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PiS-Parteichef Kaczyński – Vom Tierfreund zum Tierschützer

Es gehört im politischen Leben Polens zu den Ereignissen mit Seltenheits-Wert, wenn Amnesty International oder linke Gruppierungen sich hinter eine vom Chef der nationalkonservativen PiS-Partei, Jarosław Kaczyński persönlich ausgelösten Initiative stellen. Der hatte einen Gesetzentwurf für einen verbesserten Tierschutz in Polen vorgestellt und für einen umfassenden Umbau des Rechtssystems für den Tierschutz in Polen geworben. Im Kern sehen diese Regelungen ein Verbot der Pelztierhaltung für kommerzielle Zwecke, Beschränkungen für die rituelle Schlachtung von Tieren, eine Verschärfung der Kontroll-Tätigkeit der Sanitär-Behörden, erweiterte Zugangs-Möglichkeiten von Tierschutz-Organisationen zu privaten Grundstücken sowie höhere Strafen bei nicht artgerechter Tierhaltung vor. Auch das Chipsen von Hunden war angedacht.

Kaczyński appelliert bei Tik Tok an ,,alle guten Menschen“

Ungewöhnlich auch der Auftritt von Kaczyński im chinesischen Social-Networkdienst Tik Tok (in den USA gerade auf den Index gesetzt), wo er an ,,alle guten Menschen in Polen“ appellierte, gegen Tierquälerei und zum Wohle der Tiere einzutreten. Den Auftritt des 71jährigen Politikers im dunklen Anzug und Schlips in der gerade bei Jugendlichen populären App Tik Tok als Anbiederungs-Versuch bei einem jüngeren Wählerpublikum im urbanen Milieu zu werten, wäre zu kurz gegriffen. Tatsächlich gilt Jarosław Kaczyński als ausgesprochener Tierfreund. Neben seiner Lieblings-Katze Fiora hält er inzwischen weitere Katzen in seinem Single-Haushalt.

Foto: Otwarte klatki

Auslöser für die von Kaczyński inszenierte Gesetz-Initiative war ein vom Nachrichten-Portal onet veröffentlichten Film über die Mißstände in eine der größten polnischen Nerz-Farmen in Góreczki bei Krotoszyn (Wielkopolskie). Mit 40 000 Nerzen gehört sie zum Imperium des polnischen ,,Nerz-Königs” Szczepan Wójcik. Der hatte als Präsident eines von ihm selbst gegründeten Landwirtschafts-Instituts und einer Stiftung schon einmal einen bereits 2017 von der PiS-Partei initialisierten Gesetz-Entwurf zum Verbot der Pelztier-Farmen zu Fall gebracht. Im Gespann mit dem Chef des politisch einflußreichen erzkonservativen katholischen Radio-Senders ,,Radio Marija” und Medien-Unternehmers Pater Tadeusz Rydzyk organisierte Wójcik 2018 eine Millionenschwere Medien-Kampagne und einen als patriotisch deklarierten Marsch der Tierzüchter gegen das Verbot auf den Strassen von Warschau.

Bauern-Proteste vor PiS-Parteizentrale

Ein ähnliches Szenario ereignete sich auch diesmal, als Kaczyńskis PiS-Partei ihren Gesetz-Entwurf zum Tierschutz in dieser Woche in das Parlament zur Abstimmung einbrachte. Tausende Bauern belagerten die Partei-Zentrale der PiS-Partei in der Warschauer Nowogrodzka. Unter den Losungen ,,Abschlachtung der polnischen Landwirtschaft“ oder ,,Lasst uns unsere Arbeitsplätze“ protestierten sie gegen das Gesetz. Mit Rufen wie ,,Kaczyński – PiS – Verräter der polnisches Landwirtschaft“ versuchten sie in die PiS-Parteizentrale vorzudringen. Vom Verlust von über 350 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft infolge des Tierschutz-Gesetzes war dabei die Rede. Doch die Zahlen sind weit von der Realität entfernt.
Noch im Jahre 2015 gab es in Polen – zumindest in den offiziellen Statistiken – 1140 Pelztierbetriebe. Sie häutete seinerzeit noch über 9 Mio. Nerz-Felle, 80 000 Chinchilla-Felle, 50 000 Fuchs-Felle sowie 10 000 Marder-Felle ab. Die Felle werden fast ausschließlich im Ausland verkauft. Im Gleichklang mit den globalen Trends und der Abkehr internationaler Modekonzerne wie Prada, Zara, Bershka oder Versace von tierischen Pelzen in ihren Kollektionen ist die Produktion in Polen und der Export seitdem stark rückläufig. Nach Angaben der Tierschutz-Organisation Viva exportierten die Nerz-Farmen in Polen im Jahre 2015 noch 9,32 Mio. Nerzfelle zum durchschnittlichen Stückpreis von 158 Złoty (rund 36 Euro). Im vergangenen Jahr waren es nur noch 7,04 Mio. Nerzfelle zum Durchschnittspreis von 95,96 Złoty pro Stück ( rund 21 Euro) . Damit haben sich die Export-Einnahmen im Verlauf von fünf Jahren um über die Hälfte auf 675 Mio. Złoty reduziert (rund 155 Mio. Euro), berichten die Tierschützer von Viva.

