Foto: KPRP/Szymczuk

Staatspräsident macht Chaos im Rechtssystem komplett

Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat jetzt offiziell seine Kandidatur für die anstehenden Präsidentschaftswahlen am 10. Mai bekanntgegeben. Diese Bekanntmachung fiel nahezu zeitgleich mit seiner Unterschrift unter das umstrittene ,,Maulkorb-Gesetz“ zusammen. Und das könnte wie ein Klotz am Bein seinen Wahlkampf für eine erfolgreiche Wiederwahl belasten. Dieses Gesetz sieht einen von Geldstrafen bis zur Entlassung umfassenden Straf-Katalog für Richter vor, die die Kompetenzen anderer Richter oder Gerichte in Frage stellen. Dieses Gesetz ist aber mehr als nur ein weiterer Akt in dem von der nationalkonservativen PiS-Partei seit 2015 vollzogenen und seit Jahren von den EU-Gremien kritisierten Umbau des polnischen Rechts-Systems. In seinen rechtlichen Konsequenzen stellt das Gesetz das Überschreiten einer Roten Linie dar, die die PiS-Regierung bisher– wenn auch mit taktischen Manövern, Verzögerungen – immer noch eingehalten hatte.

Im vergangenen November hatte der Europäische Gerichtshof EuGH entschieden, dass Polens Oberstes Gericht auf der Grundlage klar definierter Grundsätze darüber zu befinden hat, ob der von der PiS-Partei initiierte und weitgehend bestallte Landes-Justizrat und die Disziplinar-Kammer beim Obersten Gericht rechtmäßig seien. Und Polens Oberstes Gericht entschied darauf, dass diese Institutionen nicht dem EU-Recht entsprechen. Die Regierungs-Koalition mit den harten rechten Kern der von Justizminister Zbigniew Ziobro geführten Partei Solidarna Polska reagierte darauf sofort eben mit jenem Gesetz zur Disziplinierung der Richter. In seiner juristischen Konsequenz stellt es das Urteil des EuGH in Frage, in dem es den von der regierungskritischen Präsidentin geführten Obersten Gerichtshof entmachtet.

Chaos – Richter erkennen die Legitimität von anderen Richtern nicht an

Die Regierung hatte immer vorgegeben, mit ihrer Justiz-Reform ein transparenteres und effizienteres System schaffen zu wollen. Schon die Vorgänger-Regierung unter Donald Tusk hatte erste Versuche zur Beschleunigung der Arbeit der Gerichte unternommen. Auch in den dazu geführten öffentlichen Umfragen spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung für Änderungen im Gerichtswesen aus. In den fünf Jahren ihrer Reformen hat sich die PiS-Partei aber ausschließlich nur mit der Änderung der Fundamental-Prinzipien des polnischen Rechtssystems darauf konzentriert, den Justiz-Apparat unter ihre parteipolitische Kontrolle zu bringen. Für jede Kritik an den Reform-Änderungen wird den Richtern mit dem Gesetz die moralische Erpessungs-Keule angedroht.

De facto hat dies zu zwei gleichzeitig parallel existierenden Rechtssystemen in Polen geführt, bei denen die einen Richter die Legitimität der anderen Richter und ihre Urteile nicht anerkennen. Das damit entstandene Chaos zeigt sich markant in den Vorgängen am Bezirksgericht von Olsztyn. Dort hat die im Rahmen der Justizreform neu geschaffene und mit der Regierung ergebenen Richtern besetzte Disziplinarkammer einen Richter des Bezirksgerichts suspendiert und sein Gehalt gekürzt, weil er in einem Gerichtsverfahren die Kompetenzen eines Richters in Frage gestellt hatte, der von dem neuen Landesjustizrat gewählt wurde. Die Richter des Bezirksgerichts verfassten daraufhin eine Petition mit der Forderung nach Rücknahme der Sanktionen gegen den Richter. Diese Petition wurde vom Präsidenten des Bezirksgerichts zerrissen.

Das jetzt unterschriebene Gesetz demoliert das Rechtssystem komplett. Es stellt die Richter vor das moralische Dilemma, sich entweder den Urteilen des Obersten Gerichts, das für sie die oberste Autorität ist, unterzuordnen oder sich den Diszplinar-Sanktionen des neuen Gesetzes auszusetzen, die bis zum Berufs-Ausschluß reichen. Nicht nur die juristischen Berufsverbände, die Opposition, die EU-Kommission und die Venedig-Kommission des Europarates hatten in ihrer Kritik vor den Konsequenzen gewarnt. Selbst das Episkopat der Katholischen Kirche hatte, was in Polen noch viel maßgeblicher ist, empfohlen, den Regelungen nochmal eine genauere Prüfung zu unterziehen. Staatspräsident Duda, der mit seinem Veto-Recht das Gesetz hätte verhindern können, hat sich mit seiner Unterschrift darüber hinweggesetzt.
Die Opposition, die Duda schon in seiner gesamten Amtszeit unselbständiges Handeln und die Wahrnehmung der politischen Interessen der PiS-Parteiführung vorwirft, wertet Dudas Entscheidung als weiteren großen Schritt, Polen vom europäischen Rechtssystem zu entfernen. Polen habe „einen großen Schritt hin zu einem rechtlichen Polexit gemacht“, schrieb dazu der Beauftragte für Bürgerrechte, Adam Bodnar.

