Agrarminister auf der Flucht vor wütenden Bauern

Foto: kadr you tube / farmer .pl

Bei der Eröffnung der Internationalen Landwirtschafts-Messe im südpolnischen Kielce ist Polen Landwirtschaftsminister Henryk Kowalczyk von Hunderten wütender Bauern bedrängt worden. Unter dem Schutz von Sicherheitspersonal und Polizei musste er aus der Messehalle in Sicherheit gebracht werden. Seit Monaten fordern die Bauern in Polen von ihrer Regierung und der EU entschiedene Maßnahmen gegen den Preisverfall ihrer Produkte infolge der Überschwemmung des Landes mit billigen ukrainischen Getreide.

Die Eröffnung der XXVIII. Internationalen Landwirtschaftsmesse mit Teilnehmern aus 15 Ländern lief diesmal anders ab als ihre Vorgänger-Veranstaltungen. Beim Eröffnungsrundgang durch die Messehallen sah sich Landwirtschaftsminister Henryk Kowalczyk, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, plötzlich von einer immer größer werdenden Menge von wütenden Bauern umringt, die ihn auspfiffen. Wie die Gelbwesten in Frankreich trugen sie gelbe Warnwesten mit der Aufschrift (in polnisch) ,,Betrogenes Dorf“. Lauthals ,,Judas“ skandierend“ bedrängten mehrere Hundert Bauern den Minister und seine Regierungsdelegation. Als es zu Rangeleien mit den Personenschützern kam, musste der Minister unter dem Schutz von Sicherheits-Personal und Polizei, verfolgt von den wütenden Bauern aus der Messehalle evakuiert werden.

Statt im Transit zu den Weltmärkten landet ukrainisches Getreide in Polen

Die Bauern haben die Nase voll von den Versprechungen der Regierung und der Ignoranz der EU-Instanzen gegenüber der Realität, sagte der Vertreter einer Bauern-Organisation aus der Grenzregion zur Ukraine, die den Protest organisierte, dem Informations-Portal für die Landwirtschaft Farmer.pl. Polen werde von ukrainischen Getreide überschwemmt. Anstatt über die polnischen Ostseehäfen auf die Weltmärkte nach Afrika und Asien ausgeführt, wird es auf dem Binnenmarkt verkauft, was zum einem massiven Preisverfall geführt habe. Dies wird auch durch die Daten der polnischen Landwirtschaftskammer für Getreide und Futtermittel bestätigt. Laut ihrem jüngsten Marktbericht wird Weizen für Konsumzwecke gegenwärtig in einer Preisspanne von nur noch 950 Złoty bis 1220 Złoty (~200 bis 260 Euro) pro Tonne gehandelt. Vor einem Jahr waren es noch 2000 Złoty pro Tonne. Einen ähnlichen Preisverfall gibt es bei Mais, Raps und anderen Getreidesorten. Laut amtlichen Angaben des polnischen Landwirtschaftsministeriums wurden im zurückliegenden Jahr 3,27 Mio. t Getreide nach Polen eingeführt, davon über 75 Prozent aus der Ukraine.
Im Vergleich zu den rund 35 Mio.t , die im vergangenen Jahr von polnischen Feldern geerntet wurden, erscheint dies nicht besonders viel. Die Preis-Unterschiede sind jedoch gewaltig. Im Unterschied zur ukrainischen Landwirtschaft haben die Bauern in der EU im Zusammenhang mit den erfüllenden hohen Qualitäts-Parametern und Sanitärvorschriften der EU sowie zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln viel höhere Kosten. Durch den durch das billige Getreide aus der Ukraine ausgelösten Preisverfall , der den Verkauf ihrer eigenen Produkte zu einem den Kosten angemessenen Preise nahezu unmöglich macht, fürchten viele Bauern jetzt um ihre Existenz.

Verplombung ukrainischer Getreide-Transporte

Seit Ende des vergangenen Jahres hat es immer wieder Gespräche und Verhandlungen zwischen den landwirtschaftlichen Interessenvertretungen und der Regierung ohne substanzielle Ergebnisse gegeben. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben die Bauern am 16. März begonnen, Grenzübergänge zur Ukraine zu blockieren. Wie ein Sprecher der ,,Solidarność der Kleinbauern“ (Solidarność) informierte, sei dies in Absprache mit den Bauernverbänden in der Slowakei, Rumänien und Ungarn erfolgt, damit Brüssel endlich die Realität zur Kenntnis nehme. Die gleichen Probleme, die die Bauern in Polen haben, treten auch in den anderen EU-Ländern auf, die an der Ukraine angrenzen.
Das polnische Landwirtschaftsministerium hatte selbst in Absprache mit dem ukrainischen Landwirtschaftsressort die Vereinbarung getroffen, dass ab 8.März alle Transporte von ukrainischen Getreide und Ölfrüchten auf dem Straßen- und Schienenweg im Transit durch Polen verplombt werden. Im Fall des Schienentransports ist der Frachtführer verpflichtet, die Zollplomben an jedem Zug-Waggon anzubringen. An dem polnisch-ukrainischen Grenzübergängen werden die Plomben von den Beamten der polnischen Finanz-Administration KAS, zu der der Zoll gehört, überprüft. Falls es keine Übereinstimmung zwischen dem deklarierten und dem faktischen Ort der Warenentladung gibt, wollen die ukrainischen Behörden Spediteure, die dies ermöglicht haben, vom weiteren grenzüberschreitenden Verkehr ausschließen. Insofern die Transporte verplombt sind, führen die polnischen Veterinärämter keine Kontrollen auf die Einhaltung der EU-Vorschriften für Agrarprodukte beim Transit ukrainischer Getreide-Exporte zu den polnischen Häfen oder in andere EU-Länder durch.

Forderung nach wirksamen EU-Mechanismen zu ukrainischen Einfuhren

 

Die Bauernverbände halten die Regelungen für wenig wirkungsvoll. Sie kritisieren insbesondere, dass die Verplombung der Getreide-Transporte auf ukrainischen Gebiet erfolgt und polnischen Behörden darauf überhaupt keine Kontrolle haben. Sie fordern, dass die gesamt Einfuhr und der Transit von ukrainischen Getreide-Lieferungen auf dem europäischen Binnenmarkt unter die Kontrolle der EU gestellt wird. Es müssen langfristig und dauerhafte wirkende Mechanismen zur Warenzufuhr aus der Ukraine ausgearbeitet werden, betonte der Sprecher der Solidarność KI.
Bislang sieht es danach nicht aus. Während die Bauern die Wiedereinführung der Verzollung fordern, hat die EU-Kommission schon die Absicht verkündet, den zollfreien Export aus der Ukraine in die EU um ein weiteres Jahr zu verlängern.

