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Kaufprämie für E-Autos gibt`s in Polen jetzt nur mit Aufkleber

Mit sechsmonatiger Verspätung ist jetzt in Polen das Zuschuss-Programm für den Kauf von E-Autos gestartet. Gegenüber den ursprünglichen Planungen wurde die Höhe der vom Staat gezahlten Zuschuss-Prämie für den Kauf eines Stromers deutlich herabgesetzt. Und das nicht nur wegen den knapp gewordenen Kassen infolge der Corona-Krise.

,,Grünes Auto“, e-Van“ und ,,Kolibri“ . Das sind in der deutsche Übersetzung die Namen der drei Förderprogramme , aus denen der Staat jetzt einen Zuschuss für den Kauf eines Elektro-Autos zahlt Der fällt aber deutlich niedriger aus als noch vor einem halben Jahr angekündigt. Für den privaten Kauf eines E-Autos beträgt die Kauf-Prämie jetzt 18 750 Złoty (rund 4150 Euro).

Ursprünglich waren dafür die großzügige Summe von 37 500 Złoty angekündigt. Das war aber noch vor Beginn der Corona-Krise. Zu dem Zeitpunkt war aber schon klar, dass der Staat in seiner Ausgabe-Politik den Gürtel finanziell enger schnallen muss.
Heute – wie schon damals – ist die Zuschuss-Zahlung auf Elektro-Autos begrenzt, die einen Kaufpreis von max. 125 000 Złoty (rund 28 500 Euro) haben dürfen. Damit wird die Förderung nur auf die kleinsten, auf den Markt verfügbaren Elektro-Autos beschränkt. Das sind gegenwärtig:

• der Volkswagen e-up: 97 990 Złoty
• der Smart EQ Fortwo: 96 900 Złoty
• der Opel Corsa-e: 124 490 Złoty
• Nissan Leaf: 118 000  Złoty
• Peugeot e-208: 124 900 Złoty
• Renault Zoe: 124 900 Złoty

Mit 37,5 Mio. Złoty ist das Zuschuss-Budget für private E-Autos nur sehr bescheiden ausgestattet. Dies reicht max. für 2000 Fahrzeuge. Das ist nicht viel. Trotzdem wird es schwierig sein, diese Zahl zu erreichen. Um die Kauf-Prämie zu bekommen, muss man zahlreiche Bedingungen erfüllen.

Allein bei der Beantragung der Kauf-Prämie muss der Antragsteller 11 Verpflichtungs-Erklärungen abgeben. Dazu gehören u.a. das Verkaufsverbot des bezuschussten Fahrzeugs vor Ablauf von zwei Jahren und die Verpflichtung, im Jahr mindestens 10 000 Kilometer zu fahren.

Bei einem als Stadtfahrzeug genutzten kleinen E-Autos mit beschränkter Reichweite ist dies kaum zu realisieren. Auch ist man verpflichtet, das bezuschusste Auto mit vorgegebenen Aufklebern in der Größe von 44 x 7 cm sichtbar zu bekleben. Darauf steht (in deutscher Übersetzung) ,,Wir fördern die Elektro-Mobilität“ und ,,kofinanziert vom Umweltfonds“.

Dieser Aufkleber-Zwang ist für die meisten Polen, für die ein Auto (möglichst ein großer SUV) immer noch ein Status-Symbol ist, einfach ein verstörrendes Ansinnen.  Ohnehin spielt Umweltbewusstsein beim Kauf eines auch als ,,Spielzeug für reiche Leute“ bezeichneten E-Autos keine besonders große Rolle.

 

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Vor dem Hintergrund der zahlreichen Anforderungen ist es daher keine Überraschung, dass seit Eröffnung der Antragsrunde (26.Juni) erst 200 Anträge auf einer Förder-Prämie gestellt wurden. In der benachbarten Slowakei war bei ähnlichen Zuschuss-Aktionen für Elektroautos das Fördervolumen bereits nach 5 Minuten ausgeschöpft.
Bei dem dominierenden Status-Denken polnischer Autofahrer hat der Verkauf von  E-Autos an private Nutzer für den Auto-Markt ohnehin nur untergeordnete Bedeutung. Ein viel höheren Stellenwert haben für die Auto-Branche Flotten-Fahrzeuge. Entsprechend ist das Zuschuss-Programm „eVAN“ für Firmenfahrzeuge mit 70 Mio. Złoty schon etwas besser ausgestattet.

