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Corona: Ab sofort ganz Polen im ,,kleinen Lockdown“

Die polnische Regierung hat mit Wirkung vom 10. Oktober die Maskenpflicht für alle im öffentlichen Raum angewiesen. Damit muss jeder in Polen auch auf der Strasse, auf Plätzen, in Parks usw, also unter freiem Himmel, eine Maske tragen.  Polizei und Ordnungsbehörden wurden angewiesen, bei der Durchsetzung der Corona-Schutz-Maßnahmen eine Politik der ,,Null Toleranz“ zu fahren.

Die Regierung zieht mit den angeordneten Maßnahmen die Konsequenz aus den dramatischen Anstieg der Corona-Neuinfektionen. Innerhalb der vergangenen drei Tage hat sich deren Zahl täglich um nahezu 1000 erhöht. Am Mittwoch meldete das Gesundheits-Ministerium  3003 neue Corona-Infektionen und  75 Todesfälle, am Donnerstag 4280 Neu-Infektionen und  76 Tode. Gestern waren 4739 neue Corona-Infektionsfälle. Die neueste Rekord-Zahl vom heutigen Sonnabend: 5300.

 

Ganzes Land eine ,,Gelbe Zone“ 

Noch vor  einer Woche waren nur 28 Kreise und Städte  als ,,Gelbe Zonen“ mit einem erhöhten Gefährdungs-Risiko ausgewiesen. Jetzt hat die polnische Regierung  das gesamte Land mit ,,Gelb“ markiert. Gleichzeitig wurden  32 Kreise und 6 Großstädte als ,,Rote Zonen“ zu Corona-Risikogebieten  erklärt. Dazu gehören jetzt auch die an der Ostsee gelegenen Städte Koszalin, Sopot und Słupsk und Anschlussgebiete.

Ministerpräsident Morawiecki versuchte bei der Vorstellung der Corona-Schutz-Maßnahmen den Eindruck zu vermitteln, dass man weiterhin die Situation unter Kontrolle habe.  Derzeit werden  4725 Personen  wegen einer Corona-Infektion in Krankenhäusern behandelt . Davon sind 346 Patienten an eine künstliche Beatmung angeschlossen.  Die Zahl der zur Verfügung stehenden freien Betten sei doppelt so hoch, beruhigte  Morawiecki. Die Regierung habe Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der freien Betten für Intensiv—Patienten um weitere Tausende Betten  zu erhöhen, versprach der  Ministerpräsident der Bevölkerung.  Auch Beatmungs-Geräte seien in genügender Zahl vorhanden.

Auf die Frage von Journalisten, ob die Regierung die Einführung des Ausnahmezustands in Polen erwäge, antwortete  Morawiecki, dass man bei einer weiteren Eskalation der Situation dies nicht ausschließen könne.

Gleichzeitig wich er kritische Fragen aus, inwieweit er und die Regierung  mit ihrer Politik zur Entwicklung der aktuellen Situation beigetragen haben. Mit propagandistischen Auftritten vor laufenden Kameras hatte Morawiecki in der Vergangenheit  immer wieder die Arbeit seiner Regierung gelobt, wodurch Polen im Vergleich zu westlichen Ländern die  Corona-Krise erfolgreich bekämpft habe. Morawiecki war es auch, der bei den Präsidentschaftswahlen insbesondere ältere Menschen dazu aufrief, an die Wahlurnen zu gehen. Sie sollten sich keine Sorgen machen. Die Situation sei sicher, die Corona-Krise bekämpft.

Empörung in den sozialen Medien – Während die Regierung bereits eine Verschärfung der Corona-Schutzbestimmungen ankündigt, präsentierten sich diese Woche 80 Bischöfe dichtgedrängt und ohne Schutzmasken zum Abschluß der 387.Plenartagung der Polnischen Episkopats-Konferenz im Erzbistum Łódź. Kritiker sehen sich dabei in der Annahme bestätigt, dass es in Polen bei der Einhaltung der Corona-Schutzbestimmung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Foto: Episkopat News

Trotz der seit Anfang September  kontinuierlich anwachsenden Zahl der Corona-Infektionen war die Regierung und die Führungsspitzen der Koalitionsparteien im Machtkampf um Posten und Einflußsphären in der Regierung  wochenlang mit sich selbst beschäftigt, kritisiert nicht nur die Opposition.  An der jetzigen Situation seien die Politiker schuld, kritisiert einer der führenden Virologen in Polen  Prof. Krzysztof Simon, Leiter der Klinik für Infektionskrankheiten an der  Medizinischen Universität Breslau (Wroclaw).

