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Foto: Kozeluh/Pixa

Polnischer Kohle-Bergbau – Tanz auf dem Vulkan

Die im Februar von der polnischen Statistik-Behörde gemeldeten Lohn-Daten für Dezember waren für viele polnische Arbeitnehmer ein Schock. Durchschnittlich 17 584 Zloty haben die Kohle-Kumpel im Dezember verdient. Das sind umgerechnet rund 4140 Euro brutto und dreimal mehr als der von der Statistik ermittelte Durchschnittslohn in der polnischen Volkswirtschaft (in Firmen mit mehr als 10 Beschäftigten). Der betrug nur 5604 Zloty (~1320 Euro).

Bei den von der Statistik-Behörde gemeldeten Zahlen sind allerdings die traditionell im polnischen Bergbau im Dezember gezahlten Prämien-Zahlungen zu berücksichtigen. Ohne die würde der Lohn-Unterschied im Kohle-Bergbau zu den Beschäftigten in den anderen Wirtschaftsbranche nur etwa das Doppelte ausmachen.

Berücksichtigt man die Schwere der Arbeit unter Tage und die damit verbundenen Risiko-Faktoren scheint dies auch angemessen. Trotz der hohen Löhne im Kohle-Bergbau, von denen ein Großteil der Beschäftigten in Polen nur träumen kann, herrscht bei den Bergleuten und ihren Gewerkschaften Unzufriedenheit und Kampfes-Stimmung, die die Regierung in Warschau in Unruhe versetzt.

 

Im Unterschied zu ihren Vorgängern mußte sich die PiS-Regierung bislang nicht mit Spannungsherden im oberschlesischen Kohle-Bergbau auseinandersetzen. Dazu trugen die von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Staatspräsident Andrzej Duda mit großen propagandistischen Aufwand inszenierten Reden in Oberschlesien bei. Ihr Tenor: Der Kohle-Bergbau war, ist und wird in den nächsten 100 Jahren das Rückgrat der polnischen Volkswirtschaft bleiben. Jetzt droht aber die Situation zu kippen. Die 13 führenden Gewerkschaften der Polnischen Bergbau-Gruppe PGG – insgesamt sind dort 143 selbständige Gewerkschaften tätig – haben für den 17.Februar einen zweitägigen Warnstreik angekündigt. Eine Woche später soll eine Streik-Urabstimmung erfolgen und für den 28. Februar ist ein Marsch auf Warschau geplant.

Die PGG ist Europas größter Steinkohle-Produzent. Von den insgesamt 129 000 Beschäftigten in der polnischen Kohle-Branche arbeiten rund ein Drittel (42 000) bei der PGG.

Die Vorbereitung zu Streiks und Protesten ist eine Reaktion auf die gescheiterten Verhandlungen mit dem Vorstand der vom Staat kontrollierten Kohle-Gesellschaft. Die Gewerkschaften fordern eine Lohn-Erhöhung um 12 Prozent, die Auszahlung des 14. Monatseinkommens in voller Höhe sowie ein Stopp der Kohle-Importe. Davon aufgeschreckt hat sich Polens mächtigster Mann in der staatlich dirigierten Wirtschaft Vizepremier Jacek Sahin, dem die staatlich kontrollierten Unternehmen des gesamten Energie-Sektors unterstehen, vergangene Woche nach Schlesien aufgemacht, um selbst an den Mediations-Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und PGG-Vorstand teilzunehmen.

Kraftwerk Łaziska. Bergarbeiter blockierten vor einigen Tagen dessen Zufahrten, um die angebliche Verstromung von russischer Kohle zu verhindern. Foto:Tauron/Łaziska.

Vor dem Hintergrund, dass Bergarbeiter bereits zuvor die Zufahrten eines Kraftwerkes im oberschlesischen Łaziska versperrt hatten, weil dort angeblich Kohle aus dem Import statt polnischer Kohle verstromt wurde, versprach der Vizepremier, dass die vier großen, vom Staat kontrollierten Energie-Erzeuger nicht mehr Steinkohle aus dem Ausland importieren werden. Bei den Lohn-Verhandlungen konnten dagegen keine grundsätzlichen Kompromisse erzielt werden, weshalb die Gewerkschaften an ihren Streik-Planungen festhalten.

Der PGG-Vorstand hatte ein verändertes Entlohnungs-Modell vorgeschlagen. Danach sollen Lohn-Erhöhungen in Abhängigkeit von dem Betriebsergebnis und nach Effektivitäts-Kriterien in den einzelnen Bergwerken der PGG erfolgen, gerade weil die Förderproduktivität im Vergleich zu anderen Bergwerksgesellschaften niedrig ist. Schätzungen zufolge betrug sie im vergangenen Jahr 700 t Kohle pro Beschäftigten in der staatlich dominierten PGG. In dem von der privaten tschechischen EPH-Gruppe kontrollierten Bergwerk Silesia betrug sie dagegen rund 1100 t pro Beschäftigten. Und in der an der Warschauer Börse notierten Bergwerksgesellschaft Bogdanka sogar auf dem Niveau von 1600 bis 1800 t pro Mitarbeiter. Die Gewerkschafter der PGG lehnten jedoch den Vorschlag ihres Vorstands entschieden ab. Für sie kommen nur gleichmäßige Lohn-Erhöhungen für die Beschäftigten in allen Bergwerken der PGG in Frage.