Der Zuschuss beträgt hier 30 Prozent des Kaufwertes und ist auf max. 70 000 Złoty (knapp 16 000 Euro) begrenzt. Die Prämie wird für den Kauf oder das Leasing von Fahrzeugen bis max. 3,5 t gezahlt. Zusätzlich wird vom Nationalen Umweltfonds, bei dem die Anträge zu stellen sind, der Kauf von E-Ladesäulen (AC) mit max 22 kW kofinanziert. Der Zuschuß beträgt hier max 50 Prozent des Kaufpreises, jedoch nicht mehr als 5000 Złoty (rund 1100 Euro).

Das dritte Förderprogramm mit der Bezeichnung ,,Kolibri” richtet sich ausschließlich an Firmen mit einer Lizenz für die Personenbeförderung.

Laut dem polnischen Verband der Autohersteller PZPM sind in Polen insgesamt 7884 Elektro-Pkw registriert (Stand Oktober 2019). Davon sind 4701 voll batteriebetriebene Fahrzeuge (BEV), der Rest Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge.

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Geschützt: Daimler beginnt nach den Ferien Batterie-Produktion in Jawor

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Polen: Wahlen ohne Stimm-Abgabe am 10.Mai

Kann man Wahlen für ungültig erklären, die überhaupt nicht stattgefunden haben? Was wie eine Anfrage an den ,,Sender Jerewan“ klingt, wird in Polen Realität. Am Sonntag (10. Mai) finden die Präsidentschaftswahlen statt, doch kein Wähler gibt eine Stimme ab. Am nachfolgende Tag werden dann die Wahlen für ungültig erklärt.
Mit dieser Lösung meinen PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński und sein Juniorpartner in der Regierungs-Koalition der ,,Vereinigten Rechten“ Jarosław Gowin, Vorsitzender der Partei Porozumienie (Verständigung) Polens größte politische Krise der vergangenen 30 Jahre unter Kontrolle gebracht zu haben.
Ihren Anfang nahm die Krise am 6.April. Zu diesem Zeitpunkt war das öffentliche Leben bereits durch die Corona-Schutzbestimmungen weitgehend lahmgelegt. Dessen ungeachtet brachte die nationalkonservative PiS-Partei den Vorschlag ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński als Beschluss-Vorlage durch den Sejm (Parlament), das Wahlrecht abzuändern und die Präsidentschafts-Wahl am 10. Mai als reine Brief-Wahl abzuhalten. Die Opposition legte daraufhin heftigen Protest ein. Unter den Bedingungen der Corona-Krise, die auch das Versammlungsrecht ausschließt, seien kein fairer Wahlkampf und allgemeine Wahlen möglich. Die Führung der PiS-Partei verwies dagegen unter Hinweis auf die Kommunal-Wahlen in Bayern, die vor einigen Wochen unter den Vorzeichen der Corona-Krise als Briefwahl abgehalten wurden, darauf, dass man mit der Briefwahl das Gesundheits-Risiko und die Befürchtungen der Wähler vor der Ansteckungs-Gefahr im Wahlbüro minimieren könne. Eine Verschiebung des Wahl-Termins schloss die PiS-Parteiführung kategorisch aus, obwohl die polnische Verfassung eine solche Möglichkeit, z.B. durch Ausrufung des Naturkatastrophen-Falls, vorsieht.

Präsidentschaftswahl für PiS von existenzieller Bedeutung

Das kategorische Festhalten am 10. Mai als Wahltermin hatte sein Gründe. Dem Vordenker der PiS-Partei und ausgebufften Parteistrategen Jarosław Kaczyński ist völlig klar, dass nach Ende der Corona-Krise das großen Schlachten beginnt . Dann wird die Frage nach den politischen Verantwortlichen für die Tausenden von Firmen-Pleiten, der danieder liegenden Wirtschaft, den Anstieg der Arbeitslosigkeit, den sinkenden Einkommen, der ausufenden Staatsverschuldung usw. gestellt.

