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Wie bei einer Pizza – CCC liefert Schuhe an die Haustür

Nach der bisherigen Tages-Rekordzahl von über 27 800 Neuinfektionen hat die polnische Regierung ihre Corona-Schutz-Maßnahmen weiter verschärft. Wie schon im Frühjahr bleiben jetzt vorerst bis zum 29 November weitgehend alle Läden und Märkte in den großen Einkaufszentren geschlossen. Offen bleiben nur einige Dienstleistungs-Einrichtungen, die ,,wesentliche Bedeutung für das tägliche Leben“ haben. Dazu gehören vor allem Läden und Märkte , die Artikel des täglichen Bedarfs verkaufen.

Mit den Einschränkungen haben die Discount- und Supermarkt-Ketten sofort wieder einen Konsum ohne Zeit-Limit eingeläutet.. Polens größte Discounter-Kette Biedronka hatte bereits vor Einführung der neuen Corona-Beschränkungen die Öffnungszeiten eines Großteils seiner Märkte bis auf 2 Uhr nachts verlängert. Andere Ketten zogen nach. Den Vogel dabei schoss dabei Kaufland ab. Damit die Menschen nicht in langen Schlangen vor den Märkten stehen müssen und in Ruhe einkaufen können, hält Kaufland 16 seiner größten Märkte 24 Stunden rund um die Uhr offen. Wie der Dude in der Hollywood-Komödie ,,The Big Lebowski“ kann man also auch 3 Uhr nachts im Schlafanzug und Haus-Pantoffeln bei Kaufland in Polen durch die Verkaufsgänge schlurfen.

Milliarden-Verluste für den Handel

Für die Betreiber der großen Handelsgalerien – insgesamt über 500 mit jeweils mehr als 20 000 m2 Verkaufsfläche in ganz Polen – stellt sich die Situation dagegen weniger amüsant dar. Bereits beim Lockdown im Frühjahr verzeichneten sie nach Angaben der Branchenorganisation PRCH einen Einnahme-Verlust von rund 1 Mrd. Zloty infolge der administrativ angeordneten Freistellung der Ladenmieter von ihren Pachtzins-Zahlungen und weiteren 2 Mrd. Zloty nach Mietsenkungen für den Zeitraum von Juni bis Dezember im Ergebnis von Verhandlungen zwischen Ladenmietern und Eigentümern der Handelszentren.
Im besonderen Maße sind die großen Bekleidungs- und Schuhketten sowie die Märkte für Haushalt- und Unterhaltungselektronik von der Schließung betroffen. Bereits beim Frühjahrs-Lockdown hatten sie erhebliche Verluste erlitten.. Mit einer Intensivierung des Internet-Verkaufs versuchten sie die Verluste zu minimieren. So auch Polens führende Schuhkette CCC. Wie das an der Warschauer Börse notierte Unternehmen in seinem jüngsten Quartals-Bericht bekanntgab, konnten die Einnahmen aus dem e-commerce bis September um 64 Prozent auf 1,61 Mrd. Złoty (rund 360 Mio., Euro) erhöht werden. Dies machte bereits 45 Prozent des gesamten Umsatzerlöses der CCC-Gruppe aus, die in 29 Ländern 1242 Läden – davon die meisten in Polen – betreibt.
Das Unternehmen hatte bereits vor der Corona-Krise eine grundsätzliche Änderung seiner Geschäfts-Strategie beschlossen. Anstelle der Eröffnung von immer neuen Schuh-Salons in repräsentativen Shopping-Malls soll der Schwerpunkt in der Geschäftsentwicklung verstärkt auf den Verkauf über das Internet, begleitet vom ein Ausbau des kanalübergreifenden
Omnichannel-Geschäfts-Modells (stationärer Verkauf / Internet / soziale Medien / mobile Apps) gelegt werden. CCC besitzt inzwischen schon 66 online-Plattformen in allen europäischen Ländern.

Schuh-Lieferung in 60 Minuten

Die Ladenschließung in den Handels-Galerien hat das Unternehmen auf eine neue Idee gebracht, die das Omnichannel-Geschäft – nicht nur im Schuhhandel – auf eine neue Dimension stellen könnte. Das Konzept sieht vor, die Schuhe innerhalb von 60 Minuten nach der Online-Bestellung an die Haustür des Kunden zu liefern. ,,Wir sind einfach davon ausgegangen, wenn man eine Pizza innerhalb kürzester Zeit zum Kunden liefern kann, dann kann man das mit Schuhen auch“, erläutert Konrad Jezierski, der für das Omni-Channel-Geschäft bei CCC verantwortlich ist. Die neue Dienstleistung soll noch im November in Warschau als Test-Versuch anlaufen und dann auf schrittweise auf alle Städte ausgeweitet werden, wo CCC ein Laden-Geschäft hat. Nach Eingabe seiner Postleitzahl bei der Online-Bestellung sieht ein Kunde die verfügbaren Versandoptionen . Voraussetzung dafür ist, dass die Schuhe im Laden vor Ort vorrätig sind. Die Bestellung mit der Lieferoption wird dann an den CCC-Laden vor Ort übermittelt. Der Kurier erhält dann über eine spezielle App die Nachricht zur Abholung der Ware und deren Zustellung an den Kunden.
Mit den Zeit-Limit von 60 Minuten wolle man den Erwartungen und Bedürfnissen insbesondere von jungen Leuten entgegenkommen, für die der Grundsatz gilt ,,Hier und Jetzt“. ,,So wie sie leben, wollen sie auch ihre Einkäufe machen und verfügbare Produkte sofort in die Hand bekommen“, meint dazu der CCC-Manager.
Für das kommende Jahr plant die polnische Schuhkette dann einen Großteil der Lieferungen innerhalb von 30 bis 45 Minuten zuzustellen. Das ist eine Innovation im gesamten Markt-Maßstab. Niemand hat bisher Bestellungen innerhalb so kurzer Zeit an die Haustür geliefert“, ist der CCC-Manager überzeugt.
Wenn das Konzept aufgeht und auch Groß-Unternehmen anderen Branchen mit Vor-Ort-Präsenz, wie z.B. die Bekleidungs-Branche, dem Beispiel folgen, könnte das auch die Handels-Plattformen wie Amazon, Allegro oder Zalando unter Druck bringen.

CCC ist im deutschsprachigen Raum mit 46 Filialen in Österreich vertreten . In der Schweiz hatte CCC vor drei Jahren 10 Mio. Schweizer Franken für die Übernahme der Schuh-Kette Karl Voegele bezahlt. Seinerzeit zählte der Schweizer Filialist über 200 Läden. Seitdem wurde eine Schrumpfung der Ladenzahl vorgenommen. Bis Ende des Jahres sollen nur noch 156 Läden übrigbleiben. Wie schon zuvor in Deutschland, aber auch in Österreich, bringen die Läden bezogen auf die Verkaufsfläche viel weniger Umsatz als die CCC-Läden in Polen. Bei deutlich höheren Kosten! Eine Option ist daher auch wieder den Wiederverkauf des Schweizer Schuh-Filialisten.
In Deutschland hat die polnische Schuhkette ihr Filial-Geschäft bereits dem deutschen Schuh-Händler HR Group (u.a. Reno) für einen Minderheits-Anteil an der HR Goup überlassen.

© André Jański / infopol.PRESS

Ganz Polen Risiko-Gebiet – auch für ,,Konsumtouristen“

Wer ab heute aus Polen zurückkehrt, muss sich in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Bei Vorlage eines aktuellen negativen Corona-Tests kann man allerdings einer Zwangsisolation entgehen. Die Regelung gilt auch für die sogenannten ,,Einkaufstouristen“, also jene Deutsche aus den Grenzregionen und Berlin, die regelmäßig nur nach Polen fahren, um sich dort mit Zigaretten einzudecken, für einige Cent pro Liter Kraftstoff billiger tanken oder andere vermeintlich billigere Einkäufe tätigen.

