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Polen lockt Impf-Skeptiker mit Lotterie-Geld an die Spritze

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Erstmals ist vergangene Woche in Polen die Zahl der Impfungen gegen Covid-19 seit langer Zeit zurückgegangen. Nicht wegen fehlender Impfdosen, sondern weil die Zahl der Impfwilligen rückläufig ist. Die Regierung will dies nicht zulassen. Mit einer Geld- und Sach-Lotterie will sie die Impf-Skeptiker an die Spritze bekommen.
In Polen werden in Kürze die Menschen nicht auf eine Impfung warten, sondern die Impfung auf die Menschen. Vor diesem Szenario warnt der Chef der Staatskanzlei Michał Dworczyk. Die Verfügbarkeit von Impfdosen zu sichern, sei nicht mehr das Problem. ,,Eine immer größere Herausforderung wird es sein, die Polen zu überzeugen, sich impfen zu lassen“.
In diversen Umfragen der Meinungsforschungsinstitute äußern sich bis zu 40 Prozent der Befragten ablehnend zu einer Impfung gegen Covid-19. Für Dworczyk, der als Regierungs-Beauftragter die nationale Impf-Aktion verantwortet, ist dies damit begründet, dass die erwachsene Bevölkerung in Polen nicht an Impfungen gewöhnt sei. Dies zeige sich besonders deutlich in den internationalen Vergleichsdaten der Weltgesundheits-Organisation WHO zu Grippe-Impfungen in früheren Jahren. Während in den westlichen Ländern der Anteil der Grippe-Impfungen bei den Senioren zwischen 40 bis 75 Prozent beträgt, liegt er in Polen nur bei 10 Prozent.

Haupt-Gewinn: 1 Million Złoty

Um die Skeptiker zum Impfen zu bewegen , greift die PiS-Regierung jetzt zu einem bewährten Mittel, mit dem man viele Landsleute ködern kann: Mit Geld- und Sachpreisen. Das Sport-Lotto soll dazu eine Lotterie des Nationalen Impfprogramms organisieren. ,,Jede 2000. Person, die sich impfen lässt, wird einen garantierten Geldpreis von 500 Zloty erhalten. Jeder Teilnehmer an der Lotterie hat vier Gewinn-Chancen. Jede Woche werden 50 000 Zloty (rund 11 000 Euro) ausgelost . Es gibt aber auch Sachpreise zu gewinnen wie E-Scooter oder Benzin-Gutscheine“ kündigte Dworzyk auf einer speziell dazu einberufenen Konferenz an. Einmal im Monat werden zwei Geldpreise zu jeweils 100 000 Zloty ausgelost. ,,Und im Finale gibt es dann als Hauptgewinn jeweils zweimal 1 Million Złoty (rund 225 000 Euro) sowie Hybrid-Autos zu gewinnen“. An der Lotterie kann jeder teilnehmen, der sich für eine Impfung registriert und eine erste Impfung erhalten hat.
In die nationale Impfkampagne werden auch die Gemeinden und Städte einbezogen. So werden die Gemeinde- und Stadtverwaltungen verpflichtet, in den direkten Kontakt mit Einwohnern über 70 Jahre zu treten, um sie von einer Impfung zu überzeugen. Für die Impfwerbung soll jede Kommunalverwaltung 10 bis 40 000 Zloty erhalten. Die ersten 500 Gemeinden und Städte, auf deren Gebiet ein Impf-Indexwert von über 75 Prozent erreicht wird, bekommen 100 000 Zloty. Und jenen von ihnen mit den höchsten Wert auf dem jeweiligen Gebiet der ehemaligen 49 Wojewodschaften (frühere Verwaltungsgebiete) winken jeweils 1 Mio. Zloty, verspricht der Chef der Staatskanzlei. Nach seinen Angaben sind für die gesamte Impf-Kampagne 140 Mio. Zloty vorgesehen
Aktuell (Stand 27.Mai) sind in Polen 18,78 Mio. Personen geimpft, davon 5,64 Mio. Menschen mit einem vollständigen Impfschutz (Zweit-Impfung). Die größte Sorge macht den polnischen Gesundheits-Experten die geringe Impfbereitschaft in der Gruppe der Personen über 60 Jahre. Rund 50 Prozent haben hier die ihnen zugesprochene Impf-Priorisierung nicht angenommen.

