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1000 Euro Strafe für 30 km/h zu schnelles Fahren

Fotos: Policja Lubuska

Nach tragischen Verkehrsunfällen Anfang Juli hat die polnische Regierung im Express-Tempo ein Maßnahmen-Paket zur Verschärfung der Verkehrsvorschriften angenommen. Es sieht eine drastische Erhöhung der Bußgelder beim Überschreiten der zulässigen Fahrtgeschwindigkeit vor. Deutlich verschärft werden auch die Strafen für Alkohol am Steuer.

Im Vergleich zu Frankreich oder Dänemark kam man bisher bei Geschwindigkeits-Überschreitungen in Polen finanziell noch relativ glimpflich davon, wenn man dabei erwischt wurde. Max. 500 Złoty (rund 110 EUR) durften Polizisten dafür kassieren. Dies wird sich in Kürze ändern. Die jetzt von der Regierung vorbereiteten neuen Vorschriften sehen eine Erhöhung der Bußgelder um das Zehnfache vor. Autofahrer, die die zulässige Geschwindigkeit um 30 km/h überschreiten, müssen künftig mit einem Bußgeld /Geldstrafe von bis zu 5000 Złoty (über 1000 Euro) rechnen.
Das Risiko wegen zu schnellen Fahrens zur Kasse gebeten zu werden, besteht besonders auf den Schnellstraßen, die wie Autobahnen ausgebaut sind. Nicht nur bei polnischen Kraftfahrern, sondern insbesondere bei deutschen Autofahrern, die in Polen unterwegs sind, besteht oft das Missverständnis, das sie hier auf einer Autobahn fahren. Bestes Beispiel dafür ist die S-3, die etwa 80 Kilometer parallel zum deutsch-polnischen Grenzverlauf vom Landessüden direkt nach Stettin und weiter bis zur Ostsee führt. Für Autofahrer aus Ost-Sachsen ist sie der kürzeste und schnellste Weg in die Urlaubs-Region. Ausgebaut ist die S-3 wie eine Autobahn mit Kilometer langen Lärmschutz-Wänden und vier Fahrspuren, bei der die Gegenfahrbahnen durch eine Leitplanke voneinander getrennt sind. Statt der auf Autobahnen in Polen zulässigen 140 km/h als Höchstgeschwindigkeit sind hier nur 120 km/h als Höchstgeschwindigkeit erlaubt, weil die S-3 im polnischen Verkehrssystem nicht als Autobahn, sondern als Schnellstrasse (droga ekspresowa) ausgewiesen ist. Wer also auf dieser vermeintlichen Autobahn zu schnell fährt, muss künftig tief in die Tasche greifen, wenn er ,,geblitzt“ wird.

Und das Risiko, in eine Geschwindigkeitskontrolle zu geraten, ist deutlich gestiegen. Die polnische Polizei hat erst im Frühjahr 350 neue Radar-Messgeräte vom Typ LTI 20.20 Tru cam gekauft, die jetzt in den Dienst gestellt wurden. Bei dem LTI 20.20-System handelt es sich um die mobile Laserpistole, die seit vielen Jahren auch von der Polizei in anderen europäischen Ländern eingesetzt wird. Das System war wegen der Mess-Fehler, wenn die Pistole während des Messvorgangs nicht absolut still gehalten wird, nicht unumstritten. Bei den jetzt von der polnischen Polizei eingesetzten Laser-Pistolen handelt es sich mit der Tru cam um die neueste, von einem amerikanischen Hersteller erworbene Version der LTI 20.20. Sie macht auch eine Verkehrs-Überwachung in den Nachtstunden möglich. Dies hat für die polnische Polizei einen besonderen Stellenwert, da bereits ab 1.Juli eine jahrzehntealte Sonder-Regelung außer Kraft gesetzt wurde. Sie erlaubte in den Nachtstunden ab 23 Uhr Innerorts eine Geschwindigkeit von 60 km/h. Diese Regelung wurde gestrichen. Generell ist jetzt in Ortschaften als Höchstgeschwindigkeit 50 km/h vorgeschrieben.
Um den Rasern das Handwerk zu legen, wurden auch die Handlungsvollmachten der Polizei erweitert. Sie erlauben den Kontroll-Beamten ihre Messungen auch an jeden beliebigen Ort durchzuführen, ,,insofern dadurch nicht die Sicherheit des Straßen-Verkehrs gefährdet ist“. Der Interpretations-Spielraum für diese Regelung scheint aber von den jeweiligen Beamten sehr breit ausgelegt zu sein, wie nachfolgendes, in die sozialen Medien eingestelltes Video zeigt, dass bei Millionen polnischer User Entsetzen ausgelöst hat: Zwei Fahrzeuge überholen mit hoher Geschwindigkeit auf einer Schnellstraße einen Lkw. Während des Überhol-Vorgangs macht der weiße Pkw plötzlich eine Vollbremsung. Der dahinterfahrende Pkw, aus dem das Video gedreht wird, entgeht nur um Zentimeter einen Voll-Crash. Der Grund: Links von der Überholspur auf dem Mittelstreifen zwischen beiden Fahrbahnen hat sich die Polizei für eine Geschwindigkeits-Kontrolle aufgebaut.

