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Tusks Rückkehr als weißer Reiter im angegrauten Gewand

Donald Tusk ist wieder zurück in der polnischen Politik. Zahlreiche Niederlagen hatte seine Partei Bürgerplattform (PO) erlitten, nachdem er 2014 in das Amt des EU-Ratsvorsitzenden wechselte. Seine Rückkehr an die Partei-Spitze wurde auf dem Partei-Konvent am Wochenende wie in der biblischen Offenbarung als der Einzug des Weißen Reiters auf weißen Ross gefeiert, der Polen von der PiS-Partei und ihrem ,,Diktator“ Jarosław Kaczyński befreit. Doch Tusks Wahl zum kommissarischen Partei-Vorsitzenden, der die zerstrittene Opposition vereinen soll, ist selbst in der eigenen Partei, insbesondere bei der jüngeren Generation, nicht unumstritten. Inzwischen sind dort wie im liberalkonservativen Oppositionslager ausserhalb der Partei Persönlichkeiten herangewachsen, deren Popularität im Wahlvolk die von Tusk überstrahlt. Sie setzen auf programmatische Neu-Anfänge. Mit der Rückkehr von Tusk ist jedoch zu erwarten, dass sich der parteipolitische Machtkampf in Polen wieder auf die jahrzehntelange persönliche Feindschaft zwischen Kaczyński und Tusk fokussiert.

Über die Rückkehr von Donald Tusk in die polnische Politik war schon seit langer Zeit spekuliert worden. Tusk selbst hatte bereits 2019 die Gründung einer Bewegung ,,4. Juni“ angekündigt (Am 4.Juni 1989 übernahm die ,,Solidarnosc“ im Rahmen des Runden Tisches teilweise die Regierungs-Macht). Die Bewegung ,,4.Juni” außerhalb der Parteistrukturen, wollte Tusk als gesellschaftliches Rückgrat bei den Wahlen 2019 und den Präsidentschaftswahlen 2020 nutzen. Doch bei kühler Bewertung der politischen Situation und dem Rückhalt der PiS-Partei seines Erzfeindes Kaczynski beim Wahlvolk rückte Donald Tusk von dem Vorhaben ab. Das Risiko, eine vernichtende persönliche Niederlage einzufahren war ihm zu groß.

Bei Wählern unbeliebt gemacht

Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des EU-Ratspräsidenten Ende 2019 erklärte Tusk zur Enttäuschung seiner Parteiführung, dass er nicht bei den Präsidentschaftswahlen 2020 kandidieren werde. ,,Dazu ist eine Kandidatur notwendig, die nicht mit dem Gepäck schwieriger unpopulärer Entscheidungen belastet ist”, sagte Tusk zur Begründung mit Hinweis auf seine Zeit als früherer Ministerpräsident von 2007 bis 2014. In dieser Zeit traf er viele unpopuläre Entscheidungen. Dazu gehörten u.a. die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent, die Anhebung des Renten-Alters und die Zwangsverstaatlichung eines Teils der in den Offenen Rentenfonds OFE angesparten privaten Gelder unter das Kuratel der staatlichen Sozialversicherungs-Anstalt ZUS. Hinzu kamen zahlreiche politische Skandale wie die sogenannte Abhör-Affäre. Seinerzeit hatten Kellner in dem Warschauer Nobel-Restaurant Sowa & Przyjaciele, in dem die Polit-Prominenz ein und aus ging, in den VIP-Logen heimlich Abhörgeräte installiert, um die Privat-Gespräche der Politiker mitzuschneiden.
Einen wesentlichen Baustein für den Niedergang der Tusk-Regierung bildeten dabei die den Medien zugespielten heimlichen Mitschnitte eines Gesprächs zwischen den damaligen Finanzminister Rostowski und dem Außenminister Radoslaw Sikorski, dem eine persönliche Freundschaft mit dem damaligen Bundes-Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier verbindet. Sowohl Rostowski wie auch Sikorski gefielen sich bis dahin aufgrund ihrer Studienabschlüsse und –aufenthalte in Großbritannien und den USA in der Rolle einer aristokratischen Bildungs-Elite. Umso größer war das Entsetzen und die Aufregung in der polnischen Öffentlichkeit, wie sich beide Spitzenpolitiker in den heimlichen Gesprächs-Mitschnitten in einer gewöhnlichen Gossensprache verächtlich über die Normalbürger äußerten, während sie Kaviar und teure Weine auf Staatskosten genossen.

,,Merkel hat der Opposition in Polen das Genick gebrochen“

Donald Tusk befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf Abwegen. 2014 zog er es vor, den Werben von Angela Merkel folgend den lukrativen Posten des EU-Ratspräsidenten anzunehmen und seiner Partei den Rücken zu kehren. Und das vor Beginn des alles entscheidenden Wahlkampfes, der 2015 zum triumphalen Wahlsieges der nationalkonservativen Pis-Partei seines Erzfeindes Jarosław Kaczyński führte. Mit Beginn des Wahlkampfes ihren langjährigen Partei-Chef verlustig geworden, hatte sein Nachfolgerin Ewa Kopacz keine Zeit und keine Chance, die Liberalkonservativen gegen Kaczyńskis nationalkonservative Pis-Partei zu rüsten. Vor diesem Hintergrund fehlte es in Polen auch nicht an Stimmen, dass Merkels Politik 2015 zum Wahlsieg der Kaczyński-Partei beigetragen habe. In Tusks Zeit als Polens Regierungschef bis 2014 war ein gutes Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel entstanden. Seine Abwerbung als Regierungschef und Partei-Vorsitzender unmittelbar vor Beginn des Wahlkampfes und seine von Angela Merkel forcierte Positionierung als EU-Ratspräsident in Brüssel werden dafür als Gründe angegeben. Die Zeitung Rzeczpospolita titelte seinerzeit nach dem Wahlsieg der Kaczyński -Partei ,,Merkel hat der Opposition in Polen das Genick gebrochen“ . Es entbehrt daher auch nicht einer gewissen politischen Ironie, dass zu jenem Zeitpunkt, da Angela Merkel aus dem Amt der Bundeskanzlerin ausscheiden wird, Donald Tusk in die polnische Politik zurückkehrt und wieder die Führung seiner Partei übernimmt.

