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Hotel-König hinterlässt unvollendetes Werk



 

Aktualisierter Text 

Es sollte sein letztes Hotel sein. Seine Eröffnung hat er nun nicht mehr erlebt. Den Hotel-Koloss an der polnischen Ostseeküste in Pobierowo hinterlässt er als unvollendetes Werk. Im Alter von 79 Jahren plötzlich verstorben ist der als ,,Hotel-König“ bezeichnete Tadeusz Gołębiewski jetzt in seinem Heimatort Radzymin unter großer Teilnahme der Bevölkerung beigesetzt worden.
Mit Gołębiewski verlässt einer der Letzten jener Generation die Lebens-Bühne, die den Begriff ,,polnisches Unternehmertum“ im positivsten Sinne des Wortes prägten. Anders als die Oligarchen in Russland oder der Ukraine, die sich das als ,,Volkseigentum“ titulierte staatliche Eigentum mit ihrem politischen Beziehungs-Geflecht und ominösen Börsen-Geschäften unter den Nagel rissen, haben polnische Unternehmer wie Gołębiewski in den 1970er bis 80er Jahren aus dem Nichts heraus nur mit ihrer eigenen Hände Arbeit und ihrer unternehmerischen Initiative ohne staatliche Beihilfe ein Imperium geschaffen.

Vom Waffelbäcker zum Hotel-Magnaten

Seinen Aufstieg begründete der Hochschul-Absolvent als Waffel-Bäcker. Die dafür notwendigen Öfen soll er dem Vernehmen nach selbst gebaut und die Backformen aus Altteilen einer Fabrik geschweißt haben. Auch wurde der Teig in der Anfangszeit in der heimischen Waschmaschine getrommelt.

Aus diesem Improvisations-Konstrukt entwickelte er im Lauf der Jahre die nach seinen Namenskürzel benannte Firma Tago mit zeitweise 400 Beschäftigten, deren feinstes Gebäck in hochwertiger Qualität und Waren-Originalität jedem internationalen Marken-Hersteller Stand halten konnte.

Mit deren ersten Gewinnen widmete er sich Anfang der 90er Jahre einem neuen Geschäftsfeld. In Mikołajki (Masuren) baute er sein erstes Hotel. Mit Aqua-Park, Wellness- und Fitnessbereichen und einem all inclusive -Konzept war er dazumal weit seiner Zeit voraus. Nicht nur beim Komfort setzte er im Vergleich zu den damals üblichen Übernachtungsherbergen neue Maßstäbe. Für die seinerzeitigen Einkommens-Verhältnisse in Polen waren die Preise gepfeffert. Es waren vor allem Unternehmen, die dort als Benefits für ihre Mitarbeiter Firmen-Schulungen durchführten. Was fehlte, war ein zahlungskräftiges privates Kunden-Klientel, das im ausreichenden Maße die Kosten des mondänen Baus in der masurischen Seenlandschaft deckt. Wie Gołębiewski uns gegenüber bei einem Besuch seiner Baustelle in Pobierowo im vergangenen Jahr noch selbst einräumte, haben ihm seinerzeit ,,die Deutschen den A… gerettet“. Nach Messe-Besuchen und Werbeaktionen bei bekannten deutschen Reiseveranstaltern rollten dann die Busse aus Deutschland an. Bis zu 50 Busse pro Tag.

Das alles ist aber schon längst Vergangenheit. Mit der sich an Wohlstand entwickelnden Mittelschicht in Polen und dem dynamisch gewachsenen Durchschnittseinkommen (aktuell bei 6400 Złoty – rund 1400 Euro) bildet heute die polnische Kundschaft das Gros seiner Gäste.

Nach Mikołajki hat Gołębiewski weitere 5-Sterne-Hotels gebaut. Die Gołębiewski-Kette zählt derzeit nur vier Hotels. Seinen Ruf als ,,Hotel-König“ wurde jedoch damit begründet, dass jedes neugebaute Hotel noch größer war als sein Vorgänger und für Schlagzeilen sorgte. Behördliche Vorgaben des Landschaftsschutzes und der Baugenehmigungen wurden nicht eingehalten. Allen Hotelbauten waren von Auseinandersetzungen mit den Genehmigungsbehörden und gerichtlichen Instanzen begleitet. So wurden z.B. bei dem überdimensionierte Hotelbau in Karpacz unterhalb der Schneekoppe statt der in den Genehmigungs-Unterlagen vorgegebenen 630 Zimmer, 2 Etagen mehr mit 880 Zimmern gebaut. Wegen der Verunstaltung des Landschaftsbildes forderten Politik und Behörden deshalb den Abriss von zwei oberen Etagen. Gołębiewski ließ sich davon nicht besonders beeindrucken. Für eine weitere Nutzung ließ er eine Gesetzeslücke nutzend einen Teil der oberen Etagen verglasen.

Betonierte Gigantomanie in der Küstenlandschaft

Von zahlreichen Kontroversen und Kritiken war und ist auch der Bau seines Hotel-Giganten in Pobierowo begleitet. Der Standort befindet sich westlich des bekannten Ostseebades Rewal 150 Meter vom Meer entfernt. Umweltschützer kritisierten, dass dafür 1500 Bäume des Küstenwaldes im Landschaftsschutzgebiet abgeholzt wurden. Gemeindevertreter wiesen dies als unbegründeten Vorwurf zurück. An dem Standort war früher eine Einheit der polnischen Luftverteidigungs-Streitkräfte stationiert, die um die Jahrtausend-Wende dort abgezogen wurde. Allerdings sprechen die unmittelbar im Walddickicht am Rande der Baustelle heute noch stehenden Schilder mit der Warnung ,,Landschaftsschutz-Gebiet“ eine andere Sprache.

Gołębiewski hatte das 30 Hektar große Terrain für rund 50 Mio Złoty von der Gemeinde Rewal gekauft. Der Verkauf des Geländes erfolgte über den früheren Bürgermeister der Gemeinde. Der wurde später von Gołębiewski zum Geschäftsführer des in Bau befindlichen Hotels bestellt, was dem Geruch von Korruption anhaftete.

Groß, größer, gigantisch – Dieser Steigerungsform folgten auch die Planungen für den Hotel-Koloss in Gestalt eines Kreuzfahrtschiffes an der Ostseeküste.. Mit 1100 Zimmern, das mit Zustellbetten Platz für 3000 Gäste bietet, Konferenz-Sälen, Out- und Indoor-Poollandschaften, Spa-Zonen und anderen touristischen Attraktionen sollte es das größte Hotel in Polen und eines der größten in Europa werden. .
Der schnelle Bau-Fortschritt wurde jedoch 2020 jäh von der Corona-Pandemie unterbrochen. Mit den Corona-Beschränkungen im Hotel-Gewerbe und den Absturz der Belegungsquoten in den anderen Hotel der Gołębiewski-Kette versickere auch der Geld-Fluss für den Hotel-Neubau. Das ging auch an die finanzielle Substanz von deren Eigentümer Tadeusz Gołębiewski. Dem nicht genug folgte nach der Corona-Krise mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs die nächste Katastrophe. Wie auf nahezu allen Baustellen in Polen waren beim Bau des Hotel-Riesens an der Ostseeküste Hunderte Arbeitskräfte aus der Ukraine eingesetzt. Nach der im April von der Regierung in Kiew angeordneten Verfügung, die jeden männlichen ukrainischen Bürger im Alter von 18 bis 60 Jahre unter Androhung einer langjährigen Haftstrafe verpflichtet, aus dem Ausland zurückzukehren und für die Heimat zu kämpfen, leerte sich auch die Baustelle von Pobierowo. Auch verzögerte sich die Lieferung von notwendigen Baumaterialien aus der Ukraine.
Die ohnehin schon auf den 1.Juni dieses Jahres verschobene Eröffnung des Hotels ist nun erneut verschoben. Einen neuen Termin gibt es noch nicht. Kurz vor seinem Tod hatte Gołębiewski noch in einem Presse-Interview erklärt, dass er im Fall einer Wahl-Möglichkeit nicht noch einmal eine solche Investition in Angriff nehmen würde.
Der Tod von Tadeusz Gołębiewski hat die seit langer Zeit bestehenden Spekulationen um eine Übernahme des gigantischen Hotels und der gesamten Hotelkette neu angefacht. An vorderster Front stand dabei die staatliche Hotel-Holding PHH. Die hatte im vergangenen Jahr mehr als zehn Hotels, darunter an der Ostsee-Küste, erworben. Mit einem Bestand von mehr als 40 Hotels ist sie die größte Hotel-Kette in Polen. Für Gołębiewski wäre die Übernahme durch eine Hotelkette, die dem Staat gehört, ein Gräuel. Allerdings hat die staatliche Hotel-Holding den Medien-Spekulationen eine Absage erteilt. Niemals waren und sind wir an dem Kauf der Hotels von Tadeusz Gołębiewski interessiert, heißt es in einer offiziellen Erklärung der Staats-Holding, in der gleichzeitig das Mitgefühl zum Ableben von Gołębiewski zum Ausdruck gebracht wird, der ,,eine Ikone des polnischen Hotelwesens war und immer bleiben wird“.
Auch im Ostsee-Badeort Rewal herrscht tiefe Bestürzung über den Tod ihres Groß-Investors gepaart mit der Ungewissheit über die Fertigstellung und Eröffnung des Hotels.

Fotos: PL-Agentur

Die Gemeinde-Vertretung verbindet mit der Eröffnung der ,,Touristenfabrik“ in dem Küsten-Wald vor ihrer Haustür einen Schub für die gesamte Region, eine Ausweitung der kurzzeitigen Urlaubs-Saison in den Sommer-Monaten auf das gesamte Jahr, eine Entwicklung des Konferenz-Tourismus, der viele neue Gäste und Investoren anzieht. Und natürlich die entsprechenden Einnahmen.
Der staubige Schotter-Straße, die durch den Küstenwald zum Hotel-Bau führt und bei Google überhaupt nicht als Straße aufgeführt ist, will die Gemeindevertretung jetzt zu Ehren des Verstorbenen den Namen von Tadeusz Gołębiewski geben.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS