Polnische Regierung beordert Soldaten an die verseuchte Oder

Foto: OSP Gostchorze

Das Fischsterben an der Oder geht weiter. Die polnischen Feuerwehren melden bereits 28 Tonnen geborgener toter Fische. Inzwischen hat die polnische Regierung Soldaten an den verseuchten Fluss beordert. Nachdem die seit zwei Wochen anhaltende ökologische Katastrophe in dem grenzüberschreitenden Fluss sich nicht mehr vertuschen ließ, hat Regierungschef Mateusz Morawiecki die Chefs der Umweltschutz-Behörde und der staatlichen Wasserbetriebe entlassen. Über die Ursachen des Fischsterbens gibt es weiter keine gesicherten Erkenntnisse. Polnische Regierungsvertreter haben einen Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) über eine hochgradige Konzentration von Quecksilber in den vom Landeslabors Berlin-Brandenburg vorgenommenen Wasserproben heftig dementiert.

,,Wir sind nicht in der Lage, Worte für das finden, was sich hier ereignet hat und weiter stattfindet“. Das ganze Ausmaß der Katastrophe in der Oder, für das die Kameraden der örtlichen Feuerwehr von Gostchorze keine Worte finden, illustriert ihr ins Netz gestellte Foto (Siehe oben). Die Ufer-Gefilde sind übersät mit den Kadaver von Tonnenweise toten Fischen. Gostchorze liegt rund 80 Kilometer östlich des Zusammenflusses von Oder und Neiße bei Ratzdorf.
Das Foto von der aktuellen Situation am Mittellauf der Oder macht deutlich, was auf die Regionen am Unterlauf der Oder noch zukommen könnte. Das Fischsterben hat sich inzwischen flußabwärts bei Frankfurt an der Oder, den Küstriner Vorland bis nach Schwedt und Stettin (Szczecin) fortgesetzt, allerdings noch nicht in den Dimensionen wie am Mittel-Lauf der Oder. Die brandenburgischen Umweltbehörden haben daraufhin sofort Wasserproben gezogen.
Laut einem Bericht des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) vom Donnerstag haben Mitarbeiter des Landeslabors Berlin-Brandenburg in den Wasserproben Quecksilber in hoher Konzentration festgestellt. Dieses Quecksilber-Befund wurde vom Staatsekretär im polnischen Klima- und Umweltministerium, Jacek Ozdoba heftig dementiert. Auf einem Presse-Briefing erklärte er, dass alle von der polnischen Umweltbehörde gezogenen Wasserproben keinen erhöhten Quecksilber-Gehalt aufweisen. Die Quecksilber-Konzentration in den polnischen Wasserproben lege weit unterhalb der zulässigen Grenzwerte.

Absurde Behauptung: Havarie in Deutschland Ursache für Quecksilber in der Oder

Der Sprecher der Obersten Umwelt-Behörde GIOŚ , Maciej Karczyński, setzte dem noch einen darauf mit der Bemerkung, dass der RBB-Bericht mit dem Quecksilber-Befund reine Panikmache sei. In einem Interview mit dem Radio-Sender RMF FM schloss er sogar nicht aus, dass die Deutschen für das Fischsterben verantwortlich sind. In dem Interview stellte er die Frage, ,,Weshalb geht niemand davon aus“, dass der Eintrag einer schädlichen Substanz auf dem deutschen Gebiet erfolgt sei, und ,,nur sofort auf Polen gezeigt wird“. Ganz im Sinne der seit Jahren von der PiS-Regierungspolitik propagierten ideologischen Grundlinie behauptete er, insofern die Deutschen ,,irgendeinen Ausfluss“ festgestellt haben, sei es ja nicht auszuschließen, dass es gerade dort zu einer Havarie gekommen sei. Auf die Bemerkung des RMF-Reporters, der die Absurdität dieser Behauptung aufgreifend darauf hinwies, dass dann ja das Wasser der Oder entgegen den Strom nicht abwärts, sondern aufwärts fließen müsste, blieb der ehemalige Polizist und Sprecher des polnischen Innengeheimdienstes ABW eine Antwort schuldig.