Strafen für alkoholisierte Fahrer werden verschärft

Nach Polizei-Angaben hat es im vergangenen Jahr 23 540 Unfalle auf polnischen Straßen gegeben. Dabei kamen 2491 Menschen ums Leben. Mehr als 26 460 Verkehrsteilnehmer wurden verletzt, davon über 8800 schwer. Obwohl der Missbrauch von Alkohol am Steuer seit der Jahrtausend-Wende eine sinkende Tendenz ist die Zahl der von alkoholisierten Autofahrern verursachten Unfälle weiter hoch. Im vergangenen Jahr waren es 1656 Unfälle, bei denen 216 Menschen ums Leben kamen und über 1800 Personen verletzt wurden. Alkohol-Tests (0,2 Promille-Grenze) bilden deshalb weiter ein Schwerpunkt bei Verkehrskontrollen. Nach Angaben des Polizei-Hauptkommandos in Warschau wurden im vergangenen Jahr rund 100 000 Autofahrer unter Alkohol-Einfluss bei Kontrollen aus dem Verkehr gezogen.
Zu den von der Regierung geplanten Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit gehören deshalb eine Verschärfung der Strafen für alkoholisierte Kraftfahrer. So sollen sie automatisch per gesetzlicher Regelung für die Renten der nächsten Angehörigen von tödlich verunglückten Unfallopfern aufkommen.

Polnische Autofahrer verursachen mehr Unfälle im Ausland als in Polen

Geplant ist auch die Höhe der zu entrichtenden Beiträge für die Auto-Haftpflichtversicherung von der Anzahl der im Zentralen Verkehrsregister CEPiK angesammelten Strafpunkte abhängig zu machen. Eine solche Regelung kommt insbesondere einer seit Jahren von den Versicherungsgesellschaften erhobenen Forderung entgegen. Die Versicherungsgesellschaften sind ohnehin schon mit hohen Summen zur Regulierung der von polnischen Autofahrern im Auslands verursachten Unfall-Schäden belastet. Seit 2013 ist die Zahl der von polnischen Autofahrern im Ausland verursachten Unfälle und Kollisionen kontinuierlich von 44 100 auf 73 000 im Jahre 2019 gestiegen. Wie das für die Verrechnung der Unfallschäden mit ausländischen Versicherern zuständige Büro der Verkehrs-Versicherer (PBUK) soeben mitteilt, ist die Zahl der von polnischen Autofahrern im Ausland verursachten Unfälle und Kollisionen im vergangenen Jahr um knapp 13 Prozent zurückgegangen. Mariusz Wichtowski, Geschäftsführer des PBUK, führt den Rückgang allerdings auf die Corona-Krise und den mit ihr verbundenen Rückgang des Reiseverkehrs, Grenzschließungen und Reisewarnungen zurück.
Insgesamt registrierte das Polnische Büro der Verkehrsversicherer 63 500 Unfälle und Verkehrs-Kollisionen, die polnische Autofahrer im vergangenen Jahr im Ausland verursachten. Zumindest statistisch verursachen polnische Autofahrer doppelt so viele Unfälle auf ausländischen Straßen wie im eigenen Land. Die dabei verursachten und von den polnischen Versicherern auszugleichenden Schäden beziffert das PBUK mit 1,3 Mrd. Złoty (rund 300 Mio. Euro). Statistisch verursachen die Lenker von Fahrzeugen mit polnischen Kennzeichen laut PBUK täglich 170 Schadensfälle auf ausländischen Strassen. Jeder zweite davon auf deutschen Autobahnen und Landstraßen. Der hohe Anteil von 54 Prozent (2019 waren es 37 000 Unfälle und Kollisionen auf deutschen Autobahnen und Strassen) ist natürlich auf die regionale Nähe und hohe Frequentierung des deutschen Straßensystem durch polnische Autofahrer zurückzuführen. Die geringe Kontrolldichte und die relativ geringen Verkehrs-Bußgelder im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern scheint aber auch eine Rolle zu spielen. Nach Deutschland mit über 54 Prozent aller Schadensfälle folgen mit weitem Abstand Frankreich (8 Prozent), Italien (7 Prozent) und Holland (6 Prozent).
Als Unfall-Ursachen gibt die PBUK u.a. Selbstüberschätzung und mangelndes Verantwortungsbewusstsein für die Verkehrssicherheit an. ,,Unsere Autofahrer präsentieren sich im Ausland mit einem Mangel an Fähigkeiten und der Kultur, ein Fahrzeug zu führen“, meint Mariusz Wichtowski von der PBUK. Dies wird insbesondere auf deutschen Autobahnen sichtbar. Hinzu kommt die bewusste Ignoranz von ausländischen Verkehrsvorschriften und die Selbstwahrnehmung, straflos zu sein.

Deutsche Autofahrer: Über 4500 Unfälle in Polen

Umgekehrt führt das Polnischen Büro der Verkehrsversicherer auch die Statistik der von Ausländern in Polen verursachten Unfall-Schäden. Für 2020 liegen die Daten noch nicht vor. Wegen der Corona-Krise und den stark eingeschränkten Auto-Reiseverkehr dürften sie jedoch gering ausfallen. 2019 dagegen haben deutsche Autofahrer bzw. Fahrer von Fahrzeugen mit deutschen Kennzeichen rund 4590 Unfälle und Verkehrskollisionen in Polen verursacht. Mit einem Anteil von 27 Prozent sind Deutsche damit die größten Unfall-Verursacher unter den ausländischen Kraftfahrern in Polen. Der Versicherungsschaden lag laut PBUK im Durchschnitt bei rund 6700 Złoty ( ca. 1500 Euro) pro Unfall bzw. Kollision.