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Impf-Mobile: ,,Mit der Impfung in den Mai“

Die Ersten erschienen schon  3 Uhr in der Frühe. Einige von ihnen hatten Decken und Campingstühle mitgebracht.  Als am 1.Mai das  vor dem Wojewodschafts-Amt in Warschau aufgebaute mobile Impfzentrum öffnete,  standen bereits 1000 Personen in der Warteschlange. Eine ähnliche Situation bot sich auch in den anderen Impf-Mobilen , die die Regierung im Rahmen ihrer Impf-Aktion zu den Mai-Feiertagen aufbauen ließ. Traditionell werden die ersten Mai-Tage in Polen in Verbindung mit den Feiertagen (3.Mai -Tag der Verfassung) als ,,Majówka“ mit verstärkten Reise- und Ferienaktivitäten begangen. Anliegen der Regierung ist es, mit ihrer Impfmobile-Aktion einen aufklärerischen und motivierenden Gegenakzent zu setzen, mit dem der Schutz vor der Corona-Infektion durch Impfen auf breiter Basis  popularisiert werden soll. So kann sich jeder in den 16 Impf-Mobilen ohne Anmeldung  unabhängig von der Impf-Priorisierung, die in Polen bereits aufgelöst wurde, impfen lassen. Das Vorgehen orientiert sich dabei an positiven Erfahrungen  der Impfkampagnen ohne Impf-Bürokratie in den USA und Großbritannien.

Geimpft wird mit dem Vektor-Impfstoff von Johnson & Johnson, der bereits nach einer Impfung Schutz bietet. Den Impf-Mobilen sind allerdings Grenzen gesetzt. Es stehen nur jeweils 2500 Impf-Dosen zur Verfügung.  Für die Regierung hat die Aktion dennoch mehr als nur symbolischen Charakter. Vor dem Hintergrund jüngster Umfragen, wonach 40 Prozent der polnischen Bevölkerung einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, will sie die Impfbereitschaft mobilisieren. So werden jetzt bereits die Jahrgänge ab 30 Jahren zur Impf-Registrierung aufgerufen, ab dem 9.Mai sollen dann die Zwanzigjährigen folgen.

Lebensmittelkonzern: 500 Złoty Impf-Prämie 

Im Mai soll dann auch die Impfung in den Unternehmen, in denen es mehr als 300 Impfwillige (plus ihren Familienangehörigen) gibt, beginnen. Der polnische Lebensmittelkonzern Maspex hat bereits zur Motivierung seiner Belegschaft die Zahlung einer Impf-Prämie in Höhe von 500 Złoty (rund 115 Euro) angekündigt. In eine ganz andere Richtung zum Abbau der Impf-Skepsis gehen dagegen Vorschläge von einigen Vertretern des Medizinischen Rates der Regierung. Sie schlagen vor, dass Impfverweigerer, die an Covid-19 erkranken, selbst die Kosten der Behandlung tragen sollen.  Das Gesundheits-Ministerium lehnt einen solchen Vorschlag momentan noch  ab. Auch die Ausstellung von  Ausweisen für Geimpfte , die den uneingeschränkten Zugang zu Hotels und Restaurant ermöglichen, werden von der Regierung grundsätzlich abgelehnt.

Die Zahl der Neu-Infektionen ist laut den von der Regierung vorgelegten Zahlen seit 10 Tagen kontinuierlich rückläufig. Am 2.Mai meldete das polnische Gesundheitsministerium  4612 Neu-Infektionen und  144 Todes-Fälle durch oder im Zusammenhang  mit Corona. In den Krankenhäusern werden noch 21 209 Patienten wegen Covid-19 behandelt. Auch hier ist die Zahl wie bei den Neu-Infektionen seit einer Woche kontinuierlich um ein Drittel zurückgegangen. Vor dem Hintergrund, dass Polen die höchste Sterblichkeitsrate in der Europäischen Union pro 100 000 Einwohner durch Covid-19 hat, äußern polnische Mediziner wie der Präsident der Ärzte-Kammer in Warschau allerdings  Zweifel an den von der Regierung vorgelegten Zahlen.

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35 000 Neu-Infektionen – Polen steht vor der Schließung

,,Die Situation ist extraordinär“. Mit diesen Worten beschreibt der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski den rasanten Anstieg der Corona-Zahlen im Land. Stieg am vergangenen Donnerstag die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie auf über 30 000, waren es gestern bereits 35 143 Fälle. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 125 Todesfälle in direkten Verbindung mit Corona vermeldet.

