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Polen senkt wegen Corona-Krise die Leitzinsen

Der Geldpolitische Rat der Polnischen Nationalbank (NBP) hat erstmals seit 5 Jahren die Leitzinsen gesenkt. Der wichtigste Leitzins – der Referenzsatz – wurde um 0,5 Prozent auf 1 Prozent gesenkt. Das ist das niedrigste Niveau in der Geschichte der polnischen Zentralbank.

Die Maßnahmen dienen dazu, die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen aus der Coronavirus-Verbreitung zu beschränken und in der weiteren Perspektive eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu stimulieren“, begründet die Nationalbank NBP den Zinsschritt.
Außer dem Referenz-Satz wurde der Lombard-Satz auf 2 Prozent und der Discount-Satz, der seit zehn Jahren unverändert war, auf 1,10 Prozent festgelegt. Der Lombard-Satz ist der Zinssatz, zu dem sich die Kredit-Institute durch Verpfändung eigener Wertpapiere von der Zentralbank kurzfristig Liquidität verschaffen können. Der Discount-Satz ist dagegen der Zinssatz, zu dem die Kreditinstitute Wechsel an die Zentralbank verkaufen können, um sich ebenfalls Liquidität zu verschaffen.
Die Zins-Entscheidung fiel in dem zehnköpfigen Geldpolitischen Rat der Nationalbank denkbar knapp aus. Die Hälfte der Rat-Mitglieder stimmte dagegen. Die entscheidende Stimme hatte jedoch der Präsident der Nationalbank Adam Glapiński . Der hatte schon Tage zuvor unisono mit Staatspräsident Andrzej Duda auf eine Absenkung der Leitzinsen gedrängt.
Der Zinsschritt der Nationalbank hat bei den Volkswirten und Bank-Analysten geteiltes Echo gefunden. Während die einen darauf verweisen, dass die kurzfristige Stützung der Bonität der Wirtschaftsunternehmen in der gegenwärtigen Situation absolut notwendig sei, verweisen andere auf die Inflationsgefahr. Polen hatte Anfang des Jahres mit knapp 5 Prozent mit die höchste Inflationsrate in Europa, die u.a. auf die Erhöhung der Strompreise, anderer Dienstleistungen und der Verteuerung von Lebensmitteln zurückzuführen ist. Nationalbank-Präsident hält dem entgegen, dass der jetzt zu beobachtende Rückgang der Nachfrage nach Dienstleistungen und Non-Food-Produkten sowie der Rückgang der Weltmarkt-Preise für Rohstoffe die Inflations-Risiken minimieren.
Leszek Balcerowicz, ,,Vater der polnischen Reformen“, der vor 30 Jahren mit eiserner Hand das damals zerüttete polnische Wirtschafts-und Finanzsystem (Inflationsrate 700 Prozent) wieder auf Stabilitätskurs brachte, kritisierte den Zinsschritt als undurchdachtes Nachahmen der US-amerikanischen Zentralbank Fed. Die hatte Zinssenkung zwei Tage vorher unter Druck von US-Präsident Donald Trump die Zinsen um 1 Prozent gesenkt. Dieser Zinsschritt ist weitgehend ohne Wirkung auf die Wirtschaft verpufft. Die Situation in Polen sei eine andere als im Westen, wo es keine hohe Inflation gebe. Die FED müsse sich keine Sorgen machen, dass durch ihre Zinssenkung der Dollar schwächer wird. In Polen bestehe schon die Gefahr, dass die polnische Währung an Währung verliert. Statt der von Glapiński und Staatspräsident Duda forcierten propagandistischen Zins-Senkung brauchen die Wirtschafts-Sektoren und Unternehmen, die von der Corona-Krise am härtesten getroffen sind, jetzt auf sie ausgerichtete selektive Hilfs-Maßnahmen, sagte Balcerowicz der Zeitung Rzeczpospolita.
Anders als die zweckoptimistischen Prognosen der Regierung und Volkswirte staatlicher Banken hat jetzt auch die amerikanische Investitionsbank Stanley Morgan ein düsteres Bild für die polnische Volkswirtschaft in diesem Jahr gezeichnet. Durch die Corona-Pandemie werde Polen in eine Rezession erleben, wie es sie noch nie gesehen habe. In ihrer düstersten Prognose erwartet die Banker von Morgan Stanley einen Rückgang der polnischen Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 5,6 Prozent. Im vergangenen Jahr erzielte Polen noch ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent, was der PiS-Regierung im Rahmen von Wahlversprechen massive Sozial-Transfers erlaubte.
Bei den düsteren Aussichten erwarten die Analysten von Morgan Stanley, dass die polnische Nationalbank noch eine weitere Zins-Senkung vornehmen wird.

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