Foto: PL-MVI-Agentur

Zu einem solchen Zeitpunkt, den Kandidaten der Regierungspartei, den bisherigen Staats-Präsidenten Andrzej Duda bei seiner Wiederwahl durchzubringen, wäre dann kaum noch möglich.
Dabei hat die Wiederwahl von Andrzej Duda für die PiS-Partei existenzielle Bedeutung. Denn der polnische Staatspräsident hat ein Veto-Recht. Wenn bei den Wahlen nicht Andrzej Duda gewinnt, sondern der Kandidat einer Oppositionspartei das Amt des Staats-Präsidenten übernimmt, dann könnte der jedes vom Parlament mit der Mehrheit der PiS-Partei beschlossenes Gesetz blockieren. Das wäre der Anfang vom Ende der PiS-Regierung.
Krisenzeiten sind dagegen Zeiten, in denen sich Amtsträger profilieren können. Für Kaczyński war und ist die Corona-Krise dagegen die ideale Gelegenheit, den Kandidaten der PiS-Partei, den amtierenden Staatspräsidenten Duda mit Leichtigkeit zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen. Entsprechend wurde Duda in dem von der PiS-Partei kontrollierten staatlichen TVP-Fernsehen täglich als Staatsmann und Krisen-Manager präsentiert, während die Opposition zu Hause sitzen mußte.

Kaczyński von Junior-Partner unter Druck gesetzt

Das bedingungslose Festhalten an dem Wahltermin, mit dem die PiS-Partei ihr skrupellose Machtpolitik in der Krisenzeit über das Gemeinwohl stellt, hatte jedoch nicht nur bei der Opposition entschiedenen Widerstand ausgelöst. auch im Regierungslager Widerstand ausgelöst. Auch  Jarosław Gowin, Vorsitzender der Partei Porozumienie, einer der beiden Juniorpartner in der von der PiS-Partei geführten Regierungskoalition sprach sich für eine VerschiebungWahlen aus. Gowin, ohne dessen Stimmen seiner Partei die PiS die absolute Mehrheit im Parlament verlieren würde, drohte sogar damit, mit seiner Fraktion die Regierungs-Koalition zu verlassen, wenn nicht der Wahltermin verschoben wird. Dabei war schon absehbar, dass die Brief-Wahlen zu dem von der PiS-Regierung festgelegten Termin im Chaos versinken werden, denn das vom Sejm beschlossene abgeänderte Wahlrechts-Gesetz zur Briefwahl mußte erst noch vom Senat, der zweiten Kammer des Parlaments begutachtet werden. Entsprechend dem legislativen Prozeß-Verfahren wird dem Senat dafür eine Frist von 30 Tagen eingeräumt. Der Senat wird aber nicht von der PiS-Partei, sondern von der Opposition dominiert. Damit war vorhersehbar, dass der Senat die Frist voll ausschöpfen wird. Am Dienstag dem 5.Mai, also fünf Tage vor dem Wahltermin legte der Senat in der Abendstunden seinen ablehnenden Beschluß zur Änderung des Wahlrechts vor. Zu dem Zeitpunkt hatte der Regierungs-Beauftragte für die Wahlen Jacek Sasin, ein engster Vertrauter von Kaczyński, bereits einen Druck der Wahl-Unterlagen veranlasst, obwohl dafür überhaupt noch keine gültige Rechts-Grundlage vorlag, nämlich ein verabschiedetes Wahländerungs-Gesetz.
Nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus organisatorischer Sicht war das Chaos vorprogrammiert. Für die Wahl-Kommissionen fanden sich wegen der Corona-Krise nicht genügend Wahlhelfer. Die Auszählung der Wahlstimmen würde Woche dauern. Auch die Polonia, die Organisation der Auslandspolen hatte bereits im Vorfeld gewarnt, dass rund 2,5 Mio. im Ausland lebende Polen aufgrund der kurzen Fristen und der in vielen Ländern geltenden Corona-Schutzbestimmungen von der Wahl praktisch ausgeschlossen werden.