Behörden war Fischsterben war seit längerer Zeit bekannt

Fakt ist, dass die Vergiftung der Oder den polnischen Behörden bereits schon längerer Zeit bekannt war. Schon Ende Juli hatten Fischer und Angler vermehrt tote Fische im Kanal von Olawa gemeldet. Olawa ist eine Kleinstadt an der Verwaltungsgrenze zum Oppelner Land. Mehrere Betriebe, die polymer-chemische Produkte verarbeiten, haben dort direkt am Kanal ihren Standort. Auch eine auf die Toilettenpapier-Herstellung spezialisierte Papierfabrik liegt direkt am Gewässer. Am 26. und 27. Juli hatte die regionale Umweltbehörde von Breslau nach Hinweisen aus der Bevölkerung mehrere Wasserproben am Kanal gezogen, darunter auch an den Schleusen und den Wehr mehrere Kilometer stromaufwärts in Richtung des Gleiwitzer Kanals (Kanal Gliwicki), der das Industrierevier von Oberschlesien mit der Oder verbindet.
In allen gezogenen Wasserproben wurden Substanzen von zyklischen und aromatischen Kohle-Wasserstoffen festgestellt. Zudem wurde in den an den Schleusen oberhalb des Kanals und in Oława entnommenen Wasserproben die giftige Substanz Mesitylen nachgewiesen. Es wurden zwar die in der Beamten-Kodex vorgeschriebenen üblichen Ermittlungen eingeleitet. Maßnahmen, die verhindern, dass die verseuchten Gewässer aus dem Oder-Kanal von Oława in die Oder gelangen wurden jedoch nicht getroffen. Erst zwei Wochen später am 11.August reagierte die Regierung, nachdem und eine Flut an alarmierenden Berichten in den sozialen Medien auf die Ausmaße der Katastrophe in der Oder aufmerksam machte und sich das Fischsterben nicht weiter verschleiern ließ.

Das Vorgehen der Regierung erfolgte dabei nach den üblichen Mustern. Eigene Fehler werden nicht eingeräumt. Schuld haben immer die anderen. Die Oder sei nicht so in einem solchen Maße verunreinigt, wie es die Umwelt-Aktivisten propagieren“. Gemeint sind damit die Angler, Fischer, Mitarbeiter von Kommunalverwaltungen und andere Freiwillige, die die toten Fische einsammeln. Symptomatisch dafür ist das Auftreten des Staatssekretärs im Infrastruktur-Ministeriums Grzegorz Witkowski, dem die Wasserwirtschaft untersteht. Noch am Donnerstag erklärte er öffentlich, er könne den Anglern mit reinen Gewissen versichern, dass sie in Ruhe angeln gehen und die Anwohner in die Oder zum Baden gehen können“. 24 Stunden später sprach er dann schon von einer großen ökologischen Katastrophe an der Oder. Damit im Zusammenhang wurde ein amtliches Verbot zum Angeln und zum Zugang an die Oder ausgesprochen.

Bisher 28 Tonnen verendete Fische aufgesammelt

Foto: MON

Das Verteidigungsministerium hat inzwischen 150 Soldaten der territorialen Selbstverteidigungskräfte an die Oder beordert, die den Feuerwehren bei der Beseitigung und Entsorgung der Fisch-Kadaver helfen sollen. Nach Angaben der Feuerwehr-Kommandos wurden mit Stand vom 12. August bisher 28 Tonnen verendeter Fische aufgesammelt.
Die Regierung hat inzwischen 1 Million Zloty als Belohnung für Hinweise auf den oder die Täter ausgelobt, die toxische Substanzen in die Oder als Ursache für das Fischsterben eingeleitet haben. In sozialen Medien wird dies als Demagogie bezeichnet. Die Regierung wisse doch selbst genau, wer die Täter sind, verschleiert dies jedoch, damit nicht herauskommt, dass staatliche Behörden Mitschuld am Fischsterben haben. So wird seit Tagen in den Medien spekuliert, dass der Toiletten-Papierproduzent Jack-Pol in Oława in der Vergangenheit mehrfach, zuletzt am 3.August Abwässer aus seinem Betrieb in den Oder-Kanal geleitet habe und dafür die Zustimmung des staatlichen Wasserwirtschaftsbetriebs Wody Polskie hatte. Der Wasserwirtschaftsbetrieb hat dies inzwischen dementiert und erklärt, den Papier-Produzenten keine Genehmigung zur Einleitung von Abwässern in den Oder-Kanal gegeben zu haben.

Kritik der Opposition an der Regierung

Regierungschef Morawiecki hat jetzt zwar den Chef der staatlichen Wasserwirtschaft und der zentralen Umweltschutz-Behörde entlassen. Für die Opposition sind dies jedoch nur Bauernopfer. Jarosław Gowin, der noch vor zwei Jahren Vizepremier war und im Konflikt mit PiS-Parteichef Kaczynski als kleiner Koalitionäre mit seiner Partei Porozumienia aus der Regierung ausschied, kommentierte dazu auf Twitter: Ich bin gespannt darauf, wie Morawiecki und die PiS-Partei in den nächsten Tagen versuchen wird aus ihrer Verantwortung für die ökologische Katastrophe an der Oder zu entfliehen. Er schloss mit der ironischen Bemerkung ab: ,,Möglicherweise erfahren wir dann, dass ich, Donald Tusk, Władysław Kosiniak-Kamysz (Chef der Bauernpartei PSL – d. R.) und andere Politiker der Opposition – in Abstimmung mit den Deutschen – persönlich Quecksilber in die Oder gegossen haben.“

© André Jański / infopol.PRESS