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Foto: KPRM

Polen verschärft Regelungen gegen Corona

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat mit Wirkung vom  24.März die Einführung eines allgemeinen Ausgangs-Verbots erlassen. Ähnlich wie in Deutschland und Großbritannien ist der Ausgang aus dem Haus nur noch für notwendige Gänge zur Arbeit, Apotheke, Arzt, Einkäufen oder zum Ausführen des Hundes erlaubt. Damit verbunden ist auch eine Einschränkung der individuellen bürgerlichen Freiheiten. Bisher waren noch Versammlungen bis zu 50 Personen erlaubt. Jegliche Zusammentreffen von Personen im öffentlichen Raum wird jetzt auf zwei Personen minimiert. Von besonderen Gewicht im katholisch geprägten Polen ist die Anordnung, dass die Zahl der Personen, die an den Heiligen Messen in der Kirche teilnehmen, auf fünf Personen beschränkt wird. Noch zu Beginn der Corona-Krise hatte das Episkopat der Katholischen Kirche zu einer erhöhten Zahl von Messen in den katholischen Kirchen ausgerufen. Dieser Aufruf wurde jedoch schnell wieder zurückgezogen. Das Episkopat mußte sich überzeugen lassen, dass Massen-Gebete zu Gott nicht dienlich sind, die Verbreitung des Corona-Virus einzuschränken. Das inzwischen zehnte Todesopfer in Polen, dass an COVID-19.verstorben ist, war denn auch ein Kaplan aus einer ostpolnischen Kirchengemeinde.

Weiterhin ordnete die Regierung eine Beschränkung des öffentlichen Verkehrs in der Weise an, dass die Zahl der Fahrgäste bezüglich der jeweiligen Zahl an Sitzplätzen in Bussen, Strassenbahnen, Zügen um Zwei geteilt wird.

Bei Verstößen gegen die Verbote droht ein Ordnungsgeld.  Und das ist mit bis zu 5000 Zloty (etwas mehr als 1000 Euro) deutlich höher als die milden Bußgelder, die Nordrhein-Westfalen jetzt für Verstöße gegen die Auflagen  eingeführt hat.

Polen hatte bereits frühzeitig auf die Ausbreitung des Corona-Virus reagiert und neben der Grenz-Schließung Schulen, Kindegärten, Universitäten sowie  Gastronomie-Betriebe und die großen Einkaufszentren geschlossen. Einige der von Warschau getroffenen Maßnahmen sind genauso inkonsequent wie die in Berlin. So wurde z.B. die Läden in den großen Einkaufs-Malls geschlossen und nur die Lebensmittel-Märkte offengehalten. Die Bau-Märkte sind jedoch weiterhin für die Allgemeinheit geöffnet. Das Bild ist hier das gleiche wie in Deutschland. Lange Schlangen vor den Eingängen. Es sind vor allem die älteren, vom Korona-Virus besonders bedrohten  Generationen und jene, die eigentlich zu Hause sitzen sollten, die sich jetzt mit all dem eindecken, was sie zum ,,alljährlichen Frühjahrs-Putz“ brauchen. Die Leidtragenden sind die, die noch einigermaßen die Wirtschaft am Laufen halten wie z.B. die Handwerker, die sich in die Schlange der Wartenden stellen müssen, die Blumen und Pflanzen für Garten und Balkon kaufen.

Elektronische Fußfessel für Quarantäne-Insassen

Momentan  (24.März) gibt es in Polen 774 nachgewiesene Corona-Infektionen und lediglich 10 Todesfälle. Die Zahl der angeordneten häuslichen Quarantänen reicht dagegen schon bis zu 100 000. In der Mehrheit handelt es sich dabei um polnische Bürger, die aus dem Ausland  zurückgekehrt sind und zwangsweise 14 Tage sich in häuslicher Quarantäne aufhalten müssen.

