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Supermarkt als Bus-Haltestelle am Sonntag weiter offen

 Sonntags-Handelsverbot verschärft – Unternehmen mit kreativen Ideen bei der Umgehung des Verbots

Die Kreativität polnischer Unternehmer bei der Umgehung von Gesetzen und Regeln kennt keine Grenzen! Kaum hatte der Gesetzgeber die Regeln für das Sonntagshandels-Verbot verschärft, warteten die Betreiber von Läden und Supermärkten bereits mit neuen Ideen auf, um an Sonntagen weiter offen zu bleiben.

Foto: podworka/Twitter

Den Vogel schoss dabei ein Intermarché -Markt in der an der Grenze zu Tschechien gelegenen Stadt Cieszyn ab. An der Breitseite des Supermarktes wurde ein großes Leuchtreklame-Schild mit der Aufschrift ,,Busbahnhof“ montiert und der Eingang zum Supermarkt als ,,Warteraum „ ausgewiesen. An den ,,Busbahnhof“ hält zwar nur eine örtliche Buslinie. Für den Betreiber des ,,Intermarché –Marktes ist das jedoch ein ausreichender Grund, das Geschäft auch an Sonntagen weiter offen zu halten. Denn das Gesetz zum Sonntagshandelsverbot lässt als eine der zahlreichen Ausnahmeregelungen sonntags eine Öffnung von Geschäften an Flughäfen, an Bus- und Bahnhöfen zu.
Das sonntägliche Handelsverbot wurde 2018 von der nationalkonservativen Regierung auf Initiative der Gewerkschaft Solidarność eingeführt. Federführend war dabei der frühere Gewerkschafts-Chef Janusz Śniadek, der seit 2011 für die nationalkonservative PiS-Partei im polnischen Parlament sitzt. Auch die katholischen Kirche drängte auf ein Verbot, erhoffte sie sich dadurch einen verstärkten Zustrom zu den Sonntags-Messen. Das gesetzliche Sonntags-Handelsverbot war vorrangig gegen die großen internationalen Handelsketten gerichtet und sollte die von denen an die Wand gedrückten kleinen Händler stärken. Inhabergeführte kleine ,,Tante Emma Läden“ konnten dagegen neben Blumen-Läden, Bäckereien u.a. weiter ihr Geschäft an Sonntagen offen halten.

Schlupfloch ,,Poststelle“ geschlossen

Doch das Handelsverbots-Gesetz an Sonntagen ging nach hinten los. Ohnehin war die Mehrheit der Bevölkerung gegen das Verbot. Mit der gesetzlich vorgegebenen, von Jahr zu Jahr abnehmenden Zahl der verkaufsoffenen Sonntage begannen die Handelsfirmen nach Schlupflöchern zur Umgehung des sonntäglichen Handelsverbots zu suchen. Die Gelegenheit dazu boten die im Gesetz formulierten Ausnahme-Regelungen. Den Anfang machte Polens größte Convinience-Kette Żabka in ihren 7200 Läden. .An der Ladeneingangstür wurde ein Schild mit der Aufschrift ,,Poststelle“ angebracht. Mit diesem Alibi ließ sich dank der gesetzlichen Ausnahmeregelung ,,Postdienstleistungen“ das übliche Waren-Sortiment auch an Sonntagen 24 Stunden rund um die Uhr verkaufen. Anfangs wetterten die Wettbewerber wie Lidl, Biedronka und andere lautstark dagegen. Doch bald folgten nahezu alle Super-, Discount- und Hypermärkte dem Beispiel von Żabka und die Läden waren sonntags wieder offen. Das brachte die Handelsgewerkschaft der Solidarność auf die Barrikaden. Mit Erfolg! Anfang Februar schloss der Gesetzgeber dieses Schlupfloch mit der Verordnung, dass große Märkte und Einkaufszentren an Sonntagen nur noch dann öffnen dürfen, wenn die angebotenen Postdienstleistungen mehr als 40 Prozent der Einnahmen des jeweiligen Geschäftes ausmachen. Für die, die bisher auf die Masche ,,Postdienstleistungen“ gesetzt hatten, eine völlig illusorische Größe.