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Erste Entlassungswelle in FCA-Motorenfabrik von Stellantis

Fotos: Stellantis Pressematerialien

♦ Verbrenner-Autoverbot der EU fordert  Tribut

Die zum Stellantis-Konzern gehörende FCA-Motorenfabrik in Bielsko Biała hat sich mit den Gewerkschaften auf einen Sozialplan zum Beschäftigungsabbau geeinigt. Zunächst werden bis Juni 300 Mitarbeiter entlassen. Die Entlassungen werden den EU-Klimabeschlüssen und dem Verbrenner-Autoverbot ab 2035 begründet.

FCA Powertrain Poland gehört zum Stellantis-Konzern, dem Autohersteller von Fiat, Opel, Peugeot, Citroen und Alfa Romeo. Noch 2019 wurden in der Motoren-Fabrik von FCA Powertrain Poland in Bielsko Biała rund 264 000 Diesel- und Benzinmotoren produziert.
Seinerzeit waren in dem Werk 1200 Mitarbeiter beschäftigt. In dem Werk hat jetzt der Beschäftigungs-Abbau begonnen. Bis Juni werden zunächst 300 Mitarbeiter der gegenwärtig noch 800 Beschäftigten entlassen.
Gewerkschaften und Vorstand einigten sich auf einen Sozialplan. Für Mitarbeiter , die freiwillig ihren Arbeitsplatz verlassen, sind in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit Abfindungen in Höhe bis zu 24 Monatslöhnen vorgesehen.
Stellantis erklärt den Beschäftigungsabbau mit den stringenden Entscheidungen der EU zur Reduzierung der Schadstoff-Emissionen (Euro-7-Norm) und dem Beschluss des EU-Parlaments zum Verbrenner-Autoverbot ab dem Jahre 2035.
Die auf E-Autos fokussierte Politik der EU habe zu einem Rückgang der Bestellungen für Verbrenner-Motoren geführt. In der Konsequenz wird deshalb die Herstellung von Twin Air-Motoren für die Fiat-Modelle in Bielsko Biała eingestellt. Die Produktion der SDE- und GSE-Turbobenzinmotoren wird beschränkt. Die Produktionslinie für 1,3 Liter-Dieselmotoren soll nur noch bis 2025 in Betrieb bleiben. Was danach passiert und ob dann das Werk geschlossen wird, ist unbekannt.
Die FCA-Motorenfabrik war bisher der größte Arbeitgeber in der südpolnischen Stadt.

Produktionsbeginn für vollelektrifizierten Jeep Avenger 

Der Stellantis-Konzern hat erst Anfang Februar in seinem Werk im schlesischen Tychy (früher Fiat-Chrysler) die reguläre Produktion des Jeep Avenger aufgenommen. Das vollelektrifizierte Fahrzeug ist der erste Jeep, den der Autokonzern in Polen produziert. Beim Jeep Avenger handelt es sich um ein Fahrzeug aus dem B-Segment der SUV. Bei seiner Weltpremiere auf der Automesse in Paris war das Fahrzeug zum ,,Car of the year 2023″ gekürt worden.
In Tychy wurden bisher der Fiat 500 als Standard-Modell sowie das mit dem Fiat 500 verwandte Model Abarth 500 und der Lancia Ypsilon produziert.
Der Jeep Avenger ist das erste von drei neuen Elektro- und Hybrid-Modellen, die Stellantis in Tychy produzieren wird.

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Autobahn-Maut in Polen wird immer teurer

Foto: PL-Agentur

Das Autobahn-Konsortium Autostrada Wielkopolska hat erneut die Mautgebühren auf der Autobahn A-2 angehoben. Auf der wichtigsten Ost-West-Verkehrsachse im europäischen Straßenverkehr (Paris-Berlin-Warschau) bezahlt der aus Deutschland kommende Pkw-Fahrer für die einmalige Fahrtstrecke nach Warschau und zurück jetzt Mautgebühren von knapp 50 Euro (224 Złoty).

,,Autobahn der Freiheit“ bzw. Autostrada Wolności“ ist die makaber wie lächerlich anmutende Bezeichnung, die einst der deutsche Bundespräsident Gauck und sein damaliger polnischer Amtskollege Komorowski auf den Schildern der Autobahn-Trasse von Berlin nach Warschau anbringen ließen. Auf der über 300 Kilometer langen polnischen Autobahntrasse, die von dem privaten Autobahn-Konsortium Autostrada Wielkopolska betrieben wird, hat die ,,Freiheit“ jedoch ihren Preis. Und der fällt immer höher aus. Die Zeitabstände bei der Erhöhung der Mautgebühren werden immer kürzer. Ihre Begründung ist immer die gleiche – Inflation, höhere Kosten usw. Nach der letzten Erhöhung vor sechs Monaten hat das private Autobahn-Konsortium schon wieder zum 9.März die Mautgebühren angehoben. Pkw-Fahrer bezahlen jetzt an den drei Maut-Stationen auf der 149 Kilometer langen A-2-Autobahntrasse zwischen Nowy Tomyśl und Konin jeweils 28 Złoty. Nur auf dem rund 105 Kilometer langen Abschnitt von Nowy Tomyśl zur Grenze nach Deutschland (Świecko/Frankfurt/.O.), bleiben die Gebühren mit 18 Złoty unverändert.

Einmal  Warschau und zurück 50 Euro

Die gesamte, von der Autostrada Wielkopolska verwalteten Autobahntrasse kostet damit in einer Fahrtrichtung insgesamt 102 Złoty. Berücksichtigt man dann noch die Mautgebühren, die auf der staatlich verwalteten Anschlusstrasse der A-2 von Konin-Warschau erhoben werden, kostet die einmalige Fahrt auf der ,,Autobahn der Freiheit“ von der deutsch-polnischen Grenze bis nach Warschau und zurück dem Pkw-Fahrer in der Kategorie 1 insgesamt knapp 50 Euro (224 Złoty) Mautgebühren. Für Fahrzeuge in den höheren Fahrzeug-Kategorie ist natürlich deutlich mehr zu zahlen.
Für die 149 Kilometer lange AutobahnTrasse der A-2 von Konin- Nowy Tomyśl sind jetzt in einer Fahrtrichtung folgende Mautgebühren fällig:
♦ 84 Złoty für Pkw (Kategorie 1)
♦ 129 Złoty (Kategorie 2) für Pkw mit Hänger sowie Zweiachser mit mindestens einer Achse mit Zwillingsreifen;

♦ 198 Złoty für Dreiachser sowie Zweiachser mit mindestens einer Achse mit Zwillingsreifen und Hänger;

♦300 Złoty für Fahrzeuge mit mehr als drei Achsen und Dreiachser mit Hänger,

♦ 840 Złoty für übernormative Fahrzeuge;
♦ 42 Złoty für Motorräder (Kategorie 6)

6,50 Euro für 60 Kilometer Autobahn

Noch teurer als auf der Autobahn A-2 wird es ab April auf der Autobahn A-4, der Anschluss-Trasse an die Bundes-Autobahn Dresden-Görlitz. Auf der von der privaten Stalexport Autostrada Małopolska betriebenen Trasse Katowice-Kraków steigt die Maut-Gebühr ab April auf 30 Zloty. Das hört sich nicht viel an. Die Trasse ist allerdings nur 61 Kilometer lang. Damit bezahlt man als Pkw-Fahrer dort umgerechnet 1 Euro pro 10 Kilometer.