Kompromiß aus dem Hinterzimmer

Die Ablehnung des Senats zur Abänderung des Wahlgesetzes hat allerdings keinen bindenden, sondern nur einen Empfehlungs-Charakter. Sie kann vom Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, wieder überstimmt werden. Hier hat die PiS-Partei die Mehrheit, wenn denn ihr Junior-Partner, Gowins Partei Porozumienie, mitzieht. Und das war nach der ablehnenden Haltung von Gowin offen. In den Abendstunden vom Mittwoch, den 6.Mai, fand dann das Tauziehen um den Termin der Präsidentschafts-Wahlen (vorerst) ein Ende. Um 22.03 Uhr gaben Kaczyński und sein Widersacher Gowin eine gemeinsame Erklärung heraus, in der sich für eine Brief-Wahl aussprechen, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt. Danach wird die Wahl am 10.Mai stattfinden, jedoch nur theoretisch, ohne Stimm-Abgabe, damit sie am nachfolgenden Tag vom Obersten Gericht für ungültig erklärt werden kann. Damit wird der Weg freigemacht, dass die Parlaments-Präsidentin einen neuen Termin für die Briefwahl festlegen kann. Voraussichtlich wird die Wahl dann im Juli stattfinden.
Es spricht für den Zustand des politischen Systems in Polen, dass zwei Herren von der Regierungs-Koalition im Hinterzimmer einen Entscheidungs-Prozeß zu den Wahlen herbeiführen, während zur gleichen Zeit ohne Beteiligung oder Kenntnis von dem die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im TVP-Fernsehen eine Wahlkampf-Debatte führen. Die Demontage des polnischen Staates und seiner Institutionen schreitet damit weiter voran. Weltweit ein einmaliger Vorgang: nach Festlegung des Wahltermins wird im Nachhinein Wochen später unter Protest der Opposition  plötzlich das Wahlrecht geändert. Und drei Tage vor dem drohenden Wahl-Chaos können unter kompletter Ausschaltung des Souveräns ,,der kleine und der große Jarosław“ mit einer ,,Vereinbarung im Hinterzimmer“ praktisch darüber entscheiden, dass die tatsächlich nicht stattgefundene Wahl für ungültig zu erklären ist.

© André Janski / infopol.PRESS

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Corona: Discounter jetzt Non stop geöffnet

Neue Regelungen für den Handel
Gesonderte Öffnungszeiten nur für Rentner

Polens führende Discount-Ketten Biedronka (Jeronimo Martins) und Lidl (Schwarz-Gruppe) verlängern ihre Öffnungszeiten bis 24.00 Uhr. In Großstädten wie Kraków, Breslau oder Danzig bleiben dagegen ihre Discount-Märkte rund um die Uhr offen. Die Discount-Märkte ziehen damit die Konsequenzen aus den heute (2.April) von der polnischen Regierung angeordneten Regelungen. Diese zielen darauf ab, die Kontakt-Möglichkeiten weiter einzuschränken, um eine Ausbreitung des Corona-Virus zu verringern. Alle Lebensmittel-Märkte sind danach angewiesen, zum besonderen Schutz von älteren Menschen Sperrzeiten von 10.00 bis 12.00 Uhr für Rentner einzurichten. In diesem Zeitraum dürfen nur ältere Menschen ab 65 Jahre in den Super- und Discount-Märkten einkaufen. Durch diese Einschränkung sollen ältere Menschen, die besonders vom Corona-Virus gefährdet sind, geschützt und gleichzeitig die Ansteckungs- und Übertragungs-Möglichkeiten eingeschränkt werden.

Neben der Schließung von Friseur- und Kosmetik-Salons wurden auch Einschränkungen für die Bau-Märkte angeordnet. Die waren in den vergangenen Wochen von den Kunden überlaufen worden. Wie in Deutschland hatten auch die großen Bau-Marktketten in Polen plötzlich Kartoffeln angeboten, um unter der Kategorie Grundversorgung der Bevölkerung einer Schließung zu entgehen. Alle großen Einkaufszentren – mit Ausnahme der Lebensmittelmärkte – waren bereits vor zwei Wochen geschlossen worden. Die Regierung hat jetzt zumindest eine Schließung aller Baumärkte an Wochenenden angeordnet.

