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Über Kraków geht ein Stern auf

Die Vielfalt der polnischen Küche ist leicht vorhersehbar. Egal welcher Anlass – Taufe, Kommunion, Hochzeit oder stypa (Leichenschmaus) – man weiß schon vorher, was einen auf dem überladenen Tisch erwartet:: Rosół (Hühnersuppe) oder Barszcz (Rote Rüben-Suppe) , manchmal auch Żurek (Sauerteig-Suppe) , zerkochter Bigos (Kraut-Eintopf), Schnitzel, Hühnerkeulen, Rote Beete, Kraut-Salatbeilagen, gedünstetes oder gebratenes Schweinefleisch,- Saure Gurken, Klöße, ein Teller mit meist zerkochten Erbsen und Möhren und wie zu Großmutters Zeiten mit Mehlschwitze gesämte Soßen. Für den auf Convinience- und Fastfood-Produkten trainierten Esser ist diese einfache und oft schwere Küche ein Schmaus.

Wer dagegen mit guten Essen ein Geschmacks-Erlebnis, eine Aromen-Vielfalt und leichte und verdauliche Gerichte verbindet, wie im Guide Culinaire des französischen Meister-Kochs Auguste Escoffier als Grundlage der Koch-Kultur beschrieben, hat es schwer, in Polen ein Restaurant mit kreativen Köchen zu finden.

Nimmt man den Michelin-Stern als Gradmesser für gutes Essen, dann ist die polnische Küche mit bisher zwei Michelin-Sternen im internationalen Vergleich ein Niemands-Land. Zum Vergleich: Französische Restaurants haben 770 Sterne, italienische 429, Restaurants in Deutschland 364 Michelin-Sterne.

In Polen hatten bisher lediglich das Restaurant Senses und das Atelier Amaro in Warschau einen Michelin-Stern. Im neuesten und eben herausgekommenen Michelin Guide Main Cities 2020 konnten sie ihre Sterne wieder verteidigen. Und es jetzt ein weiteres polnisches Restaurant hinzugekommen. Nicht in Warschau, sondern in Kraków: die Bottiglieria 1881.
Der Name läßt vermuten, das hier nur italienische Küche nachgemacht wird. Doch weit gefehlt. Die Bottiglieria 1880 ist in Kazimierz zu finden, dem historischen jüdischen Viertel und heute angesagtesten Stadtteil von Kraków. Hier reihen sich Restaurants, Bistros, Bars und Cafés aneinander. Nach zehnjähriger Abwesenheit fühlte sich der Betreiber und Chefkoch Przemysław Klima nach der Rückkehr in seine Heimatstadt hier an Rom erinnert.
Przemek Klima hatte vorher fünf Jahre als Sous Chef in eben jenen beiden einzigen polnischen Restaurants mit Michelin-Stern gearbeitet, den Senses und Amaro in Warschau.

Seine internationalen Koch-Erfahrungen hat Przemek Klima im legendären Noma und dem Kadeau (2 Sterne) in Kopenhagen mit dessen kleiner Schwester Kadeau in den Dünen von Bornholm gesammelt. In Tim Mälzers legendärer Koch-Show ,,Kitchen Impossible“ hatte hier einst Sterne-Koch Max Strohe erhebliche Probleme, die Gerichte auf hohem Niveau nachzukochen.

Przemek Klima und sein erfahrenes Team bestechen in der Bottiglieria 1880 nicht nur durch ihre Koch-Künste. Ausgestaltet ist die mit cremefarbenen Marmor, der zu den rustikalen Holztischen passt. Dazu mit den kunstvoll schmiedeeiserne Skulpturen und Regalen mit erlesenen Weinen hat Przemek Klima etwas geschafft, was weit mehr ist als ein schickes Bistro, schreibt der Michelin-Führer in seiner Bewertung.
In der Bottigleria werden zu 90 Prozent Produkte aus der Region verwendet, um daraus gekonnt kreative, moderne Gerichte zuzubereiten. ,,Das Kochen ist rein und raffiniert, gepaart mit dem Vertrauen in moderne Kochtechniken, die Aromen zum Leuchten bringen“, lobt der Michelin-Führer.

Fotos: Bottigliera 1880

Zu den Highlights der Michelin-Prüfer gehörte eine schmackhafte Heilbutt-Tranche mit Mais und Safran. Als beste Option empfehlen sie das 5- oder 7-Gänge-Degustations-Menü. In der Bottigleria wird jedoch auch ein 12 oder 14 Gänge-Menü angeboten. Vor der Eröffnung des Menüs werden zum Aperitif frische Backwaren und vier Amuse Bouche gereicht.

Neben den Degustationsmenüs hält die Bottiglieria auch ein Menü a la Carte für Lauf-Kundschaft bereit. Die dürfte aber nach der Sterne-Auszeichnung jetzt kaum noch Platz finden. Wer jetzt reserviert, bekommt erst Mitte September einen Tisch.

Das Restaurant öffnet gegenwärtig abends von 17.00 bis 22.30 Uhr.

 

© Magda Szulc / infopol.PRESS