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Polen sperrt weiter die Grenze zu Belarus ab

Foto: KAS

Nach der Schließung des Grenzübergangs Bobrowniki zu Belarus hat Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki eine weitere Blockierung des Grenzverkehrs zum Nachbarland nicht mehr ausgeschlossen. Für den Lkw- und Pkw-Personenverkehr zwischen Polen und Belarus ist jetzt jeweils nur noch ein Grenzübergang geöffnet.

Freitag, 10. Februar. Es war 11.59 Uhr, als am Grenzübergang Bobrowniki die letzte Person abgefertigt wurde. Wer danach kam, wurde vom polnischen Grenzschutz abgewiesen. Den Tag zuvor hatte Polens Innenminister Mariusz Kamiński auf Twitter bekanntgegeben, dass der Grenzübergang Bobrowniki aus Gründen der nationalen Sicherheit bis auf Weiteres geschlossen wird. Nähere Angaben zu den Gründen machte er nicht.
Die Schließung erfolgte unmittelbar nach der Verkündung des Urteils gegen den Systemkritiker Andrzej Poczobut in Belarus zu acht Jahren Gefängnis. Poczobut ist ein in Belarus bekannter Journalist mit polnischen Wurzeln. Als Vorstands-Mitglied des Verbandes der Polen in Belarus (ZPB) hatte er sich immer für die vollständige Unabhängigkeit der Organisation der polnischen Minderheit von dem Regime in Minsk eingesetzt. Er gehört zu den Gegnern von Machthaber Lukaschenko , dessen Regime er in seinen Artikeln mehrfach kritisierte.

Polnische Minderheit in Belarus

In dem politischen Prozess wurde Poczobut Hass-Hetze und eine Tätigkeit zur Kultivierung des Polentums in Belarus vorgeworfen. In den Fußspuren von Putins Rechtfertigungs-Muster in der Ukraine wertet das Lukaschenko-Regime die von Poczobut veröffentlichten Artikel zur Geschichte des Landes als ,,Rehabilitierung des Faschismus“.
Die polnische Minderheit in Belarus beträgt laut Schätzungen rund 300 000 Menschen. Sie leben vorrangig in dem westlichen Teil des Landes, der wie der Westen der Ukraine und Litauens in der polnischen Geschichtsschreibung als ehemalige Ostgebiete Polens mit dem Begriff ,,Kresy“ bezeichnet wird.
,,Unser Landsmann ist politischer Gefangener im Herzen Europas im 21.Jahrhundert“, kommentierte in Warschau der Regierungsbeauftragte für die Polonia (Auslandspolen), Jan Dziedziczak, in einer offiziellen Regierungserklärung das Urteil. Gleichzeitig rief er zu Protestaktionen vor den Botschaften von Belarus auf.

Sicherheits-Maßnahme für Besuch des US-Präsidenten am 20. Februar

Ungeachtet der politischen Erklärungen scheint die mit der nationalen Sicherheit begründete Grenzschließung jedoch einen anderen Grund zu haben. Wahrscheinlich gehört sie bereits zu dem Maßnahmen-Bündel zur sicherheitspolitischen Absicherung eines Ereignisses von weltpolitischer Bedeutung. Sowohl das Weiße Haus wie auch die polnische Staatskanzlei haben jetzt offiziell bestätigt, dass US-Präsident Joe Biden vom 20. bis zum 22. Februar nach Polen kommen wird. Genau ein Jahr nach Beginn der russischen Aggression in der Ukraine soll Biden auch zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij zusammentreffen, wird in der polnischen Öffentlichkeit spekuliert. Nahezu zeitgleich hat der Kreml für den 21. Februar eine Rede von Putin an die Nation angekündigt. Zeitgleich Biden in Warschau und Putin in Moskau mit Botschaften an die Welt zum Ukraine-Krieg – das bedeutet Hochspannung. Warschau hat alle Hände voll zu tun, dass es nicht zu Störungen und zu einer Entladung kommt.
An der 418 Kilometer langen Grenze zu Belarus ist der Lkw-Verkehr zwischen beiden Länder jetzt nur noch über den Grenzübergang Koroszczyn oder über Litauen möglich. Für den Pkw-Verkehr bleibt nur noch der Grenzübergang Terespol (bei Brest) offen. Die anderen Straßen-Übergänge wurden bereits schon Monate vorher geschlossen. Nach den vom Lukaschenko-Regime organisierten Ansturm von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten hat Polen auch im vergangenen Jahr ein 5,50 Meter hohes stählernes Bollwerk an der Ostgrenze errichtet. Er riegelt das polnische Territorium auf einer Länge von über 200 Kilometern vom Nachbarland ab.

 

Belastung für Anwerbung von Fachkräften aus Belarus

Schwerwiegende Auswirkungen auf den Wirtschaftsverkehr sind durch die Schließung des Grenzübergangs Bobrowniki aus polnischer Sicht nicht zu erwarten. Ohnehin hat sich der Lkw-Verkehr zwischen beiden Ländern durch die nach Beginn der russischen Aggression in der Ukraine eingeleiteten Sanktionen gegen Belarus bereits im vergangenen Jahr halbiert. In die EU dürfen keine in Belarus und Russland registrierte Lkw mehr einreisen. Von den rund 1000 polnischen Transportfirmen, die auf diese Verbindung spezialisiert waren, sind nach Angaben des Branchen-Verbandes ZTiLP gegenwärtig nur noch rund 200 tätig. Dessen Vorsitzender Maciej Wroński weist jedoch auf ein anderes Problem hin. Jeder zehnte Lkw-Fahrer in Polen ist ein Bürger aus Belarus. Insgesamt arbeiten rund 28 000 Belarussen in polnischen Transportfirmen, sagte Wronski dem Radiosender RMF FM. Durch die Grenzschließung in Bobrowniki haben die Fahrer jetzt viel größere Probleme, ihre Familien in der Heimat zu besuchen und nach Polen zurückzukehren. Auch werde es viel schwieriger mit der Anwerbung von Fahrern und anderen Fachkräften aus Belarus.
Bürger aus Belarus haben im vergangenen Jahr nach den Ukrainern auch die meisten Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH/ Sp.z o.o.) gegründet, insgesamt 1700. In der Gründungsstatistik nahmen sie damit noch vor den Deutschen den zweiten Platz ein.

© André Jański / infopol.PRESS