Supermarkt mit ,,Buchclub“

Doch die Gesetzes-Verschärfung hat sofort neue kreative Kräfte zur Umgehung des Handelsverbots an Sonntagen freigesetzt. Das Beispiel des Intermarché-Marktes in Cieszyn ist dabei keine Einzelfall. In einigen andere Supermärkten der Einzelhandelskette Intermarché
wurde einfach nur ein Stand mit einigen Büchern aufgestellt, an dem für einen sieben Tage in der Woche geöffneten Buchclub geworben wird, an dem die Kunden Bücher ausleihen, lesen oder kaufen können, während sie gleichzeitig Lebensmittel einkaufen. Der jeweilige Intermarché -Markt nutzt auf diese Weise eine weitere Ausnahmeregelung des Gesetzes zum sonntäglichen Handelsverbot aus, die Organisationen und Firmen in den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Tourismus und Freizeit erlaubt, sonntags zu arbeiten.

Der Kunde hat die Wahl: Kulturvolles oder sportliches Trinken?

Auf diese Ausnahme-Regelung setzt auch die polnische Ladenkette Al. Capone. Zu der gehören 89 Läden in Polen. Al. Capone weist sich selbst als ,,Spezialist für Alkohol“ aus. Mit den verstaubten Image der klassischen „Monopol-Läden“ hat das Unternehmen aber wenig Gemeinsames. Ohnehin gibt es nicht mehr die typischen Quartals-Trinker. Die sind schon vor Jahren zu Tausenden nach Deutschland und Westeuropa abgewandert. Al. Capone vertreibt sein weltweites Alkohol-Sortiment mit hippen Marketing- und Werbekonzepten, die sich vorrangig an ein jüngeres dynamisches Publikum aus der Mittelschicht wenden. Um auch an Sonntagen öffnen zu können, bietet Al.Capone seit einigen Tagen auch Kultur- und Sportgeräte zum Ausleihen an. Dazu gehören Pokerspiele, Roulette, Schach, Badminton, Dart, Tischtennis-Schläger. Selbst eine Angel kann man in dem Schnaps-Laden ausleihen. Der Kunde hat die Auswahl: kulturvolles oder sportliches Trinken!

Fotos: Al. Capone

Beim Vorstand der Gewerkschaft Solidarność haben die Umgehungsversuche des Handelsverbots an Sonntagen heftige Proteste ausgelöst. In einer Verbandserklärung fordert Gewerkschafts-Boss Duda scharfe Kontrollen und hohe Geldstrafen. Als ,,Verbrechen“ wertetet der Chef der Handels-Gewerkschaft der Solidarność, Alfred Bujara, die Vorgänge in den Intermarché-Filialen. ,,Diese Handels-Kette zeigt, dass sie … das polnische Gesetz ignoriert.“ Im eigenen Land, in Frankreich, würde sie das Gesetz respektieren, ,,in Polen beutet sie dagegen die Beschäftigten als billige Arbeitskräfte aus“, erklärte der Gewerkschafts-Funktionär gegenüber dem Handelsblatt WiadomościHandlowe.
Beim Vorstand der Vertriebskette Intermarché, die zur französischen Musketier—Gruppe (Einzelhandelskonzern Les Mousquetaires) gehört, perlt die mit nationaler Rhetorik befeuerte Kritik ab. Die Intermarche-Märkte werden schließlich von polnischen Unternehmern auf Franchise-Basis betrieben und nicht von französischen Kaufleuten. Man greife nicht in die Entscheidungen von selbständigen polnischen Unternehmern ein, ließ die Intermarché -Führung verlauten.

Geöffnete Schalter von Stadtverwaltungen an Sonntagen?