Für jene, die tatsächlich eine Beziehung zum Nachbarland haben, haben die grenznahen Bundesländer Ausnahme-Regelungen geschaffen. So hat das Gesundheitsministerium Mecklenburg Vorpommern verfügt, dass der Besuch von Verwandten ersten Grades ohne Einschränkungen möglich ist. Selbst Pendler, die zu dringenden Arztbesuchen ins Nachbarland müssen, werden in Mecklenburg Vorpommern von der Quarantäne-Pflicht freigestellt. Auch Brandenburg erlaubt Besuche von Verwandten ersten Grades, Ehe- oder Lebenspartnern sowie Besuche aufgrund eines geteilten Sorge- oder Umgangsrechts bis zu 72 Stunden ohne Quarantäneauflagen, teilte die Staatskanzlei in Potsdam mit.

Um nicht wie im Frühjahr den kleinen Grenzverkehr zum Erliegen zu bringen, gelten generell in den grenznahen Bundesländern neben den Regelungen für den gewerblichen Transport Ausnahme-Regelungen für Berufspendler sowie Schüler und Studenten. Allerdings haben diese Regelungen nur Symbolwert,  solange ihre Einhaltung nicht kontrolliert wird. Dies war auch am Sonnabendvormittag in Frankfurt (Oder) der Fall, wo Hunderte von Fahrzeugen ohne jegliche Kontrolle den Grenzübergang passierten.

Schule fällt wieder aus – Restaurants bleiben geschlossen – Rentner sollen zu Hause bleiben

Mit der Einstufung von ganz Polen als Corona-Risikogebiet zieht Deutschland die Konsequenzen aus der Entwicklung im Nachbarland. Noch vor einer Woche hatte das Auswärtige Amt auf Grundlage einer vom Robert-Koch Institut veröffentlichten Liste lediglich 5 Wojewodschaften in Polen zum Risiko-Gebiet eingestuft. Drei der fünf ausgewiesenen Wojewodschaften waren dabei Gebiete, die auf der touristischen Landkarte Polens überhaupt keine Rolle spielen, die kaum über eine touristische Infrastruktur verfügen und wo sich selten ein deutscher Tourist verirrt (Ostpolen/Kielce, Białystok). In den Statistiken des polnischen Gesundheits-Ministerium gehörten diese Wojewodschaften in Ostpolen auch zu den Gebieten mit den niedrigsten Infektionszahlen in Polen, was deren Ausweisung als Risikogebiet durch das RKI und das Auswärtige Amt noch fragwürdiger machte.
Mit der jetzt erfolgten Einstufung von ganz Polen als Risikogebiet folgt Deutschland den von der polnischen Regierung angeordneten Maßnahmen, das gesamte Land zur ,,Roten Zone“ zu erklären.

Für die Schüler ab der vierten Klasse aufwärts ist der Unterricht in den Schulen für die nächsten 2 Wochen wieder ausgesetzt. Kinder und Jugendliche bis zum 16.Lebensjahr dürfen sich in der Öffentlichkeit nur in der Begleitung von Erwachsenen bewegen.  Rentner sollen zu Hause bleiben, rät die polnische Regierung. Für sie wurde speziell in der Zeit von 10 bis 12 Uhr in den Läden und Supermärkten eine Einkaufszeit reserviert. Anderen Kunden ist in der Zeit der Zutritt zum Laden verwehrt. Für die großen Supermärkte ist diese amtlich angeordnete Sperrzeit eine Katastrophe. Die Märkte sind in diesem Zeitraum nahezu leer. Auch polnische Senioren lassen sich nicht vorschreiben, wann sie einkaufen gehen sollen. Neben Abstands-Regelungen und Mundschutz hat die Regierung auch Zugangs-Beschränkungen im Handel angeordnet: max 5 Personen pro Kasse. Polens größte Discounterkette Biedronka hat darauf reagiert und hält jetzt 1200 Discounter-Märkte bis 2 Uhr nachts offen.

Das ohnehin schon seit Frühjahr arg gebeutelte Gastronomie-Gewerbe hat mit den neuen Anordnungen einen weiteren Schlag erhalten. Ab heute bleiben Restaurants geschlossen.  Zulässig ist nur ein Verkauf  außer-Haus. Regierungschef Mateusz Morawiecki begründete die Maßnahmen damit, die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Seit Anfang Oktober hat die Zahl der Neu-Infektionen dramatisch zugenommen. Bezogen auf Einwohnerzahl ist sie doppelt so hoch wie in Deutschland. Und das bei bekanntlich in Polen deutlich weniger durchgeführten Tests.

Polens größtes Stadion wird zum Feld-Lazarett für Corona-Patienten umgebaut 

Das Gesundheits-Ministerium in Warschau meldete heute 13 628 Neu-Infektionen und 179 Todesfälle. 11496 Corona-Patienten werden in den Krankenhäusern behandelt. Davon werden 911 Intensiv-Patienten künstlich beatmet.

Mit täglich 10 000 Neu-Infektionen sei die Obergrenze erreicht, die das chronisch unterfinanzierte kranke polnische Gesundheitssystem aushalten könne, meinen führende polnische Virologen. Im niederschlesischen Bolesławiec wurde bereits ein Container-Krankenhaus für Covid19-Patienten errichtet.  In Warschau wird Polens größtes Stadion – das Nationalstadion – zu einem Feld-Lazarett für Corona-Patienten umgebaut. Hauptproblem ist der Mangel an medizinischen Personal. Erwogen wird jetzt eine Verdopplung der Bezahlung. Polnische Ärzte und Krankenschwestern, die in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern arbeiten, könnte dies verbunden mit dem Appell an ihr patriotisches Pflichtgefühl unter Umständen dazu bewegen, nach Polen zurückzukehren.

Regierung von explosionsartigen Ausbruch von Protestkundgebungen in 60 Städten überrascht

Die aktuelle Corona-Entwicklung in Polen wird von massiven Protestaktionen im ganzen Land überschattet. Nicht wegen der Corona-Maßnahmen, sondern wegen des Urteils des Verfassungsgerichts zur Verschärfung des Abtreibungsrechts.  In den vergangenen 24 Stunden gingen in vielen Städten Tausende auf die Strassen. Bereits nach Bekanntwerden des Urteils waren Hunderte Menschen spontan vor die private Wohn-Residenz von PiS-Parteichef Kaczyński gezogen, um gegen das Urteil zu protestieren. Auch die von der Polizei abgesperrte Zentrale der Regierungspartei PiS wurde belagert.

Die Protestaktionen setzten sich in den gestrigen Nachmittags- und Abendstunden in 60 Städten fort.   Die Polizei hat inzwischen zusätzliche Polizei-Kräfte aus ganz Polen nach Warschau beordert, um Kaczyńskis Wohnsitz und die PiS-Parteizentrale zu schützen. Neben Warschau fanden auch große Demonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern, vor allem Frauen, in Kraków und Poznań statt.

Tausende versammelten sich gestern abend auf dem Alt-Markt von Kraków und skandierten ,,Verteidigt das Recht“.

Die PiS-Regierung hat der explosionsartige Ausbruch und die Dimensionen der Protestbewegung völlig überrascht. Schon 2016 hatten Zehntausende polnische Frauen mit ihren Protestaktionen den Versuch der PiS-Partei lahmgelegt, das Abtreibungsrecht zu verschärfen. Das jetzt das von der PiS-Partei umgebaute Verfassungsgericht gerade zum Zeitpunkt der grassierenden Corona-Krise die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärte, die bei medizinisch anerkannten nachhaltigen Schäden des Phötus einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt, ist für die protestierenden Demonstranten in seiner politischen Absicht unverkennbar. Die nationalkonservative PiS-Regierungspartei hatte darauf vertraut, dass es im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen verhängten Verbot von Versammlungen mit mehr als 5 Personen es diesmal nicht zu großen Demonstrationen kommt, die das ganze Land erschüttern.