Mit der Einhaltung der Auflagen gibt es erhebliche Probleme, heißt es aus Polizeikreisen.  Jeder zweite hält sich nicht an die Auflagen. Die örtlichen Polizeibehörden erhalten von den Sanitär-Behörden die Daten der Personen, die sie zu kontrollieren haben. Die Kontrollen fallen je nach Region unterschiedlich aus. In ländlichen Regionen wird noch an die Wohnungs-Tür geklopft oder mittels Anruf per Telefon der Eingewiesene aufgefordert, aus dem Fenster ein Zeichen an die im Polizei-Streifenfahrzeug vor dem Haus parkenden Beamten zu geben. Bei dem großen Umfang der Kontrollen wird auch das Verfahren   über Handy-Ortung per GPS angewandt, um zu kontrollieren, ob sich der Quarantäne-Kandidat auch zu Hause befindet.

Als die sicherste Methode wird in Polizei-Kreisen jedoch das Anlegen einer elektronischen Fuß-Fessel erachtet. Allerdings sind das bisher nur Überlegungen ,,Die Regierung sollte diese Möglichkeit in Erwägung ziehen“, zitiert dazu die Zeitung Rzeczpospolita den früheren Chef des Innenministeriums, Marek Biernacki.

Weiterhin keine Verschiebung der Präsidentschaftswahlen

Für den 10. Mai sind in Polen die Präsidendschafts-Wahlen angesetzt. Für die regierende PiS-Partei sind dies Schicksals-Wahlen, denn wenn ihr Kandidat, der bisherige Staatspräsident Andrzej Duda die Wahl nicht gewinnt,  sondern ein Kandidat der Opposition, dann ist das Ende der PiS-Politik   besiegelt. Der polnische Präsident hat das Veto-Recht. Bei der Wahl eines Oppositions-Kandidaten würde der jedes Gesetz der PiS-Regierung blockieren können.

Die Corona-Krise spielt jetzt den PiS-Kandidaten, Staatspräsident Duda in die Hände. Noch vor Beginn der Krise hatte der stark an Popularität verloren, als er ein umstrittenes Gesetz unterzeichnete, das den zur PiS-Propaganda verkommenden Staatsfernsehen TVP 2 Mrd. Złoty als Ausgleich für nicht eingetriebene Rundfunk-Gebühren zuschiebt.

Duda nutzt jetzt die Chance, sich jeden Tag im staatlichen Fernsehen als sich rastlos um das Wohl der Bürger sich kümmernder Landesvater zu präsentieren. Die anderen Kandidaten haben dagegen keine Chance, einen Wahlkampf mit öffentlichen Auftritten  zu führen. Dies wird jetzt durch das allgemeine Versammlungs-Verbot und das Kontakt-Verbot von mehr als zwei Personen im öffentlichen Bereich noch verstärkt.

Um ein Minimum an Chancengleichheit für alle Kandidaten zu wahren, spricht sich deshalb in jüngsten Meinungs-Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung für eine Verschiebung der Wahlen aus. Aus der Zentrale der PiS-Partei tönt dagegen die Stimme von PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, der dies konsequent ablehnt. Auch Regierungs-Chef Morawiecki (PiS) hat bei der Verkündungen der neuesten Maßnahmen auf die drängenden Fragen von Journalisten nach einer Verschiebung der Wahlen zum Ausdruck gebracht, dass es dafür jetzt keinen Veranlassung gebe.

Mit einer gut gemanagten Krise, bei der sie alle Zügel in der Hand hält, hat die PiS-Partei jetzt die vielversprechende Aussicht, die Präsidentschafts-Wahlen sicher zu gewinnen.

© André Jański / infopol.PRESS

Foto: KPRP/Szymczuk

Staatspräsident macht Chaos im Rechtssystem komplett

Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat jetzt offiziell seine Kandidatur für die anstehenden Präsidentschaftswahlen am 10. Mai bekanntgegeben. Diese Bekanntmachung fiel nahezu zeitgleich mit seiner Unterschrift unter das umstrittene ,,Maulkorb-Gesetz“ zusammen. Und das könnte wie ein Klotz am Bein seinen Wahlkampf für eine erfolgreiche Wiederwahl belasten. Dieses Gesetz sieht einen von Geldstrafen bis zur Entlassung umfassenden Straf-Katalog für Richter vor, die die Kompetenzen anderer Richter oder Gerichte in Frage stellen. Dieses Gesetz ist aber mehr als nur ein weiterer Akt in dem von der nationalkonservativen PiS-Partei seit 2015 vollzogenen und seit Jahren von den EU-Gremien kritisierten Umbau des polnischen Rechts-Systems. In seinen rechtlichen Konsequenzen stellt das Gesetz das Überschreiten einer Roten Linie dar, die die PiS-Regierung bisher– wenn auch mit taktischen Manövern, Verzögerungen – immer noch eingehalten hatte.

Im vergangenen November hatte der Europäische Gerichtshof EuGH entschieden, dass Polens Oberstes Gericht auf der Grundlage klar definierter Grundsätze darüber zu befinden hat, ob der von der PiS-Partei initiierte und weitgehend bestallte Landes-Justizrat und die Disziplinar-Kammer beim Obersten Gericht rechtmäßig seien. Und Polens Oberstes Gericht entschied darauf, dass diese Institutionen nicht dem EU-Recht entsprechen. Die Regierungs-Koalition mit den harten rechten Kern der von Justizminister Zbigniew Ziobro geführten Partei Solidarna Polska reagierte darauf sofort eben mit jenem Gesetz zur Disziplinierung der Richter. In seiner juristischen Konsequenz stellt es das Urteil des EuGH in Frage, in dem es den von der regierungskritischen Präsidentin geführten Obersten Gerichtshof entmachtet.

Chaos – Richter erkennen die Legitimität von anderen Richtern nicht an

Die Regierung hatte immer vorgegeben, mit ihrer Justiz-Reform ein transparenteres und effizienteres System schaffen zu wollen. Schon die Vorgänger-Regierung unter Donald Tusk hatte erste Versuche zur Beschleunigung der Arbeit der Gerichte unternommen. Auch in den dazu geführten öffentlichen Umfragen spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung für Änderungen im Gerichtswesen aus. In den fünf Jahren ihrer Reformen hat sich die PiS-Partei aber ausschließlich nur mit der Änderung der Fundamental-Prinzipien des polnischen Rechtssystems darauf konzentriert, den Justiz-Apparat unter ihre parteipolitische Kontrolle zu bringen. Für jede Kritik an den Reform-Änderungen wird den Richtern mit dem Gesetz die moralische Erpessungs-Keule angedroht.

De facto hat dies zu zwei gleichzeitig parallel existierenden Rechtssystemen in Polen geführt, bei denen die einen Richter die Legitimität der anderen Richter und ihre Urteile nicht anerkennen. Das damit entstandene Chaos zeigt sich markant in den Vorgängen am Bezirksgericht von Olsztyn. Dort hat die im Rahmen der Justizreform neu geschaffene und mit der Regierung ergebenen Richtern besetzte Disziplinarkammer einen Richter des Bezirksgerichts suspendiert und sein Gehalt gekürzt, weil er in einem Gerichtsverfahren die Kompetenzen eines Richters in Frage gestellt hatte, der von dem neuen Landesjustizrat gewählt wurde. Die Richter des Bezirksgerichts verfassten daraufhin eine Petition mit der Forderung nach Rücknahme der Sanktionen gegen den Richter. Diese Petition wurde vom Präsidenten des Bezirksgerichts zerrissen.

Das jetzt unterschriebene Gesetz demoliert das Rechtssystem komplett. Es stellt die Richter vor das moralische Dilemma, sich entweder den Urteilen des Obersten Gerichts, das für sie die oberste Autorität ist, unterzuordnen oder sich den Diszplinar-Sanktionen des neuen Gesetzes auszusetzen, die bis zum Berufs-Ausschluß reichen. Nicht nur die juristischen Berufsverbände, die Opposition, die EU-Kommission und die Venedig-Kommission des Europarates hatten in ihrer Kritik vor den Konsequenzen gewarnt. Selbst das Episkopat der Katholischen Kirche hatte, was in Polen noch viel maßgeblicher ist, empfohlen, den Regelungen nochmal eine genauere Prüfung zu unterziehen. Staatspräsident Duda, der mit seinem Veto-Recht das Gesetz hätte verhindern können, hat sich mit seiner Unterschrift darüber hinweggesetzt.
Die Opposition, die Duda schon in seiner gesamten Amtszeit unselbständiges Handeln und die Wahrnehmung der politischen Interessen der PiS-Parteiführung vorwirft, wertet Dudas Entscheidung als weiteren großen Schritt, Polen vom europäischen Rechtssystem zu entfernen. Polen habe „einen großen Schritt hin zu einem rechtlichen Polexit gemacht“, schrieb dazu der Beauftragte für Bürgerrechte, Adam Bodnar.

