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Corona: Polen schließt Grenzen mit Schuld-Zuweisung

Im Stile von US-Präsident Donald Trump, also mit Vorwürfen gegen die westlichen EU-Staaten, hat Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki wegen der Corona-Pandemie die Schließung der Landes-Grenzen angeordnet. Seit Mitternacht den 15. März sind die Grenzen geschlossen.   Wir können uns nicht erlauben, dass der Virus nach Polen gebracht wird, ,,um weitere unsere Bürger zu infizieren.“, heißt es in der offiziellen Erklärung.

Foto: PL-MVI-Agentur

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Der Seitenhieb richtet sich vor allem gegen Deutschland und die Behörden in Nordhein-Westfalen und ihren laschen Umgang mit den Vorgängen im Kreis Heinsberg. Polens erster bestätigter Corona-Fall fand dort seinen Ausgangspunkt. Eine polnischer Bürger hat sich dort bei Karnvalsveranstaltungen infiziert und den Virus nach Polen eingeschleppt. Vor der jetzigen Schließung der Grenzen hatte das polnische Außenministerium  bereits eine Woche zuvor eine Reisewarnung für Nordrhein-Westfalen ausgegeben.

Deutscher in Polen verstorben

Inzwischen ist die Zahl der Corona-Verdachtsfälle auf 62 gestiegen. Auch gibt es bereits einen ersten Todesfall. Eine 55jährige Frau ist in Poznań an COVID-19 verstorben. Allerdings hatte sie schwere Atemwegs-Vorerkrankungen. Auch ein 72jähriger Deutscher soll  bei einem Besuch in der Wohnung von Bekannten in Bochlin (nahe Danzig/Gdansk) am Corona-Virus verstorben sein, berichteten zunächst polnische Medien. Rückfragen beim Wojewodschaftsamt ergaben jedoch, dass der Deutsche vermutlich an Grippe verstorben ist. Genaue Befunde liegen allerdings noch nicht vor.

PKN Orlen schließt Gastronomie-Punkte an Tankstellen – in Polen, nicht in Deutschland

In Polen wurden bereits bis zum 25.März die Schließung aller Schulen, Kitas und Hochschuleinrichtungen angeordnet.  Alle Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen wurden untersagt. In den großen Einkaufszentren dürfen nur noch Lebensmittel-Märkte, Apotheken und Drogerien geöffnet werden. Bei IKEA wurden alle Möbelkaufhäuser geschlossen. Der staatlich kontrollierteTankstellenkonzern PKN kündigte an, ab sofort die gastronomischen Einrichtungen in seinen Tankstellen zu schließen und die gastronomische Angebote auf ein Minimum zu reduzieren- in Polen!  In Deutschland, wo PKN Orlen über 600 Tankstellen betreibt, gibt es solche Einschränkungen nicht.

Die polnische Regierung hat auch alle Flug- und Zugverbindungen nach Polen ausgesetzt. Nachdem bereits  im Vorfeld an den Grenzübergängen nach Deutschland  stichprobenartige Kontrollen für einreisende Busse und Transporter mit mehr als 8 Personen eingeführt wurden, sind jetzt ab Mitternacht zum 15.März alle Grenz-Übergänge geschlossen worden. Die Grenzschließung gilt zunächst für 10 Tage.

Allen Nicht-Staatsbürgern  wird die Einreise nach Polen verwehrt, meldeten viele deutsche Medien. Wie aus der polnischen Staatskanzlei zu erfahren ist, handelt es sich aber nicht um ein generelles Einreise-Verbot für alle Deutschen und anderen Ausländern nach Polen. Welche Deutsche bzw. andere Ausländer trotz Grenzschließung  nach Polen einreisen dürfen, erfahren Sie hier.

PL-MVI-Agentur

Deutsche: Kurz vor Grenzschließung Schlangestehen beim Zigaretten-Händler Foto: PL-MVI-Agentur

Das Einreise-Verbot trifft in erster Linie die Deutschen, die seit vielen Jahren jeden Tag  zu Zehntausenden die polnischen Grenzstädte aufsuchen, um dort die – inzwischen nur vermeintlich – billigeren Waren und Dienstleistungen einzukaufen.   Am Vortag der Grenzschließung haben sie noch aufgestachelt von den Medien-Meldungen in einem Anflug von Hysterie die polnischen Grenzstädte überflutet, um sich dort mit Zigaretten einzudecken oder den Auto-Tank vollzumachen.