Junge Oppositionspolitiker wollen programmatischen Neuanfang

Doch die Zeiten haben sich geändert. Tusks Bürgerplattform ist schon längst nicht mehr Polens größte Oppositionskraft. Den Rang hat ihr in Umfragen die im vergangenen Jahr von Szymon Hołownia gegründete zentristische Bewegung ,,Polen 2050“ abgenommen. Hołownia, ehemaliger Redakteur der liberalen Zeitung ,,Gazeta Wyborcza“ und populärer Moderator des privaten Fernsehsender TVN spricht wie Tusks Partei ein ähnliches liberalkonservatives Publikum an, jedoch viel moderner und mit programmatischen Inhalten als Alternative zur PiS-Politik. Seit seiner Neugründung wird seine Partei inzwischen nicht nur von übergelaufenen Vertretern aus der jüngeren Politiker-Generation von Tusk Partei gespeist. Hołownia wird auch eine viel größere Integrationsfähigkeit zugesprochen als Donald Tusk. Dafür spricht auch der im Mai erfolgte Übertritt eines langjährigen und angesehen Politikers von Kaczyńskis PiS-Partei zu Hołownias Oppositionsbewegung.
Für eine Einigung der Opposition gegen Kaczyńskis PiS-Partei zeigt er sich zwar mit Donald Tusk gesprächsbereit. Sein Lager markierte jedoch gleich Distanz, in dem es die Rückkehr von Donald Tusk mit den Worten kommentierte, dass Polens Politik ,,keinen Messias“ brauche.

Selbst im eigenen Lager nicht unumstritten

Warschaus Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski gilt als größter Konkurrent für Donald Tusk in der Führungsrolle der Bürgerplattform. Fotos: Platforma Obywatelska

Ähnliche Worte sind auch von jüngeren Politikern aus Tusk eigener Partei zu hören. So erklärte der PO-Parlamentarier Sterczewski, dass die Partei keinen Patron brauche, ,,der nach langer Zeit aus den Ferien zurückkehrt“. Gegenüber dem privaten Fernseh-Sender Polsat News wies er auch auf Umfragen hin, wonach die ,,Bürger-Plattform mit Donald Tusk zweimal weniger Zuspruch erhalten wird als unter der Führung von Rafał Trzaskowski“
Der 49jährige PO-Politiker Trzaskowski, der 2018 mit einem triumphalen Wahlsieg Warschauer Oberbürgermeister wurde, hatte 2020 bei der Wahl zum Staatspräsidenten mit einem knapp verpassten Wahlsieg gegenüber Amtsinhaber Andrzej Duda zuletzt in der Partei mit seinem Aufstieg zum stellvertretenden Partei-Vorsitzenden Furore gemacht. Noch vor einem Jahr hatte Trzaskowski Donald Tusk als ,,politischen Rentner“ bezeichnet. Vor dem Parteitag am Wochenende hatte Trzaskowski nun öffentlich angekündigt, selbst die Bürgerplattform bei der kommenden Parlaments-Wahl in den Wahlkampf zu führen. Um so schockierter zeigte er sich über das handstreichartige Szenario der Übernahme der PO durch die ,,alte Garde“- Erst wurde Donald Tusk vom Landesrat der Partei zum stellvertretenden Parteivorsitzen gewählt, damit danach der bisherige Parteichef Boris Budka sofort seinen Rücktritt und Donald Tusk zum kommissarischen Parteivorsitzenden erklären konnte.

Der PiS-Partei die Show gestohlen

Diese blitzartige Übernahme verfolgte aber noch einen anderen Zweck. Zur gleichen Zeit tagte vergangenes Wochenende ein PiS-Parteikongress, auf dem der 74jährige Jarosław Kaczyński wieder zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Das zeitliche Zusammentreffen von Tusks Rückkehr in die Politik und Kaczyńskis Wiederwahl markiert damit ein historisches Datum in der polnischen Politik – das Wiederaufflammen eines von tiefster persönlicher Feindschaft zwischen den beiden Männern geprägten Kampfes, der Polens Politik seit fast zwei Jahrzehnten beherrscht und die Gesellschaft polarisiert.
Donald Tusk legte bei seiner ersten Rede am Wochenende auch sofort kämpferisch los. In Polen ,,regiert heute das Böse“ sagte Tusk und meint damit Kaczyński. „Wir gehen aufs Feld, um mit diesem Bösen zu kämpfen“, schwor Tusk seine Partei auf den nächsten Wahlkampf ein.

Abgrundtiefe Feindschaft der politischen Schwergewichte

Tusk und Kaczyński kennen sich bereits seit den 80er Jahren, als Kaczyński für eine Untergrund-Zeitung schrieb, die Tusk herausgab. Nach ersten erfolglosen Versuchen in den 90er Jahren, eigene politische Gruppierungen auf die Beine zu stellen, gründete Jarosław Kaczyński mit seinem Zwillingsbruder Lech 2001 die Partei ,,Recht und Gerechtigkeit (PiS). Donald Tusk selbst, der mit dem Versuch scheiterte, die Führung der liberalen ,,Freiheitsunion“ UW zu übernehmen, gründete daraufhin die ,,Bürgerplattform“ PO. Kaczyńskis und Tusks Partei starteten sogar gemeinsam 2002 als Koalition bei den Kommunalwahlen. Nach dem Sturz der postkommunistischen SLD schien es auch ausgemachte Sache zu sein, dass Tusks Bürgerplattform und Kaczyńskis PiS 2005 eine gemeinsame Regierungskoalition bilden. Nach langwierigen Verhandlungen und angeblich nicht abgesprochener Personal-Entscheidungen trennte sich jedoch der gemeinsame Weg der beiden Politiker.
Das Tuch zwischen ihnen war endgültig zerschnitten, als Donald Tusk bei den Präsidentschaftswahlen 2005 als Gegenkandidat von Lech Kaczyński antrat. Es begann ein schmutziger, von beiden Seiten geführter Wahlkampf. Maßgeblich entscheidend für seinen Ausgang war die von der PiS-Zentrale ausgegrabene Geschichte, dass einer der Großväter von Donald Tusk im Zweiten Weltkrieg in der Uniform der deutschen Wehrmacht diente. Für den Inhalt der Geschichte, mit der Tusk als unpatriotisch diffamiert wurde, war Kaczyńskis ,,Bullterrier“ Jacek Kurski verantwortlich. Der wurde später 2015 mit der Leitung die öffentlichen Medien betraut, um sie in eine PIS-Propagandatube umzuwandeln.
Donald Tusk, der erfolgreich aus dem ersten Wahlgang hervorging, musste sich nach der Veröffentlichung in zweiten entscheidenden Wahlrunde Lech Kaczyński geschlagen geben. Zwei Jahre später revanchierte sich Tusk bei einer Fernseh-Debatte zu den Parlamentswahlen, indem er vor laufenden Kameras Kaczyński unterstellte, ihn bei einem Treffen in den 90er Jahren im polnischen Parlament eine Pistole mit den Worten gezeigt zu haben ,,Dich zu töten ist für mich das Gleiche wie ins Gesicht zu spucken“. Der verdatterte Kaczyński widersprach dem, gab jedoch zu, eine kleine Pistole bei sich getragen zu haben.