Holländer und Dänen bestimmen die Geschäfte

Das West-Zentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien kam in seinen letzten Bericht über die Branche sogar zu dem Schluß, dass die Pelztierfarmen in Polen nicht mehr als 4000 Arbeitsplätze umfassen. Von ,,polnischen Bauern“ , die dort arbeiten und deren Arbeitsplätze jetzt durch das Tierschutzgesetz bedroht sind, kann dabei keine Rede sein. In den Nerz-Farmen sind fast ausschließlich Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarländern beschäftigt. Polen findet man nur unter dem Leitungs-Personal und als Wachschutz-Kräfte zur Abschirmung der streng abgeschirmten Farmen. In dem Bericht der Wissenschaftler ist auch zu lesen, dass sich die Pelztier-Farmer gerne selbst als ,,polnische Bauern“ präsentieren. ,,Wenn man aber genauer hinzuschaut, dann erkennt man, wer eigentlich die Schnüre zieht. Es tauchen immer wieder die gleichen holländischen und dänischen Namen und Firmen auf, die mit einer Handvoll polnischer Tierhalter verbunden sind“. So taucht der Name van Amsen mindestens 20 mal in dem Register der polnischen Pelztier-Farmen auf. Wie hoch die Zahl der von der Firma Joni Mink und der mit ihr verbundenen Familie van Amsen gehaltenen Nerze in Polen ist, kann man aus den Zahlen nicht ablesen, weil es bei den großen Nerzbetrieben gang und gäbe ist, sie in kleinere Einheiten aufzuteilen, um die Umweltschutz-Auflagen zu umgehen. Die Holländer hatten bereits Anfang der 90er Jahren in und um Goleniów (bei Stettin) – das als polnisches Nerz-Zentrum gilt – mit der Expansion auf dem polnischen Markt begonnen. Die Firma Joni Mink selbst ist seit 2015 auf der offiziellen Lobbyisten-Liste des polnischen Parlaments registriert und hat für die Lobby-Arbeit eine Anwalts-Kanzlei in Warschau eingeschalten. Sich selbst im Hintergrund haltend, werden in der Öffentlichkeit ihre polnischen ,,slupy“ (Strohmänner) vorgeschickt.

Zu den großen Playern im polnischen Nerz-Markt gehört auch der Konzern Farm Equipment International mit niederländischen Wurzeln, die dänische Hedensted Gruppen A/S, Norpol (Geschäftsführer Johannes van Amsen) sowie NAFA Polska, polnische Niederlassung des weltweit zweitgrößten Auktionshaus für Pelze mit Sitz in Kanada und Europa-Zentrale in den Niederlanden. Gerade für die Holländer würde der Verbot der Pelztier-Haltung für die kommerzielle Verwertung ein großer Verlust bedeuten, da ja erst kürzlich das niederländische Parlament nach dem Ausbruch des Corona-Virus in 17 Farmen, wo  Tausende Tiere in engen Käfigen gehalten wurden, ein Nerzzucht-Verbot in den Niederlanden beschlossen hat.

Wo immer in Polen eine neue Nerz-Farm geplant ist, entflammen Proteste der lokalen Bevölkerung. Foto: Westzentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien

Auch in Polen, wo die Eröffnung neuer Farmen immer mit lokalen Protesten wegen vor allem wegen der Geruchs-Belastung verbunden ist, sprechen sich 70 Prozent der Bevölkerung gegen die Nerztier-Zucht aus.
Dessen ungeachtet wehte der PiS-Partei bei der Vorlage ihres Gesetzentwurfes zur Abstimmung im Parlament auch aus dem eigenen Lager Widerstand entgegen.

18 Abgeordnete der PiS-Partei, darunter Landwirtschaftsminister Ardanowski und der ehemalige Umwelt-Minister Kowalczyk stimmten dagegen. Der Koalitionpartner Solidarna Polska unter Führung von Justizminister Zbigniew Ziobro verweigerte dem Gesetzentwurf vollkommen seine Zustimmung. Und die Abgeordneten der Partei Porozumienie als zweiter Koalitionspartner der PiS-Regierung enthielten sich bei der Beschluss-Fassung der Stimm-Abgabe.

Tierschutz-Gesetz: Auslöser für Regierungskrise

Das Ausscheren der Koalitionspartner der PiS-Partei beim Tierschutzgesetz hat jetzt in Warschau eine Regierungs-Krise ausgelöst. PiS-Parteichef Kaczyński selbst hat als erste Maßnahme den abtrünnigen Abgeordneten aus der eigenen Partei den Stuhl vor die Türe gesetzt.

© André Janski / infopol.PRESS