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Erstes Teilstück von Polens Eisernen Vorhang fertiggestellt

Foto: KPRM

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hat diese Woche den ersten fertiggestellten Abschnitt des 5,50 Meter hohen stählernen Grenzwalls an der polnischen Ostgrenze besucht. Bis Ende Mai soll er das polnische Territorium auf einer Länge von 186 Kilometern vom Nachbarland Belarus abriegeln.
Der Bau des stählernen Bollwerks wurde im vergangenen Herbst von der nationalkonservativen PiS-Regierung beschlossen, um den vom Lukaschenko-Regime in Belarus organisierten Ansturm von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten wirkungsvoll abzuwehren. Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes hat es seitdem über 40 000 Versuche des illegalen Grenzübertritts von Belarus nach Polen gegeben. Nach Androhung und Einleitung von Sanktions-Maßnahmen der EU gegen Belarus, konzertiert von diplomatischen Verhandlungen, sind diese jedoch ab Dezember deutlich zurückgegangen.
Morawiecki sagte bei seinem Inspektions-Besuch an dem Grenz-Bollwerk, dass die polnische Grenze ,,ein Heiligtum“ sei. War vor einigen Monaten noch zur Rechtfertigung des Mauerbaus und zur Einforderung der Solidarität der EU-Mitgliedsländer vom ,,Schutz der EU-Außengrenze“ die Rede, so legte Morawiecki jetzt Wert auf die Feststellung, dass ,,wir damit auch die Ostflanke der NATO schützen“.
Morawiecki erinnerte daran, wie ,,die EU vor Jahren versucht hatte, uns, die an der Ostflanke der NATO gelegenen Ländern, zu überreden, dass diese Grenzen offen bleiben. Wir haben uns damals dem grundsätzlich widersetzt. Und heute sagen Brüssel und Paris das, was wir damals gesagt haben. Sie haben uns recht gegeben. Heute sehen sie deutlich, das wir damals recht hatten und recht haben“. Gegnern und Zweiflern an der Sinnhaftigkeit des Grenz-Bollwerks will Morawiecki damit wohl sagen, dass die polnischen Regierung den Segen der EU hat, einen neuen Eisernen Vorhang zu errichten, der Europa vom Osten abtrennt. Darauf lässt auch seine Danksagung an die polnischen Grenzschützer schließen, dass die polnischen Grenzen ,,nicht nur eine Kontur auf der Landkarte sind“.

Der Eiserne Vorhang war zu Zeiten des Kalten Krieges ein Symbolbild für die Trennung von Ost und West.

In den sozialen Medien gibt es bereits erste ironische Anspielungen, die das Bauwerk an Polens Ostgrenze mit der Marginot-Linie vergleichen, jener in den 30er Jahren errichteten Verteidigungslinie an Frankreichs Grenzen, um sich gegen Angriffe aus Deutschland und Italien zu schützen. Benannt wurde sie nach ihrem Schöpfer, den damaligen Verteidigungsminister Marginot. Hoffnungen, dass das 186 Kilometer lange Stahl-Bollwerk an Polens Ost- und damit an der EU-Aussengrenze als ,,Morawiecki-Linie“ in Geschichtsbücher eingeht, wird sich der polnische Regierungschef allerdings kaum machen. Da hat wohl sein großer Schirmherr, der PiS-Parteivorsitzende Jarosław Kaszyński, den Vortritt.
Die Bau-Fortschritte haben auch deren Gegner mobilisiert. Wissenschaftler, Umweltschützer und auch Anwohner im Grenzgebiet fordern in ihren Protesten und Appellen an die EU-Kommission eine fachgerechte Umweltverträglichkeits-Prüfung und einen Stopp der Bauarbeiten.

UNESCO-Weltnaturerbe – Teilung des Białowieża-Urwalds

Südöstlich der Masuren beim touristischen Wassersportparadies Augustów beginnend, wird sich die 5 Meter hohe Stahlsperre entlang der Grenze zu Belarus nach Süden durch mehrere Naturschutz-Gebiete ziehen, darunter auch den weit über seine Grenzen bekannten Białowieża-Urwald. Er gilt als der letzte echte verbliebene Urwald Europas. Das 1200 Quadratkilometer große und sich zu über die Grenze erstreckende Waldgebiet mit den höchsten Laubbäumen Europas ist der Lebensraum von über 12 000 Tierarten, darunter Wildpferde, freilaufende Wisente und Luchse. Der Urwald ist bereits seit Jahrzehnten ein als UNESCO-Weltnaturerbe anerkanntes Gebiet . Wissenschaftler und Naturschützer verweisen bei ihren Protesten u. a. darauf, dass die Tiere durch die Sperre nicht mehr wandern können und die Artenvielfalt beschränkt wird. Der Kritik hält die polnische Umweltschutz-Behörde GDOS entgegen, dass in die Sperre Übergänge für die Tiere, insbesondere die freilaufenden Bisons eingebaut werden. Wie große die Schneisen durch den Urwald geschlagen werden und wie viel Bäume den Einschnitt-Schneisen zum Opfer fallen werden, vermag die Umweltschutzbehörde allerdings nicht zu sagen.
Laut den Planungen des polnischen Innenministeriums werden insgesamt 82 000 Stahlplatten und Pfosten auf eine Länge von 186 Kilometern entlang der Grenze zu Belarus in einer Höhe von 5 Metern verbaut. Gekrönt wird das gigantische Bauwerk von einem Stacheldraht-Verhau. Gespickt wird das Bauwerk mit Bewegungsmeldern, Kameras und anderen Überwachungs-Sensoren. Die Kosten werden umgerechnet auf insgesamt 400 Mio. Euro geschätzt.

© André Jański / infopol.PRESS