Corona: Polen kehrt schrittweise zur Normalität zurück

Die polnische Regierung hat einen Teil ihrer verhängten Lockdown-Maßnahmen gelockert. Ab heute (1.Februar) dürfen die Geschäfte und Handelszentren wieder öffnen. Die Sperrzeiten in den Super- und Discountmärkten von 10 bis 12 Uhr, in denen der Einkauf nur Rentnern vorbehalten war, werden wieder abgeschafft. Auch Kultureinrichtungen wie Museen und Gemäldegalerien dürfen wieder unter Wahrung der Sanitär-Regelungen (Maskenpflicht, Abstands-Regelungen) öffnen.
Hotels und Gastronomie sowie Fitness-Clubs bleiben aber weiterhin bis 14. Februar geschlossen. Der Präsenz-Unterricht in den Schulen soll frühestens ab März wieder aufgenommen werden. Auch die 10tägige Quarantänepflicht für Einreisende nach Polen bleibt bestehen (Ausnahme aktueller Corona-Test).

Entscheidung auf Grundlage von US-Forschungsergebnissen

Man habe die Entscheidung unter Abwägung aller Risiko-Faktoren mit großer Vorsicht getroffen, um eine langsame stufenweise Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen, erklärte Gesundheitsminister Adam Niedzielski. Die Entscheidung zur Öffnung des Handels und der Kultureinrichtungen stütze sich auf Ergebnisse von Forschungs-Untersuchungen in den USA , wonach der Handel relativ sicher ist und nicht zu den Orten mit dem höchsten Ansteckungs- und Übertragungsrisiko des Corona-Virus gehört. Dies gelte auch für Museen und andere Kultureinrichtungen, erklärte Niedzielski.
Polen hatte am 28. Dezember zum dritten Mal die Lockdown-Maßnahmen eingeführt. Allerdings waren die Schrauben nicht so fest angezogen wie z.B. in Deutschland. So konnten Friseur-Salons weiterhin ihren Kunden die Haare schneiden. Auch wurden keine Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit vorgenommen. Dessen ungeachtet wuchs nach Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen am 17. Januar der Druck auf den Kessel, insbesondere im Dienstleistungsgewerbe. In den sozialen Medien formierte sich die Aktion ,,Unternehmer-Streik“, in der Unternehmer die Öffnung ihrer Lokale trotz Verbots ankündigten. Sie berufen sich dabei auf zwei Urteile polnischen Bezirksgerichte, dass die die Verhängung von Strafgeldern bei der Umgehung der Auflagen zur Schließung ganzer Wirtschaftsbranchen nur auf der Grundlage von amtlichen Seuchenschutz-Anordnungen verfassungswidrig sei.

Auch die Ankündigung der Regierung, Firmen, die gegen die Verbote verstossen, von den Corona-Überbrückungshilfen auszuschließen, hielt sie nicht vor der Öffnung ihrer Lokale ab. Ohnehin ist von den Corona-Hilfen der Regierung bei den Firmen im Dienstleistungsgewerbe kaum oder nur wenig angekommen. Sie beruhen im wesentlichen auf Abschlags-Zahlungen – bis zu 5000 Złoty pro angestellten Mitarbeiter – und die Aussetzung von Sozialversicherungsbeiträgen. In der polnischen Volkswirtschaft sind jedoch rund ein Drittel der Beschäftigten nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt, sondern beziehen ihr Einkommen auf der Grundlage von zivilrechtlichen Regelungen wie den sogenannten Auftrags-Vertrag. In den von den Corona-Verboten besonders betroffenen Branchen, wie der Gastronomie, dem Übernachtungs- und Tourismusgewerbe, Fitnesscentern und anderen Sporteinrichtungen ist dieser Anteil noch viel größer. Hier werden Mitarbeiter viel seltener mit Arbeitsverträgen beschäftigt. Entsprechend fallen die Firmen aus dem Corona-Hilfsgeldern heraus und müssen um ihre Existenz kämpfen. Nach Angaben des polnischen Wirtschaftskammer für das Gastronomiegewerbe haben seit dem 18.Januar rund 20 000 Firmen in ganz Polen trotz des Verbots wieder ihre Lokale geöffnet. Diese Zahlen werden aber vom Entwicklungs-Ministerium dementiert. Inzwischen hat auch der Polnische Fitness-Verband angekündigt, dass rund 4000 Fitnesscenter trotz des weiterhin bestehenden Verbots ab dem 1.Februar öffnen werden.

Massiver Polizeieinsatz gegen Diskotheken und Nachtclubs

Auf die Öffnung trotz weiterhin bestehender Verbote geht der Staat inzwischen mit verschärften repressiven Maßnahmen vor. So lösten 150 Polizisten und Sondereinsatzkräfte am letzten Januar-Wochenende eine Veranstaltung mit 400 Teilnehmern in einer Diskothek im schlesischen Rybnik unter Einsatz von Gas und Gummi-Geschossen auf. Der Nachtclub hatte schon das zweite Wochenende geöffnet. Auch in dem in der Grenzregion zu Deutschland gelegenen Świebodzin wurde eine Nachtclub mit massiven Polizei-Einsatz geschlossen.

Die Zahl der Corona-Infektionen und Todesfälle ist seit dem Jahreswechsel in Polen deutlich gesunken. Das Gesundheits-Ministerium meldete heute 2503 Neuinfektionen und 33 Todesfälle. Die Situation in den Krankenhäuser sei stabil, die Zahl der Patienten auf den Intensiv-Stationen rückläufig.

Ein Risiko-Faktor bleiben Mutanten des Corona-Virus. Mitte Januar wurde erstmals in Polen auch britische Corona-Mutation B 1.1.7 in Polen nachgewiesen. Festgestellt wurde sie von einem privaten Labor aus Poznań bei einem Ausländer.

Mit genaueren Untersuchungen zur Verbreitung von Corona-Mutanten steht man in Polen jedoch erst am Anfang. Die Test–Labore im gesamten Land wurden jetzt angewiesen, genetische Materialproben des Virus zu einem Screening an eine zentrale Forschungseinrichtung einzusenden.

© André Jański / infopol.PRESS