Die Protestierenden, vor allem Frauen und auch Männer der Generation der 20 bis 40jährigen  wehren sich jedoch gegen die Eingriffe des Staates in diese sensible Lebenssphäre. Sie fordern das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung. Trotz Versammlungsverbot ist bereits für Montag ein ,,czarny poniedziałek“ – ,,Schwarzer Montag angekündigt. Die Frauenbewegung ,,Frauen-Streik“ will dann die polnischen Innenstädte lahmlegen. Für Mittwoch sind alle Frauen in Polen zu einem eintägigen Streik aufgerufen.

© Magda Szulc / © infopol.PRESS

Abtreibungs-Recht wird noch weiter verschärft

Das polnische Abtreibungsrecht war bisher schon streng. Mit dem heutigen Urteil des Verfassungsgerichts wird es jetzt zum schärfsten Gesetzakt gegen die Abtreibung in Europa. Die bisher geltende Regelung, die einen Schwangerschaftsabbruch erlaubte, wenn medizinische Untersuchungen auf schwere Miss- und Fehlbildungen und unheilbare Krankheiten des ungeborenen Kindes verweisen, wurde vom Gericht als verfassungswidrig erklärt.
Nach Auffassung des Gerichts sei diese Regelung als Eugenik zu werten.
Die Eugenik ist die die 19.Jahrhundert aufgekommene Erbgesundheitslehre. Mit der Rassenlehre der Nazis hat der Begriff einen negativen Bedeutungsinhalt bekommen.
Nach Auffassung des Gerichts sei dies mit dem im polnischen Grundgesetz garantierten Recht auf Leben nicht vereinbar.
Das Verfassungsgericht folgte mit seinem Urteil einen Antrag von 119 Parlamentsabgeordneten der nationalkonservativen PiS-Regierungspartei und dem rechtsnationalen Partei-Konglomerat der Konfederacja sowie Kukiz 15.
Das Verfahren leitete die nach den von der PiS-Partei vollzogenen Veränderungen im polnischen Justiz-System 2016 zur Gerichtspräsidentin aufgestiegene Julia Przyłębska. Die Juristin ist auch in Deutschland gut bekannt. In ihrer zwischen dem diplomatischen Dienst und eine Richtertätigkeit wechselnden Karriere war sie u.a. auch polnische Generalkonsulin in Köln. Verheiratet ist sie mit Polens Botschafter in Deutschland Andrzej Przyłębski,
Von den 13 Richtern des Verfassungsgerichts folgten jedoch zwei Richter nicht der Auffassung ihrer Vorsitzenden. Eine dieser Richter, warf in der Anhörung die Frage auf, ob das von den Antragstellern geforderte Recht auf Leben nicht auch für die Frauen gilt, die von der Schwangerschaft mit einem schwer fehlgebildeten Phötus bedroht sind. Die Abschaffung der bisherigen Regelung gehe auf Kosten und Risiko dieser Frauen.

Donald Tusk: ,,Politische Lumperei“

Das Urteil des Verfassungsgerichts hat bei großen Teilen der Opposition und bei Frauenrechts scharfe Kritik hervorgerufen. Kritisiert wird auch der Zeitpunkt, da bei der aktuellen Corona-Situation größere Kundgebungen verboten sind. 2016 als die regierende PiS-Partei die ersten Versuche zur Verschärfung des Abtreibungsrechts unternahm, waren Zehntausende Frauen in ganz Polen dagegen in schwarzer Bekleidung (,,Schwarze Proteste“ ) auf die Strasse gegangen.
Donald Tusk , früherer Ministerpräsident und ehemaliger EU-Ratsvorsitzende bezeichnete es als ,,politische Lumperei“ und mehr als zynisch, wenn das Thema Abtreibung und die dazu ergangene ,,Entscheidung eines Pseudogerichts“ inmitten der grassierenden Pandemie auf die Agenda gebracht wurde. Der Vorsitzende von Polens größter Oppositionspartei Boris Budka kommentierte das Urteil mit den Worten: ,,Das Verfassungsgericht hat die Anweisungen von PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński erfüllt, um unmenschliche Vorschriften einzuführen….Kaczyński hat bewiesen, dass er in Zeiten der Covid-19-Epidemie keine Bremsen kennt“.

Schwangerschaftsabbruch heimlich oder im Ausland

Für die polnische Frauenrechtlerin Kazimiera Szczuka bedeutet das Urteil das Ende einer legalen Schwangerschaftsunterbrechung.

Frauen zu einem Ende der Schwangerschaft zu zwingen, obwohl der Fötus schwer geschädigt ist, sei eine grausame Tortur und unmenschlich. Frauen werden noch mehr heimlich oder im Ausland einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. ,,Wir haben jetzt das restriktivste Abtreibungsrecht in ganz Europa“.
Ganz anderer Meinung ist Kaja Godek, Initiatorin der Bewegung ,,Stop der Abtreibung”, die 2016 eine halbe Million Unterschriften für den Gesetzentwurf zur Verschärfung des Abtreibungsrechts sammelte. ,,Heute ist Polen ein gutes Beispiel für Europa und die ganze Welt“, kommentierte sie das Urteil des Verfassungsgerichts.
Auch Erzbischof Stanisław Gądecki, Vorsitzender der Konferenz des polnisches Episkopats hat sich anerkennend zu Wort gemeldet: ,,Mit großer Wertschätzung habe ich das heutige Urteil des Verfassungsgerichts entgegengenommen“.

In den späten Abendstunden versammelten sich mehr als 1000 Menschen vor dem Privat-Haus von PiS-Parteichef Kaczyński im Warschauer Stadtteil Żoliborz und der Zentrale der PiS-Partei im Stadtzentrum zu Protesten gegen das Urteil. Sie skandierten u.a. ,,Ich bin ein Mensch und keine Gebärmaschine“. Mit einem Groß-Aufgebot verhinderte die Polizei einen Durchbruch der Demonstranten zu Kaczyńskis Haus. Gegen die Demonstranten wurde Reizgas eingesetzt.

© Magda Szulc / infopol.PRESS

 

Corona: Ab sofort ganz Polen im ,,kleinen Lockdown“

Die polnische Regierung hat mit Wirkung vom 10. Oktober die Maskenpflicht für alle im öffentlichen Raum angewiesen. Damit muss jeder in Polen auch auf der Strasse, auf Plätzen, in Parks usw, also unter freiem Himmel, eine Maske tragen.  Polizei und Ordnungsbehörden wurden angewiesen, bei der Durchsetzung der Corona-Schutz-Maßnahmen eine Politik der ,,Null Toleranz“ zu fahren.

Die Regierung zieht mit den angeordneten Maßnahmen die Konsequenz aus den dramatischen Anstieg der Corona-Neuinfektionen. Innerhalb der vergangenen drei Tage hat sich deren Zahl täglich um nahezu 1000 erhöht. Am Mittwoch meldete das Gesundheits-Ministerium  3003 neue Corona-Infektionen und  75 Todesfälle, am Donnerstag 4280 Neu-Infektionen und  76 Tode. Gestern waren 4739 neue Corona-Infektionsfälle. Die neueste Rekord-Zahl vom heutigen Sonnabend: 5300.

 

Ganzes Land eine ,,Gelbe Zone“ 

Noch vor  einer Woche waren nur 28 Kreise und Städte  als ,,Gelbe Zonen“ mit einem erhöhten Gefährdungs-Risiko ausgewiesen. Jetzt hat die polnische Regierung  das gesamte Land mit ,,Gelb“ markiert. Gleichzeitig wurden  32 Kreise und 6 Großstädte als ,,Rote Zonen“ zu Corona-Risikogebieten  erklärt. Dazu gehören jetzt auch die an der Ostsee gelegenen Städte Koszalin, Sopot und Słupsk und Anschlussgebiete.