Foto: PL-MVI-Agentur

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Die polnische Regierung hat deshalb die Lockdown-Beschränkungen ein weiteres Mal verschärft. Bau- und Möbelmärkte mit einer Fläche von über 2000 qm sind ab heute wieder geschlossen. Auch Friseur-Salons und Kosmetikstudios, die seit Monaten ohne Unterbrechung arbeiten konnten, müssen jetzt schließen. Nur noch Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Optiker-Läden und Reparaturdienste sowie Banken bleiben unter der Auflage von größer gezogenen Sicherheitsabständen offen.
Bereits vergangene Woche wurde die Schließung von Hotels, Pensionen und anderen Übernachtungseinrichtungen angeordnet. Verschärft wurden auch die Eingriffe in die Grundrechte. Nachdem bereits die Organisation von Versammlungen, Demonstrationen usw. verboten wurde, gilt jetzt auch die Teilnahme an solchen als Straftat. Dies betrifft auch spontane Menschenansammlungen, für die es aufgrund ihres Charakters keinen Organisator gibt.

Null-Toleranz für die Verwaltungen

Gesundheitsminister Niedzielski erklärte auf einem Presse-Briefing, dass es jetzt keine Zeit mehr gebe für Analysen und endlose Diskussionen. Jetzt müsse schnell gehandelt werden. Von seiner Seite aus gebe es jetzt Null-Toleranz mit fehlender Kooperationsbereitschaft in den regionalen Verwaltungs-Ebenen und der Abschiebung von Verantwortung.
Mit den stark gestiegen Infektions-Zahlen ist auch die Zahl der in den Krankenhäusern mit Covid-19-Patienten belegten Betten rapide gestiegen. Jeden Tag kommen mehr als 500 Patienten hinzu. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden aktuell 27 779 Covid-Patienten in den Krankenhäusern behandelt. Davon müssen 2 730 Patienten (Stand 27.März) künstlich beatmet werden.
Der Chef des medizinischen Berater-Gremiums der Regierung, Prof. Andrzej Horban, warnte bereits, dass Polen geschlossen werden müsse. Wann? ,,Morgen noch nicht. Übermorgen kann das schon möglich sein“, wenn die tägliche Zahl der Neuinfektionen im Wochen-Rhythmus 30 000 überschreite, sagte er der Zeitung Rzeczpospolita.

Notfall-Plan für Patiententransport mit Militärflugzeugen

Als besonders kritisch schätzt das Gesundheits-Ministerium die Situation in der Hauptstadt-Region Warschau (Mazowieckie), Oberschlesien und der Region um Poznań (Wielkopolskie) ein. Das medizinische Personal in den Krankenhäusern und den Rettungsdiensten arbeitet bereits am Limit. Dies bestätigte auch Warschaus Stadt-Präsident Rafał Trzaskowski, der gerade nach einer überstandenen Corona-Erkrankung das Krankenhaus verlassen hat. Das ganze System würde wie ,,feines Mehl zerstäuben, wäre da nicht das helfende Personal aus der Ukraine und Weißrussland“.
Besonders zugespitzt hat sich in den vergangenen Tagen die Situation in Oberschlesien. Im Warschauer Gesundheitsministerium werden nach Angaben seines Ministers bereits Notfall-Pläne für den Transport von Patienten mit Militär-Flugzeugen in Krankenhäusern anderer Regionen vorbereitet, in denen es noch freie Aufnahme- und Behandlungskapazitäten gibt.

Polen mit wenigsten Corona-Tests in der gesamten EU

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist die Zuspitzung der Situation auf die rasante Verbreitung der britische Mutante des Corona-Virus B.1.1.7 zurückzuführen. Aktuell gehen bereits 80 Prozent aller Covid-Erkrankungen auf die britische Mutante zurück. Dies hat die Fehler-Diskussion in der Öffentlichkeit angefacht. Nach Ansicht des Chefberaters der Regierung, Prof. Horban, hätte eine dritte Welle vermieden werden können, wenn die polnischen Landsleute, die in Großbritannien arbeiten (knapp 1 Mio.), bei ihrer Einreise nach Polen für Familien-Besuche zu Weihnachten getestet worden wären. Selbst auf den polnischen Flughäfen wurden jedoch bei Einreisenden aus Großbritannien solche Test nicht durchgeführt. PiS-Senator und Ex-Präsident des polnischen Oberhauses Stanisław Karczewski verteidigte dies. Man habe keine Tests durchgeführt, weil ,,die Regierung dafür gehasst worden wäre“, sagte der PiS-Politiker den privaten Fernsehsender TVN.
Diese Aussage begründet auch den weitverbreiteten Verdacht, dass die stark rückläufigen Corona-Zahlen im Januar und Februar, auf deren Grundlage die Regierung ihre breitangelegten Lockerungs-Maßnahmen anlegte, nur auf keine oder wenige Tests zurückzuführen waren. Dies wird auch durch die vom Europäischen Zentrum für die Krankheits-Prävention und Kontrolle ECDC bestätigt. Danach hat Polen von allen EU-Ländern im Zeitraum vom 1.Januar bis 14.März die wenigsten Corona-Tests durchgeführt. Nach Angaben der EU-Behörde waren es bezogen auf 100 000 Einwohner in diesem Zeitraum durchschnittlich 878 pro Woche!!
Erst seit Mitte März werden in Polen wieder mehr Tests durchgeführt. Nach Angaben einer Sprecherin des Gesundheitsministerium bis zu 95 000 pro Tag. Automatisch ist damit die Zahl der gemeldeten Neu-Infektionen dramatisch angestiegen.