Obsessionen statt Programme

Seit dieser Fernseh-Debatte arteten die Auseinandersetzungen zwischen beiden Politikern in offene Feindschafts-Tiraden aus, in die beide politische Lager voll involviert wurden. Nach dem tragischen Flugzeug-Absturz einer Regierungsmaschine in Smolensk, der fast 100 ranghohe Vertreter der Staatsführung in den Tod riss, darunter Staatspräsident Lech Kaczyński, steigerte sich die Feindschaft in Hass. Kaczyński warf Tusk vor, für den Tod seines Zwillingsbruder mit verantwortlich zu sein.
Selbst als Donald Tusk schon in Brüssel war und sich 2017 einer Wiederwahl für eine zweite Amtszeit als EU-Rats-Präsident stellte, verfolgte ihn Kaczyńskis Obsession weiter. 27 der 28 EU-Staaten stimmten seinerzeit für Tusk. Selbst der enge Verbündete der PiS-Parteiführung, Ungarns Regierungschef Viktor Orban stimmte für Tusk. Angetrieben von Kaczyński stimmte Polen als einziger Staat gegen Tusk, obwohl selbst ein Teil der PiS-Politiker sich dafür aussprach, Tusk in Brüssel zu unterstützen.
Bei so viel Emotionen zwischen den beiden verfeindeten Schwergewichten der polnischen Gewicht ist kaum anzunehmen, dass es in Polen in Zukunft im parteipolitischen Kampf um Programme und Inhalte gehen wird. Die beiden Herren werden wieder ihre alte Rolle bis zum finalen Endkampf spielen. Die Mehrheit der Polen ist dessen schon längst überdrüssig geworden.

© André Janski / infopolPRESS

Spanier sollen Hochgeschwindigkeits-Netz für Polen bauen

Die polnische Regierung hat mit Spanien einen Vertrag zum Aufbau eines Bahn-Hochgeschwindigkeitsnetzes in Polen unterzeichnet. Es soll den geplanten Hub-Flughafen CPK als Verkehrsknotenpunkt für die Verkehrsträger Luftverkehr, Bahn und Straße in Zentralpolen mit allen Landesteilen verbinden.

Der in Anwesenheit von Regierungschef Mateusz Morawiecki unterzeichnete Vertrag zwischen den Verkehrs-Ministerien beider Länder sieht eine Einbindung Spaniens und seiner Industrie beim Aufbau eines Bahn-Hochgeschwindigkeitsnetzes in Polen vor. Wie die staatliche Gesellschaft für den Bau des Zentralflughafens CPK mitteilt, beinhaltet ihr Bahn-Programm 12 neue Bahntrassen mit knapp 1800 Kilometern, von denen zehn in ,,Speichen“ aus allen Landesteilen zum Zentralflughafen und nach Warschau führen.

Der jetzt unterzeichnete Vertrag biete eine einzigartigen Gelegenheit, die 30jährigen Erfahrungen von Spanien bei der Entwicklung eines Bahn-Hochgeschwindigkeits-Netzes zu nutzen und gleichzeitig die Auswahl-Möglichkeit der besten technologischen Möglichkeiten  bei Hochgeschwindigkeitsnetzen in Europa zu erweitern, heißt es in der Mitteilung der staatlichen CPK-Gesellschaft.

Spanien hat mit über 2700 Kilometer Länge das längste Bahn-Hochgeschwindigkeits-Netz in Europa und  nach China das zweitlängste Netz der Welt. In dem von der spanischen Eisenbahngesellschaft Renfe betriebenen Netz sind Antriebs-Züge u.a. von Alstom, Siemens und vor vom spanischen Bahn-Konzern Talgo mit Geschwindigkeiten zwischen 300 km/h und 350 km/h im Einsatz.

Von solchen Geschwindigkeiten ist man in Polen weit entfernt.  Bereits 2014 hatte die PKP Intercity 20 Pendolino-Hochgeschwindigkeitszüge für 665 Mio. Euro gekauft und in den Dienst gestellt.  Schon damals hatten Kritiker in Polen die Anschaffung als kostspieliges

Prestige-Spielzeug kritisiert, weil das desolate polnische Bahn–und Schienennetz überhaupt nicht Fahrt-Geschwindigkeiten von 250 km/h zulässt. Bis heute können die Pendolino-Hochgeschwindigkeitszüge nur auf zwei Bahntrassen in Polen Fahrtgeschwindigkeiten bis max. 200 km/h aufnehmen.

Bis 2034 soll nun der in Baranów (knapp 40 Kilometer westlich von Warschau) geplante Zentralflugflughafen als zentraler Knotenpunkt des Bahn-Hochgeschwindigkeits-Netzes entwickelt werden. Der Flughafen CPK selbst soll schon 2027 seinen regulären Flugbetrieb aufnehmen. Als Hub-Flughafen bzw. Luftfahrt-Drehkreuz konzipiert, weicht er von dem seit dem EU-Beitritt Polens 2004 praktizierten dezentralisierten Modell der Regional-Flughäfen ab. Vor Beginn der Corona-Krise entfielen dabei über 60 Prozent des polnischen Luftverkehrs auf die 13 Regional-Flughäfen.

Foto CPK – Modell

Den Wendepunkt setzte der Denker und Lenker“ des von der nationalkonservativen PiS-Partei beherrschten Staats-Systems Jarosław Kaczyński. Auf einer regionalen Partei-Konferenz im Frühjahr 2017 erklärte Kaczyński vor Partei-Funktionären, dass für Polen ein großer internationaler Flughafen notwendig sei. ,,Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass wir nur ein Land sind, in dem unsere Flughäfen nur der Anfang eines Weges zu anderen großen Flughäfen sind wie den in Frankfurt“, erklärte seinerzeit der PiS-Partei-Chef. Ein solch großes Land wie Polen brauche einen Groß-Flughafen, der sich mit denen in London oder Paris messen lasse.

Seit den Vorgaben von Kaczyński werden die Vorbereitungs- und Planungsarbeiten für den neuen Flughafen vorangetrieben. Vergangenen Dezember wurden die ersten Grundstücke für den Groß-Flughafen, der auf 3000 Hektar angelegt wird, aufgekauft . Zeitgleich wurde mit der südkoreanischen Incheon International Airport Corporation ein Vertrag als strategischen Berater für den Bau des Zentralflughafens CPK unterzeichnet.