© André Jański / infopol.PRESS

Tusks Rückkehr als weißer Reiter im angegrauten Gewand

Donald Tusk ist wieder zurück in der polnischen Politik. Zahlreiche Niederlagen hatte seine Partei Bürgerplattform (PO) erlitten, nachdem er 2014 in das Amt des EU-Ratsvorsitzenden wechselte. Seine Rückkehr an die Partei-Spitze wurde auf dem Partei-Konvent am Wochenende wie in der biblischen Offenbarung als der Einzug des Weißen Reiters auf weißen Ross gefeiert, der Polen von der PiS-Partei und ihrem ,,Diktator“ Jarosław Kaczyński befreit. Doch Tusks Wahl zum kommissarischen Partei-Vorsitzenden, der die zerstrittene Opposition vereinen soll, ist selbst in der eigenen Partei, insbesondere bei der jüngeren Generation, nicht unumstritten. Inzwischen sind dort wie im liberalkonservativen Oppositionslager ausserhalb der Partei Persönlichkeiten herangewachsen, deren Popularität im Wahlvolk die von Tusk überstrahlt. Sie setzen auf programmatische Neu-Anfänge. Mit der Rückkehr von Tusk ist jedoch zu erwarten, dass sich der parteipolitische Machtkampf in Polen wieder auf die jahrzehntelange persönliche Feindschaft zwischen Kaczyński und Tusk fokussiert.

Über die Rückkehr von Donald Tusk in die polnische Politik war schon seit langer Zeit spekuliert worden. Tusk selbst hatte bereits 2019 die Gründung einer Bewegung ,,4. Juni“ angekündigt (Am 4.Juni 1989 übernahm die ,,Solidarnosc“ im Rahmen des Runden Tisches teilweise die Regierungs-Macht). Die Bewegung ,,4.Juni” außerhalb der Parteistrukturen, wollte Tusk als gesellschaftliches Rückgrat bei den Wahlen 2019 und den Präsidentschaftswahlen 2020 nutzen. Doch bei kühler Bewertung der politischen Situation und dem Rückhalt der PiS-Partei seines Erzfeindes Kaczynski beim Wahlvolk rückte Donald Tusk von dem Vorhaben ab. Das Risiko, eine vernichtende persönliche Niederlage einzufahren war ihm zu groß.

Bei Wählern unbeliebt gemacht

Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des EU-Ratspräsidenten Ende 2019 erklärte Tusk zur Enttäuschung seiner Parteiführung, dass er nicht bei den Präsidentschaftswahlen 2020 kandidieren werde. ,,Dazu ist eine Kandidatur notwendig, die nicht mit dem Gepäck schwieriger unpopulärer Entscheidungen belastet ist”, sagte Tusk zur Begründung mit Hinweis auf seine Zeit als früherer Ministerpräsident von 2007 bis 2014. In dieser Zeit traf er viele unpopuläre Entscheidungen. Dazu gehörten u.a. die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent, die Anhebung des Renten-Alters und die Zwangsverstaatlichung eines Teils der in den Offenen Rentenfonds OFE angesparten privaten Gelder unter das Kuratel der staatlichen Sozialversicherungs-Anstalt ZUS. Hinzu kamen zahlreiche politische Skandale wie die sogenannte Abhör-Affäre. Seinerzeit hatten Kellner in dem Warschauer Nobel-Restaurant Sowa & Przyjaciele, in dem die Polit-Prominenz ein und aus ging, in den VIP-Logen heimlich Abhörgeräte installiert, um die Privat-Gespräche der Politiker mitzuschneiden.
Einen wesentlichen Baustein für den Niedergang der Tusk-Regierung bildeten dabei die den Medien zugespielten heimlichen Mitschnitte eines Gesprächs zwischen den damaligen Finanzminister Rostowski und dem Außenminister Radoslaw Sikorski, dem eine persönliche Freundschaft mit dem damaligen Bundes-Außenminister und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier verbindet. Sowohl Rostowski wie auch Sikorski gefielen sich bis dahin aufgrund ihrer Studienabschlüsse und –aufenthalte in Großbritannien und den USA in der Rolle einer aristokratischen Bildungs-Elite. Umso größer war das Entsetzen und die Aufregung in der polnischen Öffentlichkeit, wie sich beide Spitzenpolitiker in den heimlichen Gesprächs-Mitschnitten in einer gewöhnlichen Gossensprache verächtlich über die Normalbürger äußerten, während sie Kaviar und teure Weine auf Staatskosten genossen.

,,Merkel hat der Opposition in Polen das Genick gebrochen“

Donald Tusk befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf Abwegen. 2014 zog er es vor, den Werben von Angela Merkel folgend den lukrativen Posten des EU-Ratspräsidenten anzunehmen und seiner Partei den Rücken zu kehren. Und das vor Beginn des alles entscheidenden Wahlkampfes, der 2015 zum triumphalen Wahlsieges der nationalkonservativen Pis-Partei seines Erzfeindes Jarosław Kaczyński führte. Mit Beginn des Wahlkampfes ihren langjährigen Partei-Chef verlustig geworden, hatte sein Nachfolgerin Ewa Kopacz keine Zeit und keine Chance, die Liberalkonservativen gegen Kaczyńskis nationalkonservative Pis-Partei zu rüsten. Vor diesem Hintergrund fehlte es in Polen auch nicht an Stimmen, dass Merkels Politik 2015 zum Wahlsieg der Kaczyński-Partei beigetragen habe. In Tusks Zeit als Polens Regierungschef bis 2014 war ein gutes Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel entstanden. Seine Abwerbung als Regierungschef und Partei-Vorsitzender unmittelbar vor Beginn des Wahlkampfes und seine von Angela Merkel forcierte Positionierung als EU-Ratspräsident in Brüssel werden dafür als Gründe angegeben. Die Zeitung Rzeczpospolita titelte seinerzeit nach dem Wahlsieg der Kaczyński -Partei ,,Merkel hat der Opposition in Polen das Genick gebrochen“ . Es entbehrt daher auch nicht einer gewissen politischen Ironie, dass zu jenem Zeitpunkt, da Angela Merkel aus dem Amt der Bundeskanzlerin ausscheiden wird, Donald Tusk in die polnische Politik zurückkehrt und wieder die Führung seiner Partei übernimmt.

Junge Oppositionspolitiker wollen programmatischen Neuanfang

Doch die Zeiten haben sich geändert. Tusks Bürgerplattform ist schon längst nicht mehr Polens größte Oppositionskraft. Den Rang hat ihr in Umfragen die im vergangenen Jahr von Szymon Hołownia gegründete zentristische Bewegung ,,Polen 2050“ abgenommen. Hołownia, ehemaliger Redakteur der liberalen Zeitung ,,Gazeta Wyborcza“ und populärer Moderator des privaten Fernsehsender TVN spricht wie Tusks Partei ein ähnliches liberalkonservatives Publikum an, jedoch viel moderner und mit programmatischen Inhalten als Alternative zur PiS-Politik. Seit seiner Neugründung wird seine Partei inzwischen nicht nur von übergelaufenen Vertretern aus der jüngeren Politiker-Generation von Tusk Partei gespeist. Hołownia wird auch eine viel größere Integrationsfähigkeit zugesprochen als Donald Tusk. Dafür spricht auch der im Mai erfolgte Übertritt eines langjährigen und angesehen Politikers von Kaczyńskis PiS-Partei zu Hołownias Oppositionsbewegung.
Für eine Einigung der Opposition gegen Kaczyńskis PiS-Partei zeigt er sich zwar mit Donald Tusk gesprächsbereit. Sein Lager markierte jedoch gleich Distanz, in dem es die Rückkehr von Donald Tusk mit den Worten kommentierte, dass Polens Politik ,,keinen Messias“ brauche.

Selbst im eigenen Lager nicht unumstritten

Warschaus Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski gilt als größter Konkurrent für Donald Tusk in der Führungsrolle der Bürgerplattform. Fotos: Platforma Obywatelska

Ähnliche Worte sind auch von jüngeren Politikern aus Tusk eigener Partei zu hören. So erklärte der PO-Parlamentarier Sterczewski, dass die Partei keinen Patron brauche, ,,der nach langer Zeit aus den Ferien zurückkehrt“. Gegenüber dem privaten Fernseh-Sender Polsat News wies er auch auf Umfragen hin, wonach die ,,Bürger-Plattform mit Donald Tusk zweimal weniger Zuspruch erhalten wird als unter der Führung von Rafał Trzaskowski“
Der 49jährige PO-Politiker Trzaskowski, der 2018 mit einem triumphalen Wahlsieg Warschauer Oberbürgermeister wurde, hatte 2020 bei der Wahl zum Staatspräsidenten mit einem knapp verpassten Wahlsieg gegenüber Amtsinhaber Andrzej Duda zuletzt in der Partei mit seinem Aufstieg zum stellvertretenden Partei-Vorsitzenden Furore gemacht. Noch vor einem Jahr hatte Trzaskowski Donald Tusk als ,,politischen Rentner“ bezeichnet. Vor dem Parteitag am Wochenende hatte Trzaskowski nun öffentlich angekündigt, selbst die Bürgerplattform bei der kommenden Parlaments-Wahl in den Wahlkampf zu führen. Um so schockierter zeigte er sich über das handstreichartige Szenario der Übernahme der PO durch die ,,alte Garde“- Erst wurde Donald Tusk vom Landesrat der Partei zum stellvertretenden Parteivorsitzen gewählt, damit danach der bisherige Parteichef Boris Budka sofort seinen Rücktritt und Donald Tusk zum kommissarischen Parteivorsitzenden erklären konnte.

Der PiS-Partei die Show gestohlen

Diese blitzartige Übernahme verfolgte aber noch einen anderen Zweck. Zur gleichen Zeit tagte vergangenes Wochenende ein PiS-Parteikongress, auf dem der 74jährige Jarosław Kaczyński wieder zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Das zeitliche Zusammentreffen von Tusks Rückkehr in die Politik und Kaczyńskis Wiederwahl markiert damit ein historisches Datum in der polnischen Politik – das Wiederaufflammen eines von tiefster persönlicher Feindschaft zwischen den beiden Männern geprägten Kampfes, der Polens Politik seit fast zwei Jahrzehnten beherrscht und die Gesellschaft polarisiert.
Donald Tusk legte bei seiner ersten Rede am Wochenende auch sofort kämpferisch los. In Polen ,,regiert heute das Böse“ sagte Tusk und meint damit Kaczyński. „Wir gehen aufs Feld, um mit diesem Bösen zu kämpfen“, schwor Tusk seine Partei auf den nächsten Wahlkampf ein.