Fortgang der PiS-Politik von Dudas Wiederwahl abhängig

Unabhängig davon, wie real das beschworene Gespenst eines solchen ,,Polexit“ ist, für die Opposition ist es eine Vorlage im jetzt anstehenden Wahlkampf gegen Duda und dem hinter ihm stehenden PiS-Parteilager. In dem Bewußtsein, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur EU-Mitgliedschaft Polens hoch ist, ist für Opposition die beschworene Gefahr eines Polexits eine gewichtiges Argument im Wahlkampf gegen Duda. Bereits vor einem Jahr hatte sie in der Kampagne zu den Europa-Wahlen ihre Strategie auf einen drohenden Polexit ausgerichtet. Die PiS-Partei hatte seinerzeit diesen Angriff den Wind aus den Segeln genommen, in dem sie ihren Wahlkampf unter das Motto stellte ,,Polen- das Herz Europas”. Mit Erfolg: Die PiS ging als Wahlsieger aus den Europawahlen hervor.

Diesmal dürfte der PiS-Partei kaum ein ähnlicher Schachzug gelingen. Dazu sind die Fakten zu eindeutig. Nun ist die Präsidentenwahl anders als Parlamentswahlen keine Parteiwahl, sondern eine Personen-Wahl. Für die PiS-Partei hat diese Wahl jedoch herausragende Bedeutung, weil von deren Ausgang abhängig ist, ob sie ihre bisherige Regierungs-Politik so weiterführen kann oder nicht. Einige polnische Politologen sprechen sogar davon, dass es am 10. Mai für die PiS-Partei um ,,Sein oder Nichtsein“ geht.

Trotz ihres Wahlsieges im vergangenen Oktober ist die PiS-Partei bereits mit einem Bremsblock aus den Parlamentswahlen hervorgegangen. Erstmals in der Geschichte der Republik hatte sie als Regierungspartei nicht die Mehrheit im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, erringen können. Die Mehrheit, wenn auch nur dünn, liegt bei der Opposition. Der Senat als ,,Kammer der Reflexion” im polnischen Parlaments-System kann zwar nicht die Gesetze verhindern, die der von der absoluten Mehrheit der Regierungspartei dominierte Sejm beschlossenen hat. Der Senat kann den legislativen Prozeß jedoch verzögern. Damit kann das Regierungslager schon mal nicht mehr – wie in der Vergangenheit – Gesetze innerhalb von 24 Stunden durch das Parlament durchpeitschen.

Ganz anders sieht es dagegen mit den Befugnissen des polnischen Staatspräsidenten aus, die über die repräsentative Funktion eines Staatsoberhaupts wie z.B. in Deutschland oder Österreich, hinausgehen. Der polnische Staatspräsident hat ein Veto-Recht. Damit kann er jedes Gesetz blockieren und damit die Regierungsarbeit paralysieren. Wie dies funktioniert, hat Aleksander Kwaśniewski in der Vergangenheit demonstriert. In seiner Amtszeit (1995 bis 2005) hat er zahlreiche Gesetze der damaligen AWS-Regierung (mit dem Justizminister Kaczynski), aber auch der Regierung des ihm politisch nahestehenden SLD-Linksbündnisses blockiert. Wohl auch deshalb ist er bis heute in den Meinungs-Umfragen der populärste Präsident und auch der einzige in der Geschichte der Dritten Polnischen Republik, der für eine zweite Amts-Periode wiedergewählt wurde. Sowohl den Führungsspitzen des Regierungslager als auch den Oppositions-Parteien ist klar, wenn Staats-Präsident Andrzej Duda , der in den entscheidenden Fragen sein Amt immer nur als Vollzugs-Organ der PiS-Partei einsetzte, nicht wiedergewählt wird und eine Oppositionspolitiker die Spitze des Staates übernimmt, dann ist das der Anfang vom Ende der von PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński propagierten Politik des ,,guten Wechsels”.

