24-Stunden Blackout in der polnischen Medienlandschaft



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,,Medien ohne Auswahl“ – Mit dieser Aufschrift auf schwarzen Untergrund waren heute Dutzende Medien in Polen nicht erreichbar. Sie protestierten damit gegen die geplante, von der PiS-Partei gesteuerte Einführung einer ,,Werbe-Steuer“. Statt ihrer Programme waren in den beiden privaten Fernseh-Senders TVN und Polsat nur der schwarze Hintergrund mit der Aufschrift: „Hier sollte ihre Lieblingssendung sein“ zu sehen Bei Polens populärsten online-Nachrichten-Portal onet.pl hieß es ,,Hier liest Du heute keine Inhalte. Überzeuge Dich, wie eine Welt ohne unabhängige Medien aussehen wird“.

Insgesamt mehr als 40 Zeitungen, Fernseh- und Rundfunksender sowie Online-Portale beteiligten sich an der gemeinsamen 24-stündigen Aktion gegen den Plan der nationalkonservativen Regierung, eine Steuer auf deren erzielten Werbeerlöse zu erheben. Lediglich die der PiS-Partei nahestehenden Pressetitel und das öffentliche Fernsehen und der Hörfunk publizierten ihre Inhalte.

Der Plan der Regierung zur Besteuerung der Medien beinhaltet die Erhebung einer Steuer auf deren Werbeeinnahmen. Neben Radio- und Fernsehsendern, Print- und Onlinemedien sollen auch Kinos und Anbieter von Billboards (Großwerbeflächen) zur Kasse gebeten werden. Die Besteuerung soll zwischen zwei bis 15 Prozent in Abhängigkeit von der Höhe der Werbeeinnahmen liegen. Die Regierung rechnet hier mit Einnahmen von 1,2 bis 1,4 Mrd. Złoty im Jahr.

,,Solidaritäts-Abgabe“ nur für Medien?

Bei der Vorstellung ihres ersten Entwurfs hatte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Werbesteuer noch als ,,Solidaritäts-Abgabe“ bezeichnet, mit der die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie abgefedert werden sollen. Weshalb aber gerade die Medienbranche, die mit sinkenden Werbeeinnahmen auch unter der Corona-Krise litt, als einzige Wirtschaftsbranche mit einer Sondersteuer zur Kasse gebeten wird und Corona-Gewinner nicht dafür herangezogen werden, auf diese Frage blieb die Regierung die Antwort schuldig.

Da die vordergründige Absicht ihr Ziel verfehlte, setzte jetzt Ministerpräsident Morawiecki den Kritikern die Aussage entgegen, dass die internationalen Steuer-Systeme an die Geschäfts-Modells der großen Internet-Giganten wie Google, Facebook oder Apple angepasst werden müssen. Die Diskussion habe darüber in den europäischen Gremien bereits vor vier Jahren begonnen. Es habe sich aber erwiesen, dass dies nur ein ,,Spiel auf Zeit“ sei. Polen wolle nicht mehr länger warten und den Fußspuren Frankreichs folgend steuerliche Lösungen einführen, die eine Antwort ,,auf die neue digitale Welt geben, die auf unseren Fernsehgeräten, Computer und Smartphones erscheint. Es kann nicht sein, dass die Armen immer ärmer werden, weil die Reichen immer reicher werden.“, sagte Morawiecki, der mit einem hohen privaten Millionen-Vermögen eine einzigartige Stellung unter allen Regierungschefs in der polnischen Geschichte einnimmt.

Nicht nur die Verleger unabhängiger Medien bezweifeln, dass die neue Steuer sich vor allem gegen die amerikanischen Internet-Giganten richtet. Selbst aus Kreisen des polnischen Finanzministeriums werden Zweifel geäußert. Eine Steuer auf Werbe-Einnahmen, für die es nicht viele Anhänger gebe, sei etwas anderes als eine Digital-Steuer, bei deren Einziehung im Fall solcher Unternehmen wie Google oder Facebook es für den polnischen Fiskus große Probleme gebe.

Die neue Steuer belaste vor allem polnische Medien-Unternehmen, heißt es in dem Protestbrief von Verlegern und Eigentümer unabhängiger Medien an Ministerpräsident Morawiecki . Sie schwäche einen Teil der Medien in Polen und könne dazu führen, dass diese ganz vom Markt verschwinden. Im Unterschied zu den öffentlichen Medien, die jedes Jahr 2 Mrd. Zloty aus den Taschen des polnischen Steuerzahlers erhalten, wird den privaten Medien ein zusätzlicher Tribut von 1 Mrd. Zloty auferlegt“, heißt es in dem Protestbrief. Damit werden die Ungleichbehandlung in der polnischen Medien-Landschaft vertieft.

Steuer statt Zensur

Zwar sollen auch das als Sprachrohr der Regierung geltenden Staatsfernsehen TVP und der öffentliche Hörfunk die Steuer bezahlen. Da die Einnahmen aus der Steuer aber nicht nur in den Nationalen Gesundheitsfonds, sondern auch zu 50 Prozent in den Fonds zur Förderung der Kultur und des nationalen Erbes fließen sollen, ist eine Bevorzugung regierungsfreundlicher Medien über einen Umweg weiter gegeben, denn über die Mittelvergabe entscheiden die Regierungsstellen, die fest in der Hand der nationalkonservativen Regierung liegen. Auf diese Weise werden also regierungskritische Medien von der Regierung gezwungen, mit der Steuer jene Medien mitzufinanzieren, die von der Regierung bevorzugt werden.

,,Steuer statt Zensur“ – Kritiker und die Opposition sehen in dem Vorhaben der polnischen Regierung auch Parallelen zur Medienpolitik von Viktor Orban in Ungarn , freie Medien auszuschalten.

© André Jański / infopol.PRESS

Operation ,,Zumbach“ mit politischem ,,Gschmäckle“

Mit einem positiven Feedback haben die polnischen Soldaten die Operation ,,Zumbach“ beendet. Nach ihrer Rückkehr aus Großbritannien lobte Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak ihre Einsatzbereitschaft und die Fähigkeit zu einer schnellen Mobilisierung von deren Formation.
Polen hatte am 1.Weihnachtsfeiertag die Entsendung von jeweils 30 Soldaten vom Flughafen Poznań-Krzesiny mit Militär-Transport-Maschinen CASA C-295 angeordnet. Die meisten von ihnen waren Angehörige der sogenannten WOT-Selbstverteidigungs-Streitkräfte.
Mit Anti-Gentests, Lebensmitteln und Sanitärschutz-Mitteln ausgerüstet, sollten die auf die Insel entsendeten polnischen Soldaten den Briten helfen, die Lkw-Staus aufzulösen. Bereits vor Weihnachten hatten sich Tausende Lkws aufgestaut, nachdem Frankreich wegen der neuen Coronavirus-Mutation die Grenzen geschlossen hatte.

Nach Angaben des WOT-Oberkommandos führten die polnischen Soldaten auf den als dezentralen Stauraum umfunktionierten Flugplatz rund 500 Schnelltests bei den dort wartenden Kraftfahrern durch, denn nur mit der Vorlage eines negativen Testergebnisses konnten die Lkw-Fahrer auf die Fähren. Sie verteilten auch Lebensmittel, Wasser und halfen den britischen Ordnungskräften bei der Regulierung des Verkehrs. Nach der Entleerung des Stauraumes siedelten sie um auf die Autobahn und die Umgebung von Dover, wo sie laut WOT sechs-Versorgungspunkte einrichteten und weitere Tests durchführten.

Polen – Größter Warentransporteur nach Großbritannien

Zwar leisteten die polnischen Soldaten auch Fahrern aus anderen Ländern Hilfestellung. Vordergründig war die Aktion jedoch auf polnische Kraftfahrer ausgerichtet. Sie bildeten denn auch den Hauptteil der auf die Überfahrt wartenden Lkw-Fahrer. Schließlich ist das polnische Transport-Gewerbe nicht nur in der gesamten EU ein Gigant, sondern dominiert auch die Strassen-Frachtverkehre zwischen Großbritannien und dem EU-Festland, einschließlich der Kabotage-Transporte. Nach Angaben des Europäischen Statistik-Amtes Eurostat ist Polen der größte Warentransporteur auf den Strassen zwischen Großbritannien und den EU-Ländern. Vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU haben polnische Transportfirmen zuletzt insgesamt 5 Mio. t Ladung zwischen der Insel und der EU im Jahr transportiert.

Operation nach polnischem Flieger-Ass benannt

Zwar war die Hilfe der polnischen Soldaten als reine humanitäre Aktion deklariert. Frei von politischen Hinter-Gedanken und von wirtschaftlichen Interessen getrieben, war sie jedoch nicht. Dafür spricht die als ,,Operation Zumbach“ bezeichnete, kurzfristig angeordnete Aktion, benannt nach dem polnischen Flieger-Ass Jan Zumbach. Der in Polen geborene und aus Schweizer Emigrationskreisen stammende Zumbach hatte in den 30er Jahren in der polnischen Armee eine Flieger-Ausbildung absolviert. Nach den Überfall Deutschlands auf Polen 1939 schlug er sich nach Großbritannien durch, wo er 1940 für die Royal Air Force im Luftkrieg über England zahlreiche Abschüsse deutscher Bomber und Jäger erzielte und Geschwader-Kommandeur der legendären (polnischen) Staffel 303 der britischen Luftwaffe wurde. Die 303 war mit den meisten Abschüssen die erfolgreichste Fliegerstaffel in der Luftschlacht um England. Nach Kriegsende war die Karriere von Zumbach weniger glorreich. In Frankreich verdiente er zunächst sein Geld mit dem Transport von Schmuggelware, war später Betreiber von Spiellokalen und einer Diskothek in Paris, bevor er sich in den 60er Jahren unter den Kampfnamen ,,Johnny Brown“ als weißer Söldner in Schwarz-Afrika verdingte.
Dass die polnische Regierung die kurzfristige Entsendung polnischer Soldaten nach Großbritannien als ,,Operation Zumbach“ bezeichnete, war als politisches Signal an die Regierung von Boris Johnson in London zu werten. Zu dem Zeitpunkt stand der Abschluß des Vertrages zwischen der EU und Großbritannien auf der Kippe. Falls es nicht zu einen Vertragsabschluß mit der EU und einem harten Brexit gekommen wäre, der die Chancen für bilaterale Vereinbarungen eröffnet hätte, wollte sich Polen für die Wahrnehmung seiner Interessen gute Ausgangspositionen verschaffen.

Polnische Transportlobby: Frankreich soll Entschädigung zahlen

Die Aktion wurde in Kreisen der polnischen Verkehrswirtschaft auch als Kontrapunkt zur Position von Frankreich verstanden. Für den Chef des polnischen Verbandes der internationalen Strassentransport-Unternehmen Jan Buczek trug Frankreich allein die Schuld an der Situation, indem es wegen der neuen Corona-Virusmutation sofort die Lkw-Einfahrt nach Frankreich blockiert habe. Geisel des Konflikts wären die ,,polnischen Lkw-Fahrer“ gewesen. Die Entscheidung der Franzosen sei unverantwortlich gewesen und habe den polnischen Transport-Unternehmen schweren Schaden zugefügt. Die Verluste bezifferte Buczek gegenüber der Zeitung Rzeczpospolita auf mindestens 24 Mio. Euro. Nach Ansicht von Buczek stehen Anwalts-Kanzleien bereit, die reale Chance für die Erhebung von Klagen auf Zahlung einer Entschädigung gegen den französischen Staat sehen, durch dessen Handlung Leben und Gesundheit der Lkw-Fahrer gefährdet und die Lieferung und Entladung der transportierten Ware blockiert worden sei.

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Tausende Lkws stauten sich im März vor den Grenzübergängen nach Polen, als die Regierung in Warschau überraschend die Grenzen blockierte. Das Schicksal der tagelang in ihren Kabinen ausharrenden Lkw-Fahrer war den Regierenden seinerzeit völlig egal. Foto: PL-MVI-Agentur Foto

 

Diese Äußerungen und auch die Maßnahmen des polnischen Staates stehen allerdings im scharfen Kontrast zu einem analogen Ereignis im Frühjahr. Die polnische Regierung hatte im März zum Schutz gegen die Übertragung der Corona-Virus aus dem Ausland schlagartig die Grenzen nach Polen blockiert. Wie in Großbritannien über Weihnachten stauten sich seinerzeit Tausende von Lkw vor den Grenzübergängen nach Polen. Auf der Haupt-Trasse im Ost-West-Verkehr, der Autobahn A-12, stauten sich tagelang die Lkw über 60 Kilometer, während am Brücken-Ausgang über die Oder ein einziger polnischer Beamter stand, und seelenruhig eine Fiebermessung bei jedem Fahrer der einzeln vorrückenden Lkws vornahm. Das Schicksal der teilweise tagelang in ihren Kabinen verharrenden Fahrer schien der Regierung in Warschau ziemlich egal zu sein. Anders als in England schickte sie keine militärischen Mobilitätstrupps zum schnellen Abbau der Staus. Und auch vom Verband der polnischen Strassentransporteure waren keine Forderungen an die eigene Regierung zu hören, Entschädigungen für den entstandenen Schaden zu zahlen.

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Polnische Medien der Niederbayern unter PiS-Kontrolle

,,Strategische Gründe“ hat Alexander Dieckmann, geschäftsführende Gesellschafter der Verlagsgruppe in Passau für den Verkauf seiner Tochter Polska Press an den polnischen Mineralölkonzern PKN Orlen vorgeschoben. Für den stellvertretenden Staats-Minister ist der Verkauf der Niederbayern an PKN Orlen ,,reines kaufmännisches Geschäft“. Für polnische Medien-Experten ist es dagegen einer der schwärzesten Tage in der polnischen Medien-Geschichte: Der Staat übernimmt einen bedeutenden Teil der privaten Medien. Nachdem das öffentliche Fernsehen TVP bereits zum PiS- Propagandasender verkommen ist, wird befürchtet, dass PKN Orlen mit der Kontrolle über die von der Passauer Verlagsgruppe verkauften Medien zu einem weiteren Sprachrohr der PiS-Propaganda wird.

Der Aufbau ihrer polnischen Verlagsgruppe begannen die Niederbayern in vertrauter Umgebung – im Vorgebirgsland mit der Übernahme des ,,Dziennik Polski“ in Kraków. Danach wurde schrittweise eine Regionalzeitung nach der anderen in Polen übernommen. Insgesamt 20 von 24, also nahezu die gesamte polnische Regionalpresse. Die Passauer gruppierten um die Regionalzeitungen das aus der Hoch-Zeit deutscher Printmedien bekannte Arsenal an Publikationen: Anzeigen-Zeitungen, lokale und regionale Wochenzeitungen, Sparten-Blätter auf lokaler und regionaler Ebene. Insgesamt 170 Titel umfasst das Sortiment der Polska Press. Ergänzt werden diese mit zahlreichen Online-Portalen. Laut Mediapanel nimmt Polska Press mit seinen Internet-Servicediensten den 9. Platz im polnischen Internet ein. ,,Dank der Transaktion bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Nutzern dieser Portale“ jubiliert denn auch der Vorstandschef von PKN Orlen.

Über den Verkaufspreis machen sowohl die Niederbayern wie PKN keine Angaben. Nach Informationen des Wirtschaftsblattes Puls Biznesu soll es aber rund 100 Mio. Złoty sein , was umgerechnet weniger als 25 Mio. Euro sind. Sollte dieser Verkaufspreis stimmen, fällt er relativ niedrig aus. Zum Vergleich: die Hamburger Bauer Media-Group hat in diesem Jahr für den Verkauf ihres Internet-Portals Interia (täglich 7,5 Mio. User) einen Verkaufspreis von 422 Mio. Złoty ausgehandelt. Anders als die Niederbayern hatten die Norddeutschen ihr Portal nicht an einem staatlich kontrollierten Konzern, sondern an die private polnische Unternehmensgruppe Polkomtel verkauft, die auch Eigentümer des privaten Fernsehsenders Polsat ist.

Bei den polnischen Regionalzeitungen zeigten sich schnell die gleichen Problemen, die auch die deutsche Printpresse kennt. Die Generationen unter 40 Jahre informieren sich kaum noch über die Print-Zeitungen. Dies hat sich auch in den Ergebnissen niedergeschlagen. Polska Press verzeichnete im vergangenen Jahr nach Angaben des Wirtschafts-Auskunftei Bisnode einen Rückgang der Verkaufseinnahmen um 6,5 Prozent auf 398 Mio. Zloty. Dabei verringerte sich der Verkauf der Zeitungen um knapp 9 Prozent, der Anzeigen-Verkauf um 4,9 Prozent. Die durchschnittliche Tages-Auflage betrug laut der Presse-Vertriebskontrolle ZKPD im ersten Halbjahr 150 000 – bei 20 Regionalzeitungen!

,,Deutsche Propaganda“ mit der Regionalpresse?

Die jetzt mit dem Mineralölkonzern vollzogene Transaktion zeichnete sich bereits zu Jahresanfang an. Im Februar wurde mit dem Anzeigen-Portal gratka.pl das ,,Paradepferd“ an die Ringier Axel Springer AG verkauft. Mit der Veröffentlichung von durchschnittlich 760 000 Anzeigen im Monat (Stand 2019) ist gratka.pl eines der größten und populärsten Anzeigen-Portale im polnischen Internet..
Zu der Zeit arbeitete die PiS-Partei bereits an einem Gesetz zur Entflechtung und zur sogenannten ,,Repolonisierung“ des Medienmarktes. Das polnische Verlagsimperium der Passauer mit der Regionalpresse als ,,Instrument, mit denen die Deutschen Propaganda betreiben“ bot dazu eine gute Vorlage. Tatsächlich geht es der PiS-Partei seit ihrer Machtübernahme 2015 um die Kontrolle über private unabhängig Medien, die sich als Hüter der Demokratie begreifen und kritisch das politische System hinterfragen. Der PiS waren hier ganz andere Medien ein Dorn im Auge wie z.B die überregionale Tageszeitung ,,Gazeta Wyborcza“ , das Nachrichtenportal ,,onet“ oder der private Fernsehsender TVN, der den von der PiS-Partei vereinnahmten öffentlichen Fernsehen TVP eine kritische Berichterstattung entgegensetzte. Die ideologischen Angriffe auf TVN und die Versuche der Einflußnahme scheiterten jedoch an der US-amerikanischen Botschaft in Warschau und ihrer Chefin Georgiette Mosbacher, eine Vertraute vom scheidenden US-Präsident Donald Trump. Der Fernsehsender TVN gehört zum amerikanischen Discovery-Konzern. Und amerikanische Interessen wahrzunehmen heißt in dem Fall sich für die Meinungsfreiheit in Polen einzusetzen. Die von der US-Botschafterin ausgesprochenen Drohungen beerdigten die Träume der Pis-Führung.

Da auch die Einflussnahme auf die Medien mit gesetzlich restriktiven Regelungen wenig Chance auf Erfolg versprachen, kam die PiS auf eine neue Idee. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński gab im Frühjahr vor, Änderungen im Medienmarkt auf ,,eine zivilisierte Weise“ vorzunehmen. Konkret heißt das, Unternehmen, die vom Staat und damit von der PiS-Partei kontrolliert werden, sollen private Medien kaufen.

