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Polen erhöht Bezug von Flüssig-Erdgas aus den USA

LNG-Gashafen Swinemünde Foto: PL-Agentur

Polen wird mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) aus den USA zum Ersatz von russischen Erdgas beziehen. Der staatliche polnische Gas-Versorger PGNiG hat dazu jetzt einen Vorvertrag mit der US-amerikanischen Venture Global LNG über den Kauf von jährlich zusätzlichen 2 Mio. t verflüssigtes Erdgas unterzeichnet.
Der polnische Erdgas-Versorger hatte bereits 2019 mit Venture Global einen Vertrag über den Bezug von 3,5 Mio. t verflüssigtes Erdgas unterzeichnet. In einem Nachtrag (Annex) zu dem seinerzeit unterzeichneten Vertrag wurde jetzt eine Aufstockung des gesamten Einkauf-Volumens auf 5,5 Mio. t LNG pro Jahr vereinbart. Nach seiner Regasifizierung, also der Überführung aus dem flüssigen in den gasförmigen Zustand durch Verdampfung, entspricht diese Menge LNG jährlich 7,4 Mrd. m³ Erdgas. Die Vereinbarung wurde für den Zeitraum ab 2023 für 20 Jahre geschlossen.
Das verflüssigte Erdgas wird über das im Bau befindliche Exportterminal Calcasieu Pass (1,5 Mio. t LNG) geliefert, das sich im US-Bundesstaat Louisana am Golf von Mexiko befindet. Jährlich 4 Mio. t LNG sollen über den ebenfalls in Louisana befindlichen Exportterminal Plaquemines (südlich von New Orleans) abgenommen werden.
Gleichzeitig informierte der polnische Erdgasversorger, dass er einen 2018 mit dem amerikanischen Energiekonzern Sempra abgeschlossenen Liefervertrag über jährlich 2 Mio. t LNG aufgelöst habe. PGNiG beruft sich dabei auf Verspätungen bei der von Sempras geplanten Export-Anlage Port Arthur. Der amerikanische Energiekonzern hatte im Mai bekanntgegeben, dass sich eine endgültige Investitionsentscheidung für das Port Arthur LNG-Projekt , über die das LNG an den polnischen Erdgasversorger geliefert werden sollte, bis 2022 verzögern werde. Die 2 Mio. t LNG, die die PGNiG mit dem amerikanischen Konzern vertraglich gesichert hatte, sollten aber bereits ab 2023 von der noch nicht existierenden Export-Anlage Port Arthur geliefert werden. Dies ist nun hinfällig. PGNiG-Vorstandschef Paweł Majewski erklärte jedoch, dass man die Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Sempra weiter fortsetzen wolle und deshalb eine gemeinsame Absichtserklärung über den möglichen Kauf von 2 Millionen Tonnen pro Jahr aus dem nordamerikanischen LNG-Portfolio von Sempra unterschrieben habe. Die jährliche Lieferung der 2 Mio. t LNG soll anstelle von Port Arthur aus einer anderen Anlage von Sempra geliefert werden. Eine konkrete Aussage, an welches Terminal die Lieferung gebunden sein könnte, wurde jedoch nicht getroffen.

Vereinbarungen mit 3 US-Anbietern von LNG-Gas

Neben der Vereinbarung mit Sempra und dem Vertrag mit Venture Global hat der polnische Erdgas-Versorger schon 2018 mit einem dritten US-Anbieter einen langfristigen Vertrag über die Lieferung von LNG-Gas unterzeichnet. Dabei geht es um den US-Energiekonzern Cheniere. Der Vertrag sieht vor, dass Cheniere bis kommendes Jahr mit Tankschiffen insgesamt 0,52 Mio. t verflüssigtes Erdgas an den LNG-Gashafen Swinemünde (Świnoujście) auf der Ostsee-Insel Usedom liefert. Seit 2018 haben bereits einige Tanker mit verflüssigten Erdgas aus den USA den LNG-Hafen von Swinemünde angelaufen. Ab dem Jahre 2023 bis wird dann das Liefer-Volumen aus den USA bis zum Jahre 2042 deutlich auf insgesamt 29 Mio. t LNG aufgestockt. Nach der Regasifizierung entspricht dies 39 Mrd. m³ Erdgas. Dies bedeutet, dass der polnische Erdgasversorger ab dem Jahre 2023 pro Jahr durchschnittlich 1,45 Mio. t LNG (nach der Regasifizierung ca. 1,95 Mrd. m³ Erdgas) allein von Cheniere kaufen wird.
In allen Vereinbarungen mit den US-Anbietern handelt es sich bei dem LNG um Schiefergas, das in den USA im Fracking-Verfahren mit Hilfe von Druck und Chemikalien in den in Hunderten Metern Tiefe unter der Erdoberfläche liegenden Gesteinsschichten herausgelöst wird, was Gefahren für die Umwelt, insbesondere für das Grundwasser, birgt.
Dies ist nicht die einzige Gemeinsamkeit in allen Vereinbarungen mit den LNG-Anbietern aus den USA. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Festlegung des Jahres 2023 als Zeitpunkt für das Anlaufen des Gas-Lieferungen bzw. für eine deutliche Erhöhung des Liefer-Volumens. Der festgelegte Zeitpunkt fällt mit dem Auslaufen des langfristigen Liefer-Vertrages für russisches Erdgas nach Polen (31.Dezember 2022) zusammen. Polen hat nicht die Absicht, den Vertrag mit der russischen Gazprom zu verlängern. Das russische Erdgas soll ab 2023 durch LNG aus den USA und anderen Liefer-Ländern sowie durch Erdgas aus Norwegen ersetzt werden.