Für den PGG-Vorstand ist dies nicht annehmbar. Er steht finanziell mit dem Rücken an der Wand. Die Arbeitskosten bei der PGG machen bereits über 50 Prozent der Gesamtkosten aus, was für polnische Verhältnisse ungewöhnlich hoch ist. Im Jahr 2018, als die Unternehmens-Gewinne wegen der hohen Weltmarkt-Preise für Steinkohl noch sprudelten, schien dies kein Problem zu sein. Inzwischen hat sich die Situation mit dem Absturz der Weltmarkt-Preise für Kohle dramatisch verändert. Während polnische Steinkohle nach drei Quartalen 2019 durchschnittlich über 90 Dollar pro Tonne kostete, sind die Preis-Indizes für Vertrags-Steinkohle in den ARA-Häfen (Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) zum Jahresende auf unter 60 Dollar pro Tonne abhängig von den Güteklasse gesunken. Für die vier großen vom Staat kontrollierten Stromerzeuger-Konzernen ein weiterer Anreiz zum Einsatz von Import-Steinkohle bei der Energie-Gewinnung.

Die polnischen Stromerzeuger hatten bereits bis Ende November schon 14,9 Mio. t Steinkohle aus dem Ausland importiert, die nicht nur billiger, sondern oft auch qualitativ besser als die Kohle aus den polnischen Bergwerken ist. Gleichzeitig sind aber die Kohle-Halden um die polnischen Bergwerke, nicht nur der PGG, bis Ende 2019 auf über 5 Mio. t Steinkohle angewachsen.

Die Regierung hat deshalb Anfang des Jahres die Einrichtung eines zentralen Kohle-Lagers angekündigt, um den Bergwerken den Rücken für den Fortgang ihrer Kohleförderung freizuhalten. Dessen Standort Ostrów Wlkp. liegt in Westpolen, im südöstlichen Teil der Wojewodschaft Wielkopolskie. Seitdem rollen die Kohlezüge nach Ostrów. Bis Ende Januar wurden dort bereits 300 000 t Steinkohle abgeladen, teilte das Ministerium für staatliche Aktivas mit. Weitere 700 000 t sollen folgen.
Die Absatz-Situation des Bergbaus wird noch durch die relativ warmen Wintermonate verschärft. Nach Angaben der Stromnetz-Gesellschaft PSE ist die Strom-Erzeugung aus Steinkohle im Dezember 2019 um 14 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres zurückgegangen.

Mit dem Rückgang des Bedarfs an Steinkohle, den gesunkenen Weltmarktpreisen und deutlich reduzierten Gewinnen bei gleichzeitiger Verpflichtung 2 Mrd. Zloty an Anleihen zurückzuzahlen, steht der Vorstand des Kohlegesellschaft PGG mit dem Rücken an der Wand. Seine Hoffnung richtet sich jetzt darauf, dass die Weltmarkt-Preise für Steinkohle in den nächsten Monaten wieder anziehen. Eine trügerische Hoffnung, denn die Preis-Entwicklung ist nur ein Abbild der ersten Anzeichen einer einsetzenden Energiewende weg von fossilen Brennstoffen . Anders als die Regierung in Warschau, die sich im vergangenem Jahr auf dem EU-Gipfel als einziges EU-Land dem Ziel verschloss , bis zum Jahre 2050 Klima-Neutralität zu erreichen, setzt sich bei immer mehr polnischen Bürgern die Erkenntnis durch, dass es mit dem unrentablen polnischen Bergbau in staatlicher Hand nicht mehr so weitergehen kann. Dies belegt  auch eine Anfang Februar veröffentliche Umfrage von United Surveys. Danach sprachen sich 64 Prozent der Befragten für eine Aufgabe der Energie-Erzeugung auf Kohle-Grundlage aus. Und noch sogar 59 Prozent erklärten ihre Bereitschaft, mehr Geld für Strom auszugeben, wenn er nicht aus Kohle produziert wird.

Für die Regierung in Warschau wäre dies eigentlich ein unterstützendes Argument, den Schalter in der Energiepolitik umzulegen. Doch für die PiS-Regierung gilt das Gleiche, was schon für alle Vorgänger-Regierungen und wohl auch für nachfolgende Regierungen gilt. Sie scheuen es, bei Strafe ihres Untergangs sich mit den mächtigen Kohle-Gewerkschaften und ihren Interessen anzulegen. Ein Beleg dafür ist die drohende Aussage eines Gewerkschafters, dass die Buschbrände und ihre Auswirkungen in Australien nichts im Vergleich zu dem seien, wenn in Polen die Bergarbeiter zum Kampf für ihre Interessen rüsten.

Text: © André Jański / infopol.PRESS