Abgrundtiefe Feindschaft der politischen Schwergewichte

Tusk und Kaczyński kennen sich bereits seit den 80er Jahren, als Kaczyński für eine Untergrund-Zeitung schrieb, die Tusk herausgab. Nach ersten erfolglosen Versuchen in den 90er Jahren, eigene politische Gruppierungen auf die Beine zu stellen, gründete Jarosław Kaczyński mit seinem Zwillingsbruder Lech 2001 die Partei ,,Recht und Gerechtigkeit (PiS). Donald Tusk selbst, der mit dem Versuch scheiterte, die Führung der liberalen ,,Freiheitsunion“ UW zu übernehmen, gründete daraufhin die ,,Bürgerplattform“ PO. Kaczyńskis und Tusks Partei starteten sogar gemeinsam 2002 als Koalition bei den Kommunalwahlen. Nach dem Sturz der postkommunistischen SLD schien es auch ausgemachte Sache zu sein, dass Tusks Bürgerplattform und Kaczyńskis PiS 2005 eine gemeinsame Regierungskoalition bilden. Nach langwierigen Verhandlungen und angeblich nicht abgesprochener Personal-Entscheidungen trennte sich jedoch der gemeinsame Weg der beiden Politiker.
Das Tuch zwischen ihnen war endgültig zerschnitten, als Donald Tusk bei den Präsidentschaftswahlen 2005 als Gegenkandidat von Lech Kaczyński antrat. Es begann ein schmutziger, von beiden Seiten geführter Wahlkampf. Maßgeblich entscheidend für seinen Ausgang war die von der PiS-Zentrale ausgegrabene Geschichte, dass einer der Großväter von Donald Tusk im Zweiten Weltkrieg in der Uniform der deutschen Wehrmacht diente. Für den Inhalt der Geschichte, mit der Tusk als unpatriotisch diffamiert wurde, war Kaczyńskis ,,Bullterrier“ Jacek Kurski verantwortlich. Der wurde später 2015 mit der Leitung die öffentlichen Medien betraut, um sie in eine PIS-Propagandatube umzuwandeln.
Donald Tusk, der erfolgreich aus dem ersten Wahlgang hervorging, musste sich nach der Veröffentlichung in zweiten entscheidenden Wahlrunde Lech Kaczyński geschlagen geben. Zwei Jahre später revanchierte sich Tusk bei einer Fernseh-Debatte zu den Parlamentswahlen, indem er vor laufenden Kameras Kaczyński unterstellte, ihn bei einem Treffen in den 90er Jahren im polnischen Parlament eine Pistole mit den Worten gezeigt zu haben ,,Dich zu töten ist für mich das Gleiche wie ins Gesicht zu spucken“. Der verdatterte Kaczyński widersprach dem, gab jedoch zu, eine kleine Pistole bei sich getragen zu haben.

Obsessionen statt Programme

Seit dieser Fernseh-Debatte arteten die Auseinandersetzungen zwischen beiden Politikern in offene Feindschafts-Tiraden aus, in die beide politische Lager voll involviert wurden. Nach dem tragischen Flugzeug-Absturz einer Regierungsmaschine in Smolensk, der fast 100 ranghohe Vertreter der Staatsführung in den Tod riss, darunter Staatspräsident Lech Kaczyński, steigerte sich die Feindschaft in Hass. Kaczyński warf Tusk vor, für den Tod seines Zwillingsbruder mit verantwortlich zu sein.
Selbst als Donald Tusk schon in Brüssel war und sich 2017 einer Wiederwahl für eine zweite Amtszeit als EU-Rats-Präsident stellte, verfolgte ihn Kaczyńskis Obsession weiter. 27 der 28 EU-Staaten stimmten seinerzeit für Tusk. Selbst der enge Verbündete der PiS-Parteiführung, Ungarns Regierungschef Viktor Orban stimmte für Tusk. Angetrieben von Kaczyński stimmte Polen als einziger Staat gegen Tusk, obwohl selbst ein Teil der PiS-Politiker sich dafür aussprach, Tusk in Brüssel zu unterstützen.
Bei so viel Emotionen zwischen den beiden verfeindeten Schwergewichten der polnischen Gewicht ist kaum anzunehmen, dass es in Polen in Zukunft im parteipolitischen Kampf um Programme und Inhalte gehen wird. Die beiden Herren werden wieder ihre alte Rolle bis zum finalen Endkampf spielen. Die Mehrheit der Polen ist dessen schon längst überdrüssig geworden.

© André Janski / infopolPRESS

Stopp des Tagebaus Turów – Gigantisches Problem für Polen

Für den staatlich kontrollierten Energiekonzern PGE war dies eine ,,Schwarze Woche“. Den Anfang nahm sie am Montag, den 17.Mai mit dem plötzlichen Ausfall von zehn der 11 Kraftwerks-Blöcke in seinem Kraftwerk Bełchatów in Zentralpolen. Das Kraftwerk Bełchatów ist das größte Braunkohlen-Kraftwerk der Welt. Es produziert über 20 Prozent des gesamten polnischen Landesbedarfes an Strom. Innerhalb von wenigen Sekunden verlor das polnische Energiesystem durch eine Havarie eine Leistungskapazität von 3900 MW. Dass es in ganz Polen nicht zu einem Black Out kam, war dem Anschluss an das europäische Stromverbund-System zu verdanken. Es wurde sofort Strom aus den Nachbarländern, darunter aus Deutschland und Schweden, in das polnische Energiesystem eingespeist. Der Ausfall in Polen war allerdings für die Betreiber fast aller Stromversorgungssysteme in Europa und der Türkei spürbar.
Die zweite Hiobs-Botschaft für die polnische Energiewirtschaft in dieser Woche folgte dann mit dem am 21.Mai verkündeten Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). In einem einstweiligen Beschluss ordnete der EuGH einen sofortigen Stopp der Braunkohle-Förderung im Tagebau Turów an. In einer ersten Reaktion wertete der Vorstand des PGE-Energiekonzerns, zu dem der Tagebau im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland gehört, das Urteil des EuGH als ,,Weg zu einer wilden Transformation des Energie-Sektors”. Die Sprecherin der nationalkonservativen PiS-Partei bezeichnete Urteil als ,,Skandal“.
Mit seinem Urteil folgte der Europäische Gerichtshof der Klage der Tschechischen Republik gegen Polen. Tschechien hatte beklagt, dass das polnische Klima-Ministerium kürzlich die abgelaufene Lizenz für den Tagebau ohne erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfungen bis zum Jahre 2044 verlängert habe. Bereits jetzt seien durch den Bergbau akute Bodenbewegungen und Grundwasserprobleme, die die Trinkwasser-Versorgung der Bevölkerung in der benachbarten tschechischen Region beeinträchtigen, aufgetreten. Hinzu komme die Staub- und Lärm-Belastung. Der Klage hatte sich auch die Stadt Zittau inhaltlich angeschlossen.

Über  10 000 Arbeitsplätze gefährdet

In dem Beschluss der europäischen Richter werden die Argumente der tschechischen Regierung als begründet angesehen. ,,Die von der Tschechischen Republik vorgebrachten Tatsachen- und Rechtsgrundlagen rechtfertigen die Gewährung der einstweiligen Anordnung“, heißt es in der Mitteilung des EuGH. Zudem habe Polen nicht ausreichend die Behauptung untermauert, wonach ein einstweiliger Stopp die Kohle-Versorgung des angrenzenden Kraftwerks in Turów gefährde.
In Polen sieht man dies grundsätzlich anders. Nach Angaben der PGE werden im Tagebau Turów jährlich rund 8 Mio. t Braunkohle gefördert. Damit wird der benachbarte Kraftwerks-Komplex Turów versorgt, der bis zu 7 Prozent des polnischen Strom-Bedarfs deckt. Am Tagebau und dem angeschlossenen Kraftwerk hängen über 10 000 Arbeitsplätze.

Opposition: Völliges Versagen der polnischen Diplomatie

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen sehen auch Vertreter oppositionellen Parteien und Gruppierungen in Polen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in seiner Schärfe als überzogen an. Die Schuld für die jetzt eingetretene Situation geben sie jedoch die Regierung und dem Vorstand des Energiekonzerns PGE. Nach Ansicht des Oppositionspolitikers Piotr Borys von der Bürgerplattform PO dokumentiere der Fall ein völliges Versagen der polnischen Diplomatie.
Der Konflikt mit der Tschechischen Republik um den Tagebau Turów währt bereits seit drei Jahren. Der tschechische Nachbar war zu Zugeständnissen bereit, wenn sich Polen an den Kosten zum Bau einer Wasserleitungs-Infrastruktur für die südlich des Tagebaus gelegenen nordböhmische Region Liberec beteiligen würde. Polen lehnte dies jedoch ab, weil dies einem Eingeständnis gleichkommen würde, dass die umweltschädlichen Einflüsse auf den polnischen Tagebau-Betrieb zurückzuführen seien. Und eigene Fehler einzuräumen, hat noch nie zur Genetik der polnischen Politik gehört. Schuld haben immer die anderen.

Vom Visegrad-Partner verklagt

Das Versagen der PiS-Regierung zeigt sich für die Opposition auch in deren Wirken innerhalb der Visegrad-Gruppe. Seit Jahrzehnten sind Polen, Ungarn die Slowakei und Tschechien in der Visegrad-Gruppe – auch V4 genannt – vereint, einem losen Bündnis, das eigene Akzente für die mittelosteuropäischen Staaten innerhalb der EU zu setzen versucht. Regelmäßig treffen sich deren Regierungen. Noch im Februar dieses Jahres fand ein V-4-Gipfel statt. Einige Tage später hat die tschechische Regierung wegen dem Tagebau Turów Polen vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt!

Bagatellisierung des Klimaschutzes

Nach Ansicht der der Oppositions-Politikerin Paulina Hennig-Kloska von der Gruppierung ,,Polska 2050“ (Polen 2050), die inzwischen in den Umfragen zur stärkste Oppositionskraft aufgestiegen ist, sei die größte Bedrohung für die Energie-Souveränität des polnischen Staates die PiS-Regierung, die die Probleme des Klimaschutzes seit Jahren bagatellisiere. Es ist noch gar nicht so lange her, als noch Staatspräsident Andrzej Duda im Gespann mit Regierungschef Morawiecki mit viel nationalen Pathos vor Bergarbeitern tönte: ,,Kohle ist der größte Schatz Polens.“ Und Kohle-Bergbau werde es noch in 200 Jahren in Polen geben. Doch das war die typische Propaganda der PiS-Partei, um Wählerstimmen zu fangen. Inzwischen läuft der Regierung die Zeit weg. Die Errichtung von Offshore—Windparks in der Ostsee und der Bau des ersten polnischen Atomkraftwerks, mit denen künftig die Verstromung von Kohle ersetzt werden soll, sind langwierige und kostenintensive Prozesse.
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat unterdessen deutlich gemacht, dass Polen die Kohle-Förderung im Tagebau Turów nicht stoppen wird. Keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes könne grundsätzliche Bereiche der nationalen Sicherheit von EU-Staaten beeinträchtigen und verletzen. Dazu gehöre auch die Energie-Sicherheit. ,, Die polnische Regierung wird keine Schritte unternehmen, welche die Energiesicherheit Polens beeinträchtigen“.

© André Jański /infopol.PRESS

Polen gibt Astra Zeneca auch für über 65jährige frei

Der bei der polnische Regierung tätige Medizinische Rat hat die Alters-Obergrenze für den Einsatz des Impfstoffes von Astra Zeneca erhöht. Diese Entscheidung stütze sich auf neueste wissenschaftliche Untersuchungen. Das Experten-Gremium empfiehlt daher, den Impfstoff in der Altersgruppe von 18 bis 69 Jahre einzusetzen. Ab dem 2.März werden deshalb entsprechend der polnischen Impf-Priorisierung jetzt auch Lehrer und Hochschul-Lehrer bis 69 Jahren mit dem Vakzin von Astra Zeneca geimpft. Neben dem medizinischen Personal, hochbetagten Personen und Vertretern sicherheitsrelevanter Bereiche wurden bis Ende Februar auch bereits über 200 000 Personen aus dem Bildungswesen geimpft.


Nach Angaben des polnischen Gesundheitsministeriums sind bisher 3,164 Mio. Personen (Stand 26.Februar) in Polen gegen Covid-19 geimpft wurden. Davon haben bereits über 1,121 Personen eine zweite Impfung erhalten.
Seit Ende Dezember hat Polen 3,8 Mio. Impf-Dosen erhalten, neben Astra Zeneca vor allem von Pfizer /Bio NTech und Moderna. Davon wurden 3,5 Mio. an die Impf-Punkte überwiesen. Anders als in den zentralisiert gesteuerten Impfzentren der Bundesländer in Deutschland, wird die Impfung in Polen dezentral in über 6000 Impfstellen vorgenommen.

Wie Gesundheits-Minister Adam Niedzielski informierte, hat Polen sich jetzt neben den von der EU kontraktierten Impfstoffen weitere 8 Mio. Impfdosen vom US-amerikanischen Pharmaunternehmen Novavax und knapp 6 Mio. Impfdosen vom deutschen Impfstoff-Hersteller CureVac aus Tübingen vertraglich gesichert. Das Präparat des amerikanischen Unternehmens Novavacsei ein traditioneller Impfstoff, der in umfangreiche Studien nicht nur eine hohe Wirksamkeit unter Beweis gestellt, sondern auch gegen die britische Coronavirus-Variante sowie gegen die südafrikanische Mutation eine Immunantwort gezeigt habe. Der Impfstoff des deutschen Unternehmen CureVac sei dagegen in der gleichen mRNA-Technologie entwickelt wurden wie Präperate von Pfizer/BioNTech und Moderna, sagte der Minister.

Impfstoff aus China?

Einen Bezug des russischen Impfstoffs Sputnik V, der bereits in Ungarn eingesetzt wird und für den jetzt die Slowakei einen Vertrag unterzeichnet hat (und voraussichtlich auch Tschechien), lehnt Polen kategorisch ab. Polen erwägt jedoch den Einsatz eines Impfstoffes aus China. Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat dazu ein Telefongespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping geführt, wie die Staatskanzlei in Warschau bestätigte.

Die chinesische Nachrichtenagentur berichtete danach, dass der chinesische Präsident eine Zusage zur Lieferung von chinesischen Impfstoffen nach Polen getroffen habe. Konkret geht es dabei um den Impfstoff des chinesischen Konzerns Sinopharm, der bisher innerhalb der EU nur von Ungarn eingesetzt wird. Ob Polen tatsächlich den Impfstoff aus China einsetzen wird, ist aber bislang noch völlig offen. Der Kauf von chinesischen Impfstoff ist Gegenstand von weiteren Festlegungen auf Regierungsebene , heißt es dazu aus der Warschauer Staatskanzlei. Fest steht jedoch, dass sich Polen wie auch andere EU-Länder in der existenziellen Frage der Impfstoffe nicht mehr auf die Brüsseler Bürokratie unter Führung von der Leyens verlassen will.

Nach einem kontinuierlich Rückgang seit Jahresbeginn ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Polen wieder deutlich angestiegen. Auch die Belegung der Intensivstationen nimmt wieder zu. Am letzten Februar-Tag vermeldete das Gesundheits-Ministerium 10099 Neu-Infektionen und 29 Todesfälle in direkter Folge von Covid 19. In Verbindung mit anderen Vorerkrankungen verstarben 85 Personen. Am Vortag waren es 12 100 Neu-Infektionen und 55 Todesfälle in direkter Folge von Covid-19.
Bezogen auf den 7-Tages-Zeitraum verzeichnet das Gesundheits-Ministerium bei den Neuinfektionen eine Wachstums-Rate von 30 Prozent. ,,Es ist ein Fakt, dass wir uns bereits in der 3.Corona-Welle befinden“, sagte der medizinische Berater des Ministerpräsidenten, Prof. Andrzej Horban, in der heutigen Morgensendung des privaten Fernsehsenders TVN. In einem optimistischen Szenario des Verlaufs der dritten Welle rechnet er mit täglich 20 000 Neu-Infektionen in den nächsten Wochen. Im pessimistischen Fall könnten es 50 bis 60 Prozent mehr sein. Der Anstieg der Infektionen werde wesentlich vom Verhalten der Menschen und der Einhaltung der Hygiene-Schutz-Regelungen abhängig sein.
Die polnische Regierung hatte bereits ab 1.Februar eine Lockerung der Lockdown-Beschränkungen eingeleitet. Seitdem sind wieder alle Läden sowie Kultureinrichtungen wie Museen und Kunstgalerien geöffnet. Dienstleistungseinrichtungen wie Friseur- und Kosmetiksalons konnten schon vordem ohne Einschränkungen unter Einhaltung der Hygiene-Regelungen (Schutzmasken, Abstands-Regelungen, Desinfektion) arbeiten.