Das von der polnische Regierung beschlossene Investitionsprogramm sieht für den 1. Abschnitt bis zum Jahre 2023 die die Bereitstellung von 12,8 Mrd. Złoty (knapp 3 Mrd. Euro) für den CPK-Flughafen vor. Die Gelder sollen über die Ausgabe von staatlichen Schuldverschreibungen gesichert werden. Für 2023 ist nach Abschluss aller Feststellungs- und Genehmigungsverfahren der erste Spatenstich für den Flughafenbau geplant.

Laut den Regierungsbeschlüssen soll der neue Flughafen bereits 2027 in Betrieb gehen, was von Branchen-Experten angesichts der Dimensionen des geplanten Airports und des Umfangs der Planungs- und Genehmigungsverfahren als illusorisch gewertet wird.

Seine geschätzten Investitionskosten belaufen sich auf über 30 Mrd. Złoty (rund 7 Mrd. Euro).

Auf dem Flughafen sollen einmal bis zu 50 Mio. Passagiere abgefertigt werden. Diese Kalkulation baut noch auf Prognosen von einem kontinuierlichen Wachstum des Flugverkehrs  aus der Zeit vor der Corona-Krise auf, als es noch keine Überlegungen zu regulatorischen Beschränkungen des Billig-Flugverkehrs aus Gründen des Klimaschutzes gab.

© André Jański / infopol.PRESS

Gericht stoppt Orlen-Kauf der deutschen Polska Press

Noch ist Polens Justiz-System nicht völlig der Regierungs-Allmacht unterworfen – Das Bezirks-Gericht Warschau hat jetzt den Genehmigungs-Beschluss des Präsidenten des polnischen Kartellamtes zur Übernahme des Verlagshauses Polska Press durch den Mineralölkonzern PKN Orlen blockiert.

Mit seinem Urteil folgt die XVII.Kammer des Gerichts dem Antrag von Polens Beauftragten für Bürger-Rechte Adam Bodnar, dass die Transaktion gegen den von der Verfassung garantierten Grundsatz der Meinungs-Freiheit verstossen könne. Nach Auffassung des Beauftragten für Bürgerrechte habe der Präsident des Kartellamtes bei seiner Genehmigung für die Übernahme von Polska Press es an einer genauen Analyse der Eigentums-Verhältnisse fehlen lassen, indem er nur auf den Anzeigen-Markt und das Marketing berücksichtigt habe. Der Presse-Markt und damit die Meinungsfreiheit sei dagegen umgangen worden.
Wie das Büro des Beauftragten für Bürgerrechte mitteilt, bedeutet die Gerichtsentscheidung de facto ein Stopp der Übernahme der Eigentumsrechte an Polska Press durch den Mineralölkonzern PKN Orlen.

Polska Press ist ein durch die deutsche Verlagsgruppe in Passau geschaffener Medien-Konzern, der 20 von 24 Regionalzeitungen in Polen umfasst. Um die Regionalzeitungen gruppierten die Niederbayern ein Arsenal an Anzeigen-Zeitungen, lokalen und regionalen Wochenzeitungen sowie Sparten-Blätter auf lokaler und regionaler Ebene. Insgesamt 170 Titel umfasst das Sortiment der Polska Press. Ergänzt werden diese mit zahlreichen Online-Portalen.

Vergangenen Dezember hatten die Niederbayern das polnische Verlagshaus an den vom Staat kontrollierten Mineralölkonzern PKN Orlen vorbehaltlich der Genehmigung durch die Kartellbehörde verkauft. Diese Genehmigung hatte die polnische Kartellbehörde im Februar erteilt.
Polnische Medien-Experten und die Opposition übten scharfe Kritik an der Übernahme der Polska Press durch den vom Staat kontrollierten Mineralölkonzern PK Orlen. Sie befürchten, dass die von der Passauer Verlagsgruppe verkauften Medien zu einem weiteren Sprachrohr der PiS-Propaganda werden. Wie berechtigt die Befürchtungen sind, belegte die Lobes-Hymne, die der PiS-Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński nach den Kauf von Polska Press auf den Orlen-Vorstandschef Daniel Obajtek anstimmte, der mit der Übernahme eine von Kaczyński vorgegebene Zielstellung erfüllt hatte.
Seit ihrer Machtübernahme 2015 versucht die PiS-Partei, die Kontrolle über private unabhängige Medien, die sich als Hüter der Demokratie begreifen und kritisch das politische System hinterfragen. zu bekommen. Da auch die Einflussnahme auf die Medien mit gesetzlich restriktiven Regelungen wenig Chance auf Erfolg versprachen, hatte PiS-Parteichef Kaczyński im vergangenen Frühjahr die Linie ausgegeben, Änderungen im Medienmarkt auf ,,eine zivilisierte Weise“ vorzunehmen. Konkret heißt das, Unternehmen, die vom Staat und damit von der Regierungspartei kontrolliert werden, sollen private Medien kaufen. Der Mineralölkonzern PKN Orlen, dessen Kerngeschäft die Erdölverarbeitung und der Mineralölvertrieb in seinen knapp 3000 Tankstellen in Polen und im Ausland (darunterrund 600 Tankstellen in Deutschland) ist, war als finanzkräftigster Konzern unter staatlicher Kontrolle dafür der ideale Kandidat. An seiner Spitze steht Daniel Obajtek, der vor 2015 als erfolgreicher Wählkämpfer die Aufmerksamkeit der PiS-Parteiführung auf sich zog und nach dem Regierungswechsel vom Ortsvorsteher einer kleinen Gemeinde in Südpolen trotz großer Bildungs-Defizite auf den Vorstandssessel von Polens größten Konzern unter staatlicher Kontrolle gehievt wurde.

Politische Vetternwirtschaft im Staatskonzern

Siehe auch: Kaczyńskis Goldener Reiter mit schmutziger Weste

Der Kritik, dass es bei der Entscheidung zum Kauf von Polska Press nur um den Einfluss der Regierung auf die Medien geht, hat Obajtek bisher immer zurückgewiesen. Auch auf das jetzt erlassene Urteil des Gerichts in Warschau gab er die Erklärung ab, dass es dafür keine rechtlichen Grundlagen gebe. Vom Gericht heißt es dagegen in einer lakonischen Erklärung, dass seine Entscheidung ,,nicht Klagbar“ ist. Damit wird es keine Übernahme von Polska Press durch PKN Orlen geben, solange nicht die gesamte Verhandlung in dieser Angelegenheit zum Abschluß gekommen ist.  Unter Berufung auf Rechts-Experten berichten polnische Medien, dass man sich jetzt auf eine ,,langwierige Gerichts-Schlacht“ einstellen muss.

© André Jański / infopol.PRESS

Polnische Medien der Niederbayern unter PiS-Kontrolle

,,Strategische Gründe“ hat Alexander Dieckmann, geschäftsführende Gesellschafter der Verlagsgruppe in Passau für den Verkauf seiner Tochter Polska Press an den polnischen Mineralölkonzern PKN Orlen vorgeschoben. Für den stellvertretenden Staats-Minister ist der Verkauf der Niederbayern an PKN Orlen ,,reines kaufmännisches Geschäft“. Für polnische Medien-Experten ist es dagegen einer der schwärzesten Tage in der polnischen Medien-Geschichte: Der Staat übernimmt einen bedeutenden Teil der privaten Medien. Nachdem das öffentliche Fernsehen TVP bereits zum PiS- Propagandasender verkommen ist, wird befürchtet, dass PKN Orlen mit der Kontrolle über die von der Passauer Verlagsgruppe verkauften Medien zu einem weiteren Sprachrohr der PiS-Propaganda wird.

Der Aufbau ihrer polnischen Verlagsgruppe begannen die Niederbayern in vertrauter Umgebung – im Vorgebirgsland mit der Übernahme des ,,Dziennik Polski“ in Kraków. Danach wurde schrittweise eine Regionalzeitung nach der anderen in Polen übernommen. Insgesamt 20 von 24, also nahezu die gesamte polnische Regionalpresse. Die Passauer gruppierten um die Regionalzeitungen das aus der Hoch-Zeit deutscher Printmedien bekannte Arsenal an Publikationen: Anzeigen-Zeitungen, lokale und regionale Wochenzeitungen, Sparten-Blätter auf lokaler und regionaler Ebene. Insgesamt 170 Titel umfasst das Sortiment der Polska Press. Ergänzt werden diese mit zahlreichen Online-Portalen. Laut Mediapanel nimmt Polska Press mit seinen Internet-Servicediensten den 9. Platz im polnischen Internet ein. ,,Dank der Transaktion bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Nutzern dieser Portale“ jubiliert denn auch der Vorstandschef von PKN Orlen.

Über den Verkaufspreis machen sowohl die Niederbayern wie PKN keine Angaben. Nach Informationen des Wirtschaftsblattes Puls Biznesu soll es aber rund 100 Mio. Złoty sein , was umgerechnet weniger als 25 Mio. Euro sind. Sollte dieser Verkaufspreis stimmen, fällt er relativ niedrig aus. Zum Vergleich: die Hamburger Bauer Media-Group hat in diesem Jahr für den Verkauf ihres Internet-Portals Interia (täglich 7,5 Mio. User) einen Verkaufspreis von 422 Mio. Złoty ausgehandelt. Anders als die Niederbayern hatten die Norddeutschen ihr Portal nicht an einem staatlich kontrollierten Konzern, sondern an die private polnische Unternehmensgruppe Polkomtel verkauft, die auch Eigentümer des privaten Fernsehsenders Polsat ist.

Bei den polnischen Regionalzeitungen zeigten sich schnell die gleichen Problemen, die auch die deutsche Printpresse kennt. Die Generationen unter 40 Jahre informieren sich kaum noch über die Print-Zeitungen. Dies hat sich auch in den Ergebnissen niedergeschlagen. Polska Press verzeichnete im vergangenen Jahr nach Angaben des Wirtschafts-Auskunftei Bisnode einen Rückgang der Verkaufseinnahmen um 6,5 Prozent auf 398 Mio. Zloty. Dabei verringerte sich der Verkauf der Zeitungen um knapp 9 Prozent, der Anzeigen-Verkauf um 4,9 Prozent. Die durchschnittliche Tages-Auflage betrug laut der Presse-Vertriebskontrolle ZKPD im ersten Halbjahr 150 000 – bei 20 Regionalzeitungen!

,,Deutsche Propaganda“ mit der Regionalpresse?

Die jetzt mit dem Mineralölkonzern vollzogene Transaktion zeichnete sich bereits zu Jahresanfang an. Im Februar wurde mit dem Anzeigen-Portal gratka.pl das ,,Paradepferd“ an die Ringier Axel Springer AG verkauft. Mit der Veröffentlichung von durchschnittlich 760 000 Anzeigen im Monat (Stand 2019) ist gratka.pl eines der größten und populärsten Anzeigen-Portale im polnischen Internet..
Zu der Zeit arbeitete die PiS-Partei bereits an einem Gesetz zur Entflechtung und zur sogenannten ,,Repolonisierung“ des Medienmarktes. Das polnische Verlagsimperium der Passauer mit der Regionalpresse als ,,Instrument, mit denen die Deutschen Propaganda betreiben“ bot dazu eine gute Vorlage. Tatsächlich geht es der PiS-Partei seit ihrer Machtübernahme 2015 um die Kontrolle über private unabhängig Medien, die sich als Hüter der Demokratie begreifen und kritisch das politische System hinterfragen. Der PiS waren hier ganz andere Medien ein Dorn im Auge wie z.B die überregionale Tageszeitung ,,Gazeta Wyborcza“ , das Nachrichtenportal ,,onet“ oder der private Fernsehsender TVN, der den von der PiS-Partei vereinnahmten öffentlichen Fernsehen TVP eine kritische Berichterstattung entgegensetzte. Die ideologischen Angriffe auf TVN und die Versuche der Einflußnahme scheiterten jedoch an der US-amerikanischen Botschaft in Warschau und ihrer Chefin Georgiette Mosbacher, eine Vertraute vom scheidenden US-Präsident Donald Trump. Der Fernsehsender TVN gehört zum amerikanischen Discovery-Konzern. Und amerikanische Interessen wahrzunehmen heißt in dem Fall sich für die Meinungsfreiheit in Polen einzusetzen. Die von der US-Botschafterin ausgesprochenen Drohungen beerdigten die Träume der Pis-Führung.

Da auch die Einflussnahme auf die Medien mit gesetzlich restriktiven Regelungen wenig Chance auf Erfolg versprachen, kam die PiS auf eine neue Idee. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński gab im Frühjahr vor, Änderungen im Medienmarkt auf ,,eine zivilisierte Weise“ vorzunehmen. Konkret heißt das, Unternehmen, die vom Staat und damit von der PiS-Partei kontrolliert werden, sollen private Medien kaufen.

 

Der Mineralölkonzern PKN Orlen, der jetzt mit der Passauer Verlagsgruppe den Kaufvertrag abschloss, ist nicht nur eines der weit über 500 Unternehmen, die vom Staat kontrolliert werden. Mit einem Umsatz von 111 Mrd. Złoty und einem Nettogewinn von 4,49 Mrd. Złoty (Stand 2019) ist er auch der finanzkräftigste Konzern in Polen. Sein Kerngeschäft ruht auf die Erdölverarbeitung in seinen Raffinerien in Polen und Litauen und dem Mineralölvertrieb in seinen 2836 Tankstellen, davon 1800 in Polen und weiteren mehr als 1000 Tankstellen in den Nachbarländern, wobei das Vertriebsnetz in Deutschland mit 585 Tankstellen (Star/PKN Orlen) das größte im Ausland ist.

