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Behörden-Segen für Polens verrückteste Schloss-Ruine

Foto: PL-Agentur

Schloss Łapalice gehört zu Polens spektakulärsten Bauwerken. Fans von Harry Porter bezeichnen es als das ,,polnische Hogwart“. Es ist kein gewöhnliches Schloss. Errichtet wurde es von einem Millionär aus Beton und Ziegel mitten im Landschaftsschutzgebiet. Das war illegal, denn der Millionär hatte nur eine Baugenehmigung für ein kleines Einfamilienhaus. Fast 30 Jahre wogten die rechtlichen Auseinandersetzungen um den von der Bauaufsicht geforderten Abriss des Schlosses mit Millionenkosten. Jetzt haben die Vertreter der zuständigen Gemeinde eine Entscheidung getroffen, die den Abschluss der Bauarbeiten an dem monströsen Schloss-Projekt legalisiert.

Schloss Łapalice zu finden ist nicht leicht. Und doch ist das abseits der Hauptverkehrstrassen und Tourismuszentren gelegene ,,jüngste Schloss Europas“ im Laufe der Jahre zu einer Besucher-Attraktion geworden.
Im Hinterland der lärmenden Ostsee-Urlauberzentren liegt ca. 30 Kilometer westlich von Danzig (Gdańsk) die Kleinstadt Kartuzy. Sie ist das Einfahrtstor zur Wald- und Seenlandschaft der Kaschubischen Schweiz. Gleich hinter Kartuzy führt links der Landstrasse 211 ein kleiner Seitenweg ab. Ein Hinweisschild auf das Schloss gibt es nicht.

Folgt man den Weg entlang der Felder und Auen erreicht man eine Gabelung mit dem Verkehrsschild ,,Durchfahrt verboten“. Gleich daneben ist ein weiteres Schild aufgestellt, vor dem man sich verdutzt die Augen reibt. 10 Złoty, also umgerechnet knapp 2,50 Euro soll man bezahlen, um in dieser abgelegenen Gegend sein Auto auf einer bei Regen verschlammten Anhöhe vor dem privaten Gehöft von Frau Socha zu zahlen. Das klingt nach Geschäftemacherei. Für jene, die die Geld-Forderungen der Bauersfrau ignorieren und weiterfahren, erwartet nach 500 Metern am Ende des Weges jedoch eine böse Überraschung. Versteckt im Walddickicht lauert die Polizei, um abzukassieren. Egal ob im Kleinwagen oder dicken SUV, bis zu 5000 Złoty, also mehr als 1000 Euro, müssen Autofahrer löhnen, die sich mit ihrem Fahrzeug bis zum Schloss-Gelände mitten im Wald vorgewagt haben. Und wie Insider wissen, ist der Aufenthalt des Polizei-Fahrzeugs im entlegenen Wald-Untergrund nicht zufällig. Zu Saisonzeiten herrscht dort polizeiliche Dauerpräsenz.

Schloss mit den ,,12 Aposteln“

,,Zutritt verboten“ steht groß auf den Schildern vor der Beton-Mauer, die das Schloss umspannt. Das interessiert die Polizisten aus der Kreisstadt Kartuzy aber schon nicht mehr. Das Schloss-Tor ist verschlossen. Über einen von Geröll und Gestrüpp überwucherten Seitenweg gelangt man jedoch auf den Schloss-Hof. Das Schloss mit dem Dach in Gestalt eines geschlossenen Sarg-Deckels hat 12 Türme. Die sollen die 12 Apostel symbolisieren. Der Bau orientiert sich aber auch an der Systematik eines Kalender-Jahres. 12 Türme wie die 12 Monate, 52 Säle und Zimmer wie die 52 Wochen im Jahr sowie gemessen an der Anzahl der Tage in einem Standard-Jahr 365 Fenster.

Mit dem Bau des Schlosses wurde vor mehr als 30 Jahren begonnen. Sein Eigentümer ist Piotr Kazimierczak, ein bekannter Bildhauer und Möbelfabrikant aus Danzig. Schon in den 80er Jahren hat er sich mit Aufträgen in Deutschland ein gigantisches Vermögen verdient. Nicht nur in der alten BRD, auch in der Ex-DDR restaurierte er Sakralbauten und stellte Dekormöbel im Stil der Danziger Barockmöbel her. Später folgte ein Möbelfabrik in Danzig, die jedoch nie ihren Geschäftszweck erfüllte. Der Schloss-Bau sollte sein künstlerisches Schaffen krönen und Symbol seines finanziellen Erfolges sein.