,,Das Jonglieren mit Statistiken, wonach es in Polen keinen Mangel an Betten und Beatmungs-Geräten gebe,  verbessert nicht die reale Situation“, schreiben Bürgermeister und Landräte der Wojewodschaft Pommern in einen gestern veröffentlichten Schreiben an Ministerpräsidenten Morawiecki .

Es fehlen Ärzte und Schwestern, Mangel an Medikamenten – Bald Auswahl von Patienten mit Überlebenschance

Den Ministern sei überhaupt nicht der Personal-Mangel in den Krankenhäusern  und die Zugangsbeschränkungen für  Patienten, die an anderen Krankheiten leiden, bewußt. In den Krankenhäusern fehle das Medikament Remdesivir und Covid-19 – Rekonvaleszenten-Plasma  (CAPSID) zur Behandlung  von schweren Covid-19 –Erkrankungen.  Wenn die Dynamik der Neu-Infektionen weiter anhalte und in den nächsten 14 Tagen   nicht genügend dieser Präparate zur Verfügung stehen, werde man ,,eine Auswahl der Patienten treffen müssen, bei denen eine Behandlung und Überlebenes-Chance gegeben ist“, heißt es in den Schreiben.

Ähnlich alarmierende Meldungen kommen auch aus anderen Regionen  Polens, wo fehlende Ärzte und Pflegepersonal beklagt wird. Kritisiert wird auch die von der Zentral-Regierung angeordnete dreistufige Krankenhaus-Gliederung, die oft eine Verlegung von Patienten in bis zu 100 Kilometer entfernte Krankenhäuser mit freien Betten zur Folge hat.  Das ganze Lande werde bald eine Rote Zone sein, warnte der Virologe Prof. Simon gegenüber der Zeitung Rzeczpospolita .

Als Rote Zonen sind von der Regierung Infektions-Herde ausgewiesen, wo innerhalb von 14 Tagen mehr als 12 bestätigte Neu-Infektionen pro 10 000 Einwohnern aufgetreten sind.  Zu den dort geltenden Beschränkungen  gehört u.a. die Herabstufung der der Zahl der Teilnehmer   an Familienfeiern und Hochzeitsgesellschaften auf max. 50 Der Besuch von Kirchen ist auf die Hälfte der Platzkapazität beschränkt. In Kinos dürfen nur noch 25 Prozent der Plätze belegt werden. Ab 22 Uhr gilt in gastronomischen Einrichten die Sperrstunde.  Sanatorien müssen geschlossen werden. Verboten sind Messen, Basar-Handel  und Vergnügungsparks.

Wieder Einkaufszeiten nur für Rentner

Die Polizei kontrolliert die Einhaltung der Maskenpflicht auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Foto Policja Wrocław

Im ganzen Land gilt dagegen die absolute Maskenpflicht auch im öffentlichen Raum unter freiem Himmel. Die Polizei und andere Ordnungsbehörden sind zu einer Null-Toleranz-Politik angewiesen. Personen, die keine Maske tragen, werden mit einer Ordnungsstrafe von 500 Zloty (rund 120 Euro) abkassiert. Bei Einleitung eines amtlichen Strafverfahrens durch die Gesundheits-Behörde ist mit einer Geldstrafe von 30 000 Zloty oder einer Inhaftierung zu rechnen.

 

Für die Vor-Ort-Kontrollen der Personen, die von den Gesundheits-Behörden in die Quarantäne geschickt wurden, wird die Polizei in den Corona-Hotspots jetzt wieder von Soldaten unterstützt. Gegenwärtig befinden sich weit über 200 000 Personen in Polen in der Haus-Quarantäne.

Ab kommender Woche sollen auch wieder Handels-Sperrstunden für Rentner eingeführt werden. In der Zeit von 10 bis 12 Uhr ist der Einkauf in den Läden ihnen vorbehalten.

© Magda Szulc / infopolPRESS