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Weiteres Papierwerk an der Oder im Aufbau

Der Papier-Hersteller Arctic Paper und der schwedische Zellulose-Produzent Rottneros AB haben vertraglich ein Joint venture für den Bau einer Papierfabrik in Kostrzyn an der Oder vereinbart. An dem am Grenzübergang nach Deutschland gelegenen Standort sollen ab Ende dieses Jahres Verpackungen aus geformter Zellulosefaser hergestellt werden.

Der Wert der Investition wird auf rund 240 Mio. Schwedische Kronen (~27 Mio. Euro) geschätzt. An dem Investitionsprojekt Kostrzyn Packaging sind Arctic Paper und Rottneros zu gleichen Teilen mit jeweils 50 Prozent beteiligt. Rottneros bringt in das gemeinsame Unternehmen seine Erfahrungen und Know how bei der Zellulose-Produktion und Herstellung von Verpackungen aus geformter Zellulosefaser ein. Arctic Paper mietet dagegen eine günstig in Kostrzyn nahe der Grenze zu Deutschland gelegene Produktionshalle an, liefert die Medien und sichert alle Leistungen ab, informiert Arctic Paper in einer Börsen-Mitteilung. Die Produktion soll bereits Ende dieses Jahres aufgenommen werden.

Größter Papier-Hersteller in Polen

Das an der Warschauer Börse notierte Unternehmen betreibt bereits seit 1993 (zunächst als Trebuk AB) in Kostrzyn eine Papierfabrik. Arctic Paper Kostrzyn ist die größte der drei Papierfabriken der Arctic Paper Group. In dem Werk werden hauptsächlich hochqualitative Grafikpapiere, u.a. für den Bücher-Druck, hergestellt. Mit einer jährlichen Produktionskapazität von 315.000 Tonnen ist das Unternehmen der größte Papier-Hersteller in Polen. Über 70 Prozent der Produktion werden exportiert.
Bereits 2019 wurde in dem Betrieb an der Oder begonnen, Verpackungspapiere der Marke Munken Kraft für die Verpackungsindustrie herzustellen. Mit der jetzt mit Rottneros vereinbarten neuen Fabrik für die Herstellung von Verpackungen aus geformter Zellulosefaser folgt Arctic Paper dem sich bahnbrechenden Trend, Verpackungen aus Kunststoff und Plastik durch umweltfreundliche Werkstoffe zu ersetzen.

Verpackungen aus fossilfreien Faserzellstoffen

Fotos: Rottneros (2)

Verpackungen aus Faserzellstoffen sind zwar nichts Neues. Außer dem jeden Menschen bekannten Eierkarton ist jedoch seit Jahrzehnten im Handel bei den Verpackungen aus Faserzellstoffen nicht mehr viel hinzugekommen. Mit dem aufkommenden Thema ,,Nachhaltigkeit“ ändert sich dies jetzt. Beschleunigt wird es durch die Versorgungsprobleme bei Erdöl und Erdgas, der Rohstoff-Grundlage für alle Kunststoffe und ihre Anwendungen ist.
Die Produktion von Arctic Paper und Rottneros in Kostrzyn wird sich unter anderem auf Hochbarriere-Verpackungen mit verlängerter Haltbarkeit für Lebensmittel konzentrieren, Geplant sind aber auch Verpackungen mit einfacheren funktionalen Anforderungen.
Das Rohmaterial besteht aus Zellstoff von Rottneros . Neben seinen zwei Zellstoff-Fabriken in Schweden produziert der Zellstoff-Hersteller in seinem Werk in Sunne nach einer von ihm entwickelten Technologie bereits fossilfreie Verpackungs-Schalen aus geformter Zellulosefaser.

Produktionskapazität von 80 Mio. Verpackungseinheiten

Im Vergleich zum schwedischen Werk wird die Produktion im polnischen Küstrin deutlich höher ausfallen. Geplant ist eine Produktionskapazität von rund 80 Mio. Verpackungseinheiten pro Jahr. Für Lennard Eberleh, CEO von Rottneros AB ist das gemeinsame Projekt mit Arctic Paper Kostrzyn ein ,,Meilenstein,, um zu zeigen, dass die von uns in Sunne entwickelte Technologie auch im industriellen Maßstab funktioniert“.
Der schwedische Zellulose-Hersteller gehört seit 2012 zur Firmengruppe Arctic Paper. Deren Hauptaktionär ist die schwedische Nemus Holding AB.
Kostrzyn ist einer der wenigen Industriestandorte beiderseits des deutsch-polnischen Grenzverlaufs. Abseits von den Tankstellen, Basar und Handelsobjekten, die im Fokus deutscher Einkaufstouristen stehen, haben neben Arctic Paper über 20 internationale und nationale Unternehmen in der Sonderwirtschaftszone nördlich der Stadt ihre Produktionsstätten aufgeschlagen.

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Fast-Fashion-Riese Shein errichtet Vertriebszentrum bei Breslau

Im Zuge seiner Expansion in Europa errichtet der weltgrößte Modehändler Shein bei Breslau (Wrocław) ein Vertriebszentrum. Das Lagerhaus soll noch vor Ostern seinen Betrieb aufnehmen.

Kaum ist der eine chinesische E-commerce-Gigant gegangen, kommt schon der nächste nach Polen. Es ist gerade mal einige Wochen her, da die E-Commerce-Plattform Shopee nach 18 Monaten rasanter Entwicklung zum zweitgrößten polnischen Online-Verkaufsportal wieder ihren Rückzug aus Polen vermeldet, da schlägt schon der nächste chinesische Online-Riese auf. Diesmal ist es der in Singapur registrierte chinesische Modehändler Shein. Laut Money co. uk die populärste Modemarke in 113 Ländern. Der bisherige globale Marktführer Zara wurde damit auf den zweiten Platz verdrängt.

55 000 m² im Panattoni Wrocław South Hub

Shein hat jetzt 55 000 Quadratmeter im Panattoni Wrocław South Hub gemietet. Das riesige Logistikzentrum befindet in Magnice, einige Kilometer südlich von Breslau (Wrocław) nahe der Autobahn A-4, die in westlicher Richtung nach Deutschland führt. Von hier sind es nur zwei Stunden bis Deutschland. Nach Angaben des internationalen Entwicklers von Industrie-Immobilien Panattoni wird der internationale Fashion-Riese Shein noch vor Ostern in Breslau seine Tätigkeit aufnehmen. 2000 Arbeitskräfte sollen in dem Vertriebszentrum von Shein beschäftigt werden, in dessen Nachbarschaft sich auch ein Logistikcenter von Amazon befindet.
Mit seinem Vertriebszentrum in Breslau will Shein die Lieferzeiten für seine Kunden, insbesondere in Deutschland und Westeuropa, verkürzen.

Nearshoring – Näher an den Endverbraucher

Laut den Prognosen wird sich der e-Commerce-Wert für die Fashion-Branche in Europa von rund 250 Mrd. Dollar auf knapp 400 Mrd. Dollar bis 2025 erhöhen. Nach Ansicht von Damian Kowalczyk, Manager des Immobilien-Entwicklers Panattoni, der für Shein das Logistik-Lager vorbereitet, treibt dies das Nearshoring voran, also die Übertragung von Tätigkeiten asiatischer Unternehmen näher zum Endkunden. Die Standorte in Polen würden davon in in besonderer Weise profitieren.
Shein ist besonders bei jungen Leuten beliebt. Und das wegen der extrem niedrigen Preise und der ständigen Rabatt-Aktionen. Das dies auf Kosten der Arbeitsbedingungen erfolgt, ist dabei bei den meisten jugendlichen Kaufpublikum im Westen nur sekundär.

Steuerung des Kaufverhaltens mit ,,Dark Patterns“

Das 2008 gegründete Unternehmen ist vor allem durch seine Präsens in den verschiedenen Social-Media-Kanälen wie Tik Tok, You tube oder Instagram groß geworden. Bei der Steuerung des Kaufverhaltens der User im Internet mit Hilfe von Dark Patterns nimmt Shine unter den 15 weltweit führenden Modehändlern im Internet einen einsamen Spitzenplatz ein, fand eine Studie der sich für globale Unabhängigkeit einsetzenden Schweizer Organisation Public Eye heraus. Auf der Grundlage der in den Apps installierten Spezial-Algorithmen, die ständig das Kauf-Interesse an bestimmter Kleidung registrieren, werden in rasanter Geschwindigkeit die Kollektionen gewechselt. Ihre kurze Lebensdauer hat deshalb dem Unternehmen auch die Bezeichnung Fast-Fashion-Händler eingebracht.
Fashion und Kosmetik war bisher das Kerngeschäft von Shine. Seit kurzem bietet der Online-Riese u. a. auch Wohnaccessoires, Heimwerker- und Haustierbedarf sowie Deko an.

© Magda Szulc / infopol.PRESS

 

Konsortium mit Siemens baut neuen Gas-Kraftwerksblock in Rybnik

Foto: Instal Lublin

Ein aus Siemens und dem polnischen Unternehmen Polimeks Mostostal bestehendes Firmen-Konsortium hat vom polnischen Energiekonzern PGE den Auftrag erhalten, ein kombiniertes Gas-Dampfkraftwerk (GuD) in Rybnik im schlesischen Rybnik zu bauen. Der GuD-Energieblock wird die vier veralteten Kohle-Energieblöcke im Kraftwerk Rybnik ersetzen.

Der jetzt unterzeichnete Vertrag hat nach PGE-Angaben einen Netto-Wert von 3,05 Mrd. Złoty zuzüglich 762 Mio. Złoty für den Service-Vertrag, in der Summe also rund 800 Mio. Euro. Dies sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt die größte Investition dieser Art in Europa, schätzte der Vorstandschef des staatlichen Energiekonzerns PGE, Wojciech Dąbrowski, ein.

PGE ist Polens größter Strom-Erzeuger. Auf dem Konzern entfallen 40 Prozent der gesamten polnischen Stromerzeugung.
Nach Angaben von Siemens Energy wird das GUD-Kraftwerk mit einer Turbine vom Typ 9000 HL ausgerüstet, eine der gegenwärtig größten zugänglichen Gas-Turbinen.
Der Gas-Dampf-Kraftwerksblock ist mit einer Nenn-Leistung von 882 MWe projektiert. Damit kann die Energieversorgung von rund 2 Mio. Einwohnern gesichert werden. Der Kraftwerksblock soll bis Ende 2026 in Betrieb gehen. Nach seiner Inbetriebnahme sollen die vier veralteten, mit Steinkohle befeuerten Kraftwerks-Blöcke aus dem Jahre 1972 im Kraftwerk Rybnik mit einer Gesamtleistung von 900 MW abgeschalten werden.
Das Kraftwerk Rybnik ist das größte Kraftwerk in Oberschlesien. Es verfügt gegenwärtig über acht Kraftwerks-Blöcke auf Steinkohle-Basis mit einer Leistung 1800 Megawatt.
Der Gas- Dampf-Kraftwerksblock von Siemens hat mit knapp 64 Prozent einen hohen Wirkungsgrad. Von den Vertretern des polnischen Energiekonzerns wird betont, dass praktisch keine Emission von Stick- und Schwefeloxiden erfolgt. Auch die Emissionen von Kohlendioxid liegt bei nur 330 kg/MWh. Damit realisiere PGE konsequent seine Strategie zum Übergang auf Null-Emissionen bis zum Jahre 2050, erklärte PGE-Konzernchef Dąbrowski.

Die Entscheidung, in Rybnik anstelle eines Kohle-Kraftwerksblock einen Gas-Dampf-Energieblock zu bauen, wird von den Kohle-Gewerkschaften scharf kritisiert. Dies sei ein Bruch der im Jahre 2020 zwischen der Regierung und den Gewerkschaften getroffenen Vereinbarung, wonach das Kraftwerk in Rybnik noch mindestens bis zum Jahre 2030 Strom auf der Grundlage von Steinkohle produzieren wird, kommentierte der Chef der regionalen Solidarnosc-Gewerkschaftsvertretung, Dominik Kolorz, in einer Presseerklärung die Entscheidung.
Nach Angaben des PGE-Vorstands wird der neue Kraftwerks-Block jährlich 1 Mrd. m³ Erdgas verbrauchen.

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Wird Diesel an den Tankstellen ab 5.Februar teuer und knapp?

Am 5. Februar treten neue Sanktionen der EU und der G7-Staaten gegen Russland in Kraft. Diesmal geht es um Raffinerie-Produkte. Neben Heizöl und Schmierstoffen handelt es dabei insbesondere um Diesel. Europa hatte sich bisher täglich mit über 600 000 Barrel russischen Diesel versorgt. Damit ist nun Schluss. Steigen jetzt die Preise oder wird Diesel an den Tankstellen knapp?`

Unisono heißt es aus der Politik, von den Mineralölverbänden und Treibstoffversorgern in Deutschland wie in Polen, dass die Versorgungs-Sicherheit mit Kraftstoffen gewährleistet sei. Versorgungs-Engpässe bei Diesel seien in den nächsten Wochen nicht zu erwarten, erklärten auch die polnische Kammer-Organisation für Flüssig-Kraftstoffe PIPP und der Branchen-Verband POPiHN. Die Treibstoff-Lager und Vorrats-Tanks der Mineralölversorger seien bis zum Rande mit Diesel gefüllt. Die beiden polnischen Erdöl-Raffinerien in Płock und Danzig (Gdańsk) decken bereits 70 Prozent des Diesel-Bedarfs in Polen. Der Rest werde auf dem Seeweg importiert.

Sicherheits-Reserve für zwei bis drei Monate

Dies bestätigte auch ein Sprecher von PKN Orlen. Der staatliche kontrollierte Konzern mit seinen knapp 2000 Tankstellen in Polen und u.a. 600 Tankstellen in Deutschland ist der unumstrittene Platzhirsch bei der Treibstoff- und Gasversorgung in Polen. Wie in der gesamten EU sei man auch in Polen auf das Embargo auf russischen Diesel gut vorbereitet. Das schon im Juni vergangenen Jahres angekündigte Embargo ermöglichte allen Treibstoff-Versorgern, Vorräte anzuschaffen, die für zwei bis drei Monate eine gewisse Sicherheits-Reserve garantieren.
Schon zum 5.Dezember durfte laut EU-Beschluss kein russisches Rohöl mehr auf dem Seeweg eingeführt werden. Nach einer Veto-Drohung durch Ungarn, der sich Tschechien und die Slowakei anschlossen, wurde der südliche Teil der Erdölleitung Druschba (Freundschaft) von dem vollständigen Rohöl-Embargo ausgenommen. Deutschland und Polen, die an dem nördlichen Teil dieser Erdölleitung angeschlossen sind, erklärten auf dem EU-Gipfel, dass sie zum Jahreswechsel 2022/2023 kein Erdöl aus Russland über diese Pipeline mehr beziehen werden. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums unter grüner Führung von Robert Habeck bezieht Deutschland seit Jahresbeginn kein russisches Erdöl mehr über diese Pipeline, an der die beiden ostdeutschen Raffinerien angeschlossen sind. Insbesondere die Produktionskapazität der PCK-Raffinerie in Schwedt ist seitdem nur noch teilweise ausgelastet, was sich auch bei den Tankstellenpreisen in Ostdeutschland bemerkbar macht.

Polen: Noch im Januar Bezug russischen Erdöls über Druschba-Pipeline

Fotos: PL-Agentur

Im Unterschied zu Deutschland, hat sich Polen nicht an seine abgegebene Erklärung zum Bezugs-Stopp von russischen Erdöl über die Druschba-Pipeline gehalten. Im Gegenteil. Wie die polnische Wyborcza biz. unter Bezug auf Informationen der russischen ,,Wedomosti“ auf Daten-Basis des russischen Energie-Ministeriums berichtet, hat sich der polnische Konzern PKN Orlen im Januar noch einmal richtig mit russischen Rohöl über die Druschba-Pipeline eingedeckt. Laut dem Bericht war Polen, also der vom Staat kontrollierte Konzern PKN Orlen, im Januar der größte Abnehmer von russischen Erdöl in der gesamten Europäischen Union. In dem Bericht werden auch Angaben aus dem russischen Energie-Ministerium bestätigt, dass im Januar keine einzige Tonne russisches Erdöl über die Pipeline an Deutschland geliefert wurde. Im Unterschied dazu hat der Orlen-Konzern noch im Januar vom russischen Konzern Rosnieft 300 000 t Erdöl über die Pipeline, an der seine Raffinerie in Płock direkt angeschlossen ist, erhalten. «Praktisch stammte damit ein Drittel des in der Orlen-Raffinerie im Januar verarbeiten Erdöls aus Russland», schreibt dazu die Wyborza. Biz. Vom polnischen Klima- und Umweltministerium wird dies nur mit der lakonischen Bemerkung abgetan, ,,die Erklärung der polnischen Regierung zum Import-Stopp von russischen Erdöl ab Beginn 2023 war nicht verbindlich“. Das hätte mal Herr Habeck sagen sollen!

Jetzt auch Preisdeckel für Raffinerie-Produkte

Zusammen mit dem Import-Stopp will die EU auch einen Preisdeckel für russische Erdölraffinerie-Produkte ab dem 5.Februar durchsetzen. Der wurde auf 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) festgelegt. Für weniger hochwertig verarbeitete Erdölprodukte, wie z.B. Heizöl, wurde er auf 45 Dollar festgelegt. Westlichen Versicherungen, Händlern und See-Transportunternehmen ist es damit untersagt, Drittländern ihre Leistungen anzubieten, wenn deren Preise im Handel mit russischen Raffinerie-Produkten wie dem Diesel (Benzin spielt im russischen Export keine Rolle) über dem Preisdeckel liegen
Mit diesem Preisdeckel ist die politische Zielstellung verbunden, Russland zu zwingen, seinen Diesel und andere Erdölprodukte unter dem Marktpreis an Abnehmer in Drittstaaten zu verkaufen und damit die Einnahmen zur Finanzierung des russischen Kriegs in der Ukraine auszutrocknen.

Schwarzmarkt in Industrie-Dimension

Ein solches Instrumentarium hatte die EU bereits am 5.Dezember für russisches Rohöl eingeführt. Dies hatte zwar mit zu einer globalen Preis-Stabilität beigetragen. Ob es aber zu einer signifikanten Kürzung der russischen Einnahmen bewirkt hat, liegt nur im Bereich von Schätzungen. Russland selbst behauptet dagegen nach Angaben seines stellvertretenden Regierungschef Alexander Nowak, dass die Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen sind. Russland habe andere Absatzwege gefunden. Vom Nachrichtenmagazin ,,The Observer“ wird dies mit dem Aufbau eines Schwarzmarktes in industriellen Dimensionen beschrieben. Laut den Recherchen des Observers habe sich plötzlich im zurückliegenden Jahr der Handel mit gebrauchten Tankschiffen erhöht. Nahezu 200 Tankschiffe wechselten den Besitzer. In vielen Fällen handelt es sich dabei um marode alte Tanker, die über ein halbes Jahrhundert alt sind. Sie fahren mit ausgeschalteten Transpondern und oftmals wird während einer Fahrt mehrmals die Schiffs-Namen und Farben übermalt. Über bewegliche Terminals oder Pumpschiffe wird das Rohöl mit Rohstoffen anderer Herkunft vermischt wird, um zu verbergen, dass es sich um einen Export aus Russland handelt, berichtet ,,The Observer“. Auf diese Weise sind plötzlich Sri Lanka oder Malaysia zu Ländern geworden, die mit Öl handeln.