Foto: Baltic Pipe

Bis Oktober kommenden Jahres soll die-Ostsee-Pipeline Baltic Pipe fertiggestellt werden. Über die Pipeline will Polen jährlich 10 Mrd. Kubikmeter Erdgas aus Norwegen beziehen. Foto: Baltic Pipe

Für das Erdgas aus Norwegen wird gegenwärtig die Pipeline Baltic Pipe gebaut, die als Anschluss-Leitung an das dänische Versorgungssystem mit norwegischen Erdgas vom Zealand südlich der Insel Bornhorm durch die Ostsee bis zum polnischen Festland beim Ostsee-Küstenort Niechorze führt. Auch hier ist der Zeitplan enorm eng geschnürt. Im Oktober kommenden Jahres soll die Pipeline fertiggestellt sein. Verzögerungen, wie sie jetzt durch ein durch die dänischen Behörden im Juni veranlasstes Stopp der Bauarbeiten an einzelnen Abschnitten der Pipeline auf dem dänischen Festland eingetreten sind, weil bestimmte Aspekte des Artenschutzes im Umweltgenehmigungs-Verfahren nicht berücksichtigt wurden, könnten den polnischen Zeitplan völlig ins Wanken bringen. Ab dem Jahreswechsel 2022/2023 will Polen über die Baltic Pipe jährlich 10 Mrd. m³ Erdgas aus Norwegen beziehen. Zusammen mit dem LNG aus den USA soll dann russisches Erdgas vollständig ersetzt werden.

Bei der Zusammenrechnung aller von der PGNiG vereinbarten Liefermengen von LNG aus den USA und anderen Ländern sowie dem Erdgas aus Norwegen über die Pipeline Baltic Pipe ergibt sich ein Überschuss an Erdgas über den bisherigen Landesbedarf an Erdgas. Das Vertrags-Portfolio der PGNiG mit LNG aus den USA und Erdgas aus Norwegen ist mehr, als Polen bisher jährlich Erdgas aus Russland importiert hat. Polen hofft hier mit Hilfe des LNG-Gases aus den USA zu einem ,,Big Player“ bei der Gasversorgung des Nachbarländern wie der Ukraine oder Tschechien und ganz Mittelosteuropa aufsteigen.

Für den LNG-Transport aus den USA hat der polnische Erdgasversorger vier Tankschiffe von der Reederei Knutsen gechartert. Foto: Knutsen OAS

Auch bei Spot-Geschäfte im globalen Maßstab will der staatliche polnische Erdgasversorger groß mitmischen. So sind im Unterschied zu den vertraglichen vereinbarten Lieferungen mit dem US-Konzern Cheniere, der das LNG direkt an den LNG-Gashafen in Swinemünde liefert, die Lieferungen von Venture Global aus den Export-Terminals Calcasieu Pass und Plaquemines auf Basis der FOB-Formel (free-on-board ) vereinbart. Das bedeutet, dass der Käufer, also der polnische Erdgasversorger PGNiG für den Abtransport verantwortlich ist. Er hat damit die Möglichkeit, das LNG noch während des Transports über die Weltmeere an einen anderen LNG-Importterminal in der Welt zu verschicken oder an den LNG-Gashafen in Swinemünde zu liefern. Dazu sind eigene Transport-Kapazitäten notwendig. Da die PGNiG darüber nicht verfügt, hat sie jetzt mit der norwegischen Reederei Knutsen OAS Shipping einen Chartervertrag über zwei weitere Tankschiffe geschlossen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der polnische Gas-Konzern zwei Tankschiffe bei Knutsen gechartert. Mit der jetzigen, auf 10 Jahre abgeschlossenen Vereinbarung stehen der PGNiG vier Tankschiffe von Knutsen zur Verfügung, von denen jedes rund 70 000 t verflüssigtes Erdgas zum Gashafen nach Swinemünde oder zu einem anderen LNG-Importterminal in einem anderen Land transportieren kann.

© André Jański / infopol.PRESS