©  André Janski  / infopol.PRESS

Foto Pixabay Symbolfoto

Alarm-Stufe ,,Alfa“ für ganz Polen ausgerufen

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) hat für ganz Polen die Alarmstufe-Stufe Alfa ausgerufen.. Der Alarm-Zustand gilt ab 23. Januar und dauert bis 29. Januar. Die Maßnahme steht im Zusammenhang mit dem 75. Jahrestag der Befreiung des von den Deutschen seinerzeit errichteten Vernichtungslagers Auschwitz 1945 durch die Rote Armee. Für die Wojewodschaft Małopolskie, auf deren Gebiet sich das einstige Konzentrationslager befindet, wurde zusätzlich die Alarmstufe Beta ausgerufen.
Das polnische Alarm- und Sicherheitssystem umfasst vier Stufen. Wie aus der amtlichen Mitteilung des Regierungs-Sicherheitszentrums RCB hervorgeht wird die Alarmstufe Bravo eingeführt ,,im Fall der Existenz einer erhöhten und vorauszusehenden Gefahr des Auftretens eines Ereignisses mit terroristischen Charakter. Dies bedeutet, dass die Sicherheitsdienste Informationen über eine potenzielle Bedrohung haben und die öffentliche Administration in Verbindung damit verpflichtet ist, eine besondere Achtsamkeit aufzuweisen“.
Ähnliche Maßnahmen waren bereits im vergangenen Jahr bei der international wenig beachteten Nahost-Konferenz in Warschau und beim Welt-Klimagipfel 2018 in Katowice eingeführt worden, um die Sicherheit und den störungsfreien Ablauf der Konferenzen zu gewährleisten.

An der Gedenk-Veranstaltung am 27.Januar haben bisher Regierungsvertreter und Staatschefs aus 21 Ländern ihre Teilnahme zugesagt, darunter der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier . Erwartet werden Delegationen aus aller Welt, darunter 120 Überlebende des Holocaust, die – wie der Veranstalter betont-, die wichtigsten Gäste sind.

Gedenkfeier vom Streit mit Russland überlagert

Russlands Präsident Wladimir Putin wird als Regierungschef jenes Landes, dessen Vorgängerstaat 1945 die Überlebenden des deutschen Konzentrationslagers befreit hatte, nicht an der Gedenkfeier teilnehmen. Putin hatte erst im Dezember den jahrzehntealten Konflikt mit Polen in der Geschichts-Bewertung zum Ausbruch des Weltkriegs neu angefacht, indem er den zwischen Hitler-Deutschland und der Sowjetunion 1939 abgeschlossenen Ribbentrop-Molotow-Pakt relativierte und Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gab. In diesem Zusammenhang verwies er u. a. auch auf den Einmarsch polnischer Truppen am 2.Oktober 1938 in den Norden der Tschechoslowakei ein, unmittelbar nach Abschluß des Münchener Abkommens, in dessen Ergebnis Deutschland nahezu zeitgleich das Sudetenland besetzte. Zu dem Zeitpunkt war Hitlers Strategie noch darauf ausgerichtet, Polen als Partner und Satelliten-Staat Deutschlands in einen Angriffs-Krieg gegen die Sowjetunion einzubinden.
Den 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion abgeschlossenen Nichtangriffs-Vertrag, der Hitler frei Hand gab, den Zweiten Weltkrieg zu eröffnen, dessen erstes Opfer Polen war, verteidigte Putin dagegen. Die Rote Armee sei im September 1939 erst in die östlich gelegenen Gebiete Polens einmarschiert, nachdem die Warschauer Regierung nach dem Überfall Deutschlands die Kontrolle über das Land verloren habe. Das geheime Zusatz-Protokoll zum Pakt, indem Hitler und Stalin bereits vor Kriegsbeginn ihre Interessen-Gebiete in Osteuropa und damit auch Polen unter sich aufteilten, sparte Putin dabei auf.
Als die polnische Regierung empört auf Putins Geschichts-Provokationen reagierte, setzte der russische Präsident noch einen nach. In einer Rede in Petersburg Ende Dezember bezeichnet er den polnischen Diplomaten Józef Lipski, der von 1933 bis 1939 Polen als Botschafter in Berlin vertreten hat, als ,,antisemitisches Schwein“. Bezugnehmend auf Lipskis historisch belegte Äußerung im September 1938 zu Hitlers Vorschlags, die Juden aus Deutschland, Polen und Ungarn im Rahmen des Madagaskar-Planes zu deportieren, man werde Hitler dafür in Warschau ein Denkmal setzen, sagte Putin, der polnische Botschafter habe sich komplett mit Hitler solidarisiert.

Eklat: Polnischer Staatspräsident sagt Gedenkveranstaltung in Jerusalem ab

Putins wohlkalkulierte Aussage zur Diskreditierung Polens knüpft dabei an die Vorhaltungen und Kritik an, auf die das 2017 von der PiS-Regierung eingebrachte Gesetz zum Schutz des guten Rufs Polens stiess. Darin wurde jeden, der Polen eine Mitschuld am Holocaust zuweist, Geldstrafen oder eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren angedroht. Nach heftigen Protesten aus Israel und den USA wurde das Gesetz wieder zurückgenommen. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem erklärte seinerzeit: Die Vernichtungslager wurden im besetzten Polen von Nazideutschland errichtet, mit dem Ziel, die Juden im Rahmen der ‚Endlösung‘ zu ermorden Das Gesetz könne dagegen zur Vertuschung der historischen Wahrheit führen, dass die Deutschen während des Holocaust Unterstützung von der polnischen Bevölkerung erhielten“.

