regimes und Putin mit der Europäischen Union, gab Kaczyński auch seiner Überzeugung Ausdruck, dass in Polen ,,Agenten“ zugunsten von fremden Interessen wirken, der Deutschen, der Europäischen Union oder Putins Russlands. Namen nannte Kaczyński nicht. Gemeint ist aber Donald Tusk und die Opposition. Entsprechenden Widerhall fanden Kaczyńskis Vorgaben bei dem vom rechtsradikalen Lager organisierten Unabhängigkeits-Marsch in Warschau, der unter Schirmherrschaft der Regierung stand und an dem über Hunderttausend Menschen teilnahmen. Es wurden Bilder von Tusk, EU-Fahnen und deutsche Flaggen öffentlich verbrannt. Die Worte von Kaczyńskis erklären auch, weshalb die PiS-Partei und ihre Regierung keine Frontex-Grenzagentur und die Deutschen bei der Vermittlung mit Putin oder Lukaschenko haben will.

Absurd: In Polen Verbot – in Belarus Zulassung internationaler Medien

Sich selbst in die Defensive gebracht hat sich die polnische Regierung, die die Desinformations-Kampagnen der belarussischen und russischen Dienste beklagt, auch mit ihrer Abschottung des Grenzgebiets vor den Medien. Seit dem vergangenen Wochenende werden weltweit die Medien von eigenen, unabhängigen Berichten der großen Nachrichten-Sender aus der Grenzregion gespeist. Nicht von der polnischen Seite, sondern von Belarus aus, denn Lukaschenko hat CNN, Reuters, die BBC zugelassen. So berichtet Mathew Chance von CNN am Wochenende aus einem Migranten-Lager an der Grenze mit 2000 Migranten, in das immer mehr Migranten drängen. Man sieht in den CNN-Aufnahmen eine vom belarussischen Militär aufgestellte Versorgungs-Station mit Zelten und Proviant-Versorgung. Hinter dem Stacheldraht-Zaun dagegen das von polnischen Grenzschützern aufgestellte Kordon. Die Bilder von CNN verdeutlichen das, was auch polnische Grenzschutz-Behörden suggerieren. An den Grenze zu Polen laufen Vorbereitungen für einen großen Migranten-Ansturm, der vom Lukaschenko-Regime als Reaktion auf die heute von den EU-Außenministern zu erwartenden Beschlüsse für weitere Sanktionen gegen Belarus organisiert wird.
Auf die Fragen des CNN-Korrespondenten an die kurdischen Camp-Bewohner, ob sie überzeugt seien, nach Deutschland zu gelangen, antworten diese: ,,Ja, wir wollen alle nur nach Deutschland. Wir wollen nicht in Polen bleiben“.

© André Jański / infopol.PRESS

Kaczyński: wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor

Unter dem Motto ,,wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor“ hat PiS-Parteichef und Vizepremier Jarosław Kaczyński eine ,,radikale“ Aufrüstung des Landes angekündigt.

Verräter“ oder ,,Feinde“ gehören ja schon lange zum Vokabular der nationalkonservativen PiS-Partei in der innenpolitischen Auseinandersetzung mit der Opposition. Die Kriegs-Rhetorik hat sich in jüngster Zeit auch in den Beziehungen zur EU festgesetzt. ,,Pistole an unserem Kopf“ und vom Beginn eines ,,Dritten Weltkriegs“ hatte gerade Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) in einem Interview mit der britischen ,,Financial Times“ gesprochen, wenn Brüssel im Streit um die Rechtsstaatlichkeit Polen die zugesprochenen EU-Gelder zurückhalte.
,,Wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor“ – Dieses lateinischen Sprichwortes bediente sich jetzt auch PiS-Parteichef und Vize-Premier Jarosław Kaczyński bei der Vorstellung des Aufrüstungsprogramms für die polnischen Streitkräfte. Der von Kaczyński und Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak vorgestellte Gesetzentwurf ,,zur Verteidigung des Vaterlands“ verfolge das Ziel, „Polen zu einem militärisch starken Land zu machen“. Dazu sollen die Streitkräfte, die gegenwärtig 110 000 Berufssoldaten zählen, massiv aufgestockt werden.