Statt Einfamilienhaus monströser Palastbau im Landschaftsschutzgebiet

Foto: PL-Agentur

Der Bau des Schlosses mit barocken und gotischen Stilelementen aus Beton und Ziegel, das von Bau-Fachleuten als ,,architektonischer Alptraum“ bezeichnet wird, erreichte jedoch kein Ende. Die Aufsichtsbehörden machten dem ein Strich durch die Rechnung. Der Krösus hatte nämlich nur eine Genehmigung für den Bau eines kleinen Einfamilienhauses im ausgewiesenen Landschaftsschutz-Gebietes mit einer Nutzfläche von 165 Quadratmetern. Der monströse Palastbau mit 12 Türmen und 52 Sälen und einer eigenen Sakral-Kapelle sowie 50 Meter langen Swimmingpool ist dagegen 30fach größer und sprengte alle Dimensionen. Die Aufsichtsbehörde ordnete den Abriss an. Der zwischenzeitlich finanziell klamm gewordene Schloss-Eigentümer legte dagegen Berufung ein. Es folgte ein nahezu 30 Jahre währender juristischer Klein-Krieg ohne Entscheidung.
An den unvollendeten Bau hat inzwischen der Zahn der Zeit genagt. Ein Teil des Geländes ist zugewachsen. Die Innenräume mit Müll und Gestrüpp überwuchert. Die Wände mit Graffiti beschmiert. Alles ist ungesichert. Es hat schon mehrere Unfälle gegeben, zuletzt vor einem Jahr: Zwei 15jährige wurden nach einem Absturz von einer der zahlreichen engen ungesicherten Turmtreppen mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.

Wunderglaube: Heimstatt für Michael Jackson

Den Zustrom von Besuchern aus ganz Polen hat dies kein Abbruch getan. Befeuert wird das Interessen auch von den Mythen und Geschichten, die sich um das skurrile Bauwerk ranken. Anfang hieß es, dass der berühmte Prälat Henryk Jankowski das Schloss übernehmen wird. Jankowski ist jener Geistliche aus Danzig, der in den 80er Jahren die Solidarność-Protestbewegung absegnete, später dann mit einem weißen Mercedes, goldbestickten Ornat und goldener Marken-Armbanduhr brillierte und der von der Lebensbühne mit dem gegen ihn erhobenen Vorwurf abtrat, Kinder in seiner Kirchenkanzlei sexuell missbraucht zu haben.
Auch Popstar Michael Jackson sollte zu Lebzeiten ein Auge auf das Schloss in der entlegenen kaschubischen Landschaft geworfen haben, wollten wundergläubige Polen wissen.

Für Fans von Harry Porter das ,,polnische Hogwart“

Vor einige Jahren haben Fans von Harry Porter Schloss Łapalice auch in den Rang eines ,,polnischen Hogwarts“ erhoben. Auf dem Schloss wurden die Geschichten aus den Harry-Porter-Romanen in phantastischen Kostümen nachgespielt. Im Internet wurden sogar zu Geldsammlungen aufgerufen. Die für den Kauf der Schloss-Ruine erhofften Millionen kamen jedoch nie zu zustande.

Hoffnung auf eine Vollendung des Schloss-Bau, zumindest für jene, die noch an Wunder glauben, brachte jetzt eine Sitzung der Kommunalvertretung von Kartuzy . ,,Dank der wohlwollenden Beurteilung des General-Konservators für Denkmalpflege haben wir jetzt einen positiven Beschluss zur Fortführung der Bauarbeiten an dem Schloss-Projekt erhalten“, sagte der Bürgermeister von Kartuzy der örtlichen Lokalzeitung. Die Eintragung des Schlosses in den örtlichen Flächennutzungsplan sei in Vorbereitung. Dies erlaube, das Bauwerk zu legalisieren, das heutzutage schwierig wäre, weil die Kosten dafür gigantisch wären, meint der Bürgermeister. Dabei ist der Schloss-Bau schon längst zum Millionen-Grab geworden. Dass sich für dessen Komplett-Umbau zu einem Hotel ein seriöser Investor findet, dafür bedarf es schon sehr viel Phantasie.

© André Jański / infopol.PRESS