Der Streit mit Russlands Präsident Putin ist nicht der einzige Schatten, der über der Gedenkveranstaltung am 27.Januar in Polen liegt. Am morgigen Donnerstag werden am internationalen Holocaust Gedenken in Yad Vashem in Jerusalem Staatsgäste aus knapp 50 Ländern erwartet. Neben Bundespräsident Steinmeier, US-Vizepräsident Mike Pence, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britische Thronfolger Prince Charles wird dort auch eben Wladimir Putin eine Rede halten. Polens Staatspräsident Andrzej Duda war ebenfalls nach Yad Yashem eingeladen. Der polnische Staatspräsident sagte jedoch ab, weil er im Gegensatz zu Putin nicht in Jerusalem reden darf.

© André Jański/infopol.PRESS

Condor auf der Langstrecke in Zukunft über Warschau?

Foto: Staatskanzlei KPRM / Adam Guz

Der angeschlagene deutsche Reiseflieger Condor hat mit der polnischen Airline LOT einen neuen Eigentümer gefunden. In ihren Absichts-Erklärungen umrissen die Vorstände beider Unternehmen das Ziel, einen Luftfahrtkonzern mit jährlich mehr als 20 Mio. Passagieren zu schaffen, neue Märkte anzusteuern und die Flotte zu erneuern und zu erweitern. Auf den ersten Blick eine ganz normale Unternehmens-Übernahme. Ist sie aber nicht! Denn zur gleichen Zeit, da die Unternehmens-Chefs von Condor und der LOT, Ralf Teckentrup und Rafał Milczarski, auf den Frankfurter Flughafen die Übernahme bekanntgeben, bauten sich Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Jacek Sasin vor einer mit den Markenzeichen von Condor und der LOT geschmückten Wand auf, um triumphal vor laufenden Kameras der polnischen Öffentlichkeit die Übernahme zu verkünden.
Unter Benutzung ,,patriotischer“ Formulierungen bezeichnete Regierungs-Chef Morawiecki die Übernahme der Pleite bedrohten Condor als mutigen Schritt: ,,Polnische Firmen übernehmen mächtige ausländische Firmen“. Dies sei nur durch die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der PiS-Regierung möglich geworden. Und Jacek Sasin erklärte im Stile eines Feldzugs: ,,Wir haben neue polnische Aktivas in Deutschland“.

Jacek Sasin ist im Regierungs-Mechanismus der Wirtschaftslenkung der mächtigste Mann. Als Vertrauter von PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński wurde er nach dem Wahl-Sieg der nationalkonservativen Partei vergangenen Oktober in die Regierung beordert, um eine straffe Verwaltung der Staats-Unternehmen im Sinne der Nowogrodzka (Sitz der Parteizentrale von Jarosław Kaczyński) zu sichern und die Machtkämpfe einzelner Gruppierungen im Regierungslager um die Posten in den Aufsichtsräten und Vorständen der Staats-Unternehmen zu beenden. Mehr als 200 der wichtigsten, von insgesamt offiziell 367 Unternehmen mit staatlicher Beteiligung unterstehen seinen dafür extra gegründeten Ministerium für staatliche Aktivas. Eines davon ist die staatliche Airline LOT. Die hat in den vergangenen 20 Jahren im Wechselbad der jeweiligen politischen Stimmungslage zur mögliche Privatisierung der Airline Höhen und Tiefen erlebt. Dabei stand als möglicher strategischer Investor immer die Deutsche Lufthansa hoch im Kurs, erstmals 1999 mit der ‚Abgabe eines Angebots. Dies änderte sich auch nicht in den Folgejahren bei erneuten, und wieder von der Politik gestoppten, Anläufen für eine Privatisierung. Zuletzt stand im Jahre 2012 der Verkauf der LOT auf der Tagesordnung.

Mit staatlicher Finanzspritze vor dem  Crash gerettet

Nach den Kauf des ersten Dreamliners (Boeing 787-8) durch eine europäische Fluggesellschaft stand die Airline kurz vor der Pleite. Anfang Dezember 2012 war nicht mehr in der Lage, ihren Zahlungsverpflichtungen für Flugbenzin nachzukommen. Wieder einmal wie schon zehn Jahre zuvor griff der Staat mit einer Finanzhilfe von 400 Mio. Zloty der Airline unter die lahmen Flügel. Dies gab der LOT die Möglichkeit, weitere Dreamliner in den Dienst zu stellen, die sie als Sprungbrett für die Eroberung des asiantischen Marktes betrachtete, um im lukrativen Segment der Langstreckenflüge der Deutschen Lufthansa und Air France Paroli bieten zu können. Mit nur mäßigen Erfolg.

Einen Aufschwung erlebte die LOT erst nach 2015. Zu der Zeit stellte ihre Tochtergesellschaft Eurolot den Flugbetrieb im Inland ein. Die Flugzeuge und ein Teil der unrentablen Linien übernahm die LOT, deren Einrichtung von den jeweiligen regionalen Selbstverwaltungen mit zweistelligen Millionen-Beträgen ,,gesponsert” wurden, darunter auch die kürzeste Flugverbindung von Warschau nach Lublin (~180 Kilometer). 2015 beförderte die LOT mit 41 Flugzeugen noch 4,3 Mio. Reisende. Vier Jahre später waren es bereits über 10 Mio. Fluggäste. Gleichzeitig wuchs die Flotte in diesem Zeitraum von 41 auf über 80 Flugzeugen.