Die Kritik der Intermarché findet bei der Mehrheit der polnischen Bevölkerung nur einen geringen Widerhall. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass die Gewerkschaft nicht mehr das Ansehen genießt, das die Solidarność vor 30 Jahren hatte. Dazu hat auch die politische Bändelei der Gewerkschaftsbosse mit der regierenden PiS-Partei beigetragen. Seit Jahren spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung in den Umfragen gegen das Verbot und für einen durchgehenden Geschäftsbetrieb aus. Für viele ist die durch das Christentums tradierte Trennung von Arbeitswoche und Sonntagsruhe nicht mehr zeitgemäß. Ob man den für eine Sonntagsarbeit zustehenden freien Tag in der Woche verbringt oder am Wochenende sei nicht mehr maßgeblich. Dazu haben auch die mit der Corona-Pandemie eingeführten flexiblen Arbeitszeit-Modelle wie z. B Home office beigetragen. Inzwischen gibt es in den sozialen Medien sogar Forderungen, dass auch der öffentliche Dienst eine Anpassung an die sich dynamisch verändernde Arbeitswelt vornehmen sollte. Nicht nur der Handel, sondern auch Beamte und Angestellte in den Kommunal-Verwaltungen sollten dienstleistungsorientiert und bürgerfreundlich an Sonntagen, auf Grundlage von flexiblen Arbeitszeit-Modellen, arbeiten, um den Antrags-Stau abzubauen.

© André Jański / infopol.PRESS

Wieder Container-Frösche an der Ostseeküste

Polens größte Einzelhandelskette Żabka hat mit Beginn der Urlaubssaison wieder saisonale Verkaufsläden an der polnischen Ostseeküste errichtet. Bereits 2016 hatte die Kette, die einst den Frosch (Żabka) in ihrem Firmen-Logo führte, ihre ersten Verkaufs-Container in den Ostsee-Bädern Międzyzdroje (Misdroj) und Międzywodzie aufgestellt. Im vergangenem Jahr waren es bereits 52. In diesem Jahr werden es 80 sein, teilt das Unternehmen mit. Die meisten davon – jeweils 6- – in dem östlich vom Küstenwald bei Międzyzdroje gelegenen Badeort Międzywodzie und in dem geschäftlich lärmenden Władysławowo, das mit seinen Vergnügungs- und Wasserparks für viele inländische Touristen das Mekka des polnischen Ostsee-Tourismus ist.
Bei den Żabka-Läden handelt es sich um Shops vom Typ Convenience. Zum Sortiment gehören vor allem Getränke, verzehrfertige Lebensmittel, Snacks, Eis, etwas Kosmetik und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Die Geschäftsführung von Żabka betont zwar, dass die Saison-Läden ein Komfort für die Touristen bei ihren täglichen Lebensmittel-Einkäufen darstellen. Für ein Voll-Einkauf nutzen die allerdings eher die Super- und Discount-Märkte von Biedronka, Netto, Lidl oder Carrefour, mit denen die Ostsee-Bäder auch gut bestückt sind. Die Żabka-Läden sind dagegen eher Schnellverkaufs-Läden. Deren Sortiment geht in der Regel nicht über 300 Produkte hinaus. So schnell, wie man in dem Laden das schmale Sortiment abgegrast hat, so schnell ist man mit zwei oder drei gekauften Produkten, für die man gerade einem Bedarf hat, auch wieder aus dem Laden heraus.


Bei Żabka werden die Saison-Läden als ,,Verkaufs-Pavillons“ bezeichnet. Mit Pavillons haben die jedoch wenig gemeinsam. Wenn nicht in Containern, sind sie aus Fertigteile-Bauelementen zusammengezimmert – passend zu der in vielen polnischen Ostseebädern dominierenden Rummelplatz-Atmosphäre und Basar-Kultur mit zahlreichen Ständen, Kiosken und Buden mit chinesischen Billig-Kram und vermeintlich hausgemachten Eis oder Speisen auf Plaste- und Papp-Tellern.
Die meisten Żabka -Läden haben rund um die Uhr geöffnet, auch an Sonntagen. Da gilt zwar das 2018 eingeführte Sonntags-Handelsverbot. Doch Żabka war die erste Handelskette in Polen, die das Sonntags-Handelsverbot aushebelte, in dem sie eine der über 20 im Gesetz festgeschriebenen Ausnahme-Regelungen für sich in Anspruch nahm. An den Türen der Żabka -Läden wurde kurzerhand das Schild ,,Poststelle“ platziert. Mit deren Registrierung konnten die Żabka -Läden auch an Sonntagen öffnen. Inzwischen sind viele einheimische Einzelhändler dem Beispiel von Żabka gefolgt. Nahezu jeder zweite Lebensmittel-Laden nimmt heute die Ausnahme-Regelungen in Anspruch und hat auch an Sonntagen geöffnet. Das gesetzliche Sonntags-Handelsverbot ist damit zur Farce geworden.