Zu den verschärften Regelungen für den Handel wurde jetzt auch ein Limit für den Aufenthalt von Personen in Läden angeordnet – pro Ladenkasse nicht mehr als 3 Kunden.

 

Abstands-Regelungen und regel-mäßiges Desinfizieren der Hand-flächen von Einkaufswagen ist in den meisten Läden schon die Norm. Mit den neuen Regelungen sind jetzt alle Kunden verpflichtet, Einweg-Handschuhe beim Ein-kaufen zu tragen. Lidl will zudem ab nächste Woche für sein Ver-kaufspersonal Gesichts-Schutz-hauben einführen.

Die Discount-Märkte Biedronka und Lidl haben dies zum Anlass genommen, ihre Öffnungs-Zeiten massiv zu erweitern. Eine Fortsetzung des seit zwei Jahren in Polen herrschenden Konsum-Booms animierend, erklärt Biedronka, dass die von der Regierung eingeführten Regelungen zu langen Schlangen von Kunden geführt haben, die ihre Einkäufe machen wollen. Mit der Verlängerung der Öffnungszeiten wolle man den Kampf gegen die Corona-Epidemie unterstützen. Gleichzeitig werde aber durch längere Öffnungszeiten bei der angeordneten geringeren Zahl von Verbrauchern im Laden den Kunden mehr Komfort beim Einkaufen und auch eine höhere Sicherheit beim Einkaufen geboten, behauptet Biedronka.

 

Sowohl bei Biedronka wie auch bei Lidl beträgt ab heute die Grund-Öffnungszeit in allen Filialen von 6.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Lidl geht noch einen Schritt weiter: In den Großstädten bleiben die Märkte rund um die Uhr geöffnet. Wenn man darauf steht, kann man also auch nachts um 3 Uhr bei Lidl einkaufen. Der deutsche Discounter plant deshalb auch zusätzliche Mitarbeiter einstellen.

Der Einkauf rund um die Uhr beginnt bei Biedronka in der Woche vor Ostern. Die Oster-Einkäufe sind etwas Besonderes und wir benötigen mehr Zeit, um sorgfältig Produkte auszuwählen und uns um jede Einzelheit zu kümmern, meint man bei Biedronka in Verkennung der Realitäten der Corona-Krise.

Ostern hat im katholisch geprägten Polen einen besonderer Stellenwert. Auch das erste schöne Frühlingswetter hält viele polnischen Familien nicht davon ab, Ostern mit Jung und Alt in geschlossenen Räumen am gedeckten Tisch zu verbringen, den Gang zur Oster-Messe eingeschlossen. Ein Ablauf in dieser Form dürfte dieses Jahr jedoch zu einer explosionsartigen Ausweitung der Corona-Krise in Polen führen, ist zu befürchten. Das ,,Mehr-Generationen-Leben“ ist in Polen ähnlich ausgeprägt wie in Italien und Spanien. Bei der Bedeutung, die die Oster-Feiertage im polnischen Familien-Leben haben, ist es daher sehr fragwürdig, ob die von der polnischen Regierung angeordneten Kontakt-Sperren auch zu Ostern eingehalten werden.

Gegenwärtig (2.April) sind in Polen 2692 bestätigte Corona-Fälle registriert. 51 Personen sind infolge der Corona-Infektion verstorben.