Fortgang der PiS-Politik von Dudas Wiederwahl abhängig

Unabhängig davon, wie real das beschworene Gespenst eines solchen ,,Polexit“ ist, für die Opposition ist es eine Vorlage im jetzt anstehenden Wahlkampf gegen Duda und dem hinter ihm stehenden PiS-Parteilager. In dem Bewußtsein, dass die Zustimmung der Bevölkerung zur EU-Mitgliedschaft Polens hoch ist, ist für Opposition die beschworene Gefahr eines Polexits eine gewichtiges Argument im Wahlkampf gegen Duda. Bereits vor einem Jahr hatte sie in der Kampagne zu den Europa-Wahlen ihre Strategie auf einen drohenden Polexit ausgerichtet. Die PiS-Partei hatte seinerzeit diesen Angriff den Wind aus den Segeln genommen, in dem sie ihren Wahlkampf unter das Motto stellte ,,Polen- das Herz Europas”. Mit Erfolg: Die PiS ging als Wahlsieger aus den Europawahlen hervor.

Diesmal dürfte der PiS-Partei kaum ein ähnlicher Schachzug gelingen. Dazu sind die Fakten zu eindeutig. Nun ist die Präsidentenwahl anders als Parlamentswahlen keine Parteiwahl, sondern eine Personen-Wahl. Für die PiS-Partei hat diese Wahl jedoch herausragende Bedeutung, weil von deren Ausgang abhängig ist, ob sie ihre bisherige Regierungs-Politik so weiterführen kann oder nicht. Einige polnische Politologen sprechen sogar davon, dass es am 10. Mai für die PiS-Partei um ,,Sein oder Nichtsein“ geht.

Trotz ihres Wahlsieges im vergangenen Oktober ist die PiS-Partei bereits mit einem Bremsblock aus den Parlamentswahlen hervorgegangen. Erstmals in der Geschichte der Republik hatte sie als Regierungspartei nicht die Mehrheit im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, erringen können. Die Mehrheit, wenn auch nur dünn, liegt bei der Opposition. Der Senat als ,,Kammer der Reflexion” im polnischen Parlaments-System kann zwar nicht die Gesetze verhindern, die der von der absoluten Mehrheit der Regierungspartei dominierte Sejm beschlossenen hat. Der Senat kann den legislativen Prozeß jedoch verzögern. Damit kann das Regierungslager schon mal nicht mehr – wie in der Vergangenheit – Gesetze innerhalb von 24 Stunden durch das Parlament durchpeitschen.

Ganz anders sieht es dagegen mit den Befugnissen des polnischen Staatspräsidenten aus, die über die repräsentative Funktion eines Staatsoberhaupts wie z.B. in Deutschland oder Österreich, hinausgehen. Der polnische Staatspräsident hat ein Veto-Recht. Damit kann er jedes Gesetz blockieren und damit die Regierungsarbeit paralysieren. Wie dies funktioniert, hat Aleksander Kwaśniewski in der Vergangenheit demonstriert. In seiner Amtszeit (1995 bis 2005) hat er zahlreiche Gesetze der damaligen AWS-Regierung (mit dem Justizminister Kaczynski), aber auch der Regierung des ihm politisch nahestehenden SLD-Linksbündnisses blockiert. Wohl auch deshalb ist er bis heute in den Meinungs-Umfragen der populärste Präsident und auch der einzige in der Geschichte der Dritten Polnischen Republik, der für eine zweite Amts-Periode wiedergewählt wurde. Sowohl den Führungsspitzen des Regierungslager als auch den Oppositions-Parteien ist klar, wenn Staats-Präsident Andrzej Duda , der in den entscheidenden Fragen sein Amt immer nur als Vollzugs-Organ der PiS-Partei einsetzte, nicht wiedergewählt wird und eine Oppositionspolitiker die Spitze des Staates übernimmt, dann ist das der Anfang vom Ende der von PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński propagierten Politik des ,,guten Wechsels”.

©  André Janski  / infopol.PRESS