LOT-Chef – Gute Kontakte zur Regierung

Dieser Zeitraum fällt auch mit der Einsetzung von Rafał Milczarski zum Vorstands-Chef der LOT zusammen. Im Unterschied zu den meisten Führungsposten in Unternehmen, in denen der Staat die Kontrolle hat, kommt Milczarski nicht aus dem Partei-Apparat der PiS. Nach seiner Ausbildung in London war er jahrelang im privaten Bahn-Transportgewerbe tätig, zuletzt im Management bei der polnischen Tochtergesellschaft der britischen Freightliner (gehört seit 2015 zum US-Bahn-Unternehmen Genesee and Wyoming Inc.), die auch im deutschen Schienen-Netz Schüttgüter (Kohle) transportiert. Ließ er noch bei den privaten Freightliner keine Gelegenheit in der Öffentlichkeit aus, gegen den großen Einfluß staatlicher Unternehmen in der Wirtschaft zu polemisieren und für deren Privatisierung einzutreten, hat er nach seinen Karriere-Sprung bei der LOT die Gesinnung gewechselt. Mit der Betonung des ,,wirtschaftlichen Patriotismus“ ist er inzwischen ein Befürworter des Staatskapitalismus in den blau-weiß-roten Farben der PiS-Partei geworden.
Seine guten Kontakte zur Regierung werden von polnischen Branchen-Experten als Grundlage für seinen bisherigen größten Erfolg mit der Gründung der Polnischen Luftfahrt-Gruppe (PGL – Polska Grupa Lotnicza) gewertet.. Unter dem Dach dieser Gesellschaft ist die LOT mit den Bodenabfertigungsfirmen LS Airport Services und LS Technics, dem Wartungsunternehmen Lot Aircraft Maintenance Services und der PGL Leasing vereint. Durch die Dachgesellschaft hat die LOT einen leichteren Zugang zu Krediten erhalten. So wird die Übernahme der Condor jetzt auch durch ein von der Bank Pekao geschaffenes Konsortium finanziert. Dem gehören auch die Bank PKO und die Versicherung PZU an. Alle drei Finanz-Institute werden vom Staat kontrolliert. Die Finanzierung schließt sowohl die Rückzahlung der an die Condor geleistete Finanzhilfe von 380 Mio. Euro, als auch die Übernahme selbst ein, die 250 Mio. Euro gekostet haben soll.

Führungsstil: Mit der Klobürste in der Hand

Als Schwachstelle von Milczarski wird sein Umgang mit der Belegschaft gewertet, der 2018 bis Anfang 2019 zu langanhaltenden Streik-Aktionen führte. Der Vorstand entließ 67 Mitarbeiter, darunter Piloten, die nach seiner Auffassung an den illegalen Streik teilgenommen haben. Ein bis dahin einmaliger Vorgang in einem Staats-Unternehmen. Nicht nur damit stellt er sich für die Gewerkschaft als das ,,Böse in Person“ dar. Keinesfalls nur eine Legende, sondern eine wahre Begebenheit: Bei einem LOT-Flug schloss er die Bord-Toilette, um mit der Klobürste in der Hand der Stewardess zu demonstrieren, wie man ordentlich die Bord-Toiletten zu säubern hat. Mehrfach hat der LOT-Chef hervorgehoben, dass er sich bei der Leitung des Flugunternehmens von der Meritokratie leiten läßt. Meritokratie bedeutet für ihn – so in einem Interview mit dem Fach-Portal Pasażer – ,dass nur die gut verdienen, die hart arbeiten und sich am meisten im Unternehmen bemühen“. Die Gewerkschaften dagegen wollen nur, dass alle das gleiche verdienen.

Rafał Milczarski Foto: LOT

Milczarski ist auch einer der größten Befürworter des CPK, bei dem die LOT die Hauptrolle spielen soll. Das Kürzel CPK steht für den geplanten Groß-Flughafen. Die Linie dafür hat Partei-Chef Jarosław Kaczyński vorgegeben. Auf einem Treffen
mit Partei-Funktionären im Frühjahr 2017 in Białystok räsonierte Kaczyński: Es könne nicht sein, dass polnische Bürger auf Fernreisen erst über Frankfurt, München und Wien umsteigen müssen, ,,oder – was man uns häufig vorschlägt -, in Berlin, wo es die deutsche Politik nicht schafft, den dortigen Großflughafen fertigzustellen“ Polen brauche einen Flughafen, der der Größe und der Bedeutung des Landes angemessen sei, und der mit Frankfurt, Paris oder London konkurrieren könne.
Nach Kaczyńskis Weisung wurde sofort die Regierungs-Maschinerie in Gang gesetzt und 2018 ein Spezial-Gesetz mit einer terminlichen Festlegung verabschiedet. 2027 soll das erste Flugzeug von dem neuen, als Hub konzipierten Groß-Flughafen abheben. Seine Abfertigungskapazität ist auf eine Größenordnung konzipiert, die die gegenwärtige Kapazität von Frankfurt übersteigt.

