Schlagwortarchiv für: elektronische Park-Kontrolle

Foto: ZDM Warszawa

,,Park-Knöllchen“ ohne Fuß-Streife – Warschau setzt auf E-Kontrolle

Als eine der ersten Städte weltweit hat Warschau für die Kontrolle der gebührenpflichtigen Parkplätze ein elektronisches System eingeführt. Dazu fahren Elektro-Autos, auf denen Kamera- und Sensoren-Technik installiert ist, die Strassen ab und skannen die Nummernschilder der parkenden Fahrzeuge. Über eine speziell entwickelte Software werden die elektronisch übermittelten Daten automatisch in der Datenbank abgeglichen, ob für die parkenden Fahrzeuge Park-Gebühr bezahlt wurde. Auf diese Weise übernimmt ein Fahrzeug die Tätigkeit, die sonst 20 Mitarbeiter der Ordnungsbehörde in der gleichen Zeit zu Fuß erledigen. Mit schlagenden Erfolgszahlen!

Was bei deutschen Ordnungsämtern die Regel ist, war auch bisher in Warschau üblich – Mitarbeiter zu Fuß auf der Suche nach Parksündern Fotos: ZDM Warszawa

Die Szenerie ist in deutschen Städten allgegenwärtig. Und bei Parkplatz-Sündern verhasst. Zwei Mitarbeiter/innen des Ordnungsamtes streifen durch die Park-Zonen. Blick in das Auto. Parkschein vorhanden? Parkzeit abgelaufen? Gang um das parkende Auto . Dann den Fotoapparat gezückt. Foto als Beweis-Material. Danach Schein mit Ordnungswidrigkeits-Hinweis unter den Scheibenwischer geklemmt. Auf zum nächsten Fahrzeug. Wieder die gleiche aufwändige Prozedur , Diskussion mit plötzlich auftauchenden, vom Knöllchen bedrohten Autofahrern inbegriffen.

Auch auf Warschaus Strassen war dies gang und Gebe. Bislang!

Seit Anfang des Jahres fahren jetzt zwei Fahrzeuge als ,,E-Kontrolle“ durch die Strassen. Auf dem Dach ein Aufbau mit Kameras und Sensoren-Technik. Damit wird kontrolliert, ob der Fahrer eines parkenden Autos in den gebührenpflichtigen Parkzonen für die Park-Dauer seine Gebühr entrichtet hat.

Foto: ZDM Warszawa

Dazu werden mit der Technik auf dem Dach im Vorbeifahren die Nummernschilder der parkenden Autos gescannt. Die Daten werden sofort an die Zentral-Datenbank der für die Strassenverwaltung zuständigen Behörde übermittelt. Eine dazu speziell von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Software ermittelt sofort, ob der Fahrer des parkenden Autos am Park-Automat einen Parkschein gezogen und für die Park-Dauer seine Gebühr bezahlt hat. Ist dies nicht der Fall wird automatisch ein ,,Knöllchen“ mit einem Ordnungsgeld von 50 Zloty (ca. 12 Euro) ausgedruckt. Juristisch abgesichert, wird dem ,,Knöllchen-Brief“ an den Park-Sünder ein Beweis-Foto hinzugefügt.

Die einzige manuelle Tätigkeit bei diesem Vorgang besteht im ,,Zukleben des Briefes und seine Übermittlung an die Post“, meint Mikołaj Pieńkos von der Strassenverwaltung ZDM in einem Gespräch mit infopol.PRESS.

Dafür ist die Bilanz der E-Kontrolle umso erhebender. In den ersten vier Wochen ihres Einsatzes haben die beiden Fahrzeuge knapp 103 000 geparkte Fahrzeuge kontrolliert. Infolge der Kontrolle wurden 12 196 ,,Knöllchen“ ausgestellt. Ein Fahrzeug leistet dabei die Arbeit, für die im gleichen Zeitraum nahezu 50 Kontrolleure zu Fuß unterwegs sein müßten. ,,Innerhalb von zehn Minuten haben wir 260 Fahrzeuge kontrolliert. Zum Vergleich: Ein Kontrolleuer braucht ca. eine Stunde, um die gleiche Zahl an Fahrzeugen zu kontrollieren“.