 

Der Mineralölkonzern PKN Orlen, der jetzt mit der Passauer Verlagsgruppe den Kaufvertrag abschloss, ist nicht nur eines der weit über 500 Unternehmen, die vom Staat kontrolliert werden. Mit einem Umsatz von 111 Mrd. Złoty und einem Nettogewinn von 4,49 Mrd. Złoty (Stand 2019) ist er auch der finanzkräftigste Konzern in Polen. Sein Kerngeschäft ruht auf die Erdölverarbeitung in seinen Raffinerien in Polen und Litauen und dem Mineralölvertrieb in seinen 2836 Tankstellen, davon 1800 in Polen und weiteren mehr als 1000 Tankstellen in den Nachbarländern, wobei das Vertriebsnetz in Deutschland mit 585 Tankstellen (Star/PKN Orlen) das größte im Ausland ist.

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PKN-Chef Vertrauter von Kaczyński

Geführt wird der Konzern von Daniel Obajtek. Vor mehr 5 Jahren war er noch Vorsteher einer kleinen Gemeinde in Südpolen. Mit der Art und Weise seines erfolgreich geführten Wahlkampfes für die PiS-Partei wärmte er das Herz ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński. Nach der Übernahme der Regierungs-Gewalt hievte die PiS-Führung Obajtek sofort auf den Chef-Posten der staatlichen Landwirtschafts-Agentur. Den Posten übte er zwar nur für kurze Zeit aus. Konsequent erfüllte er dabei jedoch die ihm von Kaczyński zugedachte Aufgabe als ,,politischer Kommissar“ gründlich eine personelle Reinigung der Agentur vorzunehmen. 1600 Mitarbeiter der von der Vorgänger-Regierung eingesetzten Mitarbeiter mussten gehen. Unmittelbar danach wurde Obajtek mit der Führungs-Position beim nordpolnischen Stromversorger Energa betraut. Auch hier war er nur kurze Zeit tätig. Diese reichte jedoch aus, um sich Branchenkreisen der Erneuerbaren Energien den Ruf als einer der ,,Totengräber der Windenergie” in Polen zu erarbeiten.

Daniel Obajtek – Vom Ortsvorsteher zum Konzern-Chef

Ungeachtet dessen, dass Obajtek nur einen Studienabschluss für Arbeitshygiene und Arbeitsschutz an einer polnischen Provinzschule hat, wurde er 2018 von der PiS-Führung mit dem Vorstandsposten bei Polens größten Konzern PKN Orlen betraut. PKN Orlen soll zu einem Multi-Energiekonzern auf internationalen Spitzen-Niveau entwickelt werden, so das von Obajtek verkündete Rezept. Wirtschaftsexten rieben sich jedoch verwundert die Augen, als PKN Orlen vor einigen Monaten den hochverschuldeten Kiosk-Betreiber Ruch mit seinem Pressevertrieb kaufte. Die Übernahme von Ruch schreibt sich in „unsere strategischen Pläne zur Entwicklung eines Einzelhandels-Netzes ein”, entgegnete Obajtek auf die Frage, was die Übernahme eines Presse-Vertrieb den Mineralölkonzern bringen soll. In Verbindung mit dem jetzt vereinbarten Kauf von Polska Press nimmt das dahinter stehende politische Konzept immer stärkere Konturen an.
Dass es um den Einfluss der Regierung auf die Medien geht, weist Obajtek zurück. Der Kauf von Polska Press sei rein wirtschaftlicher Natur.
Die politische Opposition in Polen sieht das anders. Sie sieht Parallelen zum russischen Staatskonzern Gazprom, der auch zahlreiche Medien unter seine Kontrolle gebracht hat. Der Verfassungsrechtler und Beauftragten für Bürgerrechte Adam Bodnar wertet die Kauf-Entscheidung als historischen Moment. Das PiS-Regierungslager sei in die Fußspuren von Victor Orban in Ungarn getreten. ,,Nach der vollen Kontrolle über die staatlichen Medien kommt jetzt die Aufsicht über die regionale Presse“, sagte er dem onet-Nachrichtenprotal. Der polnische Journalistenverband hat sich unterdessen mit einem Appell an die bei Polska Press arbeitenden Journalisten gewandt. Darin heißt es u.a.: ,,Ihr werdet jetzt eine weitere Stimme der Nowogrodzka (Sitz der PiS-Parteizentrale –d.R.) Diejenigen von Euch, die sich dem nicht unterordnen, müssen gehen. Eure Chefs werden schon bewährte Propagandisten aus den `öffentlichen Lokal-Medien“, die Euch die Ziele und Gegner vorgeben“.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS

PiS-Parteichef Kaczyński zurück am Regierungs-Steuer

Jarosław Kaczyński, Vorsitzender der nationalkonservativen PiS-Partei, ist wieder zurück. Der Mann, der seit Jahren aus dem Hintergrund die Staatspolitik dirigierte, ist gestern von Staatspräsident Andrzej Duda als Mitglied der neuen umgebauten polnischen Regierung vereidigt worden. Kaczyński, der schon 2006/2007 der Regierung als Ministerpräsident vorstand, wird in der neuen Regierung jedoch ,,nur“ das Amt eines von vier Stellvertretern des Ministerpräsidenten bekleiden. Regierungschef bleibt Mateusz Morawiecki, der noch bei der Vorstellung des neuen Regierungskabinetts mit sauertöpferischer Miene erklärte, dass Kaczyńskis Beitritt eine große Stärkung der Regierung bedeute. Der Umbau der Regierung – Reduzierung der Ministerien von 20 auf 12 – habe auch weniger personellen, als vielmehr strukturellen Charakter, so Morawiecki.

Formell ist Morawiecki jetzt der Dienstherr von Kaczyński. Doch jeder weiß in Polen, dass PiS-Parteichef Kaczyński in der ‚Regierung das Sagen hat, selbst wenn er nur das Amt eines stellvertretenden Landwirtschaftsministers hätte.

Koalitionspartner unter Kontrolle halten

Offiziell ist Kaczyński in der neuen Regierung die Aufgabe zugedacht, die Aufsicht über die sicherheitsrelevanten Ministerien – Justizministerium, Innenministerium, Verteidigungsministerium – zu führen. Seine eigentliche Aufgabe besteht jedoch darin, die Regierungskoalition der ,,Vereinigten Rechten“ zusammen-, und insbesondere Justiz-Minister Zbigniew Ziobro als Vorsitzenden der Koalitionspartei ,,Solidarna Polska“ (Solidarisches Polen) in Schach zu halten. So ist der Eintritt von Kaczyński in die Regierung als politisches Manöver zu werten, die Brüche in der Regierungskoalition der PiS-Partei mit ihren Juniorpartnern zu kitten.

Noch vor zwei Wochen war in den Führungskreisen der PiS-Partei noch von der Bildung einer Minderheits-Regierung und sogar von vorgezogenen Neuwahlen die Rede. Auslöser für den drohenden Koalitionsbruch, aber nicht seine Ursache, war die Abstimmung über das vom Parlament beschlossenen Tierschutz-Gesetz. Die unter Führung von Justizminister Zbigniew Ziobro stehende Solidarna Polska stimmte geschlossen gegen das von PiS-Parteichef Kaczyński vorgeschlagene Tierschutzgesetz. Die Partei Porozumienie – zweiter Koalitionär im Regierungsbündnis ,,Vereinte Rechte“ – enthielt sich dagegen weitgehend der Stimme. Bereits zuvor hatten die ,,Ziobristen“, wie der Führungszirkel von Ziobros Partei ,,Solidarna Polska“ genannt wird, ihren entschiedenen Widerstand gegen ein von der PiS-Partei vorgeschlagenes Gesetz angekündigt, das Regierungs-Mitglieder von der strafrechtlichen Verantwortung für fehlerhafte und rechtswidrige Entscheidungen zur Bekämpfung der Corona-Krise freistellen sollte.
Damit war der innere Machtkampf innerhalb der Regierungskoalition der ,,Vereinigten Rechten” offen ausgebrochen. Nach Sondersitzungen der PiS-Parteiführung ließen deren Vertreter als Druckmittel gegen den Juniorpartner verlauten, dass die PiS-Partei bereit wäre, eine Minderheits-Regierung ohne die Solidarna Polska und Ziobro als Justizminister zu bilden. Dabei war aber klar, dass die PiS-Partei ohne die 37 Abgeordneten ihrer beiden Juniorpartner kaum eine Chance hätte, ihre Gesetze im Parlament durchzubringen.

Hardliner gegen Pragmatiker

Hintergrund des Machtkampfes war eine von Kaczyński angesetzte Kabinetts-Umbildung. Nach Vorgabe von Kaczyński soll Mateusz Morawiecki dabei Regierungs-Chef bleiben. Mit den weniger ideologischen verbrämten und mehr pragmatisch ausgerichteten Morawiecki verspricht sich Kaczyński eher, den parteipolitischen Kurs seiner Partei auf die politische Mitte im Sinne einer Volkspartei lenken zu können.

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Justizminister Ziobro – ,,Rechtsaußen“ in der Regierungskoalition, der PiS-Parteichef Kaczyński als Führer des rechten, nationalistischen Lagers in Polen beerben will. Foto Twitter

Für den als rechten Hardliner im Regierungslager bekannten Justizminister Ziobro ist der von Kaczyński begünstigte Morawiecki dagegen der ärgste Gegenspieler in der Absicht, den 71jährigen Kaczyński nach seinem angekündigten Rücktritt 2023 als Parteiführer des gesamten rechten Lagers zu beerben.
Dabei ist Ziobro selbst ein ,,Ziehkind“ der Kaczyński-Brüder. Bereits 2001 wurde er vom damaligen Justizminister Lech Kaczyński (Zwillingsbruder von Jarosław, 2009 beim Absturz der Regierungsmaschine ums Leben gekommen) in der damaligen Regierung der AW Solidarność auf einen Führungsposten gehievt. In der Regierungszeit von Jarosław Kaczyński 2006/2007 wurde er dann Justizminister und führte in der Zeit bereits schon erste Änderungen im Justizsystem (in einer Person Generalstaatsanwalt und Justizminister) durch, ohne dass sie im Westen groß zur Kenntnis genommen worden. Bald wurde der machtbesessene Ziobro dann auch stellvertretender Vorsitzender der PiS-Partei. Zum Zerwürfnis mit Jarosław Kaczyński i kam es 2012 . Ziobro gab Kaczyński die Schuld an den verlorengegangenen Wahlen. Kaczyński stellte daraufhin Ziobro den Stuhl vor die Tür. Der gründete daraufhin mit der Solidarna Polska seine eigene Partei, mit der er ultrakonservative rechte Kräfte um sich scharte.
Als 2015 die Wahlen anstanden, zog Jarosław Kaczyński wie einst Franz Josef Strauss in Bayern mit der Maxime in den Wahlkampf, dass rechts von der Regierungspartei PiS kein Platz für eine andere Partei sein darf. Dies war die Geburtsstunde der Koalition der ,,Vereinigten Rechten“, in die der von Kaczyński beargwöhnte Ziobro mit seiner Partei Solidarna Polska eintrat. Zweiter Koalitionspartner war der liberalkonservative Jarosław Gowin mit seiner Partei Porozumienie (Verständigung). Der war früher in der Regierungspartei von Donald Tusk, dem späteren EU-Ratsvorsitzenden. Nach innerparteilichen Richtungskämpfen 2013 von Tusk als Minister entlassen, gründete er Gowin seine eigene Partei und lief ins gegnerische Lager von Kaczyński über.
Sowohl Ziobro wie auch Gowin kamen mit ihren Parteien bei den Parlamentswahlen 2015 nur auf wenige Sitze. In der Regierungskoalition mit der PiS-Partei wurden ihnen jedoch jeweils zwei Ministerposten zugebilligt. Einen davon übernahm Ziobro als Justizminister. Der ,,Rechtsaußen“ im Regierungslager setzte zügig in Abstimmung mit der PiS den Umbau des polnischen Justizsystems um. Führungspositionen in den Gerichten besetzte er mit Gleichgesinnten aus seinem politischen Lager. Dabei blieb es nicht. Bei den Parlamentswahlen im vergangen Jahr holte seine Partei Solidarna Polska, die auch im traditionellen Wahllager der PiS-Partei in den ländlichen Regionen fischte, und Gowins Partei 36 Sitze im Parlament. Ohne diese Stimmen hätte Kaczyńskis PiS-Partei keine Mehrheit im Parlament. Das machten die Chefs der beiden erstarkten Flügelparteien Kaczyński auch deutlich. Die Koalition der ,,Vereinigten Rechten“ bekam erste Risse.

Regierungsumbildung löst nicht den Konflikt

Ziobro, der sich selbst als potenzieller Nachfolger des 71jährigen Kaczyński sieht, bot im vergangenen November Kaczyński den Übertritt seiner Partei in die PiS an. Kaczyński, der Regierungschef Morawiecki als besseren Kandidaten für seine Nachfolge favorisiert, lehnte ab. Für Ziobro ist dagegen Morawiecki als ehemaliger Banker, der einst auch Berater vom politischen Gegner Donald Tusk war und danach die Seiten gewechselt hat, kein ,,richtiger Rechter“.
Nach der Absage von Kaczyński an Ziobro gewannen die Rivalitäten zwischen Justizminister Ziobro und Regierungschef Morawiecki , der Kampf um Einflußsphären und insbesondere um die Besetzung von Posten in den zahlreichen polnischen Staatsunternehmen mit den eigenen Leuten immer mehr an Schärfe.
Nachdem Kaczyński im Juli einen Umbau der Regierung unter Führung von Morawiecki ankündigte, mit dem der Einfluß der beiden Koalitionäre durch die Herabsetzung von deren Ministerposten von 2 auf 1 gestutzt werden sollte, brach der offene Konflikt aus – Ziobros Partei stimmte gegen die Gesetzentwürfe ihres Koalitionspartners PiS. Es folgten zahlreiche Krisensitzungen der Parteigremien. Den Führungsspitzen der PiS-Partei war dabei schnell klar, dass sie ohne Ziobros Partei in der Koalition gegenwärtig keine Chance hat, als Regierungspartei ihre Politik fortzuführen. Zum Erhalt der Koalition mußte Kaczyński deshalb jetzt aus seiner komfortablen Deckung treten, um direkt in der Regierung Ziobro unter Kontrolle zu halten. Für Polens Opposition ist damit Kaczyński, der bisher die Fäden aus dem Hintergrund zog, als Regierungs-Mitglied jetzt direkt angreifbar.
Mit der jetzt erfolgten Regierungs-Umbildung ist der Konflikt in der Regierungs-Koalition nicht aufgehoben. Es ist nur ein Waffenstillstand. Der Konflikt kann jederzeit wieder ausbrechen. Dies belegen auch die neuesten Meinungs-Umfragen. Danach will die Mehrheit der Polen weder Ziobro noch Kaczyński in der Regierung. Über 60 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts IBRiS ist auch der Ansicht, dass der Machtkampf zwischen Kaczyński und Ziobro nach der Regierungs-Umbildung weiter gehen wird.

© André Jański / infopol.PRESS

Polnische Regierung in der Quarantäne

Heute 15 Uhr sollte die neue polnische Regierung vereidigt werden, mit der auch ein Ende der Machtkämpfe innerhalb der Regierungs-Koalition nach außen hin dokumentiert werden sollte. Kurz  vor dem Termin der Amtseinführung hat Ministerpräsident Mateusz Morawiecki jedoch beim Staatspräsidenten eine Verschiebung des Termins beantragt. Als Grund wird dafür offiziell ein positiver Corona-Test bei Przemysław Czarnek angegeben, der zum Minister für Bildung und Hochschulwesen nominiert ist. .Auch andere Personen, die mit ihm Kontakt hatten, darunter vier weitere Minister , unter ihnen Vizepremier Jacek Sasin und der Chef der Staatskanzlei Dworzyk müssen in die Quarantäne. Auf den regulären Ablauf der Regierungsarbeit  habe dies jedoch keinen negativen Einfluss, beteuerte Regierungssprecher Piotr Müller.

Die überraschend kurzfristige beantragte Termin-Verschiebung wegen der Corona-Infektion von Czarnek bietet Platz für breite Spekulationen. Nach dessen Nominierung war es in den vergangenen Tagen landesweit zu Protest-Aktionen gekommen. Schüler und Studenten protestierten gegen dessen Ernennung. Hunderte von Wissenschaftler, Künstler und Publizisten sowohl aus dem liberalen wie auch aus dem konservativen Lager unterzeichneten eine Erklärung , in der sie die Nominierung des PiS-Politikers als nicht hinnehmbar kritisierten. Dem ehemaligen Wojewoden von Lublin in Ostpolen und Dozent der Rechtswissenschaften fehle es an Wertschätzung für die menschliche Würde gegenüber Minderheiten , besonders in Beziehung zur Gruppe der LGBT-Personen, heißt es darin. Czarnek hatte u.a. im staatlichen TVP-Fernsehen in einer Diskussionsrunde erklärt, dass man aufhören sollte, ,,diesen Idiotien über irgendwelche Menschenrechte oder Gleichheiten zuzuhören. Diese Leute (Schwulen, Lesben u.a.), ) sind nicht gleich mit normalen Menschen“.

Auch mit seinen Ansichten zur polnisch-jüdischen Geschichte und zur Aufgabe der Frau, Kinder zu gebären, sorgte der studierte Jurist für heftige öffentliche Kontroversen. Die britische Nachrichtenagentur Reuters schreibt im Zusammenhang mit Czarnek, dass sich die regierenden polnischen Nationalisten mit der Berufung des Ultrakonservativen durchaus bewusst sind, den Streit im Rahmen der EU neuen Zündstoff zu geben.
Möglicherweise nutzen die Regierenden in Warschau aufgeschreckt von den massiven Protesten gegen Czarneks Nominierung im eigenen Land dessen Corona-Infektion auch als Vorwand, um den umstrittenen Politiker aus der Schusslinie der öffentlichen Kritik zunehmen.
Die Tatsache, dass mehrere Minister jetzt in Quarantäne sind, wirft jedoch auch ein bezeichnendes Bild auf den politisch-moralischen Zustand im Regierungslager. Während die täglichen Corona-Infektionszahlen in Polen ständig Rekordstände überschreiten und bereits bei über 2300 pro Tag liegen, Krankenhäuser über mangelnde Medikamente zur Behandlung der Intensiv-Patienten klagen, haben die Führungs-Gremien der Koalitionsparteien zwei Wochen lang nichts anderes zu tun gehabt als in nahezu täglichen Krisen-Sitzungen über Posten und Einflußsphären in der neuen Koalitions-Regierung zu streiten.

© André Jański / infopol.PRESS

 

PiS-Parteichef Kaczyński – Vom Tierfreund zum Tierschützer

Es gehört im politischen Leben Polens zu den Ereignissen mit Seltenheits-Wert, wenn Amnesty International oder linke Gruppierungen sich hinter eine vom Chef der nationalkonservativen PiS-Partei, Jarosław Kaczyński persönlich ausgelösten Initiative stellen. Der hatte einen Gesetzentwurf für einen verbesserten Tierschutz in Polen vorgestellt und für einen umfassenden Umbau des Rechtssystems für den Tierschutz in Polen geworben. Im Kern sehen diese Regelungen ein Verbot der Pelztierhaltung für kommerzielle Zwecke, Beschränkungen für die rituelle Schlachtung von Tieren, eine Verschärfung der Kontroll-Tätigkeit der Sanitär-Behörden, erweiterte Zugangs-Möglichkeiten von Tierschutz-Organisationen zu privaten Grundstücken sowie höhere Strafen bei nicht artgerechter Tierhaltung vor. Auch das Chipsen von Hunden war angedacht.

