TBM-Bohrer aus China für Tunnel-Bau auf Insel Usedom

Knapp 2 Monate war er aus dem chinesischen Nansha unterwegs. In 129 Einzelteilen zerlegt, wurde er jetzt auf Kai 87 im Hafen von Swinemünde (Świnoujście) ausgeladen. Wenn er nach seinem Zusammenbau auf über 100 Meter Länge seine Arbeit aufnimmt, kommt die Insel Usedom ,,in Fahrt“.

Und für die Einwohner von Swinemünde beginnt sich ein jahrzehnterlanger Traum zu erfüllen.
Die in China produzierte und jetzt im Hafen ausgeladene TMB-Maschine (TMP Tunnel Boring Machine) wurde speziell für die Bohrung und Bau des Strassen-Tunnels unter der Swine (Świna) in China gebaut. Zusammengebaut ergibt sie eine Länge von über 100 Meter. Das Vortriebsschild hat einen Durchmesser von über 13 Metern. Nach ihrem Zusammenbau wird die Bohrmaschine ab März ihre Arbeit beginnen. Gegenwärtig wird auf der östlichsten Seite der Insel Usedom eine 120 Meter lange und 20 Meter breite Startkammer gebaut, von der der Tunnelbau unter der Swine vorgetrieben wird.

Fotos: UM Świnoujście / SWECO

Die Swine ist ein Meeres-Arm der Ostsee, der die Insel Usedom vom polnischen Festland trennt. Seit Jahrzehnten war der Zugang von der polnischen Seite (Wolin) zur Insel Usedom nur mit Fähren über die Swine möglich. Dabei gab es bereits in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts erste Planungen für einen Tunnelbau. Nach dem Krieg, als aus Swinemünde Świnoujście wurde, nahm man sich in Polen ab Ende der 50er Jahre erstmals der alten Pläne an. Unter Partei-Chef Edward Gierek wurde 1973 sogar eine Konzeption zum Tunnel-Bau ausgeschrieben. Dabei blieb es jedoch. Es fehlte jedoch nicht nur das Geld. Auch die Sowjets, die die alten Festungsanlagen und den ehemaligen Marine-Stützpunkt der deutschen Kriegsmarine für ihre Militärbasen in und um Świnoujście nutzten, waren gegen den Tunnelbau.

Fährbetrieb zum ,,Kaiserbad” mit Touristen-Warteschlangen

Anstelle des Tunnels wurden Auto-Fähren in den Dienst gestellt, die bis heute in regelmäßigen Abständen über den Ostseearm shippern und Świnoujście mit der Halbinsel Wolin und dem polnischen Festland verbinden. Was noch bis Ende der 90er Jahre ausreichend war und in der Urlaubszeit an den am Ausgang eines Waldstücks gelegenen Anlegestellen bei den auf die Fähre wartenden Urlaubsgästen für eine beschauliche, entspannte Atmosphäre sorgte, wurde spätestens seit dem Beitritt Polens zur EU zu einem nervenden Geduldsspiel. Seitdem ist die Zahl der Touristen kontinuierlich angestiegen, begleitet von dem Bemühen, den verblichenen Glanz des alten ,,Kaiserbades Swinemünde” aufzupolieren und es seinen Pendants auf der deutschen Seite – Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin – gleichzutun. In Świnoujście sind seitdem zahlreiche neue Hotels und Ferien-Anlagen gebaut worden, die vom gigantischen Beton-Palast des Baltic Parks überragt werden. Mit der ständig wachsenden Zahl der Touristen, die nach Świnoujście kommen, wurden auch die Warteschlangen vor den Anlegestellen der Fähren immer länger. In der Hoch-Saison und an Wochenenden und Feiertagen steht der Fährbetrieb kurz vor dem Kollaps.

Stärkung des Wirtschaftsstandortes auf der Urlauber-Insel

Dabei hatte schon 2007 die Regierung der Partei „Recht und Gerechtigkeit” (PiS) in ihrer ersten Amtszeit unter Jarosław Kaczyński mit der Stadtverwaltung von Świnoujście eine Vereinbarung zum Tunnelbau unterzeichnet. Dem PiS-Parteichef, der selbst auf einer kleiner benachbarten Natur-Insel ein privates Angel-Domizil hat, ging es jedoch nicht nur um die Touristenströme. Mit dem Tunnelbau soll auch die feste Verbindung von Świnoujście zum polnischen Mutterland symbolisiert und seine Bedeutung als Wirtschafts-Standort gestärkt werden. Als dann gut zehn Jahre später endlich der Vertrag über den Tunnelbau unterschrieben wurde, erklärte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ganz im Sinne seines Parteichefs, dass durch den Bau des Tunnels auf der Insel Usedom wieder die symbolische ,,Zusammenlegung Polens” erfolgt. ,,Mit dieser Investition zeigen wir auch, wozu Polen fähig ist”. Dass 85 Prozent der Kosten für den Tunnelbau mit EU-Geldern finanziert werden, ließ er nahezu unter den Tisch fallen.

Bau der Start-Kammer

Insgesamt sind die Kosten für den Tunnelbau mit 912 Mio. Złoty veranschlagt. 775 Mio. kommen von der EU. Gebaut wird der Tunnel vom österreichischen Baukonzern Porr im Konsortium mit der türkischen Gülermak, die auch am Ausbau der Warschauer U-Bahntunnel (Metro) beteiligt ist. Projekt-Ingenieur für den Tunnelbau sind die SWECO und Lafrentz.
Das gesamte Tunnel-Projekt hat eine Länge von 3,4 Kilometer. Davon werden 1,48 Kilometer im TBM-Verfahren 10 Meter unter der Sohle des Ostseearmes vorangetrieben, der an dieser Stelle eine Tiefe von 13,5 Meter hat.

Die beiden Fahrbahnen werden nach dem Ausbau in beide Richtungen in einer Röhre durchgeführt. Die Durchlass-Fähigkeit ist auf 15 500 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt. Wenn alles gut geht, dann kann zum geplanten Fertigstellungs-Termin ab September 2022 die Blech-Lawine aus östlicher Richtung auf und von der Insel Usedom rollen.

© Andreas Höfer /infopol.PRESS