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Blitzartig Produktion auf Desinfektionsmittel umgestellt

Mit dem Kupferkonzern KGHM hat diese Woche eine weiteres branchenfremdes Unternehmen die Produktion von Desinfektionsmitteln aufgenommen. Gerade in Krisen-Zeiten zeigen sich polnischer Unternehmen von ihrer besten Seite: schnell und flexibel auf Lücken und dem Bedarf zu reagieren. Und Produkte herzustellen, die mit ihrem Kerngeschäft überhaupt nichts zu tun haben. So hat das KGHM-Tochterunternehmen Nitroerg die Produktion des Desinfektionsmittel nitrosept aufgenommen. Nitroerg ist eigentlich ein Hersteller von Sprengstoffen. Das Unternehmen verfügte weder über eine Produktionslinie, noch über die Technologie. Trotzdem hat das Unternehmen innerhalb von nur zehn Tagen die Desinfektionsmittel-Herstellung aus dem Boden gestampft. Nach Angaben der KGHM-Konzernleitung produziert Nitroerg täglich 30 000 Liter Desinfektionsmittel.

Die Aufnahme der Desinfektionsmittel-Produktion erfolgte auf staatlichen Geheiß. Entsprechend wurden die ersten Produkt-Partien an öffentliche Gesundheits-Einrichtungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus kostenlos ausgeliefert. Das Desinfektionsmittel nitrosept wird jedoch auch an kommerzielle Abnehmer verkauft. ,,Jedoch mit geringer Marge, die die Produktionskosten deckt“, betont KGHM-Vorstand Marcin Chludziński.

Wie im Fall des KGHM hat auch der vom Staat kontrollierte Erdölkonzern PKN Orlen den staatlichen Appellen folgend blitzartig die Herstellung von Desinfektionsmitteln aufgenommen. Und dies im großen Maßstab. Bereits schon in der ersten Märzwoche hatte PKN Orlen in seinem Raffinerie-Betrieb in Jedlicze die Produktions-Linie, auf der bisher Scheibenwischer-Flüssigkeit hergestellt wurde, im Rekordtempo auf die Herstellung von Desinfektionsmittel umgestellt. Rund um die Uhr im Dreischicht-System wird seitdem dort ein Mittel zur Desinfektion von Händen hergestellt.

Das Produkt setzt sich zu 70 Prozent aus Äthanol, sowie Isopropylalkohol, Glycerin Wasser und Duftstoffen zusammen. PKN Orlen hatte für die Produktion des Desinfektions-Mittel von der polnischen Arznei-Zulassungsbehörde die Zulassung zur Verwendung von Äthanol in Pharmakopöe-Qualität (Pharmakopöe – Arzneibuch-Sammlung mit verbindlichen Qualitäts-Vorschriften) erhalten. In der gegenwärtigen Markt-Situation ist Äthanol in diesem Qualitäts-Standard preiswerter und auf dem Markt mehr verfügbar als das von der Europäischen Chemikalien-Agentur ECHA zertifizierte Äthanol.
Nachdem die ersten Produktions-Mengen an die staatliche Einrichtungen für strategische Material-Reserven ausgeliefert wurden, hat der Erdölverarbeitende Konzern begonnen, das Desinfektionsmittel über seine Tankstellen in Polen zu vertreiben. Die 1-Liter-Flasche wird dort zum Preis von 15 Zloty angeboten. Weiterhin wird das Produkt auch im 5-Liter Kanister angeboten. Mittlerweile wurde auch eine zweite Produktionslinie eröffnet. Nach Angaben von PKN Orlen ist die Produktions-Menge im März auf 2,5 Mio. Liter ausgelegt. Sie soll im April auf 4,5 Mio. Liter erhöht werden.

PKN Orlen betreibt über seine Tochter-Gesellschaft Orlen Deutschland GmbH auch über 600 Tankstellen (Star / Orlen) in Deutschland. Der Anfrage von infopol.PRESS an Orlen Deutschland, ob das Desinfektionsmittel in der 1-Liter-Flasche und dem 5-Liter-Kanister künftig auch an den deutschen Tankstellen von PKN Orlen verkauft wird, ist die deutsche Konzerntochter bislang ausgewichen.

Neben dem Kupferkonzern KGHM und PKN Orlen haben noch weitere polnische Unternehmen die Produktion von Desinfektionsmitteln aufgenommen. Dazu gehört Polfa Tarchomin. Das Unternehmen stellt in seinem Warschauer Betrieb u.a. Antibiotika und Insulin her. Um auf den plötzlichen Bedarf zu reagieren, habe ein spezieller Mitarbeiter-Stab innerhalb von 24 Stunden die Rezepturen für die Desinfektionsmittel erarbeitet, teilte Polfa-Chef Jarosław Król mit.
Dabei handelt es sich um die Anti-Virusflüssigkeit Trisept TZF (in 30 ml-Handpackung sowie in 5 Liter) und um Dezynmax TZF, ein Mittel zur Desinfizierung von Räumen (in 5-Liter Verpackung).