Foto: PL-Agentur

PKN-Chef Vertrauter von Kaczyński

Geführt wird der Konzern von Daniel Obajtek. Vor mehr 5 Jahren war er noch Vorsteher einer kleinen Gemeinde in Südpolen. Mit der Art und Weise seines erfolgreich geführten Wahlkampfes für die PiS-Partei wärmte er das Herz ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński. Nach der Übernahme der Regierungs-Gewalt hievte die PiS-Führung Obajtek sofort auf den Chef-Posten der staatlichen Landwirtschafts-Agentur. Den Posten übte er zwar nur für kurze Zeit aus. Konsequent erfüllte er dabei jedoch die ihm von Kaczyński zugedachte Aufgabe als ,,politischer Kommissar“ gründlich eine personelle Reinigung der Agentur vorzunehmen. 1600 Mitarbeiter der von der Vorgänger-Regierung eingesetzten Mitarbeiter mussten gehen. Unmittelbar danach wurde Obajtek mit der Führungs-Position beim nordpolnischen Stromversorger Energa betraut. Auch hier war er nur kurze Zeit tätig. Diese reichte jedoch aus, um sich Branchenkreisen der Erneuerbaren Energien den Ruf als einer der ,,Totengräber der Windenergie” in Polen zu erarbeiten.

Daniel Obajtek – Vom Ortsvorsteher zum Konzern-Chef

Ungeachtet dessen, dass Obajtek nur einen Studienabschluss für Arbeitshygiene und Arbeitsschutz an einer polnischen Provinzschule hat, wurde er 2018 von der PiS-Führung mit dem Vorstandsposten bei Polens größten Konzern PKN Orlen betraut. PKN Orlen soll zu einem Multi-Energiekonzern auf internationalen Spitzen-Niveau entwickelt werden, so das von Obajtek verkündete Rezept. Wirtschaftsexten rieben sich jedoch verwundert die Augen, als PKN Orlen vor einigen Monaten den hochverschuldeten Kiosk-Betreiber Ruch mit seinem Pressevertrieb kaufte. Die Übernahme von Ruch schreibt sich in „unsere strategischen Pläne zur Entwicklung eines Einzelhandels-Netzes ein”, entgegnete Obajtek auf die Frage, was die Übernahme eines Presse-Vertrieb den Mineralölkonzern bringen soll. In Verbindung mit dem jetzt vereinbarten Kauf von Polska Press nimmt das dahinter stehende politische Konzept immer stärkere Konturen an.
Dass es um den Einfluss der Regierung auf die Medien geht, weist Obajtek zurück. Der Kauf von Polska Press sei rein wirtschaftlicher Natur.
Die politische Opposition in Polen sieht das anders. Sie sieht Parallelen zum russischen Staatskonzern Gazprom, der auch zahlreiche Medien unter seine Kontrolle gebracht hat. Der Verfassungsrechtler und Beauftragten für Bürgerrechte Adam Bodnar wertet die Kauf-Entscheidung als historischen Moment. Das PiS-Regierungslager sei in die Fußspuren von Victor Orban in Ungarn getreten. ,,Nach der vollen Kontrolle über die staatlichen Medien kommt jetzt die Aufsicht über die regionale Presse“, sagte er dem onet-Nachrichtenprotal. Der polnische Journalistenverband hat sich unterdessen mit einem Appell an die bei Polska Press arbeitenden Journalisten gewandt. Darin heißt es u.a.: ,,Ihr werdet jetzt eine weitere Stimme der Nowogrodzka (Sitz der PiS-Parteizentrale –d.R.) Diejenigen von Euch, die sich dem nicht unterordnen, müssen gehen. Eure Chefs werden schon bewährte Propagandisten aus den `öffentlichen Lokal-Medien“, die Euch die Ziele und Gegner vorgeben“.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS

TBM-Bohrer aus China für Tunnel-Bau auf Insel Usedom

Knapp 2 Monate war er aus dem chinesischen Nansha unterwegs. In 129 Einzelteilen zerlegt, wurde er jetzt auf Kai 87 im Hafen von Swinemünde (Świnoujście) ausgeladen. Wenn er nach seinem Zusammenbau auf über 100 Meter Länge seine Arbeit aufnimmt, kommt die Insel Usedom ,,in Fahrt“.

Und für die Einwohner von Swinemünde beginnt sich ein jahrzehnterlanger Traum zu erfüllen.
Die in China produzierte und jetzt im Hafen ausgeladene TMB-Maschine (TMP Tunnel Boring Machine) wurde speziell für die Bohrung und Bau des Strassen-Tunnels unter der Swine (Świna) in China gebaut. Zusammengebaut ergibt sie eine Länge von über 100 Meter. Das Vortriebsschild hat einen Durchmesser von über 13 Metern. Nach ihrem Zusammenbau wird die Bohrmaschine ab März ihre Arbeit beginnen. Gegenwärtig wird auf der östlichsten Seite der Insel Usedom eine 120 Meter lange und 20 Meter breite Startkammer gebaut, von der der Tunnelbau unter der Swine vorgetrieben wird.

Fotos: UM Świnoujście / SWECO

Die Swine ist ein Meeres-Arm der Ostsee, der die Insel Usedom vom polnischen Festland trennt. Seit Jahrzehnten war der Zugang von der polnischen Seite (Wolin) zur Insel Usedom nur mit Fähren über die Swine möglich. Dabei gab es bereits in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts erste Planungen für einen Tunnelbau. Nach dem Krieg, als aus Swinemünde Świnoujście wurde, nahm man sich in Polen ab Ende der 50er Jahre erstmals der alten Pläne an. Unter Partei-Chef Edward Gierek wurde 1973 sogar eine Konzeption zum Tunnel-Bau ausgeschrieben. Dabei blieb es jedoch. Es fehlte jedoch nicht nur das Geld. Auch die Sowjets, die die alten Festungsanlagen und den ehemaligen Marine-Stützpunkt der deutschen Kriegsmarine für ihre Militärbasen in und um Świnoujście nutzten, waren gegen den Tunnelbau.