Hatte dies auch LOT-Vorstandschef Milczarski bei seiner Aussage im Sinne, die Übernahme der Condor passe voll ins Konzept der LOT? Bereits im Vorfeld der Entscheidung waren erste mediale Spekulationen aufgetaucht, dass die Langstrecken-Flüge der Condor für deutsche Feriengäste nicht mehr mit Umstieg in Frankfurt, sondern in Zukunft über Warschau erfolgen könnte. Auch ist es für die LOT erklärtes Ziel, ihr Netz an Interkontinental-Verbindungen massiv auszubauen. Dies trifft nach Einführung der Visa-Freiheit für polnische Bürger im vergangenen November insbesondere für Reisen in die USA zu. Die Langstrecken-Flugzeuge Boeing 767 der Condor sind für die LOT in diesem Zusammenhang ein fetter Bissen. Ein Großteil der LOT-Flotte selbst ist auf die Boeing aufgebaut. Dazu gehören u.a. 15 Dreamliner vom Typ Boeing 787.

LOT im polnischen Charter-Geschäft am Boden

Auch bei der Ankündigung des LOT-Managers in Frankfurt, mit Urlaubern aus Polen und Ungarn neue Märkte für die Condor zu erschließen, bleibt Skepsis angesagt. Die LOT hatte bisher im polnischen Charter-Verkehr wenig zu sagen. Mit der Beförderung von gerademal 100 000 Fluggästen im Charterverkehr hatte sie vergangenen Jahr lediglich einen Marktanteil am polnischen Charter-Geschäft von nur 2 Prozent Anteil. Marktführer ist hier die polnische Fluggesellschaft Enter Air mit weit über 20 Prozent. Zudem ist auch Polens größte Fluggesellschaft, der irische Billig-Flieger Ryanair (11,5 Mio. Fluggäste) bereits 2018 mit der Tochtergesellschaft Ryanair sun in das polnische Chartergeschäft eingestiegen.
Skepsis ist auch bei der noch auf der Übernahme-Konferenz in Frankfurt getroffenen Aussage angebracht, dass es bei der Condor keinen weiteren Stellen-Abbau geben wird. Beim Zusammenschluß des deutschen Ferienfliegers mit der LOT ist der aber schon vorprogrammiert. Nach der Rückkehr aus Frankfurt nach Warschau ist in der von der LOT herausgegebenen Erklärung davon keine Rede. Der LOT-Chef erklärte jedoch dort, bei den Kosten ,,sehen wir gewaltige Synergie-Effekte“. Und damit dürfte er wohl nicht nur die Einspar-Möglichkeiten bei den Treibstoff-Kosten auf den deutschen Flughäfen meinen, wo die Condor und LOT gleichzeitig operieren.

Text: © Andreas Höfer / infopol.PRESS

Foto: Jerzy Hubka/Faceb

Greta Thunberg in polnischer Kohle-Landschaft vorgeführt

Fast unbemerkt und von der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, ist jetzt ein Besuch der Umwelt-Aktivistin Greta Thunberg im polnischen Kraftwerk Bełchatów abgelaufen. Wie die örtliche Tageszeitung Dziennik Łódzki erst einige Tage später berichtet, reiste die schwedische Umwelt-Aktivistin mit einem E-Auto von Tesla an, begleitet von einem Fernseh-Team der BBC. Nach Angaben der Zeitung hatte sich das Team um eine Dreh-Genehmigung auf dem Gelände des Kraftwerks bemüht. Der Betreiber des Kraftwerks PGE, Polens größter Energiekonzern im Bereich der Stromwirtschaft, hatte jedoch eine Drehgenehmigung verweigert. Der  Konzern wird vom Staat kontrolliert.

Bełchatów ist mit einer Gesamtleistung von 5298 MW das größte Braunkohlen-Kraftwerk in Europa. Mit der jährlichen Produktion von 35 TWh versorgt es fast 11,5 Mio. Privathaushalte mit Strom. Das macht einen Anteil an der Landes-Produktion von rund 22 Prozent aus. Bełchatów ist jedoch auch der größte Umwelt-Verschmutzer und Schadstoff-Emittent. Nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa. Jährlich werden dort rund 45 Mio. t Braunkohle verbrannt. Dabei werden zwischen 30 und 40 Mio. t Co2 freigesetzt. Das ist mehr als ganz Irland oder die Slowakei an umweltschädlichen Gasen ausstösst. Nicht nur für Greta Thunberg  ein Symbol der Umwelt-Zerstörung.

Foto: Greenpeace Polska

Bereits im vergangenen Jahr hatten Aktivisten von Greenpeace Polska nach der Blockade-Haltung Polens beim EU-Gipfel im Juni zur Klima- Neutralität  in einer nächtlichen Aktion einen der Kühltürme des Kraftwerks mit dem Konterfei von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) bestrahlt. Darunter setzten sie das Wort ,,Schande“ in polnischer und englischer Sprache.