Kaczyński appelliert bei Tik Tok an ,,alle guten Menschen“

Ungewöhnlich auch der Auftritt von Kaczyński im chinesischen Social-Networkdienst Tik Tok (in den USA gerade auf den Index gesetzt), wo er an ,,alle guten Menschen in Polen“ appellierte, gegen Tierquälerei und zum Wohle der Tiere einzutreten. Den Auftritt des 71jährigen Politikers im dunklen Anzug und Schlips in der gerade bei Jugendlichen populären App Tik Tok als Anbiederungs-Versuch bei einem jüngeren Wählerpublikum im urbanen Milieu zu werten, wäre zu kurz gegriffen. Tatsächlich gilt Jarosław Kaczyński als ausgesprochener Tierfreund. Neben seiner Lieblings-Katze Fiora hält er inzwischen weitere Katzen in seinem Single-Haushalt.

Foto: Otwarte klatki

Auslöser für die von Kaczyński inszenierte Gesetz-Initiative war ein vom Nachrichten-Portal onet veröffentlichten Film über die Mißstände in eine der größten polnischen Nerz-Farmen in Góreczki bei Krotoszyn (Wielkopolskie). Mit 40 000 Nerzen gehört sie zum Imperium des polnischen ,,Nerz-Königs” Szczepan Wójcik. Der hatte als Präsident eines von ihm selbst gegründeten Landwirtschafts-Instituts und einer Stiftung schon einmal einen bereits 2017 von der PiS-Partei initialisierten Gesetz-Entwurf zum Verbot der Pelztier-Farmen zu Fall gebracht. Im Gespann mit dem Chef des politisch einflußreichen erzkonservativen katholischen Radio-Senders ,,Radio Marija” und Medien-Unternehmers Pater Tadeusz Rydzyk organisierte Wójcik 2018 eine Millionenschwere Medien-Kampagne und einen als patriotisch deklarierten Marsch der Tierzüchter gegen das Verbot auf den Strassen von Warschau.

Bauern-Proteste vor PiS-Parteizentrale

Ein ähnliches Szenario ereignete sich auch diesmal, als Kaczyńskis PiS-Partei ihren Gesetz-Entwurf zum Tierschutz in dieser Woche in das Parlament zur Abstimmung einbrachte. Tausende Bauern belagerten die Partei-Zentrale der PiS-Partei in der Warschauer Nowogrodzka. Unter den Losungen ,,Abschlachtung der polnischen Landwirtschaft“ oder ,,Lasst uns unsere Arbeitsplätze“ protestierten sie gegen das Gesetz. Mit Rufen wie ,,Kaczyński – PiS – Verräter der polnisches Landwirtschaft“ versuchten sie in die PiS-Parteizentrale vorzudringen. Vom Verlust von über 350 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft infolge des Tierschutz-Gesetzes war dabei die Rede. Doch die Zahlen sind weit von der Realität entfernt.
Noch im Jahre 2015 gab es in Polen – zumindest in den offiziellen Statistiken – 1140 Pelztierbetriebe. Sie häutete seinerzeit noch über 9 Mio. Nerz-Felle, 80 000 Chinchilla-Felle, 50 000 Fuchs-Felle sowie 10 000 Marder-Felle ab. Die Felle werden fast ausschließlich im Ausland verkauft. Im Gleichklang mit den globalen Trends und der Abkehr internationaler Modekonzerne wie Prada, Zara, Bershka oder Versace von tierischen Pelzen in ihren Kollektionen ist die Produktion in Polen und der Export seitdem stark rückläufig. Nach Angaben der Tierschutz-Organisation Viva exportierten die Nerz-Farmen in Polen im Jahre 2015 noch 9,32 Mio. Nerzfelle zum durchschnittlichen Stückpreis von 158 Złoty (rund 36 Euro). Im vergangenen Jahr waren es nur noch 7,04 Mio. Nerzfelle zum Durchschnittspreis von 95,96 Złoty pro Stück ( rund 21 Euro) . Damit haben sich die Export-Einnahmen im Verlauf von fünf Jahren um über die Hälfte auf 675 Mio. Złoty reduziert (rund 155 Mio. Euro), berichten die Tierschützer von Viva.

Holländer und Dänen bestimmen die Geschäfte

Das West-Zentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien kam in seinen letzten Bericht über die Branche sogar zu dem Schluß, dass die Pelztierfarmen in Polen nicht mehr als 4000 Arbeitsplätze umfassen. Von ,,polnischen Bauern“ , die dort arbeiten und deren Arbeitsplätze jetzt durch das Tierschutzgesetz bedroht sind, kann dabei keine Rede sein. In den Nerz-Farmen sind fast ausschließlich Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarländern beschäftigt. Polen findet man nur unter dem Leitungs-Personal und als Wachschutz-Kräfte zur Abschirmung der streng abgeschirmten Farmen. In dem Bericht der Wissenschaftler ist auch zu lesen, dass sich die Pelztier-Farmer gerne selbst als ,,polnische Bauern“ präsentieren. ,,Wenn man aber genauer hinzuschaut, dann erkennt man, wer eigentlich die Schnüre zieht. Es tauchen immer wieder die gleichen holländischen und dänischen Namen und Firmen auf, die mit einer Handvoll polnischer Tierhalter verbunden sind“. So taucht der Name van Amsen mindestens 20 mal in dem Register der polnischen Pelztier-Farmen auf. Wie hoch die Zahl der von der Firma Joni Mink und der mit ihr verbundenen Familie van Amsen gehaltenen Nerze in Polen ist, kann man aus den Zahlen nicht ablesen, weil es bei den großen Nerzbetrieben gang und gäbe ist, sie in kleinere Einheiten aufzuteilen, um die Umweltschutz-Auflagen zu umgehen. Die Holländer hatten bereits Anfang der 90er Jahren in und um Goleniów (bei Stettin) – das als polnisches Nerz-Zentrum gilt – mit der Expansion auf dem polnischen Markt begonnen. Die Firma Joni Mink selbst ist seit 2015 auf der offiziellen Lobbyisten-Liste des polnischen Parlaments registriert und hat für die Lobby-Arbeit eine Anwalts-Kanzlei in Warschau eingeschalten. Sich selbst im Hintergrund haltend, werden in der Öffentlichkeit ihre polnischen ,,slupy“ (Strohmänner) vorgeschickt.

Zu den großen Playern im polnischen Nerz-Markt gehört auch der Konzern Farm Equipment International mit niederländischen Wurzeln, die dänische Hedensted Gruppen A/S, Norpol (Geschäftsführer Johannes van Amsen) sowie NAFA Polska, polnische Niederlassung des weltweit zweitgrößten Auktionshaus für Pelze mit Sitz in Kanada und Europa-Zentrale in den Niederlanden. Gerade für die Holländer würde der Verbot der Pelztier-Haltung für die kommerzielle Verwertung ein großer Verlust bedeuten, da ja erst kürzlich das niederländische Parlament nach dem Ausbruch des Corona-Virus in 17 Farmen, wo  Tausende Tiere in engen Käfigen gehalten wurden, ein Nerzzucht-Verbot in den Niederlanden beschlossen hat.

Wo immer in Polen eine neue Nerz-Farm geplant ist, entflammen Proteste der lokalen Bevölkerung. Foto: Westzentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien

Auch in Polen, wo die Eröffnung neuer Farmen immer mit lokalen Protesten wegen vor allem wegen der Geruchs-Belastung verbunden ist, sprechen sich 70 Prozent der Bevölkerung gegen die Nerztier-Zucht aus.
Dessen ungeachtet wehte der PiS-Partei bei der Vorlage ihres Gesetzentwurfes zur Abstimmung im Parlament auch aus dem eigenen Lager Widerstand entgegen.

18 Abgeordnete der PiS-Partei, darunter Landwirtschaftsminister Ardanowski und der ehemalige Umwelt-Minister Kowalczyk stimmten dagegen. Der Koalitionpartner Solidarna Polska unter Führung von Justizminister Zbigniew Ziobro verweigerte dem Gesetzentwurf vollkommen seine Zustimmung. Und die Abgeordneten der Partei Porozumienie als zweiter Koalitionspartner der PiS-Regierung enthielten sich bei der Beschluss-Fassung der Stimm-Abgabe.

Tierschutz-Gesetz: Auslöser für Regierungskrise

Das Ausscheren der Koalitionspartner der PiS-Partei beim Tierschutzgesetz hat jetzt in Warschau eine Regierungs-Krise ausgelöst. PiS-Parteichef Kaczyński selbst hat als erste Maßnahme den abtrünnigen Abgeordneten aus der eigenen Partei den Stuhl vor die Türe gesetzt.