Russische Erdölprodukte auf indirekten Weg in die EU Russland verfügt derzeit über eine Flotte von 360 Tankschiffen, die entschieden eine Umgehung der Sanktionen erleichtern und die Belieferung von Ländern erlauben, die nicht die Sanktionen gegen Russland mittragen. Und das ist immerhin die Mehrheit der Staaten dieser Welt. Dazu gehört auch Indien. Nach Angaben des Energy Cargo Tracker Vortexa hat Indien im Januar täglich 1,27 Millionen Barrel russisches Rohöls erhalten , 6 Prozent mehr als im Dezember.
Der russische Ölhandel hat sich weitaus reibungsloser entwickelt, als es vor der Einführung der Preis-Obergrenze in Brüssel erwartet wurde, schätzt Serena Huang, Analystin bei Vortexa, ein. Vieles deutet darauf hin, dass eine großer Teil des russischen Öls, das Indien und künftig verstärkt auch China kaufen, verarbeitet und weiterverkauft wird. Auch nach Europa.

Bestimmung der Herkunft von Diesel schwierig

Zu erwarten ist, dass bei Diesel das gleiche Prozedere zur Anwendung kommt. Und Brüssel hat kein effizientes Instrumentarium, um die Strategien zur Umgehung des Embargos zu unterbinden. Diesel ist ein Endprodukt. Nach Einschätzung von Fachleuten ist durch die bei der Verarbeitung von Erdöl zu Kraftstoffen wie Diesel eingesetzten Blending-Systeme und Zusätze die Feststellung der Herkunft noch viel komplizierter als bei Rohöl.
Mit den jetzt eingeführten Sanktionen wird russischer Diesel nicht mehr direkt in die EU gelangen, sondern voraussichtlich indirekt, z.B. als ,,indischer Diesel“ oder ,,türkischer Diesel“.
Die allgemeinen Deklarationen, dass es mit dem eingeführten Embargo auf russischen Erdöl-Produkte keine Engpässe bei Dieselkraftstoff an den Tankstellen gibt und die Preise stabil bleiben, haben nur eine kurze Halbwerts-Zeit. Doch was ist, wenn in zwei bis drei Monaten die Vorräte aufgebraucht sind. Russland ist einer der größten Exporteure von Diesel. Selbst die USA haben vor Beginn der russischen Aggression in der Ukraine preiswerteren Diesel aus Russland importiert.

Höhere Frachtkosten – höhere Dieselpreise

Die Lücke, die in Europa aufgeht, ist gewaltig. Die EU muss eine Menge von täglich 600 000 Barrel, also knapp 100 Mio. Liter Diesel aus Russland, ersetzen. Ersatz soll dann aus den USA und den arabischen Raum kommen. Auch aus Afrika (Nigeria), China und Indien. Die Herausforderung wird sein, die gesamten Lieferprozesse und Logistik umzustellen. Das kostet Zeit und Geld. So braucht ein Tank-Schiff vom russischen Ostsee-Hafen Primorsk bis Gdynia/Danzig zwei Tage, weitere 2 Tage bis zu den ARA-Häfen (Antwerpen-Rotterdam-Amsterdam). Aus dem Indischen Ozean über den Suez-Kanal oder von den Küsten Afrikas sind es dagegen 40 Tage. Allein schon die höheren Frachtkosten werden in den nächsten Monaten Einfluss auf die Preisentwicklung von Diesel an den Tankstellen haben.

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Weiterer Kaufvertrag zum Bezug von LNG-Gas aus den USA

 

Foto: PGNiG

Der polnische Energiekonzern PKN Orlen hat mit dem US-Konzern Sempra Infrastructure einen 20-Jahresvertrag für die Lieferung von verflüssigten Erdgas (LNG) unterzeichnet. Dies ist bereits der dritte Vertrag zum Bezug von LNG-Gas aus den USA.

Der mit dem US-Konzern Sempra Infrastructure unterzeichnete Kaufvertrag sieht über einem Zeitraum von 20 Jahren die Lieferung von jährlich 1 Mio. t LNG-Gas vor. Nach der Regasifizierung des LNG-Gases, also seiner Überführung in den gasförmigen Zustand, ergibt die Menge 1,2 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr. Die Lieferung soll ab dem Jahre 2027 aufgenommen werden. Das Schiefergas im verflüssigten Zustand soll über das Export-Terminal Port Arthur im US-Bundesstaat Texas ausgeliefert werden.
Der jetzt abgeschlossene Deal baut auf einem Vorvertrag vom vergangenen Frühjahr auf. Den hatte noch der staatliche polnischen Erdgas-Versorger PGNiG abgeschlossen, der nach der im November erfolgten Übernahme durch den ebenfalls staatlich kontrollierten Orlen-Konzern in dessen Strukturen aufgegangen ist. Allerdings war im Vorvertrag vom vergangenen Frühjahr mit dem US-Konzern Siempra noch die Liefer-Menge von jährlich 3 Mio.t LNG-Gas verankert. Zu den Gründen, weshalb die jährliche Liefermenge von 3 Mio. jetzt auf 1 Mio. t gekürzt wurde, gab es offiziell keine Informationen. Der Vorstandschef von PKN Orlen, Daniel Obajtek, erklärte lediglich auf einer Pressekonferenz, «wir dürfen nicht naiv in der Einkaufspolitik von Kohlenwasserstoffen sein».

LNG-Exportterminal Port Arthur: Für polnischen Konzern nur 1 Mio. t 

Bei Sempra Infrastructure, einer Tochtergesellschaft des an der New Yorker Börse notierten Sempra-Konzerns ist man da schon etwas konkreter. Mit der mit dem polnischen Energiekonzern abgeschlossenen langfristigen Vereinbarung sei jetzt die gesamte Kapazität von Phase 1 des LNG-Exportterminals von Port Arthur vollständig vertraglich gebunden, heißt es in einer Presse-Mitteilung des amerikanischen Konzerns. Sempra hatte bereits zuvor mitgeteilt, dass durch langfristige Vereinbarungen mit vier internationalen Konzernen, darunter der RWE, der Kauf und Verkauf von LNG aus der Phase 1 des Terminal-Projekts abgeschlossen ist. Die in Phase 1 ausgelegte Gesamtkapazität beträgt 10,5 Mio. t (10,5 Mtpa) pro Jahr. Daraus ist zu schließen, dass der polnische Energiekonzern abweichend von der noch im vergangenen Jahr vereinbarten Menge jetzt mit jährlich 1 Mio. t LNG gegenüber den westlichen Konzernen zu kurz gekommen ist.
,,Wir erwarten nun ein endgültige Investitionsentscheidung bis Ende dieses Quartals“, erklärte der in der Presse-Meldung zitierte CEO von Sempra Infrastrukture, Justin Bird. Damit kann der Bau des Hafenprojekts beginnen, der seit über fünf Jahren verzögert wurde.