Innerhalb eines Jahres 1000 neue Filialen

Die saisonalen Läden an der Ostseeküste dienen der Einzelhandelskette Żabka auch dazu, ihre Präsenz und Expansion zu verstärken. Das Unternehmen betreibt aktuell 7200 Filialen in ganz Polen. Żabka ist das zur Zeit am schnellsten wachsende Handelsnetz in Polen. Selbst im Corona-Krisenjahr 2020 wurden über 1000 neue Filial-Standorte eröffnet. Basis des expansiven Wachstums ist das Geschäfts-Modell, das auf Franchise-Organisation beruht. Mehr als 6000 der 7200 Laden-Betreiber sind Franchise-Partner. In der Provinz werden die Filialen von selbständigen Händlern im Format von kleinen ,,Tante-Emma-Läden“ betrieben. Beliefert werden sie von fünf regionalen Logistik-Zentren.

Erster Laden ohne Personal und Kasse 

Fotos: Żabka

Żabka setzt allerdings nicht nur auf Masse. Seit dem CVC Capital Partners, einer der weltweit größten Privat-Equity-Unternehmen der Welt, Żabka 2017 übernommen hat, setzt das Unternehmen insbesondere in den Großstädten auf Modernität und Innovation. So hat das Unternehmen mit ,, Żappka“ eine eigene App mit integrierter Bezahlfunktion, die nach Angaben von Żabka bereits 4 Mio. Menschen nutzen. Der neueste Coup in Sachen Innovation ist die Eröffnung eines ,, Żappka-Stores“ in Poznań. Dabei handelt es sich um einen Laden ohne Kassen und Verkaufspersonal. ,, Żappka Store ist der Verschmelzung der Offline-Welt mit der Online-Welt, die eine neue Kauf-Perspektive für den Kunden eröffnet. Innerhalb von Sekunden kann man einen Schnell-Einkauf vornehmen, indem man die Produkte auswählt und damit ohne Bezahlung vor Ort aus dem Laden geht“, erklärt Tomasz Blicharski, Geschäftsführer von Żabka Future. Dazu braucht man nur ein Smartphone mit der hauseigenen App von Żabka, auf die Bezahlfunktion des Unternehmens aktiviert wird. Vor Eintritt in dem Laden wird von der App ein einmaliger QR-Code generiert, der an der Laden-Tür gescannt wird. Darauf öffnen sich die Türen automatisch. Im Laden nimmt sich der Kunde die gewünschten Produkte nur noch aus dem Regal und verlässt damit wieder den Laden.
Der traditionelle Kassen-Vorgang findet im Laden nicht mehr statt. Dies übernimmt eine im Store installierte Plattform von Digitalkameras und KI-gestützter Software, die die Waren erkennt und aufzeichnet, die der Kunde im Store aus den Regalen genommen hat. Die Bezahlung erfolgt dann über den aktivierten Zahlungsdienst. Die Geschäftsführung von Żabka beteuert, dass der Datenschutz und die Privat-Sphäre des Kunden gewahrt bleiben. Über die zahlreichen Kameras wird nicht der Kunde mit persönlichen Aufnahmen identifiziert.
Bei dem von Żabka eingesetzten System handelt es sich um die OASIS-Plattform von AiFi für den automatisierten Einzelhandel. AiFi wurde von den ehemaligen Apple- und Google-X- Entwicklern Steve Gu und Ying Zheng gegründet und steht im Bereich des autonomen Einkaufens in Konkurrenz zu Amazon Go. Mit dieser Plattform wurde bereits Ende 2019 ein Convenience-Store auf den Amsterdamer Flughafen in Schiphol in Betrieb genommen.
Nach der Eröffnung des ersten Kassen- und Bedienungsfreien Stores auf dem Messe-Gelände in Poznań, soll der nächste Żappka-Store in Warschau eröffnet werden. Inoffiziell ist bereits von 40 weiteren Żappka-Stores die Rede.

© Magda Szulc / infopol.PRESS