© Magda Szulc / infopol.PRESS

Polen gibt Astra Zeneca auch für über 65jährige frei

Der bei der polnische Regierung tätige Medizinische Rat hat die Alters-Obergrenze für den Einsatz des Impfstoffes von Astra Zeneca erhöht. Diese Entscheidung stütze sich auf neueste wissenschaftliche Untersuchungen. Das Experten-Gremium empfiehlt daher, den Impfstoff in der Altersgruppe von 18 bis 69 Jahre einzusetzen. Ab dem 2.März werden deshalb entsprechend der polnischen Impf-Priorisierung jetzt auch Lehrer und Hochschul-Lehrer bis 69 Jahren mit dem Vakzin von Astra Zeneca geimpft. Neben dem medizinischen Personal, hochbetagten Personen und Vertretern sicherheitsrelevanter Bereiche wurden bis Ende Februar auch bereits über 200 000 Personen aus dem Bildungswesen geimpft.


Nach Angaben des polnischen Gesundheitsministeriums sind bisher 3,164 Mio. Personen (Stand 26.Februar) in Polen gegen Covid-19 geimpft wurden. Davon haben bereits über 1,121 Personen eine zweite Impfung erhalten.
Seit Ende Dezember hat Polen 3,8 Mio. Impf-Dosen erhalten, neben Astra Zeneca vor allem von Pfizer /Bio NTech und Moderna. Davon wurden 3,5 Mio. an die Impf-Punkte überwiesen. Anders als in den zentralisiert gesteuerten Impfzentren der Bundesländer in Deutschland, wird die Impfung in Polen dezentral in über 6000 Impfstellen vorgenommen.

Wie Gesundheits-Minister Adam Niedzielski informierte, hat Polen sich jetzt neben den von der EU kontraktierten Impfstoffen weitere 8 Mio. Impfdosen vom US-amerikanischen Pharmaunternehmen Novavax und knapp 6 Mio. Impfdosen vom deutschen Impfstoff-Hersteller CureVac aus Tübingen vertraglich gesichert. Das Präparat des amerikanischen Unternehmens Novavacsei ein traditioneller Impfstoff, der in umfangreiche Studien nicht nur eine hohe Wirksamkeit unter Beweis gestellt, sondern auch gegen die britische Coronavirus-Variante sowie gegen die südafrikanische Mutation eine Immunantwort gezeigt habe. Der Impfstoff des deutschen Unternehmen CureVac sei dagegen in der gleichen mRNA-Technologie entwickelt wurden wie Präperate von Pfizer/BioNTech und Moderna, sagte der Minister.

Impfstoff aus China?

Einen Bezug des russischen Impfstoffs Sputnik V, der bereits in Ungarn eingesetzt wird und für den jetzt die Slowakei einen Vertrag unterzeichnet hat (und voraussichtlich auch Tschechien), lehnt Polen kategorisch ab. Polen erwägt jedoch den Einsatz eines Impfstoffes aus China. Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat dazu ein Telefongespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping geführt, wie die Staatskanzlei in Warschau bestätigte.

Die chinesische Nachrichtenagentur berichtete danach, dass der chinesische Präsident eine Zusage zur Lieferung von chinesischen Impfstoffen nach Polen getroffen habe. Konkret geht es dabei um den Impfstoff des chinesischen Konzerns Sinopharm, der bisher innerhalb der EU nur von Ungarn eingesetzt wird. Ob Polen tatsächlich den Impfstoff aus China einsetzen wird, ist aber bislang noch völlig offen. Der Kauf von chinesischen Impfstoff ist Gegenstand von weiteren Festlegungen auf Regierungsebene , heißt es dazu aus der Warschauer Staatskanzlei. Fest steht jedoch, dass sich Polen wie auch andere EU-Länder in der existenziellen Frage der Impfstoffe nicht mehr auf die Brüsseler Bürokratie unter Führung von der Leyens verlassen will.

