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Toten-Aufbahrung in Garagen und Scheunen

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind in Polen über 87 000 Menschen an oder in Verbindung mit Corona gestorben. Dies geht aus aktuellen Angaben des polnischen Gesundheits-Ministerium hervor.
Corona hat auf nahezu alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche negative Auswirkungen. Nicht erfasst ist davon ein Bereich, der wenig im Licht der Öffentlichkeit steht: das Bestattungswesen.
Allein in Warschau hat sich Schätzungen zufolge die Zahl der Bestattungs-Unternehmen in jüngster Zeit von 150 auf knapp 300 verdoppelt. In ganz Polen sind es inzwischen rund 4 000 Bestattungs-Firmen. Die Mehrheit von ihnen erfüllt nach Einschätzung des Präsidenten der Polnischen Kammer für das Bestattungswesen, Robert Czyżak, nicht die minimalsten Branchen-Standards. Mit der Corona-Krise hat das Bestattungswesen verstärkt einen Zuspruch von Personen erhalten, die in der Aufbahrung und Bestattung von Toten ein Geschäft wittern. Die Inanspruchnahme der Leistungen eines Bestattungsfirma sind in Polen umgerechnet nicht unter 1000 Euro zu haben.
Da das Bestattungswesen in Polen frei von Auflagen und Regulierungen und keine Zulassung oder Ausbildung notwendig ist, kann praktisch jeder eine Bestattungsfirma gründen. Die Registrierung einer gewerblichen Tätigkeit ist ausreichend. Auch finanziell sind keine Hürden gesetzt, da für die Ausübung des Gewerbes keine technischen oder räumlichen Anforderungen gestellt werden. Es reicht, einen kleinen Raum anzumieten, wo man die Hinterbliebenen betreuen kann. In vielen Fällen werden die Toten von solchen Einsteiger-Firmen in oberflächlich den Zweck erfüllenden Garagen, Schuppen, Scheunen oder illegal in den Kühlräumen von Krankenhäusern nach ,,stiller Vereinbarung“ mit dem Personal aufbewahrt, erläutert der Kammerpräsident. So berichtet erst kürzlich die Gazeta Wyborcza (GW) von einer Frau, die nach dem Tod ihres Onkel noch im Krankenhaus mit einer vom Krankenhaus-Personal empfohlen Bestattungsfirma einen Vertrag unterschrieben hatte. Als sich die Frau mit einem Anzug für den Verstorbenen und persönlichen Dingen, die in den Sarg beigelegt werden sollten, auf den Weg zu dem Bestattungs-Unternehmen machte, erwies sich die ,,Kühl-Halle“ der Bestattungsfirma als eine leicht umgebaute Scheune. Zudem befand sich unter der Adresse des Bestattungs-Unternehmen auch ein Parkplatz für Lkw-Trucks im Fernverkehr. ,,Wir waren von diesem Anblick schockiert, der in keiner Weise mit dem Ernst der Situation im Einklang stand“.
In dem Beitrag der GW ist auch von einem Fall die Rede, bei dem im Liefer-Fahrzeug erst Gemüse und dann Tote transportiert wurden.
Für den Präsident der Branchenkammer sind solche Schilderungen kein Einzelfall. Besonders jetzt in der Corona-Zeit haben die Zustände in der Bestattungsbranche einen Ausfluss erreicht, der schon im internationalen Maßstab ohnegleichen ist. Da gebe es Einpersonen-Firmen, die auf merkwürdige Weise Bestattungen anbieten, ohne überhaupt einen Mitarbeiter zu beschäftigen.
Schon vor zwei Jahren wurde in einem Bericht zur Vorlage für die Regierung auf erhebliche Mängel im entsprechenden technischen Ausstattungs-Standard und Grundsätzen des Umgangs und der Behandlung der Toten in den Bestattungsfirmen hingewiesen. Dabei wurde der Schaden durch nicht abgeführte Steuern und Sozialabgaben durch die Beschäftigung von Schwarzarbeitern auf rund 1 Mrd. Złoty geschätzt. Für die seriös wirkenden polnischen Bestattungs-Unternehmen, die sich um hohe Standards bemühen, ist damit die Schattenwirtschaft in diesem Bereich zu einer bedrohlichen Konkurrenz geworden.
Ist die Aufbewahrung der Toten in Garagen oder Scheunen bis zum Moment der Beisetzung im Grab schon Elend genug, hat Corona noch ganz andere Probleme zutage treten lassen. In vielen Bestattungsfirmen fehlen grundsätzliche Standards im Umgang mit den am Corona-Virus infizierten Verstorbenen. Die meisten Bestattungsfirmen haben weder entsprechende Räumlichkeiten für die Vorbereitung der Toten zur Beisetzung, noch Sanitärräume für die Beschäftigten. Vielfach verlassen die als Schwarzarbeiter beschäftigten Leichenträger nach Beendigung der Trauer-Zeremonie den Friedhof, ohne sich die Hände zu waschen, berichtet der Präsident der Kammervereinigung. Von einer Desinfizierung ist überhaupt nicht zu reden.

Ob ein jetzt auf den Weg gebrachter Gesetzentwurf an den Zuständen im Bestattungswesen etwas ändern wird, bleibt offen. Zumindest ist in dem Entwurf die Schaffung eines amtlichen Registers der Bestattungsfirmen geplant. Firmen, die nicht die Standards zur Ausübung des Bestattungsgewerbes erfüllen, sollen dann aus dem Register gestrichen werden.

© André Jański / infopol.PRESS