Die Aktion erzielte allerdings kaum Wirkung, zumindest nicht in der Gemeinde Kleszczów, auf deren Territorium sich das Kraftwerk befindet. Kleszczów, im Volksmund gelegentlich als ,,polnisches Kuweit“ bezeichnet, ist seit Jahren die reichste Gemeinde in Polen mit Steuer-Einnahmen pro Einwohner von umgerechnet 10 000 ‚Euro. Trotz der alltäglichen Umweltbelastung durch das Kraftwerk will hier keiner der Einwohner wegziehen, da ihnen hier hohe Sozial-Standards geboten werden wie nirgendwo in Polen.

Und eben auf der öffentlichen Aussichts-Terrasse der Gemeinde hatten Greta Thunberg und ihr Team Stellung bezogen, um nach der Absage durch den Energiekonzern dort ihre Filmaufnahmen zu machen. Ein Fremder kann dort aber kaum Foto- und Filmaufnahmen machen ohne die Aufmerksamkeit der Umgebung auf sich zu ziehen. Sofort tauchten der Wachschutz des Kraftwerks und Polizei auf, die die Filmaufnahmen überwachten, berichtet die Zeitung. Nach Angaben der örtlichen Polizei-Inspektion verlief die Aktion jedoch ruhig und ohne Zwischenfälle.

Gewerkschaft: Kontakte mit Greta Thunberg eine ,,Dummheit“

Nach dem wenig befriedigenden Besuch im Kraftwerk ohne konkreten Informationen begab sich Greta Thunberg nach Oberschlesien, dem Herz des polnischen Steinkohle-Bergbaus. Sie war schon einmal dort beim Weltklima-Gipfel 2018 in Katowice. Damals war die kleine Greta aber noch kaum bekannt. Der große Medien-Hype folgte erst später, nachdem die Friday-for-future-Aktion weltweit ins Rollen kam. 2018 hatte die Umweltaktivistin allerdings in Katowice außer Konferenz-Räumen und bis an die Decke hochgespalten Schau-Vitrinen mit Steinkohle wenig vom Kohle-Bergbau in Oberschlesien und seinen Problemen gesehen und mitbekommen.

Im oberschlesischen Zabrze, wohin sich die schwedische Umwelt-Aktivistin diesmal begab, war man offensichtlich auf den Besuch vorbereitet. Es kam zu einem Treffen mit ,,Bergleuten“. Jerzy Hubka präsentierte sich danach stolz in seiner Bergmanns-Tracht mit der kleinen Greta in den sozialen Medien. ,,Wir haben uns mit Greta Thunberg im Bergwerk Makoszowy getroffen und waren danach mit ihrem Team im Bergwerk Guido, damit Greta einmal ein Bergwerk von unten sieht“, berichtet Hubka. Wir haben ihr gesagt, dass die Bergleute keine Änderungen und Umgestaltungen fürchten, vorausgesetzt man führt mit ihnen einen sachlichen Dialog und erarbeitet konkrete Kompromisse. ,,Wir haben auch betont, dass die Kohle-Bergwerke kein Co2 generieren und man sie mit modernen umweltfreundlichen Technologien ohne Verlust von Arbeitsplätzen ausstatten kann“.

Die Umweltaktivistin berichtet später, dass sie bei den polnischen Bergleuten auf Verständnis zu notwendigen Veränderungen zum Stopp des Klima-Wandels gestossen ist. Ob man der Umwelt-Aktivistin aber auch mitgeteilt hat, dass das von ihr besuchte Bergwerk Makoszowy bereits vor 5 Jahren stillgelegt wurde und das Bergwerk Guido ein als Schau-Bergwerk für die Öffentlichkeit allgemein zugängliches Museum ist, das ist nicht bekannt.
Die Leitung des Landesverbandes der Bergarbeiter-Gewerkschaft hat jedensfalls vom Besuch Wind bekommen und sich von den Treffen ihrer Gewerkschafts-Mitglieder im Bergwerk Makoszowy scharf distanziert. ,,Die Kontakte mit Greta Thunberg im Lichte von Fernseh-Kameras der BBC sind ein Ausdruck von Dünkel und Dummheit. Die Handlungen der Kollegen in Makoszowy sind schädlich für Polen“, heißt es in einer Erklärung der Gewerkschaft. Schädlich für Polen? Wem wundert eine solche Aussage in einem Land, wo Kohle als Brennstoff für Privat-Haushalte als ,,patriotische Kohle“ (,,Ekogroszek Patriot Plus“) angeboten wird.
Text Magda Szulc / infopol.PRESS

Donald Tusk: Keine Rückkehr in die polnische Politik

Für Polens größte Oppositionspartei PO ist die große Hoffnung zerstoben, dass ihre ehemaliger Parteichef Donald Tusk wie in der biblischen Offenbarung als weißer Reiter auf weißen Roß in die bevorstehende Wahl zum Staatspräsidenten zieht, zerstoben. Wie schon 2014, als er kurz vor den polnischen Parlamentswahlen dem Drängen von Angela Merkel auf den EU-Ratsposten in Brüssel folgte, erteilte er auch diesmal mit der Kandidatur zum Chef der Europäischen Volkspartei seiner Partei in Polen eine Absage.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des EU-Ratspräsidenten erklärte Donald Tusk, dass er nicht bei den polnischen Präsidentschaftswahlen kandidieren wird. ,,Ich bin der Ansicht, dass wir diese Wahlen gewinnen können. Dazu ist jedoch eine Kandidatur notwendig, die nicht mit dem Gepäck schwieriger unpopulärer Entscheidungen belastet ist”, sagte Tusk zur Begründung mit Hinweis auf seine Zeit als früherer Ministerpräsident.