Fährbetrieb zum ,,Kaiserbad” mit Touristen-Warteschlangen

Anstelle des Tunnels wurden Auto-Fähren in den Dienst gestellt, die bis heute in regelmäßigen Abständen über den Ostseearm shippern und Świnoujście mit der Halbinsel Wolin und dem polnischen Festland verbinden. Was noch bis Ende der 90er Jahre ausreichend war und in der Urlaubszeit an den am Ausgang eines Waldstücks gelegenen Anlegestellen bei den auf die Fähre wartenden Urlaubsgästen für eine beschauliche, entspannte Atmosphäre sorgte, wurde spätestens seit dem Beitritt Polens zur EU zu einem nervenden Geduldsspiel. Seitdem ist die Zahl der Touristen kontinuierlich angestiegen, begleitet von dem Bemühen, den verblichenen Glanz des alten ,,Kaiserbades Swinemünde” aufzupolieren und es seinen Pendants auf der deutschen Seite – Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin – gleichzutun. In Świnoujście sind seitdem zahlreiche neue Hotels und Ferien-Anlagen gebaut worden, die vom gigantischen Beton-Palast des Baltic Parks überragt werden. Mit der ständig wachsenden Zahl der Touristen, die nach Świnoujście kommen, wurden auch die Warteschlangen vor den Anlegestellen der Fähren immer länger. In der Hoch-Saison und an Wochenenden und Feiertagen steht der Fährbetrieb kurz vor dem Kollaps.

Stärkung des Wirtschaftsstandortes auf der Urlauber-Insel

Dabei hatte schon 2007 die Regierung der Partei „Recht und Gerechtigkeit” (PiS) in ihrer ersten Amtszeit unter Jarosław Kaczyński mit der Stadtverwaltung von Świnoujście eine Vereinbarung zum Tunnelbau unterzeichnet. Dem PiS-Parteichef, der selbst auf einer kleiner benachbarten Natur-Insel ein privates Angel-Domizil hat, ging es jedoch nicht nur um die Touristenströme. Mit dem Tunnelbau soll auch die feste Verbindung von Świnoujście zum polnischen Mutterland symbolisiert und seine Bedeutung als Wirtschafts-Standort gestärkt werden. Als dann gut zehn Jahre später endlich der Vertrag über den Tunnelbau unterschrieben wurde, erklärte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ganz im Sinne seines Parteichefs, dass durch den Bau des Tunnels auf der Insel Usedom wieder die symbolische ,,Zusammenlegung Polens” erfolgt. ,,Mit dieser Investition zeigen wir auch, wozu Polen fähig ist”. Dass 85 Prozent der Kosten für den Tunnelbau mit EU-Geldern finanziert werden, ließ er nahezu unter den Tisch fallen.

Bau der Start-Kammer

Insgesamt sind die Kosten für den Tunnelbau mit 912 Mio. Złoty veranschlagt. 775 Mio. kommen von der EU. Gebaut wird der Tunnel vom österreichischen Baukonzern Porr im Konsortium mit der türkischen Gülermak, die auch am Ausbau der Warschauer U-Bahntunnel (Metro) beteiligt ist. Projekt-Ingenieur für den Tunnelbau sind die SWECO und Lafrentz.
Das gesamte Tunnel-Projekt hat eine Länge von 3,4 Kilometer. Davon werden 1,48 Kilometer im TBM-Verfahren 10 Meter unter der Sohle des Ostseearmes vorangetrieben, der an dieser Stelle eine Tiefe von 13,5 Meter hat.

Die beiden Fahrbahnen werden nach dem Ausbau in beide Richtungen in einer Röhre durchgeführt. Die Durchlass-Fähigkeit ist auf 15 500 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt. Wenn alles gut geht, dann kann zum geplanten Fertigstellungs-Termin ab September 2022 die Blech-Lawine aus östlicher Richtung auf und von der Insel Usedom rollen.

© Andreas Höfer /infopol.PRESS

PiS-Parteichef Kaczyński – Vom Tierfreund zum Tierschützer

Es gehört im politischen Leben Polens zu den Ereignissen mit Seltenheits-Wert, wenn Amnesty International oder linke Gruppierungen sich hinter eine vom Chef der nationalkonservativen PiS-Partei, Jarosław Kaczyński persönlich ausgelösten Initiative stellen. Der hatte einen Gesetzentwurf für einen verbesserten Tierschutz in Polen vorgestellt und für einen umfassenden Umbau des Rechtssystems für den Tierschutz in Polen geworben. Im Kern sehen diese Regelungen ein Verbot der Pelztierhaltung für kommerzielle Zwecke, Beschränkungen für die rituelle Schlachtung von Tieren, eine Verschärfung der Kontroll-Tätigkeit der Sanitär-Behörden, erweiterte Zugangs-Möglichkeiten von Tierschutz-Organisationen zu privaten Grundstücken sowie höhere Strafen bei nicht artgerechter Tierhaltung vor. Auch das Chipsen von Hunden war angedacht.

Kaczyński appelliert bei Tik Tok an ,,alle guten Menschen“

Ungewöhnlich auch der Auftritt von Kaczyński im chinesischen Social-Networkdienst Tik Tok (in den USA gerade auf den Index gesetzt), wo er an ,,alle guten Menschen in Polen“ appellierte, gegen Tierquälerei und zum Wohle der Tiere einzutreten. Den Auftritt des 71jährigen Politikers im dunklen Anzug und Schlips in der gerade bei Jugendlichen populären App Tik Tok als Anbiederungs-Versuch bei einem jüngeren Wählerpublikum im urbanen Milieu zu werten, wäre zu kurz gegriffen. Tatsächlich gilt Jarosław Kaczyński als ausgesprochener Tierfreund. Neben seiner Lieblings-Katze Fiora hält er inzwischen weitere Katzen in seinem Single-Haushalt.

Foto: Otwarte klatki

Auslöser für die von Kaczyński inszenierte Gesetz-Initiative war ein vom Nachrichten-Portal onet veröffentlichten Film über die Mißstände in eine der größten polnischen Nerz-Farmen in Góreczki bei Krotoszyn (Wielkopolskie). Mit 40 000 Nerzen gehört sie zum Imperium des polnischen ,,Nerz-Königs” Szczepan Wójcik. Der hatte als Präsident eines von ihm selbst gegründeten Landwirtschafts-Instituts und einer Stiftung schon einmal einen bereits 2017 von der PiS-Partei initialisierten Gesetz-Entwurf zum Verbot der Pelztier-Farmen zu Fall gebracht. Im Gespann mit dem Chef des politisch einflußreichen erzkonservativen katholischen Radio-Senders ,,Radio Marija” und Medien-Unternehmers Pater Tadeusz Rydzyk organisierte Wójcik 2018 eine Millionenschwere Medien-Kampagne und einen als patriotisch deklarierten Marsch der Tierzüchter gegen das Verbot auf den Strassen von Warschau.

