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Hamburger TAG: Aufstieg zum größten polnischen Wohnungsvermieter

Warschauer Appartements an der Weichsel. Foto: PL-Agentur

In Kombination mit ihren bereits 2019 übernommenen polnischen Immobilien-Entwickler Vantage Development S.A. ist die Hamburger TAG Immobilien AG auf dem Weg, zum größten Wohnungsvermieter in Polen aufzusteigen. Der MDax-Konzern hat dazu jetzt einen Vertrag zum Kauf des polnischen Wohnungs-Entwicklers Robyg unterzeichnet. Robyg hat rund 23 000 noch nicht verkaufte Wohnungen in der Pipeline. Davon würden nach derzeitiger Planung bis zu rund 12 000 Einheiten nach Fertigstellung langfristig im Bestand gehalten, um das Mietportfolio der TAG in Polen zu ergänzen, teilte das Unternehmen in Hamburg mit. .
Robyg war eine lange Zeit an der Warschauer Börse notiertes Unternehmen, das 2018 von dem mittelbar zur US-Investmentbank Goldman Sachs gehörenden Unternehmen Bricks Acquisitions Limited übernommen und von der Börse genommen wurde.
Auf umgerechnet rund 550 Mio. Euro beläuft sich den Angaben zufolge der Kaufpreis, den die Hamburger TAG für Robyg bezahlen wird. Der Abschluss der Übernahme von Robyg ist für das erste Quartal 2022 geplant.
Mit dem Wohnungs-Portfolio des bereits vor zwei Jahren übernommen Immobilien-Entwickler Vantage Development in Breslau (Wrocław) kann TAG künftig nach ihrer Fertigstellung auf 20 000 Wohn-Einheiten in den polnischen Großstädten aufbauen. Das deutsche Unternehmen wird damit der größte private Wohnungs-Vermieter in Polen. Dem Unternehmen kommt damit eine Vorreiter-Rolle bei der Entwicklung einer Institutionalisierten Wohnungsvermietung zu.

Mietwohnungs-Markt: Chaotisch und unreguliert

Beim Wohn-Eigentum nimmt Polen einen europäischen Spitzenwert ein. Über 75 Prozent der polnischen Familien wohnt in eigenen Immobilien. (Vergleich Deutschland – nur 44 Prozent). Der polnische Mietwohnungs-Markt ist dagegen durch ein hohes Angebots-Defizit gekennzeichnet und ist nahezu unorganisiert. Im Regelfall mietet man eine Wohnung von einer Privatperson, die die Wohnung als Kapitalanlage mit einem Hypotheken-Kredit gekauft oder geerbt hat. Nicht ungewöhnlich ist daher, dass z.B. in einem Mehrfamilienhaus die sechs vermieteten Wohnungen verschiedene, im Extremfall sechs verschiedene Eigentümer haben. Entsprechend gelagert sind die Probleme bei der Bewirtschaftung und Pflege der Treppenhauses, der Gemeinschaftsanlagen, Müllabfuhr. Von notwendigen Reparaturen an Dach, Haus-Fassade oder Medien-Zufuhr oder rechtlichen Sicherheiten der Mieter überhaupt nicht zu reden. Da kann es schon passieren, dass plötzlich der Eigentümer in der angemieteten Wohnung steht und den Mieter aus der Wohnung schmeißt, weil er die Mietwohnung für seine Großmutter braucht. Laut Experten-Schätzungen werden für 30 Prozent der Vermietungen überhaupt keine Mietverträge abgeschlossen. Verlässliche amtliche Angaben über die Anzahl der vermieteten Wohnungen in Polen gibt es nicht. Einzige Bezugsquelle sind die Steuererklärungen. 2019 wurden rund 800 000 Steuererklärungen eingereicht, in denen Einnahmen aus der Vermietung angegeben wurden. Das waren fast doppelt soviel wie noch vor fünf Jahren. Darauf aufbauend schätzt das Warschauer Immobilien-Consulting-Unternehmen ThinkCo die Zahl der gegenwärtig zur Vermietung angebotenen Wohnungen zu Marktbedingungen auf 1,3 Mio (ohne Wohnungsgenossenschaften, Sozialwohnungen).

Wohnsiedlung Warschau-Wola. Foto: PL-Agentur

In diesen chaotischen und unregulierten Wohnungsmiet-Markt steigen zunehmend nationale und internationale Unternehmen und Immobilienfonds ein. Neben TAG gehört dazu auch der schwedische Immobilien-Konzern Heimstaden Bostad, der Eigentümer von über 100 000 Wohnungen in Nord- und Mitteleuropa ist, darunter in Deutschland. Das skandinavische Unternehmen hatte erst zu Jahresbeginn rund 1300 Wohnungen in Warschau gekauft.
Auch das polnische Unternehmen Resi4Rent rechnet aufbauend auf seine gegenwärtig im Bau und in der Planungsphase befindlichen Projekte damit, bis zum Jahre 2025 rund 10 000 Mietwohnungen in den polnischen Großstädten zur Verfügung zu haben. Neben seinen Mietwohnungen in neuen Gebäuden in Breslau und Łódź bietet das Unternehmen seine 450 Miet-Wohnungen bei der Warschauer Brauerei mit einem Service auf einem ganz anderem Niveau an als bei der Vermietung durch Privatpersonen. Die Wohnungen und Häuser werden komplex durch eine Hausverwaltung betreut, deren Dienste sofort abrufbar sind.

,,Zivilisierung der Wohnungsvermietung“

Neue moderne Wohnungen in guter Großstadt-Lage, die von Unternehmen vermietet und verwaltet werden, könnten in Zukunft eine starke Konkurrenz zu den traditionell zersplitterten Mietwohnungsmarkt sein, der bisher von Privatpersonen als Vermieter dominiert wird. Nach Auffassung von Experten des Preis-Portals Cenatorium besteht das große Plus der verstärkten Aktivitäten von in- und ausländischen Immobilienfonds in deren Beitrag zur ,,Zivilisierung des polnischen Mietwohnungs-Marktes. Dafür spricht auch, dass die Aufnahme von Hypotheken-Krediten zum Kauf von Eigentums-Wohnungen schwieriger geworden ist. Die Banken verlangen jetzt in der Regel einen Eigenanteil des Kreditnehmers an der Finanzierung von mindestens 10 Prozent und mehr Sicherheiten wie eine stabile Beschäftigung. Für eine 50 qm große Wohnung betrug die monatliche Kreditrate bei 10 Prozent Eigenanteil bisher in diesem Jahr im Durchschnitt umgerechnet rund 580 Euro in Warschau und 450 Euro in Breslau. Entsprechend sind auch die Wohnungs-Mietpreise gestiegen. Nach Warschau ist Breslau dabei mit einer Durchschnitts-Miete von 2400 Złoty (rund 530 Euro) das teuerste Pflaster unter den polnischen Großstädten.

© André Jański / infopol.PRESS