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Minister-Wechsel in Krisen-Zeiten

Mit 903 Fällen pro Tag hat die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen in Polen in der vergangenen Woche einen neuen Rekord-Stand erreicht. Vor Vermeldung des Höchst-Standes hatte Gesundheits-Minister Łukasz Szumowski sein Amt niedergelegt. Ein Tag vor seinem Rücktritt hatte bereits sein Stellvertreter den Posten aufgegeben. Szumowski, der erst seit 2019 das Amt bekleidete, begründete seinen Rücktritt damit, dass er bereits im Februar diese Entscheidung treffen wollte. Wegen der Pandemie sei er jedoch länger im Amt geblieben. Jetzt wolle er wieder in seinem Beruf als Kardiologe zurückkehren. Entschieden wies er den Verdacht zurück, dass sein Rücktritt mit den in Medien-Berichten erhobenen Korruptions-Vorwürfen im Zusammenhang stehe.
Ende März hatte sein Ministerium für rund 5 Mio. Zloty überteuerte Schutzmasken von einem Ski-Lehrer aus Zakopane gekauft, die nicht den deklarierten Verwendungs-Zweck erfüllten. Medien-Recherchen ergaben, dass der Ski-Lehrer ein Freund der Familie Szumowski war.
Szumowski hatte sich bis dahin mit seinen täglichen öffentlichen Auftritten als Corona-Krisen-Manager ein Ansehen in der Bevölkerung mit den höchsten Popularitäts-Werten unter den Politikern erworben. Zu der Zeit hatte Polen vergleichsweise sehr niedrige Corona-Infektionszahlen. Wie sein Stellvertreter gehörte Szumowski jedoch auch zum gemäßigten Partei-Flügel Porozumienie, der mit der PiS-Partei die Regierungskoalition der ,,Vereinigten Rechten“ eingegangen ist.

Deren Vorsitzender Jarosław Gowin hatte seinerzeit zu der ursprünglich am 12.Mai angesetzten und durch Änderung des Wahlgesetzes zur Brief-Abstimmung deklarierten Präsidenten-Wahl damit gedroht, die Koalition zu verlassen, wenn der Wahltermin nicht verschoben wird. PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczyński, der sich an diesen Wahltermin geklammert hatte, mußte einlenken. Doch Kaczyński ist dafür bekannt, dass er keinen Widerstand in den eigenen Reihen duldet und mit Abweichlern abrechnet. Ein Tag nach der Wiederwahl von Staatspräsident Andrzej Duda kündigt Kaczyński einen kompletten Umbau der Regierungskoalition nach dem Ende der Sommerferien an.

Szumowskis Rücktritt kann daher durchaus als Möglichkeit interpretiert werden, seinen Rausschmiss aus der Regierung vorweg zu kommen. Denn sein Parteichef Jaroslaw Gowin von der Partei Porozumienie als Koalitionspartner der PiS-Partei war auch schon vor Wochen als Minister zurückgetreten.
Von den Führungs-Persönlichkeiten der Flügel-Partei Porozumienie ist jetzt nur noch Jadwiga Emiliewicz als Ministerin in der Koalitions-Regierung übriggeblieben. Als Ministerin im Entwicklungs-Ministerin, der das Wirtschafts-Ressort untersteht, hatte sie sich mit ihrem engagierten Einsatz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise auf die Firmen in Wirtschaftskreisen einen guten Ruf erarbeitet. Als im Juli das Gerücht auftauchte, dass ihr Mann vom Innengeheimdienst verhaftet worden sei, was sie heftig dementierte, wurde dies von kritischen Medien als Ergebnis der Positions-Machtkämpfe innerhalb der Regierungskoalition gewertet. Vor diesem Hintergrund ist daher die Fragestellung berechtigt, ob Emiliewicz nach der von Kaczyński angekündigten Regierungs-Umbildung noch ihren Minister-Posten innehaben wird.

Das Gesundheits-Ministerium selbst wird jetzt von Adam Niedzielski geleitet. Abweichend von der in Polen bisher geltenden Linie, das Ministeramt mit einen Mediziner zu besetzen, ernannte Regierungschef Mateusz Morawiecki mit Niedzielski einen Ökonomen, der bisher den Nationalen Gesundheitsfonds leitete, zum Gesundheits-Minister.

Nahezu zeitgleich mit den Führungswechsel im Gesundheits-Ministerium hat auch Außenminister Jacek Czaputowicz sein Amt aufgegeben. Wie der Wechsel im Gesundheits-Ministerium im Moment des Corona-Anstiegs wurde der Rücktritt von Czaputowicz in der polnischen Öffentlichkeit mitten in der Krise im Nachbarland Belarus als kritisch bewertet. Dessen westliche Landesteile gehörten vor dem 2.Weltkrieg zu Polen. Noch heute leben in Belarus über 400 000 Menschen mit polnischer Herkunft. Der durch die Massenproteste unter Druck geratene Machthaber in Minsk, Lukaschenko, hatte die Regierung in Warschau vielfach der Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes bezichtigt.

Zbigniew Rau Foto: Wiki

Mit dem Rücktritt von Czaputowicz sehen Kritiker auch Polens Vermittler-Position geschwächt. Selbst der PiS-Europa-Abgeordnete und Ex-Außenminister Witold Waszczykowski äußerte gegenüber dem Super Express Kritik daran, dass Polen aller zwei Jahre den Außenminister wechselt.

Zum neuen ‚Außenminister wurde Zbigniew Rau ernannt. Über diplomatische Erfahrungen verfügt der Rechts-Professor kaum. Seit Herbst vergangenen Jahres leitet er den parlamentarischen Ausschuß für Aussenpolitik. Vor seiner Wahl ins Parlament war er für die PiS-Partei Wojewode in der Wojewodschaft Łódź. Bisher hatte der katholische Fundamentalist vor allem in den sozialen Medien mit kruden Aussagen über das LGBT-Lager und Vergleichen zur Zoophilie und zum Kannibalismus von sich Reden gemacht, die die christliche Zivilisation in Polen bedrohen würden.

 

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Flagge des V. Korps der US-Army in Polen entrollt

„Die Stationierung des vorgeschobenen Kommandos des V. Korps der US-Army ist die Krönung unserer Bemühungen um die Erhöhung der amerikanischen Militär-Präsenz in Polen“. Mit diesen Worten kommentierte der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak das feierliche Zeremoniell zur Entfaltung der Flagge des V. Corps in Kraków durch den Chef des Stabes des US-Heers, General James McConville, und den kommandierenden General des fünften (V.) Korps John Kolasheski.

Das Zeremoniell fand am Fuße des mit den National-Flaggen beider Staaten geschmückten Kościuszko-Hügels an einem wahrhaft symbolträchtigen Ort statt. Der polnische Nationalheld Tadeusz Kościuszko, der an der Seite von George Washington im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpfte und für seine Verdienste zum Brigade-General ernannt wurde, ist auch in den USA sehr gut bekannt.

Das V. Korps ist eine im Jahre 2013 in Wiesbaden aufgelöste Führungs-Einheit, die Anfang dieses Jahres in Fort Knox in Kentucky reaktivierte wurde. Als Standort für das vorgeschobene Hauptquartier des V. Korps wurde Europa bestimmt. Mit den am 31.Juli zwischen den USA und Polen abgeschlossenen Abkommen zur verstärkten Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (Enhanced Defense Cooperation Agreement – EDCA) wurde als Standort Polen festgelegt. Das vorgeschobene Hauptquartier wird allerdings nicht in Kraków, sondern voraussichtlich in Poznań stationiert werden, wo bereits früher ähnliche Strukturen, wenn auch auf niedrigerer Ebene, aufgebaut wurden.

Hauptquartier mit Einsatzplanung der Rotationskräfte in Europa betraut

Wie die U.S. Army Europe mitteilte, besteht die Hauptaufgabe des neuen Hauptquartiers in Polen in der Einsatzplanung, Einsatzführung und Aufsicht über die Rotationskräfte der US-Army in Europa Ob sich das auch auf die 1000 US-Soldaten bezieht, mit denen das amerikanische Militärkontingent in Polen aufgestockt werden soll, geht daraus nicht hervor.

Bisher sind in Polen 4500 US-Soldaten auf der Grundlage von Vereinbarungen, die noch von Ex-Präsident Barack Obama getroffen wurden, in Polen präsent. Diese waren bisher nach den Grundsätzen der NATO-Rußland-Grundakte – im Unterschied zu Deutschland – nicht dauerhaft in Polen stationiert, sondern rotierten in der Regel nach neun Monaten und wurden durch andere (Kampf)Truppen ersetzt .

Ob die Stationierung des vorgeschobenen Kommandos des V. Korps der US-Army in Polen eine Ausnahme von der Rotations-Regel bleiben wird, ist bislang noch offen. Nimmt man die Erklärungen von Polens Verteidigungsminister Błaszczak in Kraków zum Maßstab, dann soll dies insgesamt auf das neue US-Kontingent in Polen zutreffen. In der vom US-Verteidigungsministerium herausgegebenen Mitteilung zum Abschluss eines neues Abkommens zwischen den USA und Polen, mit dem die Verteidigungspartnerschaft zwischen beiden Ländern „zementiert“ wird, ist davon allerdings nicht ausdrücklich die Rede. Auf der Grundlage dieses Abkommens wird die Zahl der in Polen eingesetzten US-Soldaten auf 5 500 erhöht.

Polen muss für den Vertragsabschluss Zugeständnisse machen 

Schon bei der Verkündung des Abkommens in Polen zeigten sich Differenzen zwischen der amerikanischen und polnischen Seite. Bezeichnenderweise war es die US-Botschafterin in Warschau, Georgette Mosbacher, die vergangenen Freitag als erste den Abschluss des Abkommens auf Twitter verkündete. Erst eine Stunde später bestätigte dann der polnische Verteidigungsminister einsilbig den Abschluss in Verbindung mit der Mitteilung, dass die USA weitere 1000 Soldaten in Polen stationieren werden. Ein Tag zuvor hatte noch sein Amtskollege in Washington Mark Esper bekanntgegeben, das Pentagon werde 6 400 Soldaten aus Deutschland nach Hause schicken und rund 5 600 in andere NATO-Länder verlegen.