Ein viel größeres Problem bringt die Grenzschließung für die polnischen Bürger mit, die im westlichen Ausland arbeiten. Denn anders als im kleinen Dänemark oder Tschechien, die nahezu zeitgleich die Grenzen geschlossen haben, sind die Dimensionen der Arbeits-Migration hier ganz andere. Knapp 2,5 Mio. Polen arbeiten in Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Holland, Frankreich und allen anderen westeuropäischen Ländern. Sie dürfen zwar nach Polen einreisen. Jedoch müssen sie sich nach der Einreise eine Quarantäne unterziehen. Und diese Quarantäne erfolgt nicht auf Grundlage der Freiwilligkeit, sondern unter ,,przymus“, teilten Beamte des polnischen Grenzschutzes infopol.PRESS mit.  Also unter Zwang.  14 Tage  dauert die Quarantäne. Gerade für jene polnischen Arbeitskräfte, die im Ausland im Wochen- oder 14-Tage-Rhythmus arbeiten, kann dies für eine Weiterbeschäftigung problematisch werden.

Das Gleiche gilt für die Tausenden polnischen  Pendler, die jeden Tag nach Berlin, Dresden oder anderen Orten in Grenznähe zur Arbeit fahren. Für sie entfällt die Quarantäne-Pflicht. Doch je nach Verlauf der Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf den jeweiligen Arbeitsbereich, sind die Pendler Risiken ausgesetzt. Sie müssen Nachweis-Bescheinigungen vorweisen. Bei einem Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitgeber dürfte dies kein Problem sein. Und auch wenn in dem Fall ein Corona-Verdacht auftritt und der polnische Arbeitnehmer zu Hause bleibt, muß er sich um die Lohnfortzahlung keine Sorgen machen. Anders sieht es dagegen bei den Pendlern aus, die auf Grundlage eines Vertrages mit einer  polnischen Zeitarbeits-Firma  in Deutschland arbeiten. Für sie gilt, was für alle Arbeitgeber in Polen vorgegeben ist.

Um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wirtschaft abzumildern hat die polnische Regierung Finanzhilfen und die zeitweise Aussetzung von Steuer- und Sozial-Abgaben versprochen.  Auf eine Haupt- Forderung  der Arbeitgeber-Verbände ist sie aber nicht eingegangen. Die verweisen auf Kurzarbeiter-Regelungen, wie es sie in Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Ländern schon seit Jahrzehnten gibt. In Polen gibt es solche Regelungen nicht. Hier muß entsprechend den gesetzlichen Regelungen ein Arbeitgeber bis zum 33 Tag der Krankschreibung eines Mitarbeiters die Kosten übernehmen.   Wenn jetzt ein Mitarbeiter wegen des Corona-Verdachts in die Haus-Quarantäne geschickt wird, kann es ganz schnell passieren, dass der rigide Sanitärdienst Sanepid sofort den ganzen Betrieb schließt. Polens größter Arbeitgeber-Verband Lewiatan argumentiert in seiner Stellungnahme, dass in dieser Situation ,,höhere Gewalt“ gegeben ist, und nicht die Arbeitgeber, sondern auch der Staat mit die Kosten der Lohnfortzahlung wegen der Quarantäne mittragen muß. So wie es jetzt ist, würden die Arbeitgeber nach Auffassung des Verbandes doppelt bestraft werden. Der Produktions-Stopp gefährdet nicht nur die Existenz der Firma. Der Arbeitgeber muß  gleichzeitig noch die Kosten der Lohnfortzahlung tragen.

Besonders dramatisch , und das bereits vor der Grenz-Schließung, ist die Situation in der Transport-Branche, die in der EU einen Spitzenplatz einnimmt.  Knapp ein Drittel aller grenzüberschreitenden Transporte zwischen Lissabon und Talinn werden von polnischen Transport-Unternehmen mit 247 000 Fahrzeugen ausgeführt. Die ersten großen polnischen Branchen-Unternehmen beginnen ihre Fahrer in den Zwangs-Urlaub ohne Bezahlung zu schicken. Die Busverkehrs-Branche – die polnische Flotte im internationalen Busverkehr zählt 14 000 Busse – existiert praktisch jetzt schon nicht mehr. Über 90 Prozent der Bestellungen und Reservierungen sind für die nächsten drei Monate storniert worden. ,,Jetzt sind wir in einer Situation, in der wir ohne Hilfe von außen nicht überleben können”, schreiben die Verbände in ihrem Hilfs-Appell an Ministerpräsident Morawiecki.

Doch der Staatshaushalt und die öffentlichen Finanzen sind überhaupt nicht auf die Corona-Krise vorbereitet. Mit der Corona-Krise ist jetzt eine Situation eingetreten, wovor die Ökonomen in Polen seit Jahren gewarnt haben. Während andere Länder in der EU die zurückliegende Konjunktur genutzt haben, um finanzielle Reserven zu bilden und die Verschuldung abzubauen, hat die PiS-Regierung die Einnahmen-Überschüsse ungehemmt für Sozial-Transfers im Rahmen von Wahlversprechen hochgetrieben. Finanzielle Reserven zur Unterstützung der Wirtschaft sind jetzt nicht mehr vorhanden.

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