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Regierung verteilt landesweit Jod-Tabletten

Die polnische Regierung hat landesweit mit der Ausgabe von Kaliumjodid-Tabletten an alle Feuerwehren begonnen. Im Falle einer nuklearen Katastrophe sollen die Tabletten an die Bevölkerung verteilt werden.

Offiziell wird die Bereitstellung der Tabletten mit dem Beschuss des ukrainischen Kernkraftwerks Saporischschja in Zusammenhang gebracht. In der dazu vom Innenministerium herausgegebenen Mitteilung heißt es , dass dies ,,ein Standard-Verfahren“ sei, dass im Fall einer eventuellen radioaktiven Bedrohung anzuwenden ist. Gleichzeitig wird aber in der Mitteilung auf Experten-Meinungen verwiesen, dass es keine Hinweise auf einen bedeutenden Anstieg einer radioaktiven Gefahr gebe.

Auf die Frage, ob die Ausgabe der Kaliumjodid-Tabletten eine Reaktion auf die Drohung Moskaus zum Einsatz von Nuklearwaffen sei, antwortete der Chef der Staatskanzlei Dworczyk im staatsnahen polnischen Rundfunk «als verantwortungsvolle Regierung» müsse man auf jedes erdenkbare «schwarze Szenario» vorbereitet sein.

Kaliumiodidtabletten schützen bei vorheriger Einnahme die Schilddrüse vor Radioiod, das durch Atmung oder Nahrung in den Körper gelangt. Sie sind allerdings keine universellen „Strahlenschutztabletten”, da sie nicht gegen andere radioaktive Substanzen und gegen direkte Strahlung wirksam sind.

Auch in westlichen Ländern besteht seit Jahrzehnten ein System der Bevorratung und Verteilung von Jodtabletten. So ist im Katastrophen-Fall für ein Gebiet im Umkreis von 100 Kilometern um ein Kernkraftwerk durch die Katastrophenschutzbehörden die Bevorratung und Ausgabe von Jodtabletten an alle Personen bis 45 Jahre und Schwangere vorgesehen.
Das deutsche Bundesumweltministerium hatte erst kürzlich vor einer Einnahme von Jodtabletten ohne Anlass gewarnt. Nach dem Beschuss des ukrainischen Kernkraftwerks Saporischschja sei aktuell nicht damit zu rechnen, dass die Einnahme von Jodtabletten erforderlich sei. Diese Position wird auch von den österreichischen Behörden geteilt. Selbst im Fall einer nuklearen Katastrophe im Kernkraftwerk Saporischschja sei die Einnahme von Kaliumiodid-Tabletten wegen der großen Entfernung Österreichs zum KKW-Standort in Enerhodar am Unterlauf des Dneprs in der Schwarzmeer-Niederung nicht erforderlich.

KKW Saporischschja 1300 Kilometer von Polen entfernt

Im Fall von Polen bestehen ähnliche Entfernungs-Proportionen. Der Standort des Kernkraftwerks Saporischschja in Enerhodar ist von Warschau rund 1300 Kilometer entfernt. Das ist fast das Dreifache der Entfernung zu Tschernobyl. Bei dem  Reaktor-Unglück  in den 80er Jahren wurden  seinerzeit in Polen auch Jodtabletten ausgegeben.

Also ist die jetzt auf mediale Aufmerksamkeit abzielende Mitteilung des Innenministeriums nur Panikmache oder Teil eines ausgeklügelten Plans, von den massiven innenpolitischen Problemen der PiS-Regierung abzulenken?
Der Chef der polnischen Staatskanzlei verweist dagegen auf die beiden anderen ukrainischen Kernkraftwerke bei Równo/Riwne und Chmielnicko/Chmelnyzkyj, die näher zu Polen liegen. In der Reichweite russischer Raketen liegen alle Ziele auf ukrainischen Territorium, betonte Dworczyk.

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