Polens Staatspräsident Andrej Duda bei einem Truppen-Besuch auf Werbetour für die Errichtung eines ,,Fort Trump“ in Polen Archiv-Foto:. U.S. Army Sgt. Sarah Kirby

Neben der Frage, wer die Kosten für den Einsatz der amerikanischen Soldaten in Polen übernimmt, soll der rechtliche Status der US-Soldaten in Polen ein wesentlicher Punkt bei den Verhandlungen gewesen sein.

Polen hatte bereits schon in der Vergangenheit für die Präsenz amerikanischer Truppen in Polen 2 Mrd. Dollar angeboten,. dies allerdings an den Vorbehalt geknüpft, dass die Amerikaner dauerhaft in Polen stationiert werden. Auf dieser Grundlage diente sich auch der polnische Staatspräsident Andrzej Duda bei US-Präsident Donald Trump mit der Errichtung eines ,,Fort Trump“ in Polen an.

 

US-Soldaten unterstehen amerikanischer, nicht polnischen Gerichtsbarkeit

Polen war auch bereit, den Umfang der rechtlichen Privilegien für US-Soldaten in Polen zu erweitern. Bislang galt die 2009 unterzeichnete SOFA-Vereinbarung (Status of Forces Agreement – SOFA), die sich im wesentlichen auf die relativ kleine Einheit des US-Raketen-Stützpunktes in pommerschen Redzikowo (bei Słupsk) bezog. Inzwischen ist aber die Stärke der US- Truppen viel höher und sie sind auch viel mobiler. Auch hier beruhte Polens Verhandlungsstrategie darauf, den US-Soldaten in Polen eine breitere rechtliche Immunität einzuräumen, wenn das Pentagon im Gegenzug eine dauerhafte Truppen-Basis im Sinne eines „Fort Trump“ in Polen aufbaut.

USA sichern sich einige polnische Militärobjekte

Laut dem onet-Nachrichten-Portal waren dies jedoch nicht einzigen Kompromisse, auf die sich die polnische Verhandlungs-Führung für den neuen Militär-Vertrag mit den USA einließ. Dem Bericht zufolge sollen sich die USA auch die Übertragung einiger wichtiger polnischer Militär-Objekte an die US-Army gesichert haben. Dabei soll es u.a. um den Luftwaffen-Stützpunkt Powidz (bei Gniezno) gehen, der die Heimat-Basis des 3.polnischen Lufttransport-Geschwaders ist und um einen Teil des Truppenübungs-Platzes in Drawsko Pomorskie (Westpommern).

Konkretere Einzelheiten werden voraussichtlich erst im Herbst bekannt werden, denn der neue polnisch-amerikanische Militärvertrag muss erst noch durch die Parlamente verabschiedet werden, bevor er in Kraft treten kann.

© André Jański / infopol.PRESS

EU verweigert Polen erstmals Fördergelder

Von den 127 eingereichten EU-Fördermittelanträgen hat die EU-Kommission sechs Anträge polnischer Kommunen zur Förderung von Städtepartnerschaften abgewiesen. Als Grund gab die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, deren Selbsterklärung zu  „LGBT-freien Zonen“ an.

LGBT ist die englischsprachige Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transexuell/Transgender.

Zur Begründung sagte die EU-Kommissarin auf Twitter, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, die Werte und Grundrechte der EU zu respektieren. Bereits zum Jahreswechsel hatte das EU-Parlament diese Zonen in Polen mehrheitlich verurteilt.

Bisher gibt es in Polen etwa 100 Gemeinden und Städte, die Resolutionen gegen eine angebliche „LGBT-Ideologie“ verabschiedet haben. Die Ausrufung der LGBT-ideologiefreien Zonen erfolgte in einer von der nationalkonservativen PiS-Partei initierten Kampagne als Reaktion gegen eine Erklärung des Warschauer Bürgermeisters Rafał Trzaskowski . Der liberalkonservative Politiker, der später als Gegenkandidat zu den von der PiS-Partei unterstützten Andrzej Duda bei den Präsidentschaftswahlen antrat, hatte im vergangenen Jahr eine Erklärung zur Unterstützung der LGBT-Rechte abgegeben. Gleichzeitig hatte er angekündigt, die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation zu befolgen und LGBT-Themen in die Sexualerziehungslehrpläne der Warschauer Schulen zu integrieren. Dies rief entschiedenen Widerstand bei PiS-Politikern und Teilen der katholischen Kirche hervor. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński bezeichnete dies als einen Import aus dem Westen, der Polen bedrohe.

LGBT-Kampagne vor Besuch bei US-Präsident Trump heruntergefahren

Die von menschenverachtenden Tiraden begleitete Bekämpfung der ,,LGBT-Ideologie“ spielte zunächst auch eine bedeutende Rolle im Wahlkampf von Staatspräsident Andrzej Duda. Kurz vor dem Besuch von Duda bei US-Präsident Donald Trump wurde diese plötzlich heruntergefahren. Die Wahlkampf-Strategen des polnischen Präsidenten hatten mitbekommen, . dass die LGBT-Kampagne für Dudas Werben im Weißen Haus für die Errichtung des „Fort Trump“ – die weitere Stationierung amerikanischer Truppen in Polen –kontraproduktiv sein könnte, da der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, eine maßgebliche Rolle bei der Verlegung von US-Soldaten nach Polen spielt. Und Grenell ist in Trumps Regierungsapparat der höchstrangige Politiker, der sich offen  als Homosexueller bekennt !!

Die max 25 000 Euro Förder-Zuschüsse, von denen die sechs polnischen Kommunen im EU-Städtepartnerschaftsprogramm jetzt ausgeschlossen wurden, nehmen sich vor dem Hintergrund der gigantischen Milliarden-Beträge im neuen EU-Haushalt relativ bescheiden an. Sie könnten jedoch die Initial-Zündung für einen Schneeball-Effekt sein. So hatte das EU-Parlament nach den tagelangen Ringen der EU-Regierungschefs um das Corona-Hilfsprogramm und dem EU-Haushalt bereits deutlich gemacht, dass es anstelle schwammiger Formulierungen präzisere Regelungen bei der Zuerkennung von EU- Geldern in Abhängigkeit von der Einhaltung von EU-Normen durchsetzen will. Die Verweigerung von EU-Mittel für die sechs polnischen Kommunen mit LGBT-freien Zonen sollte also in Warschau Besorgnis auslösen. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro hielt entsprechend scharf dagegen. Es gebe keine rechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reagierte darauf mit einer Twitter-Nachricht, in der sie sich ausdrücklich hinter die Rechte von sexuellen Minderheiten stellte. ,,Unsere Verträge stellen sicher, dass alle Personen in Europa die Freiheit haben, zu sein, wer sie sind, zu leben, wo sie möchten, zu lieben, wen sie möchten..“, schrieb von der Leyen.

Christus-Skulpturen mit Regenbodenfahnen umhüllt

Von offizieller Seite hält man sich in Warschau bislang noch reserviert. Regierungssprecher Piotr Müller erklärte lediglich, dass man bislang nur über die Medien von der Verweigerung der Gelder wisse. Erst wenn man eine offiziellen Vorlage aus Brüssel erhalte, werde Regierungschef Mateusz Morawiecki reagieren. Der selbst geißelte in diesen Tagen mit scharfen Worten die Beflaggung von Christus-Denkmälern mit Regenbogenfahnen in Warschau.
Nach Bekanntwerden der Nachricht von der Gelder-Verweigerung durch die EU-Kommission hatten LGBT-Aktivisten in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch bedeutende Denkmäler mit Christus Statuen in der polnischen Hauptstadt mit Regenbogenfahnen und anarchistischen Symbolen umhüllt, darunter die Jesus-Skulptur der berühmten Heilig-Kreuz-Basilika, die für das polnische Nationalbewußtsein eine herausragende Bedeutung hat. In sozialen Medien hat sich dazu u.a. die Gruppe ,,Stop Bzdurom“ (Stopp der Dummheit) bekannt. Laut Medien-Berichten soll eine der Aktivistinnen mit Namen Margot bereits von der Polizei verhaftet worden sein.

Spitzenpolitiker, auch aus der Opposition, und die katholische Kirche kritisierten die Aktionen. Regierungs-Chef Morawiecki sagte dazu: ,,Es gibt bestimmte, nicht zu überschreitende Grenzen des Aggressions-Niveaus . Wir werden in Polen nicht die Fehler des Westens machen. Wir sehen alle, wozu die Toleranz gegenüber der Barbarei führt“.
Donald Tusk, ehemaliger Regierungschef und EU-Ratsvorsitzender twitterte dagegen in der für ihn typischen Art: ,, Als Chef der europäischen Christdemokraten möchte ich daran erinnern, dass Jesus immer auf der Seite der Schwachen war und niemals auf der Seite der unterdrückenden Mächte“.

,,Ziobristen“ setzen Regierungs-Chef Morawiecki unter Druck

Regierungschef Morawiecki sieht sich derweil einen immer stärkeren Druck der unter Führung von Justizminister Ziobro stehenden Partei Solidarna Polska ausgesetzt. Die Rechtsaußen-Partei von Ziobro ist Koalitionspartner der PIS-Partei in der Regierungskoalition ,,Vereinigte Rechte“. Ohne deren Stimmen würde die PiS-Partei die Mehrheit im Parlament verlieren. Alle Abgeordneten der Solidarna haben einen Appell unterzeichnet, in dem sie Morawiecki zum entschiedenen Handeln gegen die Entscheidung der EU-Kommission, den polnischen Kommunen wegen der LGBT-Ideologie freien Zonen die Mittel zu verweigern, auffordern.

Die ,,Ziobristen“ setzen auch schon seit Tagen Morawiecki mit der Forderung unter Druck, aus der von Polen im Jahre 2015 ratifizierten Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auszusteigen. Dies habe eine ideologische Grundlage und sei mit dem polnischen Rechtssystem nicht vereinbar.