Ministerpräsident Morawiecki versuchte bei der Vorstellung der Corona-Schutz-Maßnahmen den Eindruck zu vermitteln, dass man weiterhin die Situation unter Kontrolle habe.  Derzeit werden  4725 Personen  wegen einer Corona-Infektion in Krankenhäusern behandelt . Davon sind 346 Patienten an eine künstliche Beatmung angeschlossen.  Die Zahl der zur Verfügung stehenden freien Betten sei doppelt so hoch, beruhigte  Morawiecki. Die Regierung habe Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der freien Betten für Intensiv—Patienten um weitere Tausende Betten  zu erhöhen, versprach der  Ministerpräsident der Bevölkerung.  Auch Beatmungs-Geräte seien in genügender Zahl vorhanden.

Auf die Frage von Journalisten, ob die Regierung die Einführung des Ausnahmezustands in Polen erwäge, antwortete  Morawiecki, dass man bei einer weiteren Eskalation der Situation dies nicht ausschließen könne.

Gleichzeitig wich er kritische Fragen aus, inwieweit er und die Regierung  mit ihrer Politik zur Entwicklung der aktuellen Situation beigetragen haben. Mit propagandistischen Auftritten vor laufenden Kameras hatte Morawiecki in der Vergangenheit  immer wieder die Arbeit seiner Regierung gelobt, wodurch Polen im Vergleich zu westlichen Ländern die  Corona-Krise erfolgreich bekämpft habe. Morawiecki war es auch, der bei den Präsidentschaftswahlen insbesondere ältere Menschen dazu aufrief, an die Wahlurnen zu gehen. Sie sollten sich keine Sorgen machen. Die Situation sei sicher, die Corona-Krise bekämpft.

Empörung in den sozialen Medien – Während die Regierung bereits eine Verschärfung der Corona-Schutzbestimmungen ankündigt, präsentierten sich diese Woche 80 Bischöfe dichtgedrängt und ohne Schutzmasken zum Abschluß der 387.Plenartagung der Polnischen Episkopats-Konferenz im Erzbistum Łódź. Kritiker sehen sich dabei in der Annahme bestätigt, dass es in Polen bei der Einhaltung der Corona-Schutzbestimmung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Foto: Episkopat News

Trotz der seit Anfang September  kontinuierlich anwachsenden Zahl der Corona-Infektionen war die Regierung und die Führungsspitzen der Koalitionsparteien im Machtkampf um Posten und Einflußsphären in der Regierung  wochenlang mit sich selbst beschäftigt, kritisiert nicht nur die Opposition.  An der jetzigen Situation seien die Politiker schuld, kritisiert einer der führenden Virologen in Polen  Prof. Krzysztof Simon, Leiter der Klinik für Infektionskrankheiten an der  Medizinischen Universität Breslau (Wroclaw).

,,Das Jonglieren mit Statistiken, wonach es in Polen keinen Mangel an Betten und Beatmungs-Geräten gebe,  verbessert nicht die reale Situation“, schreiben Bürgermeister und Landräte der Wojewodschaft Pommern in einen gestern veröffentlichten Schreiben an Ministerpräsidenten Morawiecki .

Es fehlen Ärzte und Schwestern, Mangel an Medikamenten – Bald Auswahl von Patienten mit Überlebenschance

Den Ministern sei überhaupt nicht der Personal-Mangel in den Krankenhäusern  und die Zugangsbeschränkungen für  Patienten, die an anderen Krankheiten leiden, bewußt. In den Krankenhäusern fehle das Medikament Remdesivir und Covid-19 – Rekonvaleszenten-Plasma  (CAPSID) zur Behandlung  von schweren Covid-19 –Erkrankungen.  Wenn die Dynamik der Neu-Infektionen weiter anhalte und in den nächsten 14 Tagen   nicht genügend dieser Präparate zur Verfügung stehen, werde man ,,eine Auswahl der Patienten treffen müssen, bei denen eine Behandlung und Überlebenes-Chance gegeben ist“, heißt es in den Schreiben.

Ähnlich alarmierende Meldungen kommen auch aus anderen Regionen  Polens, wo fehlende Ärzte und Pflegepersonal beklagt wird. Kritisiert wird auch die von der Zentral-Regierung angeordnete dreistufige Krankenhaus-Gliederung, die oft eine Verlegung von Patienten in bis zu 100 Kilometer entfernte Krankenhäuser mit freien Betten zur Folge hat.  Das ganze Lande werde bald eine Rote Zone sein, warnte der Virologe Prof. Simon gegenüber der Zeitung Rzeczpospolita .

Als Rote Zonen sind von der Regierung Infektions-Herde ausgewiesen, wo innerhalb von 14 Tagen mehr als 12 bestätigte Neu-Infektionen pro 10 000 Einwohnern aufgetreten sind.  Zu den dort geltenden Beschränkungen  gehört u.a. die Herabstufung der der Zahl der Teilnehmer   an Familienfeiern und Hochzeitsgesellschaften auf max. 50 Der Besuch von Kirchen ist auf die Hälfte der Platzkapazität beschränkt. In Kinos dürfen nur noch 25 Prozent der Plätze belegt werden. Ab 22 Uhr gilt in gastronomischen Einrichten die Sperrstunde.  Sanatorien müssen geschlossen werden. Verboten sind Messen, Basar-Handel  und Vergnügungsparks.

Wieder Einkaufszeiten nur für Rentner

Die Polizei kontrolliert die Einhaltung der Maskenpflicht auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Foto Policja Wrocław

Im ganzen Land gilt dagegen die absolute Maskenpflicht auch im öffentlichen Raum unter freiem Himmel. Die Polizei und andere Ordnungsbehörden sind zu einer Null-Toleranz-Politik angewiesen. Personen, die keine Maske tragen, werden mit einer Ordnungsstrafe von 500 Zloty (rund 120 Euro) abkassiert. Bei Einleitung eines amtlichen Strafverfahrens durch die Gesundheits-Behörde ist mit einer Geldstrafe von 30 000 Zloty oder einer Inhaftierung zu rechnen.

 

Für die Vor-Ort-Kontrollen der Personen, die von den Gesundheits-Behörden in die Quarantäne geschickt wurden, wird die Polizei in den Corona-Hotspots jetzt wieder von Soldaten unterstützt. Gegenwärtig befinden sich weit über 200 000 Personen in Polen in der Haus-Quarantäne.

Ab kommender Woche sollen auch wieder Handels-Sperrstunden für Rentner eingeführt werden. In der Zeit von 10 bis 12 Uhr ist der Einkauf in den Läden ihnen vorbehalten.

© Magda Szulc / infopolPRESS

ArcelorMittal schließt Hochofen und Stahlwerk in Kraków

Polens größter Stahlproduzent ArcelorMittal Poland (AMP) hat heute (8.Oktober) die Schließung seines Hochofens und des Stahlwerks in Kraków bekanntgegeben. AMP-Chef Sanjay Samaddar begründete die endgültige Schließung mit den anhaltenden Nachfrage-Rückgang in  der europäischen Stahlindustrie in Verbindung mit der Corona-Krise, nicht ausreichenden Schutz-Mechanismen der EU gegen Billig-Importe aus Drittländern, den steigenden Kosten bei den Co2-Emissionsrechten und den hohen Energiepreisen in Polen.

ArcelorMittal hatte bereits schon im vergangenen Jahr seinen Hochofen in Kraków zeitweise heruntergefahren. Er war der bislang noch einzig arbeitende Hochofen des einstigen Eisenhüttenkombinats Stalowa Wola in Kraków, das der weltgrößte Stahlkonzern 2004 übernommen hatte. Auf ihn entfielen rund 1,5 Mio. t der Roheisen-Produktion. Erst 2016 wurde der Hochofen einer General-Reparatur für umgerechnet rund 45 Mio. Euro unterzogen.

