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Corona – Polen öffnet wieder einige Grenzübergänge

Noch am ersten Tag der Grenzschließung konnten Einreise-Berechtigte mit ihren Fahrzeugen nach Polen einreisen. Dann war Schluß – Polen verrammelte alle kleinen Grenzübergänge für den Fahrzeug-Verkehr. Nicht nur für die Tausenden Berufspendler und den regionalen Warenverkehr eine Katastrophe. Auch Zehntausende polnische Urlauber, die nach Hause wollten, wurden auf die großen Autobahn-Übergänge in die kilometerlangen Staus abgewiesen. Nach 48 Stunden hat das polnische Innenministerium eine Kehrtwende gemacht und einige kleine Grenzübergänge wieder für den Fahrzeug-Verkehr geöffnet. Damit sollen die Stau-Situationen an den großen Autobahn-Grenzübergängen verringert werden.

Witold Kaczmarek traut seinen Augen nicht. Der Grenzübergang Kostrzyn-Küstrin, der gestern noch zugesperrt war, ist offen. Unter dem Dach des Grenzübergangs stehen drei Beamte vom Grenzschutz und Zoll gelangweilt herum. Seine vorsichtige Frage, ob man den Grenzübergang wieder mit dem Fahrzeug passieren kann, beantworten die Beamte. ,,Ja wir waren selber überrascht, als wir heute früh zum Dienst gekommen sind“, sagt der eine Mitarbeiter vom straż (Grenzschutz).

Und bleibt der Grenzübergang offen? ,,Das können wir nicht sagen. Das kann morgen schon wieder anders sein“. Das bestätigen auch die Erfahrungen der vergangenen Tage: Die Transparenz und Halbwertzeit amtlicher Mitteilungen ist begrenzt. Zumindest ist nach der Mitteilung des Innenministeriums in Warschau erst einmal festzuhalten, dass seit (18.März) vier Grenzübergänge von Deutschland nach Polen wieder für Einreise-Berechtigte mit Fahrzeugen geöffnet wurden. Diese sind:

– Küstrin – Kostrzyń
– Frankfurt (Oder) Stadtbrücke
– Görlitz-Zgorzelec
– Guben-Gubin

Diese können für den regionalen deutschen wie polnischen Waren-Verkehr mit Fahrzeugen in den jeweils zulässigen Gewichtsklassen(Kleintransporter, beschränkt Fahrzeuge bis 6 t) , Geschäftsreisende (auch deutsche mit Dienstreise- oder Beschäftigungs-Nachweis – in Polen arbeiten 8000 Deutsche, vorrangig als Fach- und Führungspersonal), Berufspendler und polnische Bürger mit Fahrzeugen genutzt werden.

Für Kaczmarek ist dies ein Segen. Bisher war gezwungen, über den Grenzübergang zu laufen. Wie viele andere polnische Berufspendler hatte er sein Auto über Nacht auf der deutschen Seite geparkt, denn ohne Auto wäre er nicht zu seinem Arbeitsplatz nach Mittenwalde gekommen. Um nach der Arbeit mit dem Auto nach Polen zurückzukehren, wäre er gezwungen, sich in die kilometerlangen Staus auf der Autobahn A12 zum einzigen, in der Groß-Region offengehaltenen Grenzübergang Frankfurt (Oder)-Świecko einzureihen. Zwar sollte die linke Spur der Autobahn für den Pkw-Verkehr freigehalten werden. Doch immer wieder blockieren Lkw die linke Spur, um andere, sich vordrängelnde Lkw an der Weiterfahrt auf der linken Spur abzubremsen.

Doch nicht nur auf der Autobahn A-12 bei Frankfurt, auch auf der anderen großen Einfahrts-Trasse nach Polen , der Autobahn A-4 in Sachsen bei Ludwigsdorf, reichten die Rück-Staus in den vergangenen Tagen bis zu 50 Kilometer.
Verursacht werden die Staus durch die polnischen Kontrollen auf Corona-Verdacht der Fahrer. Betroffen sind auch die deutschen Liefer-Verkehre, die den Handel und Unternehmen in den grenznahen Regionen nur noch mit zunehmenden Verspätungen beliefern können.

Stillstand für Waren-Transporte

Wie diese Kontrollen ausfallen ist ein Trauer-Spiel  angesichts der gigantischen Dimensionen des Ost-West-Lieferverkehrs. Nachdem die Truckfahrer 12 bis 14 Stunden im Stau standen und die langsam im Schnecken-Tempo sich vorschiebende Fahrzeug-Kolonne die Brücke über die Oder passiert hat, steht dort ein Grenz-Polizist im Schutzanzug. Ein einziger Grenzpolizist!! Der steigt auf das Trittbrett des Fahrzeugs hoch und hält den Fahrer durch die heruntergelassene Fahrzeug-Scheibe das Fieber-Meßgerät an die Stirn. Weist das Meßgerät eine Temperatur von über 37,9 Grad Celsius aus – und das geschieht nicht selten, denn die stundenlang wartenden Truck-Fahrer sitzen in beheizten Fahrer-Kabinen – wird der Fahrer in eine extra ausgewiesene Zone 100 Meter weiter eingewiesen. Dort steht ein Polizist mit automatischen Gewehr in Hollywoodreifer Pose. Mit Gewehr! Nachvollziehbar, wenn die Polizei auf der Suche nach Terroristen wäre. Das ist sie hier aber nicht.

In der dezentralen Zone wieder langes Warten. Fahrzeug steht hinter Fahrzeug. Dann noch einmal Kontrolle. Diesmal gründlicher. Das Meßgerät wird ans Ohr gehalten, dann an das Handgelenk. Diesmal ist die Temperatur im Zulässigkeits-Bereich. ,,Wundert mich auch. Sie sehen ja aus wie das blühende Leben“, sagt der Kontrolleur und setzt hinzu: ,,Ich glaube auch nicht, dass die Mess-Geräte hundertprozentig sicher arbeiten“.

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Dann zum nächsten Halt. An der Grenz-Station erfolgt die Kontrolle für Lkw inzwischen in zwei Spuren. Aber auch hier steht nur ein Kontrolleur an der Spur. Der Fahrer bekommt ein DIN-A4 Blatt in polnisch und englisch in die Hand gedrückt. Woher – Wohin? Vor- und Rückseite des Blattes sind mit den Angaben der Firma und den persönlichen Angaben des Fahrers auszufüllen. Einigen wartenden Truckfahrern, die am Strassen-Rand zusammensitzen, überrascht die stoische Gelassenheit, mit der die Beamten vom Zoll und Grenzschutz ihre Kontrollen durchführen, nicht. ,,Denen ist das doch egal, dass wir hier 20 Stunden im Stau stehen und der Warenverkehr hier langsam zusammenbricht. Die bekommen am Monatsende trotzdem ihren Gehalts-Check.“

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Und schon rollt eine neue Welle an

Und ein Truck-Fahrer meint, dass die Kontrollen auch besser organisiert werden könnten. Nur wenige Kilometer hinter der Grenze weitergefahren, befinden sich riesige Flächen, auf die man die Lkw umleiten und auf fünf oder mehr abgesperrten Spuren die Kontrollen mit mehr Personal durchführen könnte, ohne dass sich die Lkw an der Grenze aufstauen. Doch das interessiert die anderen Trucker-Fahrer schon nicht mehr. Sie wollen nur schnell nach Haus, denn am Wochenende geht es wieder retour Richtung Deutschland. Einer der Trucker-Fahrer, schon ein älterer, meint nur beim Einsteigen in seine Fahrer-Kabine : ,,Zum Glück kontrollieren die Deutschen nicht auf der Gegenseite“. Er kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als Sonntagabends, wenn sich die polnischer Truck-Flotte in Richtung Westeuropa in Bewegung setzte, die Lkw sich über 100 Kilometer auf der polnische Seite bis kurz vor Poznań aufstauten.

Die Stau-Situation an den deutschen Autobahn-Grenzübergängen wird auch in den nächsten Tagen anhalten. Daran ändert auch die Öffnung der vier kleinen Grenz-Übergängen für den Fahrzeugverkehr nicht viel. Sie ist aus Warschauer Sicht in erster Linie für die immer noch Zehntausende polnischen Urlauber gedacht, die im Ausland gestrandet sind und nach Polen zurückkehren wollen. Auch wird zum Wochenende hin mit rund 20 000 Polen gerechnet, die im Rahmen der Arbeits-Rythmen-Wechsel aus Großbritannien kommen und nach Hause zu ihren Familien wollen.

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Text: André Jański / infopol.PRESS