Biała Podlaska – Die in der Höhe von Brest an der Grenze zu Belarus gelegene Garnison wird als eine der größten Militär-Basen in Ostpolen ausgebaut. Sie wird auch die mit dem Beinamen ,,Eiserne Division” reaktivierte 18. Mechanisierte Division beherbergen, die mit amerikanischen Abrams-Panzer der neuesten Generation ausgerüstet werden soll. Die ,,Eiserne Division“ gilt in der polnischen Militärgeschichte als Elite-Einheit mit Kult-Status. Sie wurde nach der Wiedererlangung der nationalen Souveränität und Gründung der Zweiten Polnischen Republik 1919 im polnisch-ukrainischen Krieg beim Anschluss Ost-Galiziens an Polen erfolgreich eingesetzt. Fotos: MON

,,Es geht hier nicht um einen Anstieg um 20 Prozent, nicht um 50 Prozent und auch nicht um 100 Prozent, sondern um ein Vielfaches mehr“, sagte Kaczyński. Seine Aussagen wurden von Verteidigungsminister Błaszczak dahingehend präzisiert, dass es um 300 000 Mann geht, davon 250 000 Berufssoldaten und 50 000 Angehörige der Territorialen Verteidigungskräfte WOT. Diese Anzahl sei aber das Minimum, so Błaszczak, weil die Anzahl größer sein soll. ,,Wir lehnen entschieden eine Konzeption ab, dass eine Armee nicht groß sein muss, dafür aber gut bewaffnet“, sagte Kaczyński. Eine gut bewaffnete Armee müsse auch groß sein, unterstrich er.
Um mehr Angehörige für die Streitkräfte zu gewinnen, sieht der Gesetzentwurf auch eine Reihe von Vergünstigungen und finanziellen Anreize vor. Dazu müssen auch die Verteidigungsausgaben erhöht werden.
Polen hat in den vergangenen Jahren rund 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär-Ausgaben verwendet. Kaczyński kündete an, dass diese Summe in Zukunft durch neue Finanzierungsformen vielfach erhöht werden soll. Genannt wurden dazu u.a. Einnahmen aus staatlichen Wertpapieren oder Schuldverschreibungen, die außerhalb des Staatshaushaltes im Rahmen von Fonds ausgegeben werden.

,,Radikale“ Aufrüstung der Streitkräfte

Die Regierung sei durch die internationale Lage dazu gezwungen, begründete Kaczyński die geplante Aufrüstung, die er ausdrücklich mit ,,radikal“ titulierte. Er verwies dazu auf die ,, imperialen Ambitionen“ Russlands und die hybriden Attacken des Lukaszenko-Regimes bei der Schleusung von Migranten über die Grenze nach Polen. ,,Ein Staat, der an der Grenze der Nato und der EU liegt, muss eine starke militärische Abschreckungs-Kraft haben“, sagte Kaczyński. Im Falle der Notwendigkeit müsse man die Möglichkeit zu einer wirksamen Verteidigung haben, ,,und das selbständig über lange Zeit“.

© Andreas Höfer /  infopol.PRESS

Polen baut Mauer an der Ostgrenze zu Belarus

Symbol-Foto: Mauer bei Ferres an der griechisch-türkischen Grenze – Twitter

Das polnische Parlament hat den Bau einer 5 Meter hohen Mauer an der Ostgrenze zur Belarus beschlossen. Eine deutliche Trennlinie durchzog auch die Abstimmung im Sejm. 276 Abgeordnete stimmte dafür, 176 dagegen.