Insgesamt 3 Verträge zur Lieferung von Erdgas aus den USA

Polen hatte bereits 2018 in Washington eine Grundsatzvereinbarung über die Lieferung von LNG-Gas aus den USA unterzeichnet. Wegen der damalig niedrigen Weltmarkt-Preise für Erdgas, die die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischen LNG-Gases im Vergleich zu russischen Erdgas herabsetzten, wurde der dafür notwendige Ausbau von Export-Terminals in den USA, darunter den von Sempra in Port Arthur,
zurückgestellt. Mit dem Anstieg der Weltmarktpreise für Erdgas ab 2021 und insbesondere der Lieferstopps von russischen Erdgas im Ergebnis der von der EU eingeleiteten Maßnahmen in Folge der russischen Aggression in der Ukraine ist der Ausbau der amerikanischen LNG-Terminals wieder wirtschaftlich geworden.
Die Vereinigten Staaten sind zu einem der Hauptlieferanten von Erdgas in Polen geworden. «Durch die Partnerschaft mit Sempra Infrastructure erhöhen wir die Diversifizierung unseres Importportfolios und sichern uns zusätzliche Erdgasmengen, die sowohl zur Deckung des Bedarfs polnischer Kunden als auch zur Stärkung der Präsenz von PKN Orlen auf dem internationalen Energiemarkt verwendet werden», erklärte Orlen-Vorstandschef Obajtek.
PKN Orlen bzw. der von Orlen übernommene Erdgasversorger PGNiG hatte bereits 2018 mit dem US- Energiekonzern Cheniere einen langfristigen Vertrag über die Lieferung von insgesamt 29 Mio. t LNG an das LNG-Terminal in Swinemünde (Świnoujście) auf der Insel Usedom ab diesem Jahr bis zum Jahre 2042 unterschrieben. 2019 folgte dann ein weiterer Kaufvertrag mit dem US-amerikanischen Venture Global LNG, dessen Liefervolumen im Jahre 2021 auf jährlich 5,5 Mio. t aufgestockt wurde.
Zusammen mit der eigenen Erdgas-Förderung in Polen und im norwegischen Schelf sowie der im vergangenen Oktober in Betrieb genommenen neuen Erdgas-Leitung Baltic Pipe durch die Ostsee nach Dänemark ersetzen die in den USA vereinbarten Liefermengen nicht nur vollständig das in der Vergangenheit an Polen gelieferte russische Erdgas. Sie liegen auch erheblich über den aktuellen Landesbedarf an Erdgas. Dies ermöglicht PKN Orlen, die schon vor Jahren von der PiS-Regierung herausgegebene Zielstellung umzusetzen, zu einem ,,Big Player“ bei der Erdgasversorgung in Mittelosteuropa aufzusteigen.

André Jański / infopol.PRESS

Durchschnittslohn in der Wirtschaft auf über 7000 Złoty gestiegen

Foto: PL-Agentur

Der in Polen gezahlte Durchschnittslohn hat jetzt erstmals die Schwelle von 7000 Złoty überschritten. Das sind umgerechnet rund 1.500 Euro. Auch der gesetzliche vorgeschriebene Mindestlohn wurde in diesem Jahr deutlich angehoben.

Nach den neusten Zahlen der polnischen Statistik-Behörde GUS haben die Beschäftigten in der Wirtschaft im Dezember durchschnittlich 7330 Złoty (~1550 Euro) brutto verdient. Die Überschreitung der 7000er-Grenze ist ein neuer Rekord in der polnischen Lohn-Statistik. Im Vergleich zu dem Dezember-Ergebnis von 2021 bedeutet der Wert ein Lohn-Wachstum von 10,3 Prozent.
Bei der Bewertung des statistischen Ergebnis ist allerdings zu berücksichtigen, dass der hohe Lohn-Wert auch ein Effekt der in polnischen Unternehmen weit verbreiteten Tradition ist, im Dezember ungeachtet ihrer Finanzlage Jahresend-Prämien und Feiertags-Gratifikationen an die Belegschaft auszuzahlen. Auch handelt es sich bei dem von der staatlichen Statistik-Behörde ermittelten Durchschnittslohn um ein ,,geschöntes“ Ergebnis. Seit Jahren von Wirtschafts-Experten kritisiert, zieht die Statistik-Behörde für die Ermittlung des gezahlten Durchschnitts-Lohns nur die Daten von Unternehmen mit mehr als 9 Beschäftigten heran. Polen hat aber 2,2 Mio. Firmen, die weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen. Die können nur von einem Monatslohn von über 7000 Złoty träumen. Und nicht nur die. Auch der größte Teil jener, die statt eines Arbeitsvertrages auf der Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrages ihr Einkommen erzielen. So sind es letztlich nur 6,5 Mio. von 15 Mio. Erwerbstätigen in Polen, die für den von der Statistikbehörde ermittelten Durchschnittslohn in Betracht kommen.
Auch sind in der Lohn-Statistik die Wirtschaftsbranchen überrepräsentiert, die mit dem verschwommenen Begriff Schwerindustrie umschrieben sind. Ganz vorne steht dabei der Bergbau und die Förderindustrie. Nach Angaben des Statistikamtes GUS stiegen dort die Brutto-Löhne um 32,6 Prozent, also um rund ein Drittel (!) auf 18 800 Złoty (4050 Euro). Dem Monat zuvor waren es noch 14 178 Złoty (3050 Euro).

In diesem Jahr zweimalige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes 

Dieser Lohn-Höhenflug ist besonders vom Steinkohle-Bergbau getragen. Allein für die Beschäftigten von Polens größter Steinkohle-Bergbaugesellschaft PGG hatten deren Gewerkschaften vom Juli bis zum Jahresende die Auszahlung von drei zusätzlichen Monatslöhnen als Inflations-Ausgleich ausgehandelt.
Die in Polen außerordentlich hohe Inflationsrate – im Dezember 16,6 Prozent – hat auch maßgeblich die Entscheidung zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes geprägt. Seit dem 1. Januar beträgt er 3490 Złoty. Dabei wird es nicht bleiben. Ab 1. Juli erfolgt dann eine weitere Anhebung des Mindestlohnes auf 3600 Złoty (~ 775 Euro). Die polnischen Arbeitgeberverbände und Ökonomen sehen die durch die Inflationsbekämpfung motivierte deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes, die nicht mit der Anhebung der Arbeitsproduktivität einhergeht, kritisch. Davon betroffen sind vor allem die Vielzahl von kleinen Firmen, in denen in Regel Mindestlohn gezahlt wird. Neben den rasant gestiegenen Energiekosten sind sie jetzt auch noch mit höheren Arbeitskosten konfrontiert, was vielen von ihnen zur Aufgabe zwingen wird.

