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Franzosen wollen Atomkraftwerke in Polen bauen

Proteste gegen Atomkraft an den Rest-Segmenten des Atomkraftwerks Żarnowiec, dessen Bau in den 80er Jahren nach der Tschernobyl-Katastrophe gestoppt wurde. Foto: PL-Agentur

 

Der französische Energiekonzern EDF hat der polnischen Regierung ein Angebot für den Bau von vier bis sechs Kern-Reaktoren unterbreitet. In dem Angebot wird die Zielstellung betont, eine strategische polnisch-französische Partnerschaft beim Kohle-Ausstieg Polens in Übereinstimmung mit den EU-Klimazielen zu schaffen.

Das Angebot des vom französischen Staat kontrollierten Energiekonzerns Électricité de France (EDF) kommt jetzt nicht zufällig und lässt eine langfristige Strategie erkennen. Ein Tag zuvor hatte Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in einer vielbeachteten Rede die Bedeutung und Entwicklung der Atomkraft beim Erreichen der EU-Energie- und Klimaziele hervorgehoben. Frankreich deckt über 70 Prozent seines Strom-Bedarfs aus 58 Atom-Reaktoren und ist damit der zweitgrößte Atomstrom-Produzent der Welt.

Angebot für EPC-Vertrag für vier bis sechs Atomreaktoren

Das jetzt von dem französischen Konzern unterbreitete Angebot an die polnische Regierung beinhaltet einen schlüsselfertigen EPC-Vertrag für vier bis sechs Atom-Reaktoren mit einer Leistung von 6,6 bis 9,9 GW an zwei bis drei polnischen Standorten. Der EPC-Vertrag (EPC – Engineering, Procurement, Construction) umfasst den Entwurf, die notwendigen Lieferungen und den Aufbau von lokalen Lieferketten, den Bau selbst und die Organisation. In der Bauphase können lokal bis zu 25 000 Arbeitsplätze pro Erzeuger-Blockpaar entstehen, verspricht EDF. Die Investitionskosten werden im Fall von vier Reaktoren mit 33 Mrd. Euro angegeben. Bei sechs Reaktoren mit 9,9 GW würden sie 48,5 Mrd. Euro betragen.
Die Atom-Reaktoren können mindestens 60 Jahre bis zu 40 Prozent des polnischen Strombedarfs decken, heißt es in einer Erklärung von EDF. Atomenergie sei eine ,,sichere, zuverlässige und von Co2-Emissionen freie Energiequelle, die wesentlich zur Erreichung der Kohle-Neutralität beiträgt, die es erlaubt, jährlich bis zu 55 Mio. t Co2 zu vermeiden“, erklärt EDF mit Hinweis auf die EPR-Reaktoren der neuen Generation, auf die sich das französische Angebot stützt.
Allerdings sind die EPR-Druckwasserreaktoren (EPR- „Europäischer Druckwasserreaktor“) bisher in der Praxis keine Erfolgsgeschichte. Die einzigen nach mehrjährigen Verzögerungen in Betrieb befindlichen EPR-Reaktoren befinden sich in China, wo die EPR-Reaktoren unter der Bezeichnung ,,Evolutionary Power Reactor“ laufen. Am französischen Heimat-Standort Flamanville ist der ERP-Reaktor seit seinem Baubeginn 2007 wegen zahlreichen Verzögerungen und Baumängeln immer noch nicht am Netz. Seine Kosten haben sich seitdem vervielfacht. Zum Milliarden-Grab sind auch die zwei ERP-Reaktoren im britischen Kernkraftwerk Hinkley Point geworden. Zur ewigen Baustelle mit extrem gestiegenen Baukosten ist auch das ERP-Projekt im finnischen Olkiluoto generiert.

Für den Ausstieg aus der Kohle setzt die polnische Regierung neben der Entwicklung des Offshore-Windenergiesektors in der Ostsee vor allem auf die Atomenergie. Im aktualisierten Regierungsprogramm für den Energie-Sektor ist dazu der Bau von sechs Kernreaktoren vorgesehen. Der Baubeginn wurde auf das Jahr 2026 gesetzt. Der erste Meiler soll 2033 in Betrieb gehen. Experten halten jedoch die Termine bereits für unrealistisch. Bis jetzt ist noch nicht einmal eine endgültige Standort-Entscheidung getroffen worden. Als mögliche Standorte sind seit langem der Ostsee-Badeort Lubiatowo-Kopalino und das rund 30 Kilometer entfernte Kartoszyno am Żarnowiec-See, wo in den 80er Jahren der Bau des ersten polnischen AKW nach Tschernobyl eingestellt wurde, im Gespräch. Entgegen zahlreicher Falschaussagen in deutschen Medien befinden sich diese Standorte jedoch nicht nur 150 Kilometer von Berlin entfernt. Zuletzt wurden auch Standorte in den Braunkohle-Revieren von Konin und bei Bełchatów in Erwägung gezogen.