Hintergrund der Angriffe sind Machtkämpfe innerhalb des Regierungslagers, nachdem PiS-Parteichef  Kaczyński nach dem Wahlsieg von Staatspräsident Andrzej Duda bekanntgab, dass es nach der Sommerpause eine Regierungs-Umbildung geben wird, Morawiecki aber Regierungschef bleibt. Die Zahl der Regierungsposten soll jedoch um die Hälfte verkürzt werden. Gleichzeitig gibt es Überlegungen bei Kaczyński, die Regierungskoalition breiter aufzustellen, in dem man Kräfte aus der Opposition – die Bauernpartei PSL und die rechts von der PiS stehende Konfederacja – in das Regierungslager holt. Dies würde zu Lasten der kleinen Koalitionspartei Solidarna von Justizminister Ziobro gehen, der sich als potenzieller Nachfolger von Kaczyński sieht und für den Morawiecki als gegenwärtiger Lieblingspolitiker von Kaczyński der ärgste Konkurrent ist.

© André Jański / infopol.PRESS

Im Osten nichts Neues – Duda gewinnt Wahlen und bleibt Präsident

Nach Auszählung von 99,97 Prozent aller abgegebenen Stimmen hat der amtierende Präsident Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Er erzielte 51,21 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer, der stellvertretende Parteichef der PO, Polens größter Oppositionspartei, und Oberbürgermeister von Warschau Rafał Trzaskowski kam auf 48,79 Prozent.

Bei den Parteispitzen der nationalkonservativen PiS hat der Sieg ihres Kandidaten Duda für riesengroße Erleichterung und Triumph-Gefühle gesorgt. Hätte Trzaskowski gewonnen, dann wäre das der Anfang vom Ende der monolithischen PiS-Herrschaft in Polen gewesen. Den größten Stein dürfte aber PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński vom Herzen gefallen sein. Einige polnischen Presseberichten zufolge soll Kaczyński selbst am Wahlabend angesichts des hauchdünnen Kopf-an-Kopf-Rennens noch am Sieg seines Kandidaten Andrzej Duda gezweifelt haben. Als sich Duda schon nach der ersten Prognose als Sieger feierte, hielt sich der Übervater der Nationalkonservativen wie schon beim ersten Wahlgang von der Öffentlichkeit fern. Da hatte er den Wahlabend mit intensiven Gebeten in der Kloster-Kirche Jasna Góra verbracht, wo sich das in Polen als nationales Symbol verehrte Heiligenbild der Schwarzen Madonna befindet.

Die Gebete von Jarosław Kaczyński dürften aber nicht den Ausschlag für den Wahlsieg von Andrzej Duda gegeben haben, der von Kaczyński bereits vor fünf Jahren als Kandidat der PiS-Partei für das Präsidenten-Amt installiert wurde und von der kritischen Öffentlichkeit als ,,Kaczyńskis Kugelschreiber“ bezeichnet wird. Duda selbst hatte noch zu Jahresanfang das umstrittene Gesetz unterzeichnet, dass den inzwischen von der PiS-Partei beherrschten öffentlich-rechtlichen Medien 2 Mrd. Złoty zuerkannte.

 

Öffentlich rechtliche Medien und Regierungschef Morawiecki als Wahlkämpfer für Duda

Diese Medien, vor allem der Staatssender TVP und seine Nachrichtenkanäle erwiesen sich auch jetzt im Wahlkampf wieder als vortreffliche PR-Abteilung für die Wiederwahl von Duda. Wie sehr es bei dieser Wahl nicht um eine Personen-Wahl für das Amt eines Staatspräsidenten ging, der als parteipolitisch unabhängige Instanz über die Einhaltung der Verfassung zu wachen hat, zeigte sich auch darin, wie die Regierungspartei alle die von ihr beherrschten Ämter für die Wiederwahl von Duda einsetzte. Vorneweg Regierungschef Mateusz Morawiecki, der nahezu täglich bei Wahlkampf-Veranstaltungen für die Wiederwahl Dudas warb und den Gegen-Kandidaten Trzaskowski verunglimpfte. In Anspielung auf das Jüngste Gericht warnte Morawiecki die Wähler, insbesondere die Rentner davor, dass Polen ein ,,Trzaskogedon“ für die Renten und Sozialleistungen drohe, wenn Trzaskowski die Wahlen gewinnt.

Dies hat offensichtliche seine Wirkung nicht verfehlt. So zeigen Wahlanalysen, dass Duda vor allem bei den älteren Wählern über 50 Jahren die meisten Stimmen geholt hat. Trzaskowski erzielte dagegen mit seiner weltoffenen, europafreundlichen und die Minderheiten tolerierenden Politik bei den Wählern unter 30 Jahren die meisten Stimmen. Auch in der Altersgruppe bis 49 Jahren lag er gegenüber Duda vorn.

Auch In der regionalen Verteilung der Stimmen zeigt sich wieder die altbekannte Teilung in Polska A und Polska B. Trzaskowski holte die meisten Stimmen in den westpolnischen Wojewodschaften und den Großstadt-Regionen von Warschau und Schlesien (Polska A). Duda war im Osten und Südosten erfolgreich.

Die Wahl-Analysen bestätigen in ihren Ergebnissen aber nur die Muster früherer Wahlen. Bei dem knapp im Ergebnis ausgefallenen Kopf-an-Kopf Rennen von Duda und Trzaskowski fällt allerdings auf, dass der amtierende Präsident Duda im Vergleich zu den Wahlen von 2015 diesmal rund 1,7 Mio. mehr Stimmen holen konnte. Und das bei höherer Wahlfrequenz!  Die Oppositionspartei PO, die Trzaskowski vertritt, ,hat dagegen im Vergleich zu 2015 an Stimmen verloren. Der Sieg von Duda bei den als ,,Richtungswahlen“ ausgegebenen Präsidentschaftswahlen hat damit bestätigt, dass die schon vor Jahren von Kaczyński ausgegebene Vision eines auf ultranationalistischen und weltanschaulichen Konservatismus mit sozialen Versprechen gestützten Staates für die Mehrheit der polnischen Bürger , wenn auch nur knapper Mehrheit, weiterhin attraktiv ist.

Polens größte Oppositionspartei PO, für die Trzaskowski antrat, hat dagegen abermals unter Beweis gestellt, dass sie ihre Fähigkeit verloren hat, andere Oppositionelle im Kampf gegen die PiS-Alleinherrschaft zu vereinen. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel den damaligen Ministerpräsidenten und PO-Parteichef Donald Tusk gegen den Widerstand anderer EU-Regierungschefs im Amt des EU-Ratspräsidenten durchsetzte – und das wenige Wochen vor Beginn der Wahlen in Polen (Zitat polnischer Medien ,,Merkel hat der Opposition das Genick gebrochen) – erlebt die Partei einen Niedergang. Seit 2015 hat die Oppositionspartei kontinuierlich jede Wahl gegen die PiS-Partei verloren, jetzt die sechste in Folge. Die PO ist zwar in den vergangenen Jahren konsequent gegen den von der PiS-Partei vorgenommenen Abbau rechtsstaatlicher Normen vorgegangen. Für die Mehrheit der polnischen Bürger ist das aber zu wenig. Inhaltliche Alternativen zur PiS-Politik konnte sie den Wähler nicht nahebringen. Dies war auch im Wahlkampf von Trzaskowski zu spüren. Umfragen ergaben, dass jene, die einen Sieg von Duda und damit der PiS-Partei verhindern wollten,  Trzaskowski als das ,,geringere Übel“ ihre Stimme gaben.  Nur 30 Prozent der Wähler hielten Trzaskowski für einen idealen Kandidaten.  Bei Duda dominierte diese Meinung bei 70 Prozent seiner Wähler.

Politische Beobachter schließen deshalb nicht aus, dass es in den nächsten Monaten zu einem Zerfall der Oppositionspartei kommen könnte und sich die Opposition grundlegend neu formieren wird. Zeit dafür ist genügend vorhanden, denn die nächsten Wahlen finden in Polen erst in drei Jahren statt.
Dank des Sieges von Amtsinhaber Duda kann die PiS-Partei jetzt ungestört ihre Vormachtstellung ausbauen und ihren Kurs zum Umbau des Staates, der Aushöhlung der Gewaltenteilung und der Beschränkung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit fortsetzen. Stoppen kann sie dabei nur die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung, wenn sie mit den Auswirkungen der von der PiS-Regierung forcierten Wirtschafts – und Sozialpolitik konfrontiert wird. Bereits vor der Corona-Krise haben sich erste Risse bei der Finanzierung der PiS-Wahlgeschenke – u.a. Herabsetzung des Rentenalters, PIS-Sozialprogramm 500 + , Zahlung einer 13. und einer versprochenen 14. Rente – gezeigt. Die strukturelle Staatsverschuldung ist weiter gestiegen. Um sie zu kaschieren, wurde die Finanzierung eines Teils der Sozialausgaben in Instanzen wie z.B. dem Solidaritätsfonds ausgelagert, die in der Bilanz des Staatshaushalts nicht auftauchen. Seit Jahren gehen auch die Investitionen der privaten Unternehmen zurück.
Die Probleme sind durch die Corona-Krise um ein Vielfaches verschärft worden. Die Banken – zwei der drei größten Banken werden vom Staat kontrolliert – mit den Aufkauf von staatlichen Schuldverschreibungen belastet, verlieren zunehmend ihre Funktion, die Entwicklung der Wirtschaft zu finanzieren. Und mit dem notwendigen Umbau des Kohle- und Energiesektors und seinen sozialen Folgen steht die PiS-Regierung vor einer noch viel größeren Herausforderung.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS