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Polens Staatsoberhaupt erneut von russischen Trollen vorgeführt

Foto: M.Ch./ Kancelaria Prezydenta

Nach einem Fake-Telefongespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres ist Polens Staatspräsident Andrzej Duda erneut von russischen Komikern hereingelegt worden. Diesmal gaben sie sich als Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron aus und entlockten Duda Details zu dem Raketeneinschlag im polnischen Grenzgebiet. In der polnischen Öffentlichkeit hat der Vorfall, der die Frage nach der nationalen Sicherheit aufwirft, scharfe Kritik an den Sicherheitsdiensten in der polnischen Staatskanzlei ausgelöst.

Polens Staatspräsident Andrzej Duda scheint für die russischen Komiker Vovan (Wladimir Kusnezow) und Lexus (Alexej Stoljarow) ein lohnenswerter Partner für gefakte Gesprächs-Situationen per Telefon zu sein. Bereits im Juli vor zwei Jahren ließen die russischen Trolle Duda per Telefon glauben, mit UN-Generalsekretär António Guterres zu sprechen. Das Gespräch drehte sich seinerzeit nicht nur um Wodka, Dudas Wahlsieg und seine Opponenten in Polen. Schon damals auffällig das Interesse des angeblichen UN-Generalsekretärs an den Beziehungen Polens zur Ukraine und dessen Präsidenten Selenskij.

Diesmal gaben sich die die russischen Komiker bei Andrzej Duda telefonisch als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aus. Und das an dem Tag, als die Welt am Rande eines Dritten Weltkrieges stand. Im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine war eine Rakete eingeschlagen. Der Präsident hatte den polnischen Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung einberufen. Die Nachrichtenagentur AP meldete, dass russische Raketen in Polen eingeschlagen sind und der polnische Sicherheitsrat erörterte, ob man die Einleitung des Verfahren nach Art. 4 oder gar nach Art. 5 des NATO-Vertrages einleiten sollte. Letzterer sieht den Beistand aller NATO-Verbündeten vor, wenn ein NATO-Mitgliedsland angegriffen wird. Es fällt schwer an einen Zufall zu glauben, dass in dieser angespannten Situation zwei russische Komiker den polnischen Staatspräsidenten anrufen.

Duda verrät brisante Details an vermeintlichen Macron

Duda war jedenfalls zu Anfang des Gesprächs überzeugt, mit dem französischen Präsidenten zu sprechen. In dem Gespräch berichtete er den vermeintlichen Macron im klapprigen Englisch von der Explosion im polnischen Grenzgebiet. ,,Es war ohne Zweifel eine Rakete. Wer sie abgefeuert hat, wissen wir nicht“, sagte Duda. Es sei aber eine Rakete aus russischer Produktion. Er habe darüber bereits mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden gesprochen. ,,Und was sagt er? Beschuldigt er Russland?“, will der Anrufer wissen. Duda verneint und erzählt auch, dass ihm der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versichert habe, dass die Rakete nicht von den ukrainischen Streitkräften , sondern von Russland abgefeuert wurde.
Auf die Frage des vermeintlichen Macron, wie er darüber denkt, sagte Duda, dass er sehr vorsichtig mit der Zuweisung von Beschuldigungen sei. ,,Emmanuel, das ist Krieg. Ich denke, dass beiden Seiten sich gegenseitig beschuldigen“. Als der vermeintliche Macron sagt, dass man keine Eskalation zwischen der NATO und Russland brauche, antwortet Duda: ,,Denkst Du, dass ich Krieg mit Russland will? Du kannst mir glauben, ich will das nicht“.
Als Duda dann durch die ungewöhnliche Gesprächsführung im Verlauf des siebenminütigen Gesprächs langsam und zunehmend schwant, dass man ihn mit der Täuschung hereinlegen will, bricht er das Telefongespräch ab.

Sieben Tage nach dem Raketeneinschlag hat nun das russische Komiker-Duo, das Gespräch auf You Tube hochgeladen. Die polnische Staatskanzlei hat in einer knappen Erklärung offiziell die Existenz eines solchen Gesprächs bestätigt und auf deren Begleit-Umstände verwiesen. In der Nacht vom 15. zum 16.November hatte sich Duda mit zahlreichen Politikern telefonisch konsultiert, u.a. auch mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem britischen Premierminister Rishi Sunak.


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Das Täuschungs-Manöver der russischen Komiker hat in der polnischen Öffentlichkeit eine breite Wille der Kritik ausgelöst. Diese richtet sich insbesondere gegen die Beamten der Staatskanzlei, die schon einmal eine Vorführung ihres Präsidenten durch das gleiche russische Komiker-Duo im Gespräch mit dem vermeintlichen UNO-Generalsekretär vor zwei Jahren zuließen. ,,Der Akzent ist deutlich russisch und nicht französisch . und Andrzej Duda verrät den russischen Witzbolden Einzelheiten der Gespräche mit den US-Präsidenten, den ukrainischen Präsidenten und dem NATO-Generalsekretär. In einem solchen Wiederholungsfall würde ich in Erwägung ziehen, die Hälfte der Mitarbeiter der Staatskanzlei zu entlassen oder sogar ihn selbst“, twitterte Ex-Außenminister Radosław Sikorski. Für den früheren Europa-Abgeordneten Marek Migalski ist ,,das beschämende Englisch-Niveau von Duda“ das geringste Problem. An dem Tag, an dem zwei polnische Bürger durch eine Rakete aus russischer Produktion ums Leben kommen, lassen die Sicherheitsdienste der Staatskanzlei zu, dass ,,Andrzej Duda russischen Hackern die Kulissen von geheimen Gesprächen mit Biden und Selenskyj verrät. Das ist ein Drama des polnischen Staates „schreibt Migalski.
Die beiden Komiker Wladimir Kusnezow und Alexej Stoljarow, die seit zehn Jahren als Vovan und Lexus mit Fake-Anrufen bei Politkern auf sich aufmerksam machen, stehen international in Verdacht, im Auftrag von Putin zu handeln. Beide streiten dies energisch ab.

© André Jański / infopol.PRESS

Rakete auf Polen kam aus der Ukraine geflogen

Spurensuche Foto Polska Policja / infopol.PRESS

Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat jetzt in einer offiziellen Erklärung eingeräumt, dass die Raketen-Explosion auf polnischen Territorium mit Todessopfern auf einen von den ukrainischen Streitkräften abgeschossenen Geschoss-Irrläufer zurückzuführen sei. In der polnischen Öffentlichkeit wird unterdessen Kritik laut, dass die polnische Bevölkerung über den Zwischenfall im eigenen Land zuerst von amerikanischen Medien informiert wurde und nicht von der eigenen Regierung.

Es war gegen 15.30 Uhr als ein Bauer mit seinem Traktor und Hänger auf die Beton-Waage vor dem Getreide-Trockensilo am Rande des kleinen Örtchen Przewodów fuhr. Dorfbewohner berichteten später, dass der Explosion ein stark pfeifendes Geräusch in der Luft vorausging. Der 50jährige Bauer und ein Mitarbeiter des Trockensilos waren sofort tot.
Przewodów ist ein kleines Dorf im Südosten Polen mit knapp 600 Einwohnern. Zu Zeiten der Zweiten Polnischen Republik gehörte es zur Wojewodschaft Lwów , dem heutigen Lwiw in der Ukraine, das nur 70 Kilometer entfernt ist.

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Es waren nicht polnische Medien, sondern die amerikanische Nachrichtenagentur AP, die wenig später als erste davon berichtete, dass zwei russische Raketen auf polnisches Territorium aufgeschlagen sind. AP berief sie dabei auf amerikanische Geheimdienstkreise ohne Namen zu nennen. Daher ist es nur eine Spekulation, ob es sich um den CIA-Direktor William Burns handelt. Der hielt sich nämlich laut CNN gerade im Moment des massiven russischen Raketen-Angriffs auf die Ukraine zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimyr Selenskij in Kiew auf.
Am Abend rief dann Regierungschef Mateusz Morawiecki in Absprache mit Präsident Duda Polens Nationalen Sicherheitsrat ein. Gründe dafür wurden nicht genannt. Auch nach der Sitzung des Sicherheitsrates als schon weltweit über einen mutmaßlichen russischen Raketen-Angriff auf Polen berichtet wurde, informierte Regierungssprecher Piotr Müller in einer Mitteilung lakonisch, dass es in Przewodów zu einer Explosion gekommen sei, bei der zwei polnische Staatsbürger ums Leben gekommen sind. Gleichzeitig teilte er mit, dass die polnische Regierung erwägt, das Verfahren nach Artikel 4 des NATO-Vertrages in Gang zu setzen, das enge Konsultationen der NATO-Mitgliedsstaaten vorsieht, wenn die Sicherheit eines der Mitgliedsstaaten bedroht ist.
Noch in den Nachtstunden teilte Präsident Duda mit, dass der ukrainische Präsident Wolodimyr Selenskij ihm in einem Telefongespräch versichert hatte, dass der Raketen-Einschlag in Polen nicht auf eine von den ukrainischen Streitkräften abgefeuert Rakete zurück zuführen sei. Sein Außenminister Dmytro Kuleba erklärte auf Twitter, Russland verbreite die Verschwörungstheorie, dass es angeblich eine Rakete der ukrainischen Luftabwehr war, die auf Polen niederging. Der ukrainische Außenminister forderte eine harte und prinzipienfeste Reaktion auf den Raketeneinschlag in Polen sowie einem „sofortigen“ Nato-Gipfel.

Fakten sprechen gegen Raketen-Start aus Russland

Dazu ist es nicht gekommen. Zur Deeskalation der eine bedrohliche Weltkriegsgefahr auslösenden Situation erklärte US-Präsident Joe Biden am frühen Morgen: Es sei wegen deren Flugbahn unwahrscheinlich, dass die Rakete auf Polen von Russland abgefeuert wurde.
Bei der Rakete soll es sich nach Einschätzung von Militärexperten um eine Rakete des Abwehrsystems S-300 handeln. Diese ist bereits seit Sowjet-Zeiten bei vielen Armeen im Einsatz. Auch die ukrainischen Streitkräfte benutzen sie. In der Basis-Version hat die Rakete eine Reichweite von 70 Kilometer, in spezifizierten Varianten max. 200 Kilometer. Damit ist ausgeschlossen, dass sie von Russland auf Polen abgefeuert wurde. Da sie zum Abschuss von anfliegenden Raketen eingesetzt wird, ist nur eine vergleichsweise relativ niedrige Sprengkraft nötig. Dies macht auch die Detonationsstelle in Przewodów deutlich, wo Reste von Raketenteile aus russischer Produktion gefunden wurden.

Wie der Chef des Büros des Sicherheitsrates General Polko gegenüber dem Sender Radio Zet jetzt erklärte, ist aber kaum anzunehmen, dass Russland wegen der Zerstörung eines Traktors auf dem polnischen Land das Risiko eines Krieges mit dem NATO-Bündnis eingeht.

Duda: Unglücklicher Zufall

Nach einem Telefongespräch mit US-Präsident Biden hat der polnische Staatspräsident Duda nun auch öffentlich eingeräumt, dass es mit ,,hoher Wahrscheinlichkeit“ eine Rakete der ukrainischen Luftabwehr bei der Abwehr des russischen Raketenangriffs gewesen sei, die in Polen eingeschlagen ist. Die Untersuchungen vor Ort weisen darauf hin, dass es nicht zu einer klassischen Explosion der Sprengladung einer Rakete gekommen sei, sondern zu einer Explosion des Raketentreibstoffes. Duda sprach von einem unglücklichen Zufall. Hinweise auf einen gezielten Angriff auf Polen gebe es nicht. Die Schuld für den tragischen Zwischenfall mit polnischen Todesopfern trage aber allein  Moskau.
Inzwischen sieht sich die polnische Regierung aber auch im eigenen Land einer Kritik an ihrer Informationspolitik ausgesetzt. Für stolze nationalbewusste  Polen ist  es  schon eine Schmach,  dass sie über einen derartig ernsten Zwischenfall im eigenen Land zuerst von amerikanischen Medien informiert werden, und nicht von der eigenen Regierung. Der Chef des Sicherheitsbüros Polko warnte denn auch davor, dass eine derartige Geheimnis-Krämerei der russischen Propaganda in die Hände spielt. Dies dürfte sich nicht noch einmal wiederholen.

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