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Ukraine blockiert Bahntransporte nach Polen

 

Seit Wochen blockiert die Ukraine die Schienenverkehre aus dem Osten nach Polen. Von den Beschränkungen sind Warentransporte aus 15 Ländern betroffen, darunter aus Kasachstan und Russland, und was für Polens Unternehmen besonders schmerzhaft ist, Warentransporte über die ,,Neue Seidenstrasse“ aus China.

Die vordergründige Vermutung, dass die Blockade der Schienenwege durch die Ukraine mit dem Aufmarsch der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen hängt, ist allerdings abwegig.  Die Ukraine blockiert nur die Schienenverkehre nach Polen. Die Transit-Züge aus der Ukraine in die Slowakei und nach Ungarn rollen ungehindert weiter. ,,Wir sind das einzige europäische Land, das vom unbefristeten Verbot der Ukrainischen Bahn für den Warentransport im Transit betroffen ist“, machte Andrzej Olszewski vom Vorstand der Polnischen Bahn PKP seinen Ärger Luft. Inzwischen dauert die Unterbrechung der internationalen Lieferketten durch die Ukraine bereits den zweiten Monat an.

Offiziell erklärt Kiew den Transitverbot mit notwendigen Reparatur-Arbeiten auf der Bahnstrecke nach Polen. Tatsächlich geht es jedoch – wie Staatsbeamte in einem Bericht eines ukrainischen Nachrichtenportals Dzerkało Tyżnia zugeben – darum, ein Druckmittel gegenüber Warschau bei der Durchsetzung von Forderungen nach einer höheren Zahl von Transportgenehmigungen auszuüben.

 

Glaubwürdigkeit der Ukraine – Druckmittel oder Erpressung?

Konkret geht es dabei um die CEMT-Genehmigungen für Lkw, die zur Beförderung von Waren im grenzüberschreitenden Straßenverkehr zwischen der EU und osteuropäischen Ländern berechtigen. Diese werden jährlich nach Ländern kontingentiert. Neben der Türkei und der Ukraine gehört Polen zu den Hauptprofiteuren des CEMT-Genehmigungssystems, dem 42 Länder angehören. Polen hatte bisher der Ukraine 160 000 Transport-Genehmigungen pro Jahr ausgestellt. Für Kiew ist das nicht ausreichend. Die Ukraine verlangt nun eine Erhöhung auf 200 000 Transport-Genehmigungen. Polen sei das Haupteingangstor für die Ukraine nach Europa. Rund 40 Prozent aller ukrainischen Warentransporte an EU-Staaten entfallen auf Polen. Das Defizit an Transport-Genehmigungen beschränke den Handel der Ukraine mit der EU, heißt es in dem ukrainischen Nachrichtenportal. Polen sei nicht bereit, die Quoten zu erhöhen. Die scharfe Reaktion der ukrainischen Behörden sei die Antwort auf Polens ablehnende Haltung. Kiew hat bereits Polen eine Klage in Brüssel angedroht.

Laut ukrainischer Statistik ist Polen nach China der zweitgrößte Handelspartner der Ukraine. Mit Stand Oktober 2021 wurden im vergangenen Jahr Waren im Wert von 4,4 Milliarden US-Dollar nach Polen exportiert. Einen bedeutenden Anteil haben dabei Rohstoffe wie Eisenerze, deren Hauptabnehmer die Hüttenbetriebe von ArcelorMittal in Südpolen sind. Eine besondere Bedeutung für die Polnische Bahn PKP hat dabei die Bahnanbindung des Euro-Terminals Sławków an das ukrainische Bahnnetz. Das Euroterminal im oberschlesischen Sławków ist der westlichste Ort in Europa, der an eine aus dem Osten kommenden Bahnlinie in der Breitspur (Gleisabstand 1520 mm) angebunden ist. Die von der PKP LHS betriebene Strecke hat eine Länge von 400 Kilometern und führt über den Grenzübergang Hrubieszów in die Ukraine. Gebaut wurde sie in den 70er Jahren zur Versorgung der Montan-Industrie in Oberschlesien mit Rohstoffen aus der Sowjetunion.

Fotos: LHS PKP

Vor zwei Jahren wurde im Euro-Terminal Sławków der Container-Zugverkehr aus China in Betrieb genommen. Im Vergleich zu anderen Zugverbindungen nach China und Südkorea beträgt die Laufzeit der Züge zum Euroterminal nur 12 bis 14 Tage, was dem Umstand zu verdanken ist, dass die Züge von der chinesisch-kasachischen Grenze bis zur polnischen Endstation auf der russisch genormten Breitspur fahren können, ohne die Notwendigkeit, die Container an der EU-Außen-Grenze auf die europäische Spurbreite umzuladen.

Mit den unterbrochenen Lieferketten durch die Ukraine fürchtet man jetzt bei der PKP Kunden zu verlieren. Die Blockade des Bahn-Transits nach Polen setze die Glaubwürdigkeit der Ukraine herab, heißt es.

Nicht nur beim Handelsverkehr ist Polen mit der Ukraine eng wirtschaftlich verflochten. In nahezu jedem polnischen Unternehmen sind Arbeitskräfte aus der Ukraine als billige Lohnarbeiter beschäftigt. Nach Angaben der polnischen Arbeitsämter beschäftigen 60 Prozent aller Firmen in der Automobil-Industrie, der Transport- und Logistikbranche sowie dem Bau Ukrainer. Insgesamt wird die Zahl der in Polen beschäftigten Ukrainer in Dunkelziffer-Schätzungen auf rund 2 Mio. geschätzt.

© André Jański / infopol.PRESS