Keine Beihilfen für indirekte Co2-Emissionen in Polen

Generell tritt ArcelorMittal im Konzernverbund wegen der schwachen Nachfrage in ganz Europa schon seit geraumer Zeit auf die Bremse. In Polen kommen jedoch noch die schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hinzu. Der AMP-Vorstand erinnerte daran, dass man seit Jahren die Einführung von öffentlichen Beihilfen für indirekte Co2-Emissionen eingefordert habe .
Während in anderen EU-Staaten an energieintensive Unternehmen der Stahlindustrie, der chemischen Industrie, der Papierindustrie u.a. staatlichen Beihilfen für indirekte Co2-Kosten gezahlt werden, begnügt sich die Regierung in Warschau in dieser Frage nur mit Erklärungen und Versprechungen. Ein immer größer werdendes Problem sind auch die Stromkosten in Polen. Sie sind heute schon fast um die Hälfte höher als z.B. in Deutschland und werden im kommenden Jahr noch weiter steigen.
Von der Schließung sind mehr als 1000 Mitarbeiter betroffen, davon 650 direkt in dem geschlossenen Roheisen-Komplex. Die anderen Bereiche des Krakauer Hütten-Betriebs wie die Kokerei, die beiden Walzwerke sowie die Verzinkungs- und die Beschichtungsanlage sind von der Schließung nicht betroffen.
Nach Angaben des Konzern-Vorstands wird die Roheisen-Herstellung von AMP in Polen im oberschlesischen Dąbrowa Górnicza konzentriert, wo die dort arbeitenden zwei Hochöfen ArcelorMittal eine kostengünstige Produktion erlauben.

Auf ArcelorMittal entfallen gegenwärtig rund 70 Prozent des Produktionspotenzials der gesamten polnischen Eisen- und Stahlindustrie. Neben den Betrieben in Kraków und Dąbrowa Górnicza gehören zu ArcelorMittal Poland drei weitere Stahl- und Hüttenbetriebe in Sosnowiec, Świętochłowice und Chorzów. Zu AMP gehört auch die Kokerei in Zdzieszowice (bei Opole), die Europas größter Koks-Produzent ist.
ArcelorMittal beschäftigt in Polen insgesamt rund 11 000 Mitarbeiter.

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Jetzt auch Corona-Risikozonen an der polnische Ostsee

Ab heute (3.Oktober) gelten in Polen verschärfte Corona-Regelungen in 51 Kreisen und Städten. Davon wurden 17 Regionen in Rote Risiko-Zonen eingestuft. Darunter befinden sich auch Gebiete in der Ostsee-Urlauberregion. Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen ist in den vergangenen Tagen drastisch angestiegen. Das Gesundheits-Ministerium in Warschau meldet heute den Rekordwert von 2367 bestätigten Corona-Infektionen.

Wer aus Polen kommt, muss in einigen EU-Ländern inzwischen wegen Corona mit Einreise-Beschränkungen rechnen. In Großbritannien gilt ab sofort 14tägige Quarantänepflicht für Einreisende aus Polen. Auch Griechenland lässt polnische Bürger und andere Einreisende aus Polen nur noch in das Land, wenn sie eine aktuelle negative Test-Bescheinigung vorweisen, die nicht älter als 72 Stunden ist. Bemerkenswert: die griechischen Behörden erkennen dabei keine polnischen Test-Bescheinigungen an. Auch Finnland hat Polen zum Corona-Krisengebiet erklärt und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann andere Länder folgen.
Hintergrund dafür sind die drastisch gestiegenen Zahlen der Corona-Infektionen in Polen. Monatelang , selbst bei der ersten Welle im Frühjahr, lagen die Zahlen der täglich vom polnischen Gesundheitsministerium gemeldeten Infektionsfälle im Schnitt zwischen 200 bis 500. Seit Mitte September sind sie kontinuierlich angestiegen. Gestern (2.Oktober) meldete das Gesundheitsministerium schon 2292 bestätigte Corona-Fälle und 26 Todesfälle. Die heutige Tages-Meldung setzt den Rekord-Anstieg fort: 2367 bestätigte Corona-Infektionen und 34 Todesopfer
Was sind die Ursachen für die plötzlich hohen Anstiege? Hält sich die Bevölkerung nicht an die Auflagen? Mitnichten. In Polen gelten gleiche oder ähnliche Auflagen zur Maskenpflicht und Abstands-Regelungen wie in anderen Ländern. Werden jetzt mehr Tests durchgeführt? Bisher wurden in Polen vor allem in begründeten Verdachtsfällen durchgeführt wie z.B. in der schlesischen Bergbau-Region. In der Landesbreite fiel die Zahl der Tests jedoch gering aus (rund 80 000 bis 130 000 pro Woche).
Die Erklärung für den jetzt rasanten Anstieg der Infektions-Zahlen findet sich möglicherweise in einer Aussage des stellvertretenden Gesundheitsministers Waldemar Kraska. Der gab diese Woche bekannt, dass man jetzt beschlossen hat, bei den Klassifizierungs-Kriterien und den Referenz-Werten die Vorlagen der EU-Kommission anzuwenden. Dies schlägt sich auch bei der Klassifizierung der Corona-Risiko-Gebiete und deren Einteilung in Rote, Gelbe und Blaue Zonen nieder.
Ab heute (3.Oktober) gelten in Polen verschärfte Corona-Regelungen in 51 Kreisen und Städten. Davon wurden 17 Regionen in Rote Risiko-Zonen eingestuft. Waren in der Vergangenheit nur einige wenige vom Kohle-Bergbau gepägten Regionen in Schlesien sowie in Südpolen zu Risiko-Gebieten erklärt, gehören jetzt auch Gebiete an der polnischen Ostsee, wie Sopot,- dazu. Auch die nahe der Grenze zu Deutschland gelegenen Großstädte Stettin (Szczecin) , Gorzów und Zielona Gora fallen jetzt in die Risiko- und Warn-Kategorie der Gelben und Blauen Zonen. Dies gilt auch für andere Metropolen wie Warschau und Kraków.

Die Klassifizierung nach Roten und Gelben Zonen richtet sich nach der Anzahl der bestätigten Corona-Infektionen pro 10 000 Einwohner für einen Zeitraum von 14 Tagen.
> Rote Zone: mehr als 12 bestätigte Corona Infektionsfälle pro 10 000 Einwohner
> Gelbe Zone: 6 bis 12 bestätigte Corona Infektionsfälle pro 10 000 Einwohner
Die blaue Zone weist Gebiete mit Gefährdungs-Risiko aus.

Neben der Maskenpflicht und Abstandsregelungen sind in der Roten Zone Familienfeiern und Hochzeitsgesellschaften auf max. 50 Teilnehmer beschränkt. Der Besuch von Kirchen ist auf die Hälfte der Platzkapazität beschränkt. In Kinos dürfen nur noch 25 Prozent der Plätze belegt werden. Sanatorien müssen geschlossen werden. Verboten sind Messen, Basar-Handel und Vergnügungsparks.
Das Gesundheits-Ministerium kündigte an, ab 15.Oktober die Regelungen weiter zu verschärfen. Bei anhaltend hohen Infektionszahlen sei schon vorher mit einer Verschärfung zu rechnen.
Seit dem Ausbruch der Corona-Krise wurden in Polen 98 140 Corona-Infektionsfälle registriert. 2604 Personen sind seitdem in Verbindung mit einer Covid-19-Infektion verstorben.

© Magda Szulc /  infopol.PRESS

Polnischer Kohle-Exit: Subventionierter Kohle-Abbau bis 2049

Nach tagelangen Protest-Aktionen von Bergleuten haben sich Gewerkschaften und die polnische Regierung jetzt auf einen Kohle-Ausstieg bis zum Jahre 2049 geeinigt. Bei einer schrittweisen Schließung der Steinkohle-Bergwerke , die aber erst ab 2028 an Fahrt gewinnt, wird den Bergarbeitern eine Fortzahlung ihrer Bezüge bis zur Rente zugesichert. Bis es zur endgültigen Schließung der letzten Steinkohle-Mine 2029 kommt, sollen die Verluste der weiterhin unrentabel arbeitenden Bergwerke durch öffentliche Zuzahlungen, also mit dem Geld der Steuerzahler, ausgeglichen werden.

Würde man die polnische Staats- Führung beim Wort nehmen, dann müsste sie schon längst ihre Koffer gepackt haben. Vor nicht allzu langer Zeit war es noch Staatspräsident Andrzej Duda im Gespann mit Regierungschef Morawiecki, der mit viel nationalen Pathos vor Bergarbeitern tönte: ,,Kohle ist der größte Schatz Polens…..Solange ich in Polen das Amt des Präsidenten ausübe, werde ich nicht erlauben, dass Irgendwer den polnischen Kohlebergbau ermordet“.
Davon ist heute nichts mehr zu hören. Wozu auch, die populistischen Wahlkampf-Versprechen haben ja ihren Zweck erfüllt. Dabei waren sie schon zum Zeitpunkt ihrer Abgabe von den Realitäten auf dem Energiemarkt überholt.

Steinkohle aus Oberschlesien teurer als Import-Kohle

Bereits im vergangenen Jahr steuerten die im staatlichen Kohle-Konzern PGG vereinten Bergwerke mit ihren 43 000 Beschäftigten auf eine finanzielle Katastrophe zu. Mit dem Verfall der Weltmarkt-Preise für Steinkohle lagen die Kosten für Steinkohle aus Oberschlesien mit umgerechnet über 90 Dollar pro Tonne im vergangenen Herbst bereits zu 50 Prozent über den Preis- Indizes für Vertrags-Steinkohle in den Häfen von Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen.
Anstelle der teuren polnischen Steinkohle setzten deshalb die polnischen Stromerzeuger im vergangenen Jahr über 15 Mio. t Import-Steinkohle aus dem Ausland ein. Den größten Teil davon bezogen polnische Unternehmen aus Russland. Importiert wurde jedoch auch Steinkohle aus anderen Ländern wie Kolumbien und Südafrika. Selbst aus den USA, wo die Förderleistung pro Beschäftigten zehnfach höher ist als in den Bergwerken der vom Staat kontrollierten polnischen Kohle-Gesellschaft PGG. In der Folge wuchsen die Kohle-Halden bis Anfang des Jahres auf über 15 Mio. t an. Obwohl die vier großen polnischen Energiekonzerne vom Staat kontrolliert werden und vom Staatsschatz-Minister Jacek Sasin angehalten wurden, verstärkte polnische Kohle zur Verstromung in ihren Kraftwerken einzusetzen, hat sich an der Situation nichts Grundlegendes verändert. Im Gegenteil: Unter dem Druck der finanziellen und ökonomischen Realitäten haben die Energieunternehmen begonnen, den Schalter umzulegen. So wird der Bau des neuen Kraftwerks im nordpolnischen Ostrołęka, der noch im vergangenen Jahr von der PiS-Regierung als Kohlekraftwerk konzipiert wurde, jetzt mit Erdgas geplant.

Kosten-Druck zwingt zur Umstellung auf Erneuerbare Energien

Selbst Polens größter Strom-Erzeuger auf Kohle-Basis, der staatliche Energiekonzern PGG, hat kürzlich eine Energie-Wende angekündigt. Der Konzern, auf dessen Kohle-Kraftwerke etwa ein Fünftel des gesamten polnischen Co2-Ausstosses entfallen, kündigte an, bis zum Jahre 2050 die Energie-Erzeugung zu ,,100 Prozent“ auf Erneuerbare Energien umzustellen.


Das plötzliche Umdenken erklärt der PGE-Vorstand mit dem immer stärker werdenden Kosten-Druck. Aus den PGE-Kraftwerken wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 29,3 Mio. t Kohlendioxid in die Umwelt gepustet. Allein der Kauf von Co2-Emissionsrechten für die Kohle-Verstromung hat dem Konzern in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 3,1 Mrd. Złoty gekostet. PGE hat nun angekündigt, zunächst bis zum Jahre 2030 einen Viertel seiner Strom-Erzeugung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Dazu sollen in den nächsten Jahren 6 Mrd. Złoty in Solar-Parks mit einer Leistung von 2500 MW investiert werden.

Inlands-Nachfrage nach Kohle sinkt schneller

Einen beschleunigten Abbau des Anteils der Kohle an der Energie-Erzeugung hat auch das Klima-Ministerium Anfang September in seinem Strategie-Programm zu Energie-Politik vorgelegt. ,,Das ursprüngliche Konzept ist aus heutiger Sicht in Verbindung mit den dynamischen Anstieg der Preise für Co2-Emissionsrechte unrealistisch”, sagte Michal Kurtyka, der als parteiloser Experte dem Ministerium vorsteht, bei der Vorstellung des neuen Programm-Entwurfs. Es sieht jetzt eine Senkung des Anteils der Kohle an der Energie-Erzeugung auf 37 Prozent bis zum Jahre 2030 vor. Gegenwärtig sind es noch knapp 75 Prozent. Bis zum Jahre 2040 sollen es dann nur noch 11 Prozent sein.

Der Entwurf des neuen Programms für die staatliche Energie-Politik stieß bei den mächtigen Kohle-Gewerkschaften auf entschiedenen Widerstand. Aus Protest dagegen fuhren mehrere Hundert Bergleute nicht mehr aus und blieben unter Tage. Die Gewerkschaften kündigten Streik-Aktionen an, wenn die Regierung den Gewerkschaften nicht konkrete Programme als Verhandlungs-Grundlage anbietet. In den nachfolgenden Verhandlungen ging es den Gewerkschaften in erster Linie um das Tempo für den Ausstieg aus der Kohle, Investitions-Möglichkeiten in moderne Kohle-Technologien und einem Restrukturierungsplan für den staatlichen Kohle-Konzern PGG, der technisch gesehen bereits insolvent ist. Anstelle der ursprünglich von den Gewerkschaften geforderten Verschiebung des Ausstieg aus der Steinkohle bis zum Jahre 2060 sieht die jetzt zwischen Gewerkschaften und Regierung getroffenen Vereinbarung die Schließung des letzten Steinkohle-Bergwerks im Jahre 2049 vor. Bis dahin wird schrittweise die Steinkohle-Förderung zurückgefahren. Den Bergarbeitern wird dabei eine Fortzahlung ihrer Bezüge bis zur Rente zugesichert.
Die Vereinbarung, die auf den ersten Blick wie ein Kompromiss erscheint, ist jedoch nur eine Sammlung von Zugeständnissen und Versprechen der Regierung, um die Bergarbeiter und ihre Gewerkschaften ruhig zu halten. Mit den Veränderungen und der Realität auf dem polnischen Energiemarkt haben sie nichts gemeinsam. So geht das Klima-Ministerium selbst in seinen Prognosen davon aus, dass der Bedarf der Energiewirtschaft an Steinkohle in den nächsten fünf Jahren um 11 Mio. t zurückgehen wird. Die jetzt mit den Gewerkschaften geschlossene Vereinbarung sieht dagegen nur eine bereits schon frühere geplante Schließung des Bergwerks Pokój im Jahre 2022 vor. Dadurch wird das derzeitige Förder-Aufkommen des staatlichen Kohlekonzerns PGG nur um knapp 1 Mio. t Steinkohle verringert. Eine Schließung von weiteren Bergwerken und Schachtanlagen, die der PGG finanzielle Verluste einbringen, ist in den nächsten Jahren nicht vorgesehen. Sie sollen mit anderen Bergwerken zusammengeschlossen werden. Erst im Jahre 2028 soll mit Bolesław Śmiały das nächste Bergwerk stillgelegt werden. Danach erfolgt die Schließung weiterer Bergwerke in zeitlich versetzten Etappen angelegt auf über 20 Jahre.

