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Milliarden-Streit um Polens modernstes Kohle-Kraftwerk

Foto: Tauron

Ein einmaliger Vorgang im Beziehungs-Geflecht der polnischen Staats-Wirtschaft: Der staatliche Energiekonzern Tauron fordert vom Kraftwerks-Ausrüster Rafako die Rekord-Entschädigungssumme von 1,3 Mrd. Mrd. Złoty. Rafako selbst, dessen Vorstandschef ein ehemaliger Stellvertreter von Regierungschef Mateusz Morawiecki ist, fordert im Gegenzug von Tauron Entschädigungszahlungen in Höhe von über einer halben Milliarde Złoty. Causa des in der Öffentlichkeit erbittert ausgetragenen Streits ist Polens modernstes Steinkohle-Kraftwerk Jaworzno. Seit seiner Inbetriebnahme musste es mehrfach wegen Havarien und technischer Mängel abgeschalten werden.

Der vom Staat kontrollierte Energiekonzern Tauron hatte das neue Kraftwerk Jaworzno als ,,letzte große Investition in die Steinkohle“ Anfang 2021 in den Dauer-Betrieb genommen. Die Investitionskosten beliefen sich auf rund 6 Mrd. Złoty (rund 1,3 Mrd. Euro). Für seinen Bau und die technische Ausrüstung zeichnete der polnische Anlagenbauer Rafako verantwortlich. Mit einem um 80 Prozent geringeren Ausstoß von Schwefeldioxid und ein Drittel weniger Co2- Emissionen ist Jaworzno das modernste Steinkohle-Kraftwerk Polens. Geplant war, dass der Kraftwerks-Block mit einer Leistung von 910 jährlich bis zu 6,5 TWh Strom erzeugt, was den Strombedarf von 2,5 Mio. Privat-Haushalten deckt. Doch gleich nach Aufnahme des Dauerbetriebs kam es zu einer ersten Betriebsstörung. Im Sommer 2021 wurde der Kraftwerks-Block erneut wegen Fehlern abgeschalten. Nach erfolgter Reparatur durch das Konsortium unter Führung des Anlagenbauers Rafako wurde er mit erheblicher Verspätung erst im vergangenen Frühjahr wieder ans Netz gebracht. Im August 2022 stand dann der für die polnische Stromversorgung wichtige Kraftwerks-Block wieder für vier Wochen still.

Energiekonzern Tauron: Konstruktionsfehler beim Kraftwerks-Bau

Zu dem Zeitpunkt wurde der Streit zwischen dem Energiekonzern Tauron und dem Anlagenbauer Rafako bereits in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Seinen vorläufigen Höhepunkt hat er jetzt mit der der Übersendung einer schriftlichen Note der Tauron-Gruppe an den Rafako-Vorstand erreicht. Darin fordert der staatliche Energiekonzern 1,3 Mrd. Złoty (280 Mio. Euro) in Form von Vertragsstrafen und Entschädigungen für die nach seiner Ansicht von Rafako verursachten Konstruktions-Fehler und nicht fachgerechten Arbeiten beim Bau des Kraftwerk-Blocks. Infolge dessen speiste der neue Kraftwerks-Block zeitweise nur zwei Drittel seiner ursprünglich projektierten Leistung in das polnische Stromversorgung-Netz ein.

Foto Rafako Pressematerialien

Die Zahlungs-Aufforderung von 1,3 Mrd. Złoty bedeutet das ,,Todesurteil für Rafako“, kommunizierte dessen Vorstand empört in der Öffentlichkeit. Der Anlagenbauer mit seinen 1000 Beschäftigten sei dadurch gezwungen, Konkurs anzumelden, hieß es zunächst. Dann machte der Rafako-Vorstand selbst eine Rechnung auf. Im Gegenzug forderte der Anlagenbauer vom Energiekonzern die Zahlung von über 600 Mio. Złoty als Entschädigung für den Rufschaden und den Auftragsverlust im Ergebnis des auf sachlich falschen Anschuldigungen aufgebauten öffentlichen Streits.

Rafako: Nicht normgerechte Kohle Ursache für Havarien  

Für den an der Warschauer Börse notierten Anlagenbauer sind die Forderungen von Tauron rechtswidrig und sachlich unbegründet. Nach Einschätzung von Rafako sind die technischen Probleme des Kraftwerks auf den Einsatz von Steinkohle aus unbekannten Herkunftsquellen von zweifelhafter Qualität zurückzuführen, die nicht die Brennstoff-Anforderungen für diese Art von Kraftwerken erfüllt. Tauron wird ein unprofessioneller Betrieb des Kraftwerksblocks vorgeworfen und Rafako daran gehindert zu haben, Inspektionen der Betriebsüberwachung durch Garantietechniker durchzuführen.
In der Erklärung des Rafako-Vorstands wird die Zahlungsforderung von Tauron als Versuch bewertet, die ,,katastrophalen Finanzergebnisse von Tauron“ auf Kosten der Rafako SA zu verbessern und die Verantwortung für die systematische Verschlechterung der Vermögenswerte des Unternehmens, insbesondere des neuen 910-MW-Blocks in Jaworzno, als Folge seines unsachgemäßen Betriebs zu verschleiern“.
An den seit Wochen in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Streit ist besonders bemerkenswert, dass sich hier zwei Unternehmen bekämpfen, die für die Energiesicherheit des Landes einen hohen Stellenwert haben und dabei beiden Unternehmen direkt oder indirekt in das Beziehungs- und Finanzgeflecht staatlicher Entscheidungen eingebunden sind Zwar ist der Anlagenbauer Rafako zwar ein börsennotiertes Unternehmen. Zu seinen Aktionären gehört aber auch der staatliche Entwicklungsfonds PFR.
Bislang ist es zu keiner Verständigung zwischen den beiden zerstrittenen Parteien gekommen. Dreimal hat man sich bisher – für Wirtschaftsangelegenheiten dieser Art ungewöhnlicher weise – am Sitz der Generalstaatanwalts getroffen und ist mit großen Krach wieder auseinandergegangen.
Der Streit um das Kraftwerk, das für das polnische Energieversorgungssystem Schlüssel-Bedeutung hat, ist inzwischen auch zum Thema der innerpolitischen Auseinandersetzung geworden. Donald Tusk, ehemaliger EU-Ratsvorsitzender und Chef der Oppositionspartei PO hat bei einen Treffen mit Gewerkschaftern des Rafako-Unternehmens an Regierungs-Chef Mateusz Morawiecki appelliert, sofortige und eindeutige Maßnahmen zu ergreifen. Aufgabe der Regierenden und der Staatsunternehmen sei es, ,,polnische Unternehmen und die polnische Industrie zu unterstützen und nicht sie zu begraben“.

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