Nach einem kontinuierlich Rückgang seit Jahresbeginn ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Polen wieder deutlich angestiegen. Auch die Belegung der Intensivstationen nimmt wieder zu. Am letzten Februar-Tag vermeldete das Gesundheits-Ministerium 10099 Neu-Infektionen und 29 Todesfälle in direkter Folge von Covid 19. In Verbindung mit anderen Vorerkrankungen verstarben 85 Personen. Am Vortag waren es 12 100 Neu-Infektionen und 55 Todesfälle in direkter Folge von Covid-19.
Bezogen auf den 7-Tages-Zeitraum verzeichnet das Gesundheits-Ministerium bei den Neuinfektionen eine Wachstums-Rate von 30 Prozent. ,,Es ist ein Fakt, dass wir uns bereits in der 3.Corona-Welle befinden“, sagte der medizinische Berater des Ministerpräsidenten, Prof. Andrzej Horban, in der heutigen Morgensendung des privaten Fernsehsenders TVN. In einem optimistischen Szenario des Verlaufs der dritten Welle rechnet er mit täglich 20 000 Neu-Infektionen in den nächsten Wochen. Im pessimistischen Fall könnten es 50 bis 60 Prozent mehr sein. Der Anstieg der Infektionen werde wesentlich vom Verhalten der Menschen und der Einhaltung der Hygiene-Schutz-Regelungen abhängig sein.
Die polnische Regierung hatte bereits ab 1.Februar eine Lockerung der Lockdown-Beschränkungen eingeleitet. Seitdem sind wieder alle Läden sowie Kultureinrichtungen wie Museen und Kunstgalerien geöffnet. Dienstleistungseinrichtungen wie Friseur- und Kosmetiksalons konnten schon vordem ohne Einschränkungen unter Einhaltung der Hygiene-Regelungen (Schutzmasken, Abstands-Regelungen, Desinfektion) arbeiten.

Am 12. Februar folgte dann die Öffnung der Hotels und Pensionen. In den Wintersportzentren wie in Zakopane kam es darauf hin zu einem enthemmten Publikums-Spektakel. Tausenden feierten auf den Strassen dichtgedrängt ohne Sicherheits-Abstand und Schutzmasken Party. Ob die zuletzt eingeleiteten Lockerungen im Zusammenhang mit den jetzt deutlich zugenommenen Infektionszahlen im Zusammenhang stehen ist nicht belegt, kann nur vermutet werden.

,,Es macht keinen Sinn, mit der Axt auf einen armen Virus loszugehen“

Am vergangenen Wochenende hat die Regierung die Lockerungen wieder zurückgefahren, jedoch nur regional begrenzt auf die Region Ermland-Masuren (Wojewodschaft Warmińsko-Mazurskie). Diese Wojewodschaft gehörte in der Vergangenheit zu den Regionen mit den niedrigsten Infektions-Zahlen. Zuletzt betrug dort die Zahl der Neuinfektionen jedoch im 7-Verlauf 45 auf 100 000 Einwohner. Bei den 1,4 Mio. Menschen, die in Ermland-Masuren leben, ergibt dies 600 Neuinfektionen im Verlauf von 24 Stunden. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch in Regionen ab, die in der Vergangenheit sehr niedrige, weit unter dem Landes-Durchschnitt liegende Infektionszahlen aufwiesen, so in Pommern sowie in der an Deutschland angrenzenden Wojewodschaft Lubuskie.
Eine generelle und radikale Rücknahme der Lockerungen schließt Gesundheits-Minister Niedzielski allerdings im Moment aus. ,,Es wäre unbegründet, dass wir einen Schritt zurück machen und das ganze Land schließen“. Statt sich nur von landesweit vermeldeten Inzidenz-Zahlen leiten zu lassen, will die polnische Regierung künftig ihre Maßnahmen nach regionalen Schwerpunkten in der Infektionslage ausrichten. Die seit einem Jahr andauernde epidemiologische Situation ändere sich ständig dynamisch. ,,In Verbindung damit gibt es andere Erfahrungen und auch unsere Handlungs-Möglichkeiten sind völlig andere. In der gegenwärtigen Situation macht es keinen Sinn, mit der Axt auf einen armen Virus loszugehen“, sagte dazu ironisierend der Chefberater des Ministerpräsidenten, Prof. Horban.

© Magda Szulc/ infopol. PRESS