Absurde Vorstellung – Subventionierte Kohle, die keiner haben will

Regierung und Gewerkschaften vereinbarten, dass für die Fortsetzung der Steinkohle-Förderung in den unrentablen Bergwerken eine Subsidiär-Finanzierung aus dem Staatshaushalt erfolgt, also der Steuerzahler dafür aufkommen soll. Die Rede ist hier von jährlich 1 Mrd. Zloty an staatlichen Zuschüssen. Diese Regelung setzt aber die Zustimmung der EU-Kommission voraus. Experten halten dieses Ansinnen für absurd. Weshalb sollte die EU-Kommission ihre Zustimmung für öffentliche Zuzahlungen zur Finanzierung einer laufenden Produktion geben, deren Ziel auf eine Stabilisierung der Tätigkeit von Steinkohle-Förderunternehmen für 30 Jahre ausgerichtet ist, fragt der Fachinformationsdienst WysokieNapięcie. Schließlich hat sich die EU bereits 2018 im Zuge ihrer Klima-Beschlüsse von ihrer in der Vergangenheit praktizierten Politik verabschiedet, öffentliche Zuschüsse nur für Kohle-Bergwerke zu bewilligen, für die ein konkreter und zeitlich überschaubarer Schließungs-Termin festgelegt wurde. Und was passiert mit der geförderten Steinkohle, für die es in Polen keinen Bedarf gibt? Wenn sich der gesamte Plan als unreal erweist, dann hat er für die Regierung in Warschau zumindest ein Plus, schreibt der Branchendienst. ,,Denn Bergleute kann man dann sagen, wir wollten das Beste. Aber die Brüsseler Eurokraten haben das verhindert und den Plan muss man jetzt ändern und die Bergwerke früher schließen“.

,,Genug Blah, Blah, Blah. Eine tatsachliche Transformation JETZT ! “ Mit dieser nächtlichen Licht-Installation auf der zentralen Kohle-Halde hat Greenpeacediese Woche  die Vereinbarung zwischen der Regierung und den Kohle-Gewerkschaften kommentiert.  Foto: Greenpeace

Partikular-Interessen statt neuer Perspektiven für Bergbau-Regionen

Auch Greenpeace Polska hat in einem Schreiben an Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Regierung aufgefordert, endlich damit aufzuhören, die Bergarbeiter und die gesamte polnische Gesellschaft ,,mit leeren Versprechen und der Vorstellung von Plänen, die nicht zu erfüllen sind, weiter zu betrügen“. Die zwischen der Regierung und den Bossen der Kohle-Gewerkschaften geschlossene Vereinbarung stehe im Widerspruch zu der Idee von einer wahrhaften Transformation der Bergbau-Regionen. Sie sei geprägt von partikularen Interessen von Politikern, die sich um ihre Stühle sorgen und von Gewerkschafts-Funktionären, die nicht die tatsächlichen Interessen der Bergarbeiter repräsentieren. ,,Anstatt neue Perspektiven für die Bergbau-Regionen aufzuzeigen, haben wir eine Vereinbarung, die keine Chance hat, realisiert zu werden“, schreibt der Programm-Direktor von Greenpeace, Paweł Szypulski, in dem Brief an Regierungs-Chef Morawiecki. Für die Erarbeitung eines realen Planes zur Transformation der Bergbau-Regionen sei ein breiter gesellschaftlicher Dialog unter Beteiligung aller Seiten notwendig, einschließlich der kommunalen und regionalen Selbstverwaltungen.

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Wegen Corona-Verstosses sitzt eine Frau seit Mai hinter Gittern

Wegen Verstosses gegen die Corona-Auflagen zum Quarantäne-Aufenthalt sitzt eine 38jährige Frau aus Toruń seit Mai im Gefängnis.

Nach einem positiven Corona-Test hatte sie seinerzeit von der örtlichen Gesundheitsbehörde die Auflage bekommen, sich für zwei Wochen in Selbst-Isolation, also in Quarantäne zu begeben. Daran hielt sie sich jedoch nicht. Für Einkäufe und die Besorgung eines Anti-Depressivmittels in der Apotheke verließ sich das Haus. Dort wurde sie von der Polizei wegen des Verstosses gegen die Quarantäne Auflagen und der Herbeiführung einer Bedrohung anderer Menschen durch die Ansteckung mit einer Infektions-Krankheit verhaftet.
Obwohl schon bei zwei weiteren Tests – schon in der Haft – keine Corona-Virus mehr nachgewiesen wurde und auch bei den Personen, mit denen sie in der Apotheke und beim Einkauf Kontakt hatte, die Tests negativ ausfielen, schmort die 38jährige weiter hinter Gittern. Einsprüche des Anwalts deswegen verhallten bei Gericht ohne Wirkung. Mehr noch: Obwohl die Frau an einer ärztlich dokumentierten Depressiv-Krankheit leidet, ordnete die Staatsanwaltschaft im Sommer eine Verlängerung der bereits drei Monate währenden Inhaftierung an.

Empörte Bürger wollen Kaution stellen

Für den Anwalt der Inhaftierten ist diese Entscheidung schon eine Art Strafe, da seine Mandantin einen festen Wohnsitz und keine Vorstrafen und nicht die Absicht hat, zu fliehen. Zudem sei sie schon nicht mehr Träger des Corona-Virus. Ihr Aufenthalt in der Freiheit stelle also keine Bedrohung für andere Menschen, erklärte der Anwalt gegenüber polnischen Medien, die sich inzwischen der Sache angenommen haben.

Nachdem der Fall jetzt in der Öffentlichkeit bekannt wurde, haben zahlreiche, von den völlig überzogenen Justiz-Entscheidungen empörte Bürger, Firmen und Sozialvereine ihre Bereitschaft erklärt, Gelder für eine Kaution zugunsten der Inhaftierten zu stellen.

Eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die bereits eine Anklage-Schrift vorbereitet hat, steht dazu noch aus. Der Frau droht bei einem entsprechenden Urteil des Gericht eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis 8 Jahren.

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Allegro – Polens Nr. 1 im online-Handel geht an die Börse

Schluss mit den Spekulationen – Polens größter online-Marktplatz Allegro hat jetzt offiziell seinen Gang an die Börse bekanntgegeben.  Im Vorfeld war spekuliert worden, dass Polens Nr. 1 im Online-Handel seine Aktien an der Börse in Amsterdam platziert. ,,Wir konnten jedoch gar nicht anders als an die Warschauer Börse zu gehen, den Platz, wo die Marke Allegro die größte Anerkennung findet“, sagte Francois Nuyts, CEO von Allegro. In Warschauer Börsenkreisen verbindet sich mit dem Börsengang von Allegro die Erwartung, dass sich der IPO zum größten Börsen-Debüt in der Geschichte der Warschauer Börse entwickelt.

Allegro gilt weltweit unter den ‚Handels-Plattformen als Phänomen. Als lokales Start up gegründet, gehört das polnische Internet-Portal gemessen an der GMV-Kennziffer ((GMV – Gross Merchandising Volume – Gesamtwert der Verkäufe) zu den zehn größten Handels-Plattformen im E-Commerce. Weltweit!
Über die Handels-Plattform von Allegro wurden von Juni 2019 bis Juni 2020 Waren im Wert von 28,4 Mrd. Złoty (rund 6,5 Mrd. Euro) verkauft. Nach eigenen Angaben hat Allegro einen Kundenstamm von 12,3 Mio. aktiven Käufern. 117 000 Firmen bieten auf der Handelsplattform ihre Produkte an. Der Gesamtwert der Verkäufe (GMV) und der Netto-Umsatz stieg im vergangenem Jahr um 25 bzw. 30 Prozent. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung weiter beschleunigt. Im ersten Halbjahr sind die beiden Kennziffern um über 50 Prozent gestiegen, teilte Allegro mit. Entsprechend sei auch das EBITDA-Ergebnis im ersten Halbjahr um 28 Prozent bei Margen von über 45 Prozent gewachsen.