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Milliarden-Streit um Polens modernstes Kohle-Kraftwerk

Foto: Tauron

Ein einmaliger Vorgang im Beziehungs-Geflecht der polnischen Staats-Wirtschaft: Der staatliche Energiekonzern Tauron fordert vom Kraftwerks-Ausrüster Rafako die Rekord-Entschädigungssumme von 1,3 Mrd. Mrd. Złoty. Rafako selbst, dessen Vorstandschef ein ehemaliger Stellvertreter von Regierungschef Mateusz Morawiecki ist, fordert im Gegenzug von Tauron Entschädigungszahlungen in Höhe von über einer halben Milliarde Złoty. Causa des in der Öffentlichkeit erbittert ausgetragenen Streits ist Polens modernstes Steinkohle-Kraftwerk Jaworzno. Seit seiner Inbetriebnahme musste es mehrfach wegen Havarien und technischer Mängel abgeschalten werden.

Der vom Staat kontrollierte Energiekonzern Tauron hatte das neue Kraftwerk Jaworzno als ,,letzte große Investition in die Steinkohle“ Anfang 2021 in den Dauer-Betrieb genommen. Die Investitionskosten beliefen sich auf rund 6 Mrd. Złoty (rund 1,3 Mrd. Euro). Für seinen Bau und die technische Ausrüstung zeichnete der polnische Anlagenbauer Rafako verantwortlich. Mit einem um 80 Prozent geringeren Ausstoß von Schwefeldioxid und ein Drittel weniger Co2- Emissionen ist Jaworzno das modernste Steinkohle-Kraftwerk Polens. Geplant war, dass der Kraftwerks-Block mit einer Leistung von 910 jährlich bis zu 6,5 TWh Strom erzeugt, was den Strombedarf von 2,5 Mio. Privat-Haushalten deckt. Doch gleich nach Aufnahme des Dauerbetriebs kam es zu einer ersten Betriebsstörung. Im Sommer 2021 wurde der Kraftwerks-Block erneut wegen Fehlern abgeschalten. Nach erfolgter Reparatur durch das Konsortium unter Führung des Anlagenbauers Rafako wurde er mit erheblicher Verspätung erst im vergangenen Frühjahr wieder ans Netz gebracht. Im August 2022 stand dann der für die polnische Stromversorgung wichtige Kraftwerks-Block wieder für vier Wochen still.

Energiekonzern Tauron: Konstruktionsfehler beim Kraftwerks-Bau

Zu dem Zeitpunkt wurde der Streit zwischen dem Energiekonzern Tauron und dem Anlagenbauer Rafako bereits in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Seinen vorläufigen Höhepunkt hat er jetzt mit der der Übersendung einer schriftlichen Note der Tauron-Gruppe an den Rafako-Vorstand erreicht. Darin fordert der staatliche Energiekonzern 1,3 Mrd. Złoty (280 Mio. Euro) in Form von Vertragsstrafen und Entschädigungen für die nach seiner Ansicht von Rafako verursachten Konstruktions-Fehler und nicht fachgerechten Arbeiten beim Bau des Kraftwerk-Blocks. Infolge dessen speiste der neue Kraftwerks-Block zeitweise nur zwei Drittel seiner ursprünglich projektierten Leistung in das polnische Stromversorgung-Netz ein.

Foto Rafako Pressematerialien

Die Zahlungs-Aufforderung von 1,3 Mrd. Złoty bedeutet das ,,Todesurteil für Rafako“, kommunizierte dessen Vorstand empört in der Öffentlichkeit. Der Anlagenbauer mit seinen 1000 Beschäftigten sei dadurch gezwungen, Konkurs anzumelden, hieß es zunächst. Dann machte der Rafako-Vorstand selbst eine Rechnung auf. Im Gegenzug forderte der Anlagenbauer vom Energiekonzern die Zahlung von über 600 Mio. Złoty als Entschädigung für den Rufschaden und den Auftragsverlust im Ergebnis des auf sachlich falschen Anschuldigungen aufgebauten öffentlichen Streits.

Rafako: Nicht normgerechte Kohle Ursache für Havarien  

Für den an der Warschauer Börse notierten Anlagenbauer sind die Forderungen von Tauron rechtswidrig und sachlich unbegründet. Nach Einschätzung von Rafako sind die technischen Probleme des Kraftwerks auf den Einsatz von Steinkohle aus unbekannten Herkunftsquellen von zweifelhafter Qualität zurückzuführen, die nicht die Brennstoff-Anforderungen für diese Art von Kraftwerken erfüllt. Tauron wird ein unprofessioneller Betrieb des Kraftwerksblocks vorgeworfen und Rafako daran gehindert zu haben, Inspektionen der Betriebsüberwachung durch Garantietechniker durchzuführen.
In der Erklärung des Rafako-Vorstands wird die Zahlungsforderung von Tauron als Versuch bewertet, die ,,katastrophalen Finanzergebnisse von Tauron“ auf Kosten der Rafako SA zu verbessern und die Verantwortung für die systematische Verschlechterung der Vermögenswerte des Unternehmens, insbesondere des neuen 910-MW-Blocks in Jaworzno, als Folge seines unsachgemäßen Betriebs zu verschleiern“.
An den seit Wochen in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Streit ist besonders bemerkenswert, dass sich hier zwei Unternehmen bekämpfen, die für die Energiesicherheit des Landes einen hohen Stellenwert haben und dabei beiden Unternehmen direkt oder indirekt in das Beziehungs- und Finanzgeflecht staatlicher Entscheidungen eingebunden sind Zwar ist der Anlagenbauer Rafako zwar ein börsennotiertes Unternehmen. Zu seinen Aktionären gehört aber auch der staatliche Entwicklungsfonds PFR.
Bislang ist es zu keiner Verständigung zwischen den beiden zerstrittenen Parteien gekommen. Dreimal hat man sich bisher – für Wirtschaftsangelegenheiten dieser Art ungewöhnlicher weise – am Sitz der Generalstaatanwalts getroffen und ist mit großen Krach wieder auseinandergegangen.
Der Streit um das Kraftwerk, das für das polnische Energieversorgungssystem Schlüssel-Bedeutung hat, ist inzwischen auch zum Thema der innerpolitischen Auseinandersetzung geworden. Donald Tusk, ehemaliger EU-Ratsvorsitzender und Chef der Oppositionspartei PO hat bei einen Treffen mit Gewerkschaftern des Rafako-Unternehmens an Regierungs-Chef Mateusz Morawiecki appelliert, sofortige und eindeutige Maßnahmen zu ergreifen. Aufgabe der Regierenden und der Staatsunternehmen sei es, ,,polnische Unternehmen und die polnische Industrie zu unterstützen und nicht sie zu begraben“.

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