Diese Absage geht auch dem Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts SW Research einher. Danach spricht sich nahezu die Hälfte aller Polen (49,6 Prozent) gegen eine Kandidatur von Tusk aus. Der selbst erklärte, dass das von der nationalkonservativen PiS-Partei gesteuerte öffentliche Fernsehen (TVP) seinen politischen Ruf und Ansehen schwer geschädigt habe.

Tusk war von 2007 bis 2014 Ministerpräsident. In dieser Zeit traf er viele unpopuläre Entscheidungen. Dazu gehörten u.a. die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent, die Erhöhung des Renteneintritt-Alters und die Verlagung eines Teils der in den Offenen Rentenfonds OFE angesparten privaten Gelder unter das Kuratel der staatlichen Sozialversicherungs-Anstalt ZUS.

Bei seiner Kandidatur für das Präsidentenamt wäre er daher für viele Polen unabhängig von ihrer politischen Orientierung ein Symbol der alten Ordnung, die niemand mehr zurückhaben will.

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Geschützt: Wahlsieg für PiS-Parteichef Kaczyński ein Pyrrhus-Sieg

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Zweite Säule des Rentensystems wird abgeschafft

Die Regierung hat einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Offenen Rentenfonds (OFE) als zweite Säule des polnischen Rentenversicherungs-Systems angenommen.

Für die Regierungspartei hat diese Maßnahme elementare Bedeutung, um in den nächsten zwei Jahren bei Fortsetzung ihrer Sozial-Politik einen ausgeglichenen Staatshaushalt sichern zu können.

Bisher beruhte das polnische Rentensystem darauf, dass die monatlich gezahlten Rentenversicherungs-Beiträge in ein Umlage-System flossen, von dem der größte Teil an die Sozialversicherungsanstalt ZUS floss. Der kleiner Teil (2,92 Prozent der Bemessungsgrundlage) ging an den Offenen Rentenfonds (OFE), der die Gelder auf den Finanzmärkten anlegte.

Der jetzt von der Regierung beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, dass die im Offenen Rentenfonds angesammelten Gelder in private Rentenkonten der Rentenversicherten überführt oder – wenn diese das wünschen – direkt an die Sozialversicherungsanstalt ZUS weitergeleitet werden.

Staat hält die Hand auf: 15 Prozent Gebühr

Im Fall der Überführung der Beträge auf private Rentenkonten erhebt der Staat eine Gebühr von 15 Prozent. Im Gegenzug verspricht der Staat, dass es bei Auszahlung der in den privaten Rentenkonten gesammelten Gelder keine Versteuerung gibt und der Vererbung unterliegen. Bei der Weiterleitung der bei der OFE gesammelten Beiträge direkt an die ZUS erfolgt dagegen bei Erreichen des Renten-Alters eine Versteuerung.

Die Umwandlung betrifft insgesamt 15,8 Mio. Rentenversicherte. Deren bei den Offenen Rentenfonds gesammelten Aktivas betragen insgesamt 162 Mrd. Złoty (rund 38 Mrd. Euro). Vom Rechts-Standpunkt aus werden diese Gelder als öffentliche Mittel behandelt. Deren Überführung auf private Rentenkonten sei eine ,,echte Privatisierung” erklärte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. ,,Wir geben den Polen das Geld zurück”. Damit solle das Vertrauen der Rentenversicherten in langfristiges kapitalgestütztes Rentensparen gestärkt werden.

Die Maßnahme hat natürlich einen Pferdefuß. Die 15prozentige Gebühr gibt der der Regierung die Möglichkeit, den Staatshaushalt aufzupumpen und die überbordenden Ausgaben mit den Einnahmen im Gleichgewicht zu halten. Zumindest für die nächsten zwei Jahre.  Die Regierung rechnet hier mit Einnahmen von rund 19 Mrd. Złoty. Vorausgesetzt, dass mindestens 75 Prozent Pflichtversicherten einer Umwandlung in private Rentenkonten zustimmen und der Mitteltransfer nicht direkt an die Sozialversicherungsanstalt ZUS erfolgt.

Ohne die Erhebung der Gebühr wäre es der Regierung praktisch unmöglich, die von PiS-Parteichef Jarosław Kaszyński unterbreiteten Wahlversprechen – u.a. 13 und 14. Zusatz-Rente, Fortführung des Sozialprogramms 500 + – zu finanzieren und gleichzeitig ein in den Einnahmen und Ausgaben ausgeglichenen Staatshaushalt zu sichern.

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