Bauern-Proteste vor PiS-Parteizentrale

Ein ähnliches Szenario ereignete sich auch diesmal, als Kaczyńskis PiS-Partei ihren Gesetz-Entwurf zum Tierschutz in dieser Woche in das Parlament zur Abstimmung einbrachte. Tausende Bauern belagerten die Partei-Zentrale der PiS-Partei in der Warschauer Nowogrodzka. Unter den Losungen ,,Abschlachtung der polnischen Landwirtschaft“ oder ,,Lasst uns unsere Arbeitsplätze“ protestierten sie gegen das Gesetz. Mit Rufen wie ,,Kaczyński – PiS – Verräter der polnisches Landwirtschaft“ versuchten sie in die PiS-Parteizentrale vorzudringen. Vom Verlust von über 350 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft infolge des Tierschutz-Gesetzes war dabei die Rede. Doch die Zahlen sind weit von der Realität entfernt.
Noch im Jahre 2015 gab es in Polen – zumindest in den offiziellen Statistiken – 1140 Pelztierbetriebe. Sie häutete seinerzeit noch über 9 Mio. Nerz-Felle, 80 000 Chinchilla-Felle, 50 000 Fuchs-Felle sowie 10 000 Marder-Felle ab. Die Felle werden fast ausschließlich im Ausland verkauft. Im Gleichklang mit den globalen Trends und der Abkehr internationaler Modekonzerne wie Prada, Zara, Bershka oder Versace von tierischen Pelzen in ihren Kollektionen ist die Produktion in Polen und der Export seitdem stark rückläufig. Nach Angaben der Tierschutz-Organisation Viva exportierten die Nerz-Farmen in Polen im Jahre 2015 noch 9,32 Mio. Nerzfelle zum durchschnittlichen Stückpreis von 158 Złoty (rund 36 Euro). Im vergangenen Jahr waren es nur noch 7,04 Mio. Nerzfelle zum Durchschnittspreis von 95,96 Złoty pro Stück ( rund 21 Euro) . Damit haben sich die Export-Einnahmen im Verlauf von fünf Jahren um über die Hälfte auf 675 Mio. Złoty reduziert (rund 155 Mio. Euro), berichten die Tierschützer von Viva.

Holländer und Dänen bestimmen die Geschäfte

Das West-Zentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien kam in seinen letzten Bericht über die Branche sogar zu dem Schluß, dass die Pelztierfarmen in Polen nicht mehr als 4000 Arbeitsplätze umfassen. Von ,,polnischen Bauern“ , die dort arbeiten und deren Arbeitsplätze jetzt durch das Tierschutzgesetz bedroht sind, kann dabei keine Rede sein. In den Nerz-Farmen sind fast ausschließlich Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarländern beschäftigt. Polen findet man nur unter dem Leitungs-Personal und als Wachschutz-Kräfte zur Abschirmung der streng abgeschirmten Farmen. In dem Bericht der Wissenschaftler ist auch zu lesen, dass sich die Pelztier-Farmer gerne selbst als ,,polnische Bauern“ präsentieren. ,,Wenn man aber genauer hinzuschaut, dann erkennt man, wer eigentlich die Schnüre zieht. Es tauchen immer wieder die gleichen holländischen und dänischen Namen und Firmen auf, die mit einer Handvoll polnischer Tierhalter verbunden sind“. So taucht der Name van Amsen mindestens 20 mal in dem Register der polnischen Pelztier-Farmen auf. Wie hoch die Zahl der von der Firma Joni Mink und der mit ihr verbundenen Familie van Amsen gehaltenen Nerze in Polen ist, kann man aus den Zahlen nicht ablesen, weil es bei den großen Nerzbetrieben gang und gäbe ist, sie in kleinere Einheiten aufzuteilen, um die Umweltschutz-Auflagen zu umgehen. Die Holländer hatten bereits Anfang der 90er Jahren in und um Goleniów (bei Stettin) – das als polnisches Nerz-Zentrum gilt – mit der Expansion auf dem polnischen Markt begonnen. Die Firma Joni Mink selbst ist seit 2015 auf der offiziellen Lobbyisten-Liste des polnischen Parlaments registriert und hat für die Lobby-Arbeit eine Anwalts-Kanzlei in Warschau eingeschalten. Sich selbst im Hintergrund haltend, werden in der Öffentlichkeit ihre polnischen ,,slupy“ (Strohmänner) vorgeschickt.

Zu den großen Playern im polnischen Nerz-Markt gehört auch der Konzern Farm Equipment International mit niederländischen Wurzeln, die dänische Hedensted Gruppen A/S, Norpol (Geschäftsführer Johannes van Amsen) sowie NAFA Polska, polnische Niederlassung des weltweit zweitgrößten Auktionshaus für Pelze mit Sitz in Kanada und Europa-Zentrale in den Niederlanden. Gerade für die Holländer würde der Verbot der Pelztier-Haltung für die kommerzielle Verwertung ein großer Verlust bedeuten, da ja erst kürzlich das niederländische Parlament nach dem Ausbruch des Corona-Virus in 17 Farmen, wo  Tausende Tiere in engen Käfigen gehalten wurden, ein Nerzzucht-Verbot in den Niederlanden beschlossen hat.

Wo immer in Polen eine neue Nerz-Farm geplant ist, entflammen Proteste der lokalen Bevölkerung. Foto: Westzentrum für Wirtschafts- und Sozialstudien

Auch in Polen, wo die Eröffnung neuer Farmen immer mit lokalen Protesten wegen vor allem wegen der Geruchs-Belastung verbunden ist, sprechen sich 70 Prozent der Bevölkerung gegen die Nerztier-Zucht aus.
Dessen ungeachtet wehte der PiS-Partei bei der Vorlage ihres Gesetzentwurfes zur Abstimmung im Parlament auch aus dem eigenen Lager Widerstand entgegen.

18 Abgeordnete der PiS-Partei, darunter Landwirtschaftsminister Ardanowski und der ehemalige Umwelt-Minister Kowalczyk stimmten dagegen. Der Koalitionpartner Solidarna Polska unter Führung von Justizminister Zbigniew Ziobro verweigerte dem Gesetzentwurf vollkommen seine Zustimmung. Und die Abgeordneten der Partei Porozumienie als zweiter Koalitionspartner der PiS-Regierung enthielten sich bei der Beschluss-Fassung der Stimm-Abgabe.

Tierschutz-Gesetz: Auslöser für Regierungskrise

Das Ausscheren der Koalitionspartner der PiS-Partei beim Tierschutzgesetz hat jetzt in Warschau eine Regierungs-Krise ausgelöst. PiS-Parteichef Kaczyński selbst hat als erste Maßnahme den abtrünnigen Abgeordneten aus der eigenen Partei den Stuhl vor die Türe gesetzt.

© André Janski / infopol.PRESS