War also der Stellenabbau in der öffentlichen Verwaltung oder die Erhöhung der städtischen Einnahmen durch Bußgeld-Bescheide das treibende Motiv für die Einführung modernster Technologie in der öffentlichen Verwaltung? Mikołaj Pieńkos verneint dies kategorisch. ,,Es ging uns vor allem um die Durchsetzung des Gleichheits- und Gerechtigkeits-Prinzips“, sagte Pieńkos gegenüber infopol.PRESS. Man müsse der Rücksichtslosigkeit und dem Egoismus der Autofahrer konsequent entgegentreten, die anderen, die ihre Parkgebühr bezahlen, den Parkplatz wegnehmen, ohne dafür zu bezahlen. Zudem sei der ‚Einsatz des vollautomatisierten Kontroll-Systems auch ein Beitrag für eine effektivere Parkraum-Bewirtschaftung in der Stadt.
Täglich kreisen durchschnittlich 130 000 Fahrzeuge auf der Suche nach einem Parkplatz durch Warschau. Wenn sie einen Parkplatz gefunden haben, verbleiben sie laut einer Erhebung der ZDM-Verwaltung durchschnittlich 1 Stunde und 43 Minuten auf dem Parkplatz stehen. Viele von ihnen entrichten dafür keine oder eine nicht ausreichende Parkgebühr. Das präzise automatisierte Kontroll- und Erfassungssystem leistet hier bei der effektiveren Bewirtschaftung eine Arbeit, die die üblichen Fuß-Streifen überhaupt nicht leisten können.

Auf welcher Grundlage werden aber die gescannten Daten für die Ausstellung zutreffender Bußgeld-Bescheide verifiziert? Ander als bei den Park-Automaten im deutschsprachigen Raum ist bei den Parkschein-Automaten in vielen polnischen Städten, und so auch in Warschau beim Ziehen und Bezahlen eines Parkscheins das Eintippen des Fahrzeug-Kennzeichens notwendig. Und natürlich sind die Warschauer Parkschein-Automaten mit der zentralen Datenbank verbunden. Die Daten der gescannten Fahrzeug-Schilder werden sofort automatisch von der Software mit den Daten der Parkschein-Automaten vergleichen und damit die Fahrzeuge herausgefiltert, für die keine oder nicht ausreichende Parkgebühr bezahlt wurde.

Zur Vermeidung von Irrtümern oder Identifizierung von Fahrzeugen, deren Fahrer gerade auf dem Weg zum Parkschein-Automaten ist, fährt das Kontroll-Fahrzeug nach einem kurzen Zeitabstand nochmals die gleiche Strasse ab.

Für deren Einsatz hat sich die öffentliche Verwaltung im übrigen nicht Benziner- oder Diesel-Fahrzeuge, sondern elektrobetriebene Pkw vom Typ Nissan angeschafft.

Auch der Datenschutz wurde berücksichtigt. Das elektronische System entfernt automatisch die Gesichter und Silhouetten von Personen, die bei den Kamera-Aufnahmen im Bild erscheinen. Von der Software werden auch sofort die Daten von Fahrzeug-Inhabern mit einem Anwohner-Parkausweis oder einer ,,N+-Karte“ (Behinderten-Nachweis) aus dem System ,,geworfen“.

Und wofür werden die zusätzlich eingenommenen Bußgelder verwendet? Für die Modernisierung der Strassen-Infrastruktur, meint Mikołaj Pieńkos.  Diese Aussage darf man ihn durchaus abnehmen. Im Unterschied zu vielen anderen Kommunen – und das nicht nur in Polen – ist Warschau keine arme Stadt, deren Verwaltung auf Knöllchen-Jagd geht, um Löcher im kommunalen Haushalt zu stopfen.

Bei der ZDM-Verwaltung denkt man inzwischen bereits über einen nächsten Schritt, wie man das E-Kontrollsystem in den Aufbau eines elektronischen Informationssystems für Autofahrer bei der Suche nach einem freien Parkplatz einbindet. In Großstädten anderer EU-Länder (nicht in Deutschland) gibt es dafür bereits Lösungen. So werden z.B. im nordspanischen Santander Autofahrer vor Einfahrt in eine Straße mittels Digital-Anzeige am Straßen-Anfang informiert, ob es in der Strasse noch freie Parkplätze gibt. In Warschau denkt man aber eher an die Einrichtung einer App nach.

© Anna Stankowska / infopol.PRESS