 

Die Legende vom ,,polnischen Internet-Portal“

Allegro verdankt seinen Erfolg seiner frühzeitigen Gründung. Die Plattform wurde bereits 1999 mit 4000 Zloty Stamm-Kapital gegründet (knapp 1000 Euro). Als ebay knapp zehn Jahre später versuchte, auf dem polnischen Markt Fuß zu fassen, war Allegro bereits so weit gefestigt, um den Angriff erfolgreich abzuwehren.

Allegro verdankt seinen Erfolg auch seinem Ruf, ein polnisches Internet-Portal zu sein, was im national-patriotischen Stimmungs-Gefüge der polnischen Verbraucher von großer Bedeutung ist. Allerdings war Allegro nie ein reines polnisches Internet-Portal. Gegründet wurde es vom polnischen Ableger der britischen QXL Ricardo. Als die Umsätze schon über 10 Mrd. Zloty lagen, wurde es von der südafrikanischen Napster-Gruppe übernommen. Die verkaufte wiederum Allegro 2016 für 2,95 Mrd. Euro an ein Konsortium von Fonds-Gesellschaften, darunter der Private Equity Fonds Mid Europa Partners.

Ex-Amazon-Manager an der Spitze von Allegro

An der Spitze von Allegro steht jetzt mit Francois Nuyts ein erfahrener Manager, der früher bei Amazon seine Brötchen verdient hat. Nuyts hatte u.a. Amazon in Südafrika eingeführt und leitende Positionen bei Amazon in Frankreich, Spanien und Italien inne.
Allegro ist auch auf den Märkten der Nachbarländer tätig, hat allerdings dort nicht die Dominanz wie auf dem heimischen polnischen Markt. 2016 startete Allegro auch mit einer Test-Version auf dem deutschen Markt. Polnische Firmen zeigten jedoch wenig Interesse, sich mit ihren Angeboten für deutsche Kunden als polnische Firmen erkennen zu geben und bevorzugen deshalb nach wie vor die Plattformen von Amazon und ebay.
Wie aus den bisher von Allegro übermittelten Informationen hervorgeht, ist im Rahmen des Börsengangs ein Verkauf der Aktien aus dem Bestand der bisherigen Eigentümer sowie eine Neu-Emission geplant, aus der Allegro 1 Mrd. Zloty ziehen will. Das Angebot richtet sich vorrangig an institutionelle Investoren. 5 Prozent des Angebots richtet sich an Klein-Anleger.

Rüsten auf den Kampf mit Amazon

Bereits sich Allegro mit dem Börsengang auf den Eintritt des Internet-Giganten Amazon in den polnischen Markt vor? Amazon hat nach den großen Streik-Aktionen 2014 in Deutschland die ersten Vertriebs-Zentren in Polen errichtet. Inzwischen ist deren Zahl auf über neun gestiegen und nicht nur in den westpolnischen Gebieten, von wo aus vorrangig die Amazon-Kunden in Deutschland bedient werden. Amazon betreibt aber selbst kein eigenständiges polnisches Verkaufs-Portal. Wer sich auf amazon.pl einloggt wird automatisch auf die deutsche Domain umgeleitet, wo die Produktbeschreibungen zum großen Teil maschinell ins Polnische übersetzt sind. Statt in Zloty sind dort die Preise in Euro angegeben. Bis jetzt! Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann der Internet-Riese mit einem eigenständigen Verkaufs-Portal in Polen startet. Für Allegro brechen dann schwere Zeiten an.

© André Jański / infopol.PRESS

Auktionen 2021 sehen neue PV-Anlagen mit 1,7 GW vor

Die Auktionen für den Ankauf von Strom aus Erneuerbaren Energien für das Jahr 2021 sollen neue Anlagen mit einer Kapazität von 2,2 GW hervorbringen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf PV-Anlagen. Dies geht aus dem jetzt vom Klima-Ministerium in Warschau vorbereiteten Gesetzentwurf mit den Vorgaben und Zielstellungen für die nächste Auktionsrunde hervor.
Das Ministerium geht davon aus, dass die neuen Anlagen für den Förder-Zeitraum von 15 Jahren einen Absatz von insgesamt 53,24 TWh Strom für 19,8 Mrd. Złoty ( rund 4,5 Mrd. Euro) sichern. Im Vergleich mit den Auktionen 2020 bedeutet dies tendenziell ein geringeres Stromvolumen, aber zu höheren Preisen. Zum Vergleich: Bei den Auktionen 2020 lag das für den Stromverkauf vorgesehene Gesamt-Volumen aus neuen und bestehenden Anlagen bei 75,3 TWh zum Preis von 27,4 Mrd. Złoty.

Auktionen nur für neue Anlagen

Im Unterschied zu früheren Auktionen betreffen die angegebenen Kapazitäten ausschließlich nur neue Anlagen. Der Verkauf von Strom aus bestehenden Anlagen Erneuerbarer Energiequellen ist in der Vorlage des Klima-Ministeriums für die Auktionen 2021 nicht geplant.

Boom bei PV-Kleinanlagen

Dies ist nicht der einzige Unterschied.  Lag bei den vorjährigen Auktionen der Schwerpunkt bei Onshore-Windprojekten, wird es jetzt bei den Auktionen 2021 zu einem von den Markt-Experten prognostizierten  Trendwechsel kommen.

Den durch das staatliche Zuschuss-Programm ,,Mój Prąd“ (Mein Strom) für kleine Hausanlagen ausgelösten Boom bei der Installation von Solar-Kleinanlagen (bis 1.August 262 000 Anlagen mit 1,7 GW) aufgreifend, setzt das Klima-Ministerium jetzt in seiner gesetzlichen Vorlage für die anstehende Auktionsrunde 2021 auf PV-Anlagen.

Von dem geplanten 2,2 GW—Kapazitätsvolumen sind 1,7 GW für die Installation von Photovoltaik-Anlagen vorgesehen. Diese teilen sich wie folgt auf:
700 MW für Anlagen mit mehr als 1 MW Leistung
♦ 1000 MW für Anlagen von bis zu 1 MW Leistung

300 MW für Onshore-Windanlagen

Für Onshore-Windanlagen ist ein Auktions-Kontingent von 300 MW für Anlagen mit mehr als 1 MW vorgesehen. Der Rest der Auktions-Kontingente entfällt auf Wasserkraft-Anlagen, Biogas-Anlagen (20 MW für große und 10 MW für kleine Anlagen) sowie für die Verbrennung von Biomasse (100 MW für Anlagen mit einer Leistung von 1 MW) .
Die Auktions-Termine für dieses Jahr wurden noch nicht bekanntgegeben, voraussichtlich finden sie aber wieder Ende des Jahres statt.

Wegen Corona-Fristverlängerungen

Im Zusammenhang mit den Folgen der Corona-Pandemie hat das Ministerium darauf aufmerksam gemacht, dass Investoren, die mit ihren Angeboten bei den letzten beiden Auktions-Runden erfolgreich waren und deren Termin-Fristen jetzt durch Zuliefer- oder Anschluss-Probleme gefährdet sind, die Möglichkeit einer Fristverlängerung um 12 Monate eingeräumt wird. Dies betrifft auch die garantierten Preise im Rahmen des feed-in-tarif- und feed –in-premium-Systems. Entsprechend Anträge auf Fristverlängerung sind bei der Energie-Regulierungs-Behörde URE zu stellen. Diese hat bisher bereits die Anträge von 145 Erzeugern auf Fristverlängerung positiv beschieden.

© André Jański / infopol.PRESS