In Regierungskreisen wird der Begriff ,,Mauer“ vermieden. Die Rede ist da von Sperre oder Blockade. Damit soll der Zugang von Flüchtlingen nach Polen wirkungsvoller verhindert werden. Das Bauwerk ersetzt das 2,50 Meter hohen Stacheldraht-Verhau, den Grenzschützer und Soldaten der polnischen Armee seit August an der Grenze zu Belarus nach Einführung des inzwischen verlängerten Ausnahmezustands in den ostpolnischen Grenzregionen errichtet haben. Außer der Mauer selbst soll noch ein System an Hochleistungs-Sensoren und Kameras installiert werden. Man wolle die internationalen Erfahrungen in diesem Bereich nutzen, erklärte ein Vertreter des polnischen Verteidigungsministeriums. Das Bauwerk solle ähnlich ausfallen wie die 5 Meter hohe Mauer an der griechisch-türkischen Grenze.

400 Mio. Euro Kosten

Die Kosten werden mit 1,65 Mrd. Złoty (rund 370 Mio. Euro) für den Mauerbau plus 115 Mio. Złoty für die technischen Installationen angegeben. Ob dafür auch Gelder aus Brüssel beantragt werden, ist bislang noch unklar. Die gesamte Grenze zu Belarus hat eine Länge von 418 Kilometern. Wird die Mauer auf dieser gesamten Länge gebaut, dürften die Kosten laut Experten-Schätzungen deutlich über 2 Mrd. Złoty liegen.
Die nationalkonservative Regierung in Warschau beschuldigt seit Monaten Machthaber Lukaschenko in Belarus einen hybriden Krieg in Reaktion auf verschärfte Sanktionen der EU zu führen. In organisierter Form schleust dazu das Regime Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, Afghanistan und Afrika an die Grenze nach Polen. Tatsächlich ist seit August ein verstärkter Zustrom von Migranten eingetreten, den der polnische Grenzschutz und die Armee mit harter Hand begegnen.
Da es sich um eine EU-Außengrenze handelt, war das bislang von der EU gebilligt, die eine Wiederholung der Flüchtlingskrise von 2015 kategorisch ausschließen will. Allein schon aus logistischen Gründen ist allerdings der von Belarus organisierte verstärkte Zustrom von Migranten an der polnischen Grenze nicht mit den Dimensionen der Flüchtlingswellen von 2015 vergleichbar. Der umstrittene polnische Innenminister Kaminski (vor 2015 u.a. wegen Urkundenfälschung, Amtsmißbrauch verurteilt, nach dem Machtantritt der PiS vom Staatspräsidenten begnadigt) gibt die Zahl der versuchten illegalen Grenzübertritte mit 16 000 an.

Fehlende Transparenz an der Grenze

Inwieweit die Zahl zutreffen, ist nicht nachprüfbar. Mit der Einführung des Ausnahmezustands, der von einem Großteil der Opposition als überzogen (Einschränkung der Bürgerrechte) und Instrument der PiS-Partei zur Ablenkung von ihren innenpolitischen Problemen kritisiert wird, ist den Medien und den Hilfsorganisationen der Zugang zum Grenzgebiet untersagt. Selbst die Europäische Grenzschutzbehörde, die nur 120 Kilometer entfernt in einer der teuersten Büro-Immobilien von Warschau residiert, wurde bisher nicht für Kontrolltätigkeiten an der polnischen Ostgrenze zugelassen und das obwohl diese eine EU-Außengrenze ist.

Die fehlende Transparenz, aber auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Regierungs-Angaben sind umso mehr gegeben, da Kaminskis Innenministerium zur Diskreditierung und Kriminalisierung der Flüchtlinge für propagandistische Zwecke gefälschtes Videomaterial verwendet hat. Trotz Aufforderung des Europäischen Gerichtshofes verweigern die polnischen Grenzschützer Flüchtlingen vehement humanitäre Hilfe. Inzwischen sollen es bereits 5 Todesopfer an der Grenze gegeben haben. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, die sich beunruhigt von Berichten über die Behandlung von Flüchtlingskindern in den polnischen Grenzwäldern zeigte, hat inzwischen den Botschafter Polens einbestellt.

© André Jański / infopol.PRESS