Am 12. Februar folgte dann die Öffnung der Hotels und Pensionen. In den Wintersportzentren wie in Zakopane kam es darauf hin zu einem enthemmten Publikums-Spektakel. Tausenden feierten auf den Strassen dichtgedrängt ohne Sicherheits-Abstand und Schutzmasken Party. Ob die zuletzt eingeleiteten Lockerungen im Zusammenhang mit den jetzt deutlich zugenommenen Infektionszahlen im Zusammenhang stehen ist nicht belegt, kann nur vermutet werden.

,,Es macht keinen Sinn, mit der Axt auf einen armen Virus loszugehen“

Am vergangenen Wochenende hat die Regierung die Lockerungen wieder zurückgefahren, jedoch nur regional begrenzt auf die Region Ermland-Masuren (Wojewodschaft Warmińsko-Mazurskie). Diese Wojewodschaft gehörte in der Vergangenheit zu den Regionen mit den niedrigsten Infektions-Zahlen. Zuletzt betrug dort die Zahl der Neuinfektionen jedoch im 7-Verlauf 45 auf 100 000 Einwohner. Bei den 1,4 Mio. Menschen, die in Ermland-Masuren leben, ergibt dies 600 Neuinfektionen im Verlauf von 24 Stunden. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch in Regionen ab, die in der Vergangenheit sehr niedrige, weit unter dem Landes-Durchschnitt liegende Infektionszahlen aufwiesen, so in Pommern sowie in der an Deutschland angrenzenden Wojewodschaft Lubuskie.
Eine generelle und radikale Rücknahme der Lockerungen schließt Gesundheits-Minister Niedzielski allerdings im Moment aus. ,,Es wäre unbegründet, dass wir einen Schritt zurück machen und das ganze Land schließen“. Statt sich nur von landesweit vermeldeten Inzidenz-Zahlen leiten zu lassen, will die polnische Regierung künftig ihre Maßnahmen nach regionalen Schwerpunkten in der Infektionslage ausrichten. Die seit einem Jahr andauernde epidemiologische Situation ändere sich ständig dynamisch. ,,In Verbindung damit gibt es andere Erfahrungen und auch unsere Handlungs-Möglichkeiten sind völlig andere. In der gegenwärtigen Situation macht es keinen Sinn, mit der Axt auf einen armen Virus loszugehen“, sagte dazu ironisierend der Chefberater des Ministerpräsidenten, Prof. Horban.

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Corona: Polen kehrt schrittweise zur Normalität zurück

Die polnische Regierung hat einen Teil ihrer verhängten Lockdown-Maßnahmen gelockert. Ab heute (1.Februar) dürfen die Geschäfte und Handelszentren wieder öffnen. Die Sperrzeiten in den Super- und Discountmärkten von 10 bis 12 Uhr, in denen der Einkauf nur Rentnern vorbehalten war, werden wieder abgeschafft. Auch Kultureinrichtungen wie Museen und Gemäldegalerien dürfen wieder unter Wahrung der Sanitär-Regelungen (Maskenpflicht, Abstands-Regelungen) öffnen.
Hotels und Gastronomie sowie Fitness-Clubs bleiben aber weiterhin bis 14. Februar geschlossen. Der Präsenz-Unterricht in den Schulen soll frühestens ab März wieder aufgenommen werden. Auch die 10tägige Quarantänepflicht für Einreisende nach Polen bleibt bestehen (Ausnahme aktueller Corona-Test).

Entscheidung auf Grundlage von US-Forschungsergebnissen

Man habe die Entscheidung unter Abwägung aller Risiko-Faktoren mit großer Vorsicht getroffen, um eine langsame stufenweise Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen, erklärte Gesundheitsminister Adam Niedzielski. Die Entscheidung zur Öffnung des Handels und der Kultureinrichtungen stütze sich auf Ergebnisse von Forschungs-Untersuchungen in den USA , wonach der Handel relativ sicher ist und nicht zu den Orten mit dem höchsten Ansteckungs- und Übertragungsrisiko des Corona-Virus gehört. Dies gelte auch für Museen und andere Kultureinrichtungen, erklärte Niedzielski.
Polen hatte am 28. Dezember zum dritten Mal die Lockdown-Maßnahmen eingeführt. Allerdings waren die Schrauben nicht so fest angezogen wie z.B. in Deutschland. So konnten Friseur-Salons weiterhin ihren Kunden die Haare schneiden. Auch wurden keine Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit vorgenommen. Dessen ungeachtet wuchs nach Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen am 17. Januar der Druck auf den Kessel, insbesondere im Dienstleistungsgewerbe. In den sozialen Medien formierte sich die Aktion ,,Unternehmer-Streik“, in der Unternehmer die Öffnung ihrer Lokale trotz Verbots ankündigten. Sie berufen sich dabei auf zwei Urteile polnischen Bezirksgerichte, dass die die Verhängung von Strafgeldern bei der Umgehung der Auflagen zur Schließung ganzer Wirtschaftsbranchen nur auf der Grundlage von amtlichen Seuchenschutz-Anordnungen verfassungswidrig sei.

Auch die Ankündigung der Regierung, Firmen