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Minister: Schluss mit ,,Lumpen-Tourismus“ in Kraków

Wie in anderen Tourismus-Hotspots  sind  auch in Kraków die ausländische Touristen von Corona vertrieben worden. Für Krzysztof Mazur ist der Lockdown deshalb ein guter Moment, um über ein neues Tourismus-Leitbild für die Stadt Kraków nachzudenken.

Krzysztof Mazur ist stellvertretender Minister im Entwicklungs-Ministerium. Schon vergangenen Herbst  hatte er bei den Parlamentswahlen  auf sich aufmerksam gemacht,  als er die Auswüchse des Alkohol-Tourismus in Kraków in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes mit der Frage stellte: Kraków – die Hauptstadt des billigen Wodka-Saufens? Diese Schlagzeile eines seiner Wahl-Plakate war illustriert mit einem Foto von nahezu splitternackten Touristen, die sich auf einer der prachtvoll ausgeschmückten Pferde-Droschken, die für Kraków typisch sind, mit sich mit der Flasche in der Hand zur Schau stellten. Im Hintergrund die Fassaden der Altstadt mit den zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden Bauten der Sukiennice, der Tuchhallen, und der Marienkirche, in deren Innern sich der berühmte Hochaltar von Veit Stoß befindet.

Mit diesem ,,Lumpen- und Alkoholtourismus“ muss Schluß sein, forderte jetzt wieder Mazur bei einem Presse-Briefing, bei dem es vor einigen Tagen um die Vorbereitung eines neuen Tourismus-Bildes für die auf das nächste Jahr verschobene Expo-Weltausstellung in Dubai ging. Unter ,,Lumpentourismus“ versteht der Minister dabei die negativen Auswirkungen des Overtourism, unter denen Kraków wie auch andere europäische Städte zu leiden hat.

Seit dem EU-Beitritt 2004 sind die Besucher-Zahlen in der alten Königsstadt kontinuierlich gestiegen.  Im vergangenen Jahr kamen auf die 775 000 Einwohner der Stadt 14,5 Mio. Touristen, teilte die Stadtverwaltung mit. Davon 3,5 Mio. aus dem Ausland. Doch viele von ihnen, die mit den Billigfliegern Ryanair oder Easyjet  in Kraków landeten, hatten mit den Kulturgütern der Stadt wenig im Sinn. Insbesondere im anglo-amerikanischen Sprachraum wurde Kraków als Party-Stadt mit billigen Saufgelagen und wilden Partys angepriesen. Besonders populär bei jungen Engländern die Junggesellen-Abschiedspartys in Kraków.

American Airlines bewirbt Kraków mit der Wodka-Flasche

Nicht nur die Anwohner, auch einheimische Touristen fühlten sich zunehmend von den Saufgelagen in Krakóws historischer Altstadt mit ihren die nationale Identität und Souveränität repräsentierenden Bauten und Symbolen genervt und brüskiert. Als besonders verletzend wurde die Werbekampagne der Fluggesellschaft American Airlines (AA) im vergangenen Jahr empfunden. Bei der Ankündigung ihrer neuen Flugziele präsentierte sich AA-Vizechef Vasu Raja im Werbe-Film mit der Wodka-Flasche  in der Hand und das Flug-Ziel Kraków als Stadt empfehlend, in der man gut mit Freunden Wodka trinken kann.

6mal in der Woche  wollte American Airline von Chicago nach Kraków fliegen. Davon hat man jetzt Abstand genommen. Wegen der  Corona-Pandemie  sei die Nachfrage sehr gering. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben.  American Airlines kündigte jetzt an, im kommenden Frühjahr den Linienverkehr von Chicago nach Kraków aufzunehmen.

Staatlicher Tourismus-Bon soll Impuls für Familien-Tourismus geben

Anstelle seines auf Alkohol gestützten ,,Lumpen-Tourismus“ sollte Kraków an einem Tourismus-Konzept arbeiten, dass sich an Familien mit Kindern orientiert, meint Mazur. Ein Impuls dafür gebe der  von der Regierung vorgeschlagene Tourismus-Bon. Der Tourismus-Bon ist ein Instrument aus dem Programm der PiS-Regierung, mit dem der von der Corona-Pandemie schwer angeschlagenen heimischen Tourismus-Branche wieder auf die Beine geholfen werden soll. Der Bon in Form eines elektronischen Vouchers hat einen Wert von 500 Zloty pro Kind. Mit dem Betrag können ausschließlich nur touristischen Dienstleistungen auf  polnischem Territorium bezahlt werden.

Der Tourismus-Bon, der frühestens Ende Juli ausgeteilt werden soll, hat in der Tourismusbranche, die eigentlich der Adressat dieser Hilfsprogramm sein sollte, ein sehr geteiltes Echo hervorgerufen. Während Hotels und andere Ferieneinrichtungen an der Ostsee und in den Bergen jetzt davon profitieren, sind die Hotels in den Städten praktisch davon ausgeschlossen. Im März und April vollständig geschlossen, hat die Lockerung der Corona-Schutzbestimmungen seit Anfang Mai nur im geringen Maße dazu beigetragen, die Besucher-Frequenz  in den Hotels der großen Städte zu beleben. Dies wird sich auch in der jetzt beginnenden Urlaubs-Hochsaison nicht ändern.

Ausländische Touristen geben viermal mehr aus als einheimische Touristen

Auch über das Ansinnen des Entwicklungs-Ministerium, die Tourismus-Politik stärker auf  den Familien- und Kulturtourismus auszurichten, überwiegt in Branchenkreisen die Skepsis. So verweist die Stadtverwaltung von Kraków darauf, dass eine Auswahl und Segmentierung von Touristen für die Stadt nicht hilfreich sei. Dies belegen allein schon die Höhe der Ausgaben ausländischer Touristen im Jahre 2019. Nach Angaben der Stadtverwaltung geben Touristen aus Irland das meiste Geld Kraków aus  – rund 2000 Złoty am Tag. Polnische Touristen geben dagegen bei ihrem Besuch in Kraków viermal weniger aus – durchschnittlich 500 Złoty pro Tag. Bei solchen Unterschieden ist man schnell wieder bei der Tagesordnung.

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7. Juli 2020