Im Osten nichts Neues – Duda gewinnt Wahlen und bleibt Präsident

Nach Auszählung von 99,97 Prozent aller abgegebenen Stimmen hat der amtierende Präsident Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Er erzielte 51,21 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer, der stellvertretende Parteichef der PO, Polens größter Oppositionspartei, und Oberbürgermeister von Warschau Rafał Trzaskowski kam auf 48,79 Prozent.

Bei den Parteispitzen der nationalkonservativen PiS hat der Sieg ihres Kandidaten Duda für riesengroße Erleichterung und Triumph-Gefühle gesorgt. Hätte Trzaskowski gewonnen, dann wäre das der Anfang vom Ende der monolithischen PiS-Herrschaft in Polen gewesen. Den größten Stein dürfte aber PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński vom Herzen gefallen sein. Einige polnischen Presseberichten zufolge soll Kaczyński selbst am Wahlabend angesichts des hauchdünnen Kopf-an-Kopf-Rennens noch am Sieg seines Kandidaten Andrzej Duda gezweifelt haben. Als sich Duda schon nach der ersten Prognose als Sieger feierte, hielt sich der Übervater der Nationalkonservativen wie schon beim ersten Wahlgang von der Öffentlichkeit fern. Da hatte er den Wahlabend mit intensiven Gebeten in der Kloster-Kirche Jasna Góra verbracht, wo sich das in Polen als nationales Symbol verehrte Heiligenbild der Schwarzen Madonna befindet.

Die Gebete von Jarosław Kaczyński dürften aber nicht den Ausschlag für den Wahlsieg von Andrzej Duda gegeben haben, der von Kaczyński bereits vor fünf Jahren als Kandidat der PiS-Partei für das Präsidenten-Amt installiert wurde und von der kritischen Öffentlichkeit als ,,Kaczyńskis Kugelschreiber“ bezeichnet wird. Duda selbst hatte noch zu Jahresanfang das umstrittene Gesetz unterzeichnet, dass den inzwischen von der PiS-Partei beherrschten öffentlich-rechtlichen Medien 2 Mrd. Złoty zuerkannte.

 

Öffentlich rechtliche Medien und Regierungschef Morawiecki als Wahlkämpfer für Duda

Diese Medien, vor allem der Staatssender TVP und seine Nachrichtenkanäle erwiesen sich auch jetzt im Wahlkampf wieder als vortreffliche PR-Abteilung für die Wiederwahl von Duda. Wie sehr es bei dieser Wahl nicht um eine Personen-Wahl für das Amt eines Staatspräsidenten ging, der als parteipolitisch unabhängige Instanz über die Einhaltung der Verfassung zu wachen hat, zeigte sich auch darin, wie die Regierungspartei alle die von ihr beherrschten Ämter für die Wiederwahl von Duda einsetzte. Vorneweg Regierungschef Mateusz Morawiecki, der nahezu täglich bei Wahlkampf-Veranstaltungen für die Wiederwahl Dudas warb und den Gegen-Kandidaten Trzaskowski verunglimpfte. In Anspielung auf das Jüngste Gericht warnte Morawiecki die Wähler, insbesondere die Rentner davor, dass Polen ein ,,Trzaskogedon“ für die Renten und Sozialleistungen drohe, wenn Trzaskowski die Wahlen gewinnt.

Dies hat offensichtliche seine Wirkung nicht verfehlt. So zeigen Wahlanalysen, dass Duda vor allem bei den älteren Wählern über 50 Jahren die meisten Stimmen geholt hat. Trzaskowski erzielte dagegen mit seiner weltoffenen, europafreundlichen und die Minderheiten tolerierenden Politik bei den Wählern unter 30 Jahren die meisten Stimmen. Auch in der Altersgruppe bis 49 Jahren lag er gegenüber Duda vorn.

Auch In der regionalen Verteilung der Stimmen zeigt sich wieder die altbekannte Teilung in Polska A und Polska B. Trzaskowski holte die meisten Stimmen in den westpolnischen Wojewodschaften und den Großstadt-Regionen von Warschau und Schlesien (Polska A). Duda war im Osten und Südosten erfolgreich.

Die Wahl-Analysen bestätigen in ihren Ergebnissen aber nur die Muster früherer Wahlen. Bei dem knapp im Ergebnis ausgefallenen Kopf-an-Kopf Rennen von Duda und Trzaskowski fällt allerdings auf, dass der amtierende Präsident Duda im Vergleich zu den Wahlen von 2015 diesmal rund 1,7 Mio. mehr Stimmen holen konnte. Und das bei höherer Wahlfrequenz!  Die Oppositionspartei PO, die Trzaskowski vertritt, ,hat dagegen im Vergleich zu 2015 an Stimmen verloren. Der Sieg von Duda bei den als ,,Richtungswahlen“ ausgegebenen Präsidentschaftswahlen hat damit bestätigt, dass die schon vor Jahren von Kaczyński ausgegebene Vision eines auf ultranationalistischen und weltanschaulichen Konservatismus mit sozialen Versprechen gestützten Staates für die Mehrheit der polnischen Bürger , wenn auch nur knapper Mehrheit, weiterhin attraktiv ist.

Polens größte Oppositionspartei PO, für die Trzaskowski antrat, hat dagegen abermals unter Beweis gestellt, dass sie ihre Fähigkeit verloren hat, andere Oppositionelle im Kampf gegen die PiS-Alleinherrschaft zu vereinen. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel den damaligen Ministerpräsidenten und PO-Parteichef Donald Tusk gegen den Widerstand anderer EU-Regierungschefs im Amt des EU-Ratspräsidenten durchsetzte – und das wenige Wochen vor Beginn der Wahlen in Polen (Zitat polnischer Medien ,,Merkel hat der Opposition das Genick gebrochen) – erlebt die Partei einen Niedergang. Seit 2015 hat die Oppositionspartei kontinuierlich jede Wahl gegen die PiS-Partei verloren, jetzt die sechste in Folge. Die PO ist zwar in den vergangenen Jahren konsequent gegen den von der PiS-Partei vorgenommenen Abbau rechtsstaatlicher Normen vorgegangen. Für die Mehrheit der polnischen Bürger ist das aber zu wenig. Inhaltliche Alternativen zur PiS-Politik konnte sie den Wähler nicht nahebringen. Dies war auch im Wahlkampf von Trzaskowski zu spüren. Umfragen ergaben, dass jene, die einen Sieg von Duda und damit der PiS-Partei verhindern wollten,  Trzaskowski als das ,,geringere Übel“ ihre Stimme gaben.  Nur 30 Prozent der Wähler hielten Trzaskowski für einen idealen Kandidaten.  Bei Duda dominierte diese Meinung bei 70 Prozent seiner Wähler.

Politische Beobachter schließen deshalb nicht aus, dass es in den nächsten Monaten zu einem Zerfall der Oppositionspartei kommen könnte und sich die Opposition grundlegend neu formieren wird. Zeit dafür ist genügend vorhanden, denn die nächsten Wahlen finden in Polen erst in drei Jahren statt.
Dank des Sieges von Amtsinhaber Duda kann die PiS-Partei jetzt ungestört ihre Vormachtstellung ausbauen und ihren Kurs zum Umbau des Staates, der Aushöhlung der Gewaltenteilung und der Beschränkung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit fortsetzen. Stoppen kann sie dabei nur die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung, wenn sie mit den Auswirkungen der von der PiS-Regierung forcierten Wirtschafts – und Sozialpolitik konfrontiert wird. Bereits vor der Corona-Krise haben sich erste Risse bei der Finanzierung der PiS-Wahlgeschenke – u.a. Herabsetzung des Rentenalters, PIS-Sozialprogramm 500 + , Zahlung einer 13. und einer versprochenen 14. Rente – gezeigt. Die strukturelle Staatsverschuldung ist weiter gestiegen. Um sie zu kaschieren, wurde die Finanzierung eines Teils der Sozialausgaben in Instanzen wie z.B. dem Solidaritätsfonds ausgelagert, die in der Bilanz des Staatshaushalts nicht auftauchen. Seit Jahren gehen auch die Investitionen der privaten Unternehmen zurück.
Die Probleme sind durch die Corona-Krise um ein Vielfaches verschärft worden. Die Banken – zwei der drei größten Banken werden vom Staat kontrolliert – mit den Aufkauf von staatlichen Schuldverschreibungen belastet, verlieren zunehmend ihre Funktion, die Entwicklung der Wirtschaft zu finanzieren. Und mit dem notwendigen Umbau des Kohle- und Energiesektors und seinen sozialen Folgen steht die PiS-Regierung vor einer noch viel größeren Herausforderung.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS