Erste Flüchtlinge kehren aus Polen in die Ukraine zurück

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Bereits rund 100 000 ukrainische Kriegsflüchtlinge sind in der ersten Aprilwoche aus Polen wieder in die Ukraine zurückgekehrt, geht aus Angaben des polnischen Grenzschutzes hervor. Auch eine erste fundierte Meinungs-Umfrage weist darauf hin, dass knapp 60 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Polen sofort wieder in die Heimat zurückkehren wollen, sobald die Kriegshandlungen in der Ukraine beendet sind.
Die Bilder von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, der Staatsoberhäupter der baltischen Staaten und Polens oder von den durch das Stadtzentrum von Kiew wandelnden britischen Premier Boris Johnson lassen den Eindruck vermitteln, dass die Situation nicht mehr so gefährlich ist. Zumindest in den Gebieten westlich des Dnepr, also der West-Ukraine. Dies scheint auch der Anreiz für einen Teil der ukrainischen Kriegsflüchtlinge zu sein, sich wieder auf den Weg in ihre Heimat aufzumachen, wobei dies weniger von den Bildern westlicher Medien als vielmehr von den authentischen Berichten ihrer Angehörigen genährt ist. Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes sind in der ersten April-Woche über 100 000 Personen über die polnischen Grenzen in die Ukraine ausgereist. Die Mehrheit von ihnen waren ukrainische Staatsbürger, darunter auch Frauen mit ihren Kindern. Bislang ist aber die Zahl jener, die die Ukraine in Richtung Polen verlassen noch höher als die Zahl der Rückkehrer. Allerdings liegt sie bereits deutlich niedriger als nach Beginn der russischen Aggression in der Ukraine, als mehr als 100 000 ukrainische Kriegsflüchtlinge pro Tag die polnischen Grenz-Übergänge passierten. In den beiden vergangenen Tagen notierte der polnische Grenzschutz jeweils 28 500 Einreisen nach Polen bei 19400 Ausreisen in die Ukraine sowie 24 000 Einreisen nach Polen bei 17700 Ausreisen (12.April) in die Ukraine. Die Daten lassen allerdings keine tendenziellen Rückschlüsse zu. Wie der Sprecher des Grenzbereiches in Przemyśl betont, steht ein Teil des Grenzverkehrs trotz des Krieges weiterhin mit den üblichen privaten Einkäufen im Nachbarland in Verbindung.
Allerdings hat jetzt eine erste, von der Arbeitsagentur EWL zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Warschau erarbeitete Interview-Studie bestätigt, dass 56 Prozent der befragten Kriegsflüchtlinge in Polen sofort wieder in die Ukraine zurückkehren wollen, sobald die Kriegshandlungen in ihrer Heimat beendet sind. Dies könnte auch die gegenwärtig zu beobachtende Zurückhaltung ukrainischer Flüchtlinge erklären, ihre Kinder zur Teilnahme am Unterricht an polnischen Schulen einzuschreiben..
63 Prozent von ihnen wollen in der Zwischenzeit ihres Aufenthaltes in Polen einer einkommenspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Dagegen gaben nur 30 Prozent der ukrainischen Flüchtling an, länger in Polen bleiben zu wollen. Laut der Studie gab jedoch auch ein Teil der Flüchtlinge an, weder in Polen länger bleiben zu wollen, noch in die Ukraine zurückkehren zu wollen (12 Prozent). Sie planen, weiter in den Westen zu ziehen. Als Hauptziel-Richtung der Migration wurde Deutschland mit 26 Prozent angegeben, gefolgt von den USA mit 16 Prozent.

63 Prozent der Flüchtlinge mit Kindern

Aus der Untersuchung geht weiter hervor, dass 61 Prozent der befragten Flüchtlinge eine Hochschul-Ausbildung haben. Die Hälfte von ihnen verfügen über Englisch-Kenntnisse. Nur ein Viertel haben Grundkenntnisse in der polnischen Sprache. Die schwachen Fremdsprachen-Kenntnisse sind nach Ansicht der Autoren der Studie jedoch nicht der einzige Grund, weshalb es Probleme geben könnte, auf dem polnischen Arbeitsmarkt einen Job zu finden. 63 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, davon der größte Teil Frauen, sind mit ihren Kindern nach Polen gekommen. Um eine Arbeit aufnehmen zu können, muss für ihre Kinder eine Betreuung gesichert sein. Ein weiterer erschwerender Grund ist der Fakt, dass fast 70 Prozent der Flüchtlinge in Großstädten mit mehr als 200 000 Einwohner wohnen wollen, heißt es in der Untersuchung.
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind nach Angaben des polnischen Grenzschutzes 2,7 Mio. ukrainische Kriegsflüchtlinge nach Polen gekommen. Wie viele davon nach Deutschland und anderen EU-Ländern weitergereist sind, ist in der Summe bislang nicht bekannt. Das polnische Innenministerium hat jetzt bekannt gegeben, dass bis zum 12.April knapp 850 000 ukrainische Bürger eine Pesel-Nummer erhalten haben. 96 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder.
Die Pesel-Nummer ist eine 11-stellige Nummer, die jeder Pole mit seiner Geburt erhält und die zu seiner eindeutigen Identifizierung auf jeden Personal-Ausweis, Führerschein und Reisepass vermerkt ist. Im Fall der ukrainischen Bürger dient sie zur Identifizierung bei der Inanspruchnahme von Sozial-Leistungen und bei der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit. Laut Innenministerium in Warschau haben 425 000 Erwachsene sowie 420 000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine eine Pesel-Nummer erhalten. Bislang haben nach amtlichen Angaben 60 000 Flüchtlinge eine Arbeit in Polen aufgenommen.

© Magda Szulc / infopol.PRESS