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EDF hatte bereits 2015 zusammen mit Areva eine Interessen-Erklärung zur Teilnahme am integrierten Verfahren für den Bau des ersten polnischen Kernkraftwerks abgegeben. Zu den Wettbewerbern in diesem Verfahren gehörten auch Westinghouse, GE Hitachi, Korea Electric Power Corporation sowie der kanadische Konzern SNC-Lavalin.
Die Amerikaner schienen zuletzt favorisiert, nachdem Warschau mit der Trump-Regierung noch im vergangenen Jahr einen 30-Jahre-Vertrag zur Entwicklung des polnischen Atomenergie-Programms unterzeichnet hatten, der eine Finanzierung einschloss. Nach dem Wechsel von Donald Trump auf Joe Biden sind die Beziehungen des PiS-regierten Polens zu Washington jedoch deutlich abgekühlt. Die französische Atom-Lobby hat hier sofort ihre Chancen gewittert. Unmittelbar nach dem Wechsel in Washington wurde im Februar mit Philippe Crouzet ein hoher Vertreter für die Zusammenarbeit mit Polen in der Kernenergie in Warschau bestellt und danach eröffnete die EDF in Warschau ihr Büro. Frankreich will sich mit Polen die führende Rolle bei der Kernenergie in der Europäischen Union teilen, sagte dazu Crouzet der polnischen Nachrichtenagentur PAP.

Forderung nach EU-Geldern für Kernkraftwerke

Im Sommer haben denn auch der französische Präsident Emmanuel Macron gemeinsam mit polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und den Regierungschefs von fünf weiteren EU-Staaten ein Schreiben an die EU-Kommission mit der Forderung aufgesetzt, neue Atomkraftwerke als nachhaltig und förderwürdig einzustufen. Bislang war im EU-Beihilferecht eine direkte Förderung von Atomkraftwerken mit EU-Fördermitteln ausgeschlossen. Macron setzt darauf, die Atomkraft als Co2-freie Energie zum Bestandteil der EU-Klimastrategie zu machen.

Wenn dies gelingt, könnten dann auch Gelder aus Brüssel für die Atomenergie fließen. Polen dürfte dabei als eines der größten EU-Länder ein starker Partner sein. Es ist daher auch kein Zufall, dass zeitgleich mit dem Angebot des vom französischen Staat beherrschten Konzerns EDF das polnische Klima-Ministerium die Forderung nach einer Möglichkeit der Kofinanzierung der Atomenergie mit EU-Geldern erhebt.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS

 

Polnische Milliardäre bauen Atomkraftwerk im Braunkohle-Revier

Foto-Montage: PL-Agentur / PAK Pątnów

Die polnischen Privat-Unternehmer Michał Sołowow und Zygmunt Solorz haben einen Vertrag zur Gründung eines gemeinsamen Unternehmens unterzeichnet, das ein Atomkraftwerk in Pątnów nahe der zentralpolnischen Stadt Konin bauen wird.
Das Atomkraftwerk soll auf der Basis von kleinen modularen Kernreaktoren vom Typ BWRX-300 arbeiten, die von General Electric und Hitachi entwickelt wurden. Dabei handelt es sich um Siedewasser-Reaktoren, die sowohl Strom, wie auch Wärmeenergie erzeugen. In der Planung sind vier bis sechs SMR-Reaktoren mit einer Leistung von jeweils 300 MW.
,,Die globale Erwärmung ist leider ein Fakt. Der Kohle-Ausstieg ist eine Notwendigkeit, die nicht nur aus der Sorge um den Planeten hervorgeht, sondern auch aus den realen Bedürfnissen der Wirtschaft und der Kosten-Effektivität“, sagte der Milliardär Michał Sołowow bei der Vertragsunterzeichnung. Nach seiner Auffassung sei die natürliche Antwort auf diese Krise moderne Atom-Technologien, ,,die sich jedoch stützen auf in der Vergangenheit geprüfte Lösungen. Wenn wir uns weiter im schnellen Tempo entwickeln und eine immer vermögendere Gesellschaft werden wollen, die weitere ausländische Investitionen nach Polen zieht, dann brauchen wir den Zugang zu einer preislich attraktiven Energie“, setzte Sołowow mit Blick auf die Strompreise im polnischen Großhandel hinzu, die inzwischen zu den höchsten in Europa gehören und für die die Unternehmen aufkommen müssen.
Die gemeinsame Unternehmung der Milliardäre Sołowow und Solorz baut auf die Aktiva der Kraftwerks-Gruppe ZE PAK auf. Der von Solorz kontrollierte Energie-Produzent war bisher der zweitgrößte Braunkohle-Verstromer in Polen. Im vergangenen Jahr hatte der Aufsichtsrat der Unternehmensgruppe beschlossen, vorfristig und endgültig aus der Kohle auszusteigen.
Vertragspartner der PAK für das gemeinsame Unternehmen ist die Innovation Impulse GMBH mit Sitz in Wien, deren alleiniger Eigentümer Michał Sołowow ist. An der Unternehmung ist auch die die Argumenol Investment Company Limited mit Sitz in Nicosia und die Synthos Green Energy S.A. mit Sitz in Warschau beteiligt. Auch diese Unternehmen gehören jeweils zu Solorz und Sołowow.
Die beiden Privat-Unternehmer nehmen seit Jahren im Forbes-Ranking der reichsten Polen eine der vordersten Plätze ein. Neben Beteiligungen an Industrie-Unternehmen wie der ZAK-Kraftwerke hatte sich Solorz vor allem mit dem Aufbau der Unternehmensgruppe Polsat Plus in Polen einen Namen gemacht. Zu der Unternehmensgruppe gehören u.a. der private Fernsehsender Polsat und der Betreiber des Mobilfunknetzes Plus.
Zum Firmen-Portfolio von Sołowow gehören dagegen neben Beteiligungen in der Verpackungs- und Immobilienbranche und Investitionen in der Keramik- und der Parkettboden-Industrie (Barlinek) die Synthos-Gruppe, die der größte Hersteller von synthetischen Kautschuk und von aufgeschäumten Polystyrol (EPS) in Europa ist.

Exklusiv-Vertrag mit GE Hitachi Nuclear Energy Americas LLC 

Die Synthos Gruppe hatte bereits 2019 mit der GE Hitachi Nuclear Energy Americas LLC eine Absichtserklärung zur Einführung des Baus von Kernreaktoren vom Typ BWRX-300 in Polen unterzeichnet, der im Sommer vergangenen Jahres eine strategische Kooperations- und Exklusivitätsvereinbarung folgte. In der gemeinsamen Unternehmung kommt der Synthos Green Energy auch die Aufgabe zu, mit der Nationalen Atomenergiebehörde (PAA) Polens den Dialog mit der Zielstellung zu führen, den Bau eines Kernkraftwerks in Polen auf Basis der BWRX-300-Technologie im Zeitraum von 2025 bis 2030 zu ermöglichen.
Größtes Hindernis für die Einhaltung dieses Zeitplanes sind die die notwendigen Zertifizierungs-Verfahrens. Bisher ist die SMR-Technologie in den USA noch nicht zertifiziert. Am schnellsten ist mit einer Zertifizierung in Kanada zu rechnen. Danach müsste aber die Technologie in Europa zertifiziert werden, bevor die polnischen Behörden in die Genehmigungsverfahren einsteigen können.

Staat plant drei Kernkraftwerke

Die ambitionierten Pläne der polnischen Unternehmer bringen auch die Regierung in Warschau in Zugzwang. Seit nunmehr über zehn Jahren wird in Warschauer Regierungskreisen an Analysen, Konzeptionen und Plänen zum Bau des ersten Atomkraftwerks in Polen gearbeitet. Die neueste Version des Atomenergieprogramms der Regierung sieht den Bau von sechs Kernreaktoren mit einer Leistung von 6 bis 9 GW vor, die in 20 Jahren rund 20 bis 25 Prozent der polnischen Energie-Erzeugung sicher stellen sollen.
Als Standorte für die drei Kernkraftwerke wurde die Gegend um Żarnowiec an der Ostseeküste sowie die Braunkohle-Standorte Belchatow und eben auch Pątnów in die engere Auswahl genommen. Entscheidungen und Beschlüsse sind aber bis heute noch nicht getroffen worden. In einer Mitteilung des neuen Unternehmens beeilte sich deshalb der Vorstandschef von ZE PAK, Piotr Woźny, zu erklären: ,,Unsere Pläne stehen nicht in Konkurrenz zu den Plänen des Staates. Die SMR-Kernreaktoren ersetzen nicht die große staatliche Energiewirtschaft. Sie können aber dazu eine großartige Ergänzung darstellen“.

© André Jański / infopol.PRESS