Neben Unternehmen mit staatlicher Beteiligung haben auch Privat-Unternehmen mit der Aufnahme der Produktion von Desinfektionsmitteln auf die sprunghaft angestiegene Nachfrage reagiert. Eines davon ist die Boryszew Group, die in verschiedenen Industrie-Branchen aufgestellt ist. Zu der Unternehmensgruppe gehören u.a. auch in Deutschland die Automotive-Zulieferer-Betriebe in Salzgitter, Prenzlau, Langenhagen, Gardelegen, Doberschau und Idar-Oberstein. Die Unternehmens-Gruppe besitzt aber auch mit der Boryszew ERG den größten Hersteller von Kühl- und Enteisungsmitteln für die Bahn- und Luftfahrtbranche in Polen. Boryszew ERG hat jetzt sein Produkt-Palette erweitert und produziert unter den Produkt-Namen ERG CleanSkin nun auch antibakterielle Mittel für die Desinfektion von Händen sowie für die Desinfizierung von Räumen im privaten, öffentlichen und Industriebereich. Die Präparate bauen auf einen 72prozentigen Äthyl-Alkohol auf.

Die notwendigen Genehmigungen für die Produktions-Aufnahme habe man innerhalb von zehn Tagen erhalten, erklärte Boryszew-Vorstand Piotr Lisiecki. Mit den modernen Produktionslinien und dem jahrelangen Knowhow in der Chemiebranche sei garantiert, dass ,,unsere Kunden ein Produkt von höchster Qualität erhalten, welches alle Anforderungen erfüllt“. Die Produktion läuft rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.
Die Präperate werden in der 5-Liter-Verpackung sowie in der 500ml-Sprühflasche über die kommerziellen Vertriebs-Kanäle (ERGcleanskin@boryszew.com) von Boryszew angeboten.

Die Bereitschaft der Unternehmen, das desolate und chronisch unterfinanzierte polnische Gesundheits-System im Kampf gegen den Coronavirus zu unterstützen, ist enorm. Neben der Produktion von Desinfektionsmitteln, Schutz-Masken oder der Bereitstellung von Labor-Kapazitäten für Corona-Tests spenden Unternehmen Geldbeträge für örtliche Krankenhäuser.

Die Hilfsbereitschaft hat aber auch eine Kehrseite, die EU-Kommissionschefin Ursula van der Leyen gerade vor dem EU-Parlament mit den ,,nationalen Egoismus einzelner EU-Staaten“ umschrieb. Dies hat gerade das norwegische Unternehmen Norenco in seiner Fabrik im ostpolnischen Biała Podlaska erleben müssen. Das Unternehmen produziert dort seit 1997 Hygieneartikel und Produkte der Haushaltchemie für den skandinavischen Markt. Nach Angaben von Norenco-Chef Arne Haukland plante das Unternehmen, den norwegischen Markt mit wöchentlich zwei Lkw mit Desinfektionsmittel zu beliefern. Dies wurde vom polnischen Zoll untersagt.

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28.März 2020

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Polen senkt wegen Corona-Krise die Leitzinsen

Der Geldpolitische Rat der Polnischen Nationalbank (NBP) hat erstmals seit 5 Jahren die Leitzinsen gesenkt. Der wichtigste Leitzins – der Referenzsatz – wurde um 0,5 Prozent auf 1 Prozent gesenkt. Das ist das niedrigste Niveau in der Geschichte der polnischen Zentralbank.

Die Maßnahmen dienen dazu, die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen aus der Coronavirus-Verbreitung zu beschränken und in der weiteren Perspektive eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu stimulieren“, begründet die Nationalbank NBP den Zinsschritt.
Außer dem Referenz-Satz wurde der Lombard-Satz auf 2 Prozent und der Discount-Satz, der seit zehn Jahren unverändert war, auf 1,10 Prozent festgelegt. Der Lombard-Satz ist der Zinssatz, zu dem sich die Kredit-Institute durch Verpfändung eigener Wertpapiere von der Zentralbank kurzfristig Liquidität verschaffen können. Der Discount-Satz ist dagegen der Zinssatz, zu dem die Kreditinstitute Wechsel an die Zentralbank verkaufen können, um sich ebenfalls Liquidität zu verschaffen.
Die Zins-Entscheidung fiel in dem zehnköpfigen Geldpolitischen Rat der Nationalbank denkbar knapp aus. Die Hälfte der Rat-Mitglieder stimmte dagegen. Die entscheidende Stimme hatte jedoch der Präsident der Nationalbank Adam Glapiński . Der hatte schon Tage zuvor unisono mit Staatspräsident Andrzej Duda auf eine Absenkung der Leitzinsen gedrängt.
Der Zinsschritt der Nationalbank hat bei den Volkswirten und Bank-Analysten geteiltes Echo gefunden. Während die einen darauf verweisen, dass die kurzfristige Stützung der Bonität der Wirtschaftsunternehmen in der gegenwärtigen Situation absolut notwendig sei, verweisen andere auf die Inflationsgefahr. Polen hatte Anfang des Jahres mit knapp 5 Prozent mit die höchste Inflationsrate in Europa, die u.a. auf die Erhöhung der Strompreise, anderer Dienstleistungen und der Verteuerung von Lebensmitteln zurückzuführen ist. Nationalbank-Präsident hält dem entgegen, dass der jetzt zu beobachtende Rückgang der Nachfrage nach Dienstleistungen und Non-Food-Produkten sowie der Rückgang der Weltmarkt-Preise für Rohstoffe die Inflations-Risiken minimieren.
Leszek Balcerowicz, ,,Vater der polnischen Reformen“, der vor 30 Jahren mit eiserner Hand das damals zerüttete polnische Wirtschafts-und Finanzsystem (Inflationsrate 700 Prozent) wieder auf Stabilitätskurs brachte, kritisierte den Zinsschritt als undurchdachtes Nachahmen der US-amerikanischen Zentralbank Fed. Die hatte Zinssenkung zwei Tage vorher unter Druck von US-Präsident Donald Trump die Zinsen um 1 Prozent gesenkt. Dieser Zinsschritt ist weitgehend ohne Wirkung auf die Wirtschaft verpufft. Die Situation in Polen sei eine andere als im Westen, wo es keine hohe Inflation gebe. Die FED müsse sich keine Sorgen machen, dass durch ihre Zinssenkung der Dollar schwächer wird. In Polen bestehe schon die Gefahr, dass die polnische Währung an Währung verliert. Statt der von Glapiński und Staatspräsident Duda forcierten propagandistischen Zins-Senkung brauchen die Wirtschafts-Sektoren und Unternehmen, die von der Corona-Krise am härtesten getroffen sind, jetzt auf sie ausgerichtete selektive Hilfs-Maßnahmen, sagte Balcerowicz der Zeitung Rzeczpospolita.
Anders als die zweckoptimistischen Prognosen der Regierung und Volkswirte staatlicher Banken hat jetzt auch die amerikanische Investitionsbank Stanley Morgan ein düsteres Bild für die polnische Volkswirtschaft in diesem Jahr gezeichnet. Durch die Corona-Pandemie werde Polen in eine Rezession erleben, wie es sie noch nie gesehen habe. In ihrer düstersten Prognose erwartet die Banker von Morgan Stanley einen Rückgang der polnischen Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 5,6 Prozent. Im vergangenen Jahr erzielte Polen noch ein Wirtschaftswachstum von 4,1 Prozent, was der PiS-Regierung im Rahmen von Wahlversprechen massive Sozial-Transfers erlaubte.
Bei den düsteren Aussichten erwarten die Analysten von Morgan Stanley, dass die polnische Nationalbank noch eine weitere Zins-Senkung vornehmen wird.

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