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Kohlemangel – Festpreis für Privathaushalte fixiert

Foto: PL-Agentur

Damit Privat-Haushalte, die mit Kohle heizen, sich im kommenden Winter noch den Brennstoff leisten können, hat Polens Staatspräsident Andrzej Duda jetzt ein Gesetz mit einen garantierten Festpreis für Heizkohle in Kraft gesetzt. Umgerechnet max. 210 Euro pro Tonne soll die Heizkohle kosten. Das Grund-Problem wird die staatliche Subvention jedoch nicht lösen: Es gibt nicht genügend Kohle in Polen.

Bereits schon im Juni hatte Parteichef Jarosław Kaczyński die ,,Operation Kohle” angekündigt. 3 Mrd. Złoty werden aus dem Staatshaushalt bereitgestellt, um für den kommenden Winter den Kohlepreis für Privat-Haushalte stabil zu halten. Die Regierungspartei will damit die in der Öffentlichkeit aufkommende Unruhe besänftigen, dass viele Privathaushalte, die noch mit Kohle heizen, sich nicht mehr den Kauf von Kohle leisten können. Immerhin sind es noch rund 35 Prozent aller Privat-Haushalte in Polen, die Kohle zum Heizen verbrennen. Ohnehin sind die zuletzt angezogenen Kohle-Preise seit dem Ukraine-Krieg und den von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen noch weiter in dramatischer Höhe gestiegen. Für 1 t sogenannter Öko-Kohle sind bei den Kohle-Händlern gegenwärtig rund 2 500 bis 3 000 Złoty zu bezahlen.
Regierung und Gewerkschaften machten für die hochgetriebenen Preise die Händler verantwortlich, die Spekulations-Gewinne erzielen wollen. Die Kohle-Händler – in Polen gibt es noch rund 15 000 Kohle-Handlungen – wiesen diesen Vorwurf von sich. Dies seien keine extraordinären Gewinne, sondern der Effekt des Kohle-Mangels, hervorgerufen durch den im Rahmen der gegen Russland verhängten Sanktionen erfolgten Import-Stopp von russischer Steinkohle.
Polen gehörte nach Deutschland zu den größten Importeuren von russischer Steinkohle in Europa. Laut dem EU-Statistikamt Eurostat importierte Deutschland 2020 rund 14,2 Mio. t. Polen folgte an zweiter Stelle in der EU mit dem Import von rund 9,4 Mio. t Steinkohle aus Russland. Der hohe Import-Anteil mag für das ,,Kohle-Land Polen“ auf dem ersten Blick absurd sein. Der polnische Kohle-Bergbau ist jedoch seit Jahren ineffektiv und mit hohen Kosten belastet. Russische Steinkohle ist nicht nur billiger, sie ist auch von höherer Qualität mit besseren Brennwerten. Sie wurde vor allem in privaten Haushalten und örtlichen Heizwerken eingesetzt, während in den unter staatlicher Kontrolle stehenden Kraftwerken Kohle aus dem heimischen Bergbau genutzt wird.
Mit der Festlegung des maximalen Festpreises will die Regierung jetzt den wachsenden Unmut und Bedenken der Verbraucher entgegentreten, dass die in Ersatz für russische Steinkohle aus anderen Ländern eingeführte Kohle zu noch weiter steigenden Preisen führt und nicht mehr bezahlbar ist.

3 t Kohle für jeden Privat-Haushalt

Mit der nun gültigen gesetzlichen Regelung dürfen als Kohle-Verbrenner registrierte Privat-Haushalte, wie auch Wohnungs-Genossenschaften, für die kommende Heizsaison bis zu 3 t Kohle zum Garantie-Preis von 996,60 Złoty pro Tonne kaufen. Nach Angaben des Klima- und Umweltministeriums entspricht dieser Preis dem Durchschnittspreis, der noch im vergangenen Jahr für 1 t Heizkohle bezahlt wurde.
Die Regelung betrifft feste Brennstoffe wie Steinkohle, Briketts und Pellets mit mindestens 85 Prozent Steinkohle-Anteil, die im Zeitraum vom 16.April bis zum 31.Dezember dieses Jahres aus dem Ausland importiert oder in Polen gefördert wurden. Haushalte, die in den vergangenen Jahren auf Holz-Pellets umgestellt haben, gehen leer aus, obwohl diese auch mit stark gestiegenen Einkaufspreisen konfrontiert sind. Noch im vergangenen Herbst kostete ein Tonne hochwertiger Holz-Pellets 850 bis 1000 Złoty. Jetzt muss man dafür bereits schon bis zu 2400 Złoty (rund 510 Euro) bezahlen. Um so länger der Krieg in der Ukraine dauert, um so höher steigen die Preise, da rund ein Drittel der auf dem polnischen Markt verkauften Holz-Pellets aus der Ukraine stammen.
Die Bezuschussung des Einkaufs von Heizkohle ist bei Markt-Experten umstritten. Sie erfolgt nicht direkt an die Privat-Haushalte, sondern in Form von Ausgleichszahlungen an die Händler, die ihre Kohle zu Preisen verkaufen, die nicht über den festgelegten Garantiepreis liegen. Die Händler müssen allerdings lizenziert sein.
Ursprünglich waren als Maximal-Betrag für Ausgleichszahlungen an Händler 750 Złoty pro Tonne (rund 165 Euro) vorgesehen. Nach Protesten der Branchenkammer der Kohle-Verkäufer wurde der Ausgleichsbetrag jetzt auf 1073 Złoty pro verkaufte Tonne Kohle angehoben.

Unter dem Markt-Preis für Importkohle

In Branchen-Kreisen wird dieser Betrag jedoch weiter als zu niedrig bewertet. Zusammengenommen liegt der von der Regierung zugesicherte Fest-Preis von 996,60 Złoty und der Ausgleichbetrag für Händler von 1073 Złoty, die zu diesem Festpreis Heizkohle verkaufen, immer noch unter dem Marktpreis für Steinkohle aus Kolumbien, Australien, den USA und anderen Ländern, die als Ersatz für russische Steinkohle von den privaten Kohle-Handlungen angeboten werden. Und diese werden voraussichtlich noch weiter steigen, wenn zum 1.August das von der EU-Importverbot für russische Steinkohle in Kraft tritt. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich, den Niederlanden und Rumänien werden die Reserve-Kohlekraftwerke wieder in Betrieb genommen. Die hohen Preise für Erdgas und dessen Lieferbeschränkungen aus Russland haben dazu geführt, dass Kohle plötzlich zum Rettungsanker für die Energiewirtschaft in der Europäischen Union geworden ist. Dies treibt die Nachfrage und damit die Preise für Kohle nach oben.

Lücke von 18 Mio. t  Steinkohle

Der von der Regierung festgelegte Festpreis für Heizkohle macht nur auf den ersten Blick einen guten Eindruck, meint dazu der Chef der Kohle-Gewerkschaft der Śolidarność in Schlesien, Dominik Kolorz. In der Realität und der Wirtschaft zählen aber nur die Fakten. Und die besagen, dass in der kommenden Heiz-Saison in Polen Kohle fehlen wird. Laut einem Bericht des polnischen Klima- und Umweltministeriums an das Parlament beträgt der jährliche Kohlebedarf in Polen 64 Mio. t. Die einheimische Kohle-Förderung beträgt dagegen über 44 Mio. t. Selbst wenn man die jüngsten Regierungs-Vorgaben zur Steigerung der einheimischen Kohle-Förderung berücksichtigt, können in diesem Jahr nicht mehr als 1,5 bis max. 2 Mio. t zusätzlich gefördert werden. Damit muss eine Lücke von 18 Mio. t Kohle geschlossen werden.

Regierung ordnet Aussetzung der Qualitäts-Standards für Kohle an

Wie bedrohlich die Situation ist, belegt eine eben von der Regierung getroffene Anordnung zur Aussetzung der Qualitäts-Standards für die Verbrennung von Kohle für Heiz-Zwecke in Privat-Haushalten. Die polnische Regierung begründete diese Anordnung mit einem Gesetz aus dem Jahr 2006. das es erlaubt, Standards im Falle außergewöhnlicher Ereignisse oder der Gefährdung der Energiesicherheit Polens zeitweise aufzuheben. Zu befürchten ist, dass dann im Winter wieder verstärkt alles durch die Öfen wandert, was brennbar ist und die Luft verschmutzt. Für Umweltverbände ein Horror. Schon in den vergangenen Wintern mussten in Ballungszentren wie Schlesien, Kraków und Warschau bei stehender Luft wiederholt Smog-Alarme ausgelöst werden.

© André Jański / infopol.PRESS

Supermarkt als Bus-Haltestelle am Sonntag weiter offen

 Sonntags-Handelsverbot verschärft – Unternehmen mit kreativen Ideen bei der Umgehung des Verbots

Die Kreativität polnischer Unternehmer bei der Umgehung von Gesetzen und Regeln kennt keine Grenzen! Kaum hatte der Gesetzgeber die Regeln für das Sonntagshandels-Verbot verschärft, warteten die Betreiber von Läden und Supermärkten bereits mit neuen Ideen auf, um an Sonntagen weiter offen zu bleiben.

Foto: podworka/Twitter

Den Vogel schoss dabei ein Intermarché -Markt in der an der Grenze zu Tschechien gelegenen Stadt Cieszyn ab. An der Breitseite des Supermarktes wurde ein großes Leuchtreklame-Schild mit der Aufschrift ,,Busbahnhof“ montiert und der Eingang zum Supermarkt als ,,Warteraum „ ausgewiesen. An den ,,Busbahnhof“ hält zwar nur eine örtliche Buslinie. Für den Betreiber des ,,Intermarché –Marktes ist das jedoch ein ausreichender Grund, das Geschäft auch an Sonntagen weiter offen zu halten. Denn das Gesetz zum Sonntagshandelsverbot lässt als eine der zahlreichen Ausnahmeregelungen sonntags eine Öffnung von Geschäften an Flughäfen, an Bus- und Bahnhöfen zu.
Das sonntägliche Handelsverbot wurde 2018 von der nationalkonservativen Regierung auf Initiative der Gewerkschaft Solidarność eingeführt. Federführend war dabei der frühere Gewerkschafts-Chef Janusz Śniadek, der seit 2011 für die nationalkonservative PiS-Partei im polnischen Parlament sitzt. Auch die katholischen Kirche drängte auf ein Verbot, erhoffte sie sich dadurch einen verstärkten Zustrom zu den Sonntags-Messen. Das gesetzliche Sonntags-Handelsverbot war vorrangig gegen die großen internationalen Handelsketten gerichtet und sollte die von denen an die Wand gedrückten kleinen Händler stärken. Inhabergeführte kleine ,,Tante Emma Läden“ konnten dagegen neben Blumen-Läden, Bäckereien u.a. weiter ihr Geschäft an Sonntagen offen halten.

Schlupfloch ,,Poststelle“ geschlossen

Doch das Handelsverbots-Gesetz an Sonntagen ging nach hinten los. Ohnehin war die Mehrheit der Bevölkerung gegen das Verbot. Mit der gesetzlich vorgegebenen, von Jahr zu Jahr abnehmenden Zahl der verkaufsoffenen Sonntage begannen die Handelsfirmen nach Schlupflöchern zur Umgehung des sonntäglichen Handelsverbots zu suchen. Die Gelegenheit dazu boten die im Gesetz formulierten Ausnahme-Regelungen. Den Anfang machte Polens größte Convinience-Kette Żabka in ihren 7200 Läden. .An der Ladeneingangstür wurde ein Schild mit der Aufschrift ,,Poststelle“ angebracht. Mit diesem Alibi ließ sich dank der gesetzlichen Ausnahmeregelung ,,Postdienstleistungen“ das übliche Waren-Sortiment auch an Sonntagen 24 Stunden rund um die Uhr verkaufen. Anfangs wetterten die Wettbewerber wie Lidl, Biedronka und andere lautstark dagegen. Doch bald folgten nahezu alle Super-, Discount- und Hypermärkte dem Beispiel von Żabka und die Läden waren sonntags wieder offen. Das brachte die Handelsgewerkschaft der Solidarność auf die Barrikaden. Mit Erfolg! Anfang Februar schloss der Gesetzgeber dieses Schlupfloch mit der Verordnung, dass große Märkte und Einkaufszentren an Sonntagen nur noch dann öffnen dürfen, wenn die angebotenen Postdienstleistungen mehr als 40 Prozent der Einnahmen des jeweiligen Geschäftes ausmachen. Für die, die bisher auf die Masche ,,Postdienstleistungen“ gesetzt hatten, eine völlig illusorische Größe.

Supermarkt mit ,,Buchclub“

Doch die Gesetzes-Verschärfung hat sofort neue kreative Kräfte zur Umgehung des Handelsverbots an Sonntagen freigesetzt. Das Beispiel des Intermarché-Marktes in Cieszyn ist dabei keine Einzelfall. In einigen andere Supermärkten der Einzelhandelskette Intermarché
wurde einfach nur ein Stand mit einigen Büchern aufgestellt, an dem für einen sieben Tage in der Woche geöffneten Buchclub geworben wird, an dem die Kunden Bücher ausleihen, lesen oder kaufen können, während sie gleichzeitig Lebensmittel einkaufen. Der jeweilige Intermarché -Markt nutzt auf diese Weise eine weitere Ausnahmeregelung des Gesetzes zum sonntäglichen Handelsverbot aus, die Organisationen und Firmen in den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Tourismus und Freizeit erlaubt, sonntags zu arbeiten.

Der Kunde hat die Wahl: Kulturvolles oder sportliches Trinken?

Auf diese Ausnahme-Regelung setzt auch die polnische Ladenkette Al. Capone. Zu der gehören 89 Läden in Polen. Al. Capone weist sich selbst als ,,Spezialist für Alkohol“ aus. Mit den verstaubten Image der klassischen „Monopol-Läden“ hat das Unternehmen aber wenig Gemeinsames. Ohnehin gibt es nicht mehr die typischen Quartals-Trinker. Die sind schon vor Jahren zu Tausenden nach Deutschland und Westeuropa abgewandert. Al. Capone vertreibt sein weltweites Alkohol-Sortiment mit hippen Marketing- und Werbekonzepten, die sich vorrangig an ein jüngeres dynamisches Publikum aus der Mittelschicht wenden. Um auch an Sonntagen öffnen zu können, bietet Al.Capone seit einigen Tagen auch Kultur- und Sportgeräte zum Ausleihen an. Dazu gehören Pokerspiele, Roulette, Schach, Badminton, Dart, Tischtennis-Schläger. Selbst eine Angel kann man in dem Schnaps-Laden ausleihen. Der Kunde hat die Auswahl: kulturvolles oder sportliches Trinken!

Fotos: Al. Capone

Beim Vorstand der Gewerkschaft Solidarność haben die Umgehungsversuche des Handelsverbots an Sonntagen heftige Proteste ausgelöst. In einer Verbandserklärung fordert Gewerkschafts-Boss Duda scharfe Kontrollen und hohe Geldstrafen. Als ,,Verbrechen“ wertetet der Chef der Handels-Gewerkschaft der Solidarność, Alfred Bujara, die Vorgänge in den Intermarché-Filialen. ,,Diese Handels-Kette zeigt, dass sie … das polnische Gesetz ignoriert.“ Im eigenen Land, in Frankreich, würde sie das Gesetz respektieren, ,,in Polen beutet sie dagegen die Beschäftigten als billige Arbeitskräfte aus“, erklärte der Gewerkschafts-Funktionär gegenüber dem Handelsblatt WiadomościHandlowe.
Beim Vorstand der Vertriebskette Intermarché, die zur französischen Musketier—Gruppe (Einzelhandelskonzern Les Mousquetaires) gehört, perlt die mit nationaler Rhetorik befeuerte Kritik ab. Die Intermarche-Märkte werden schließlich von polnischen Unternehmern auf Franchise-Basis betrieben und nicht von französischen Kaufleuten. Man greife nicht in die Entscheidungen von selbständigen polnischen Unternehmern ein, ließ die Intermarché -Führung verlauten.

Geöffnete Schalter von Stadtverwaltungen an Sonntagen?

Die Kritik der Intermarché findet bei der Mehrheit der polnischen Bevölkerung nur einen geringen Widerhall. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass die Gewerkschaft nicht mehr das Ansehen genießt, das die Solidarność vor 30 Jahren hatte. Dazu hat auch die politische Bändelei der Gewerkschaftsbosse mit der regierenden PiS-Partei beigetragen. Seit Jahren spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung in den Umfragen gegen das Verbot und für einen durchgehenden Geschäftsbetrieb aus. Für viele ist die durch das Christentums tradierte Trennung von Arbeitswoche und Sonntagsruhe nicht mehr zeitgemäß. Ob man den für eine Sonntagsarbeit zustehenden freien Tag in der Woche verbringt oder am Wochenende sei nicht mehr maßgeblich. Dazu haben auch die mit der Corona-Pandemie eingeführten flexiblen Arbeitszeit-Modelle wie z. B Home office beigetragen. Inzwischen gibt es in den sozialen Medien sogar Forderungen, dass auch der öffentliche Dienst eine Anpassung an die sich dynamisch verändernde Arbeitswelt vornehmen sollte. Nicht nur der Handel, sondern auch Beamte und Angestellte in den Kommunal-Verwaltungen sollten dienstleistungsorientiert und bürgerfreundlich an Sonntagen, auf Grundlage von flexiblen Arbeitszeit-Modellen, arbeiten, um den Antrags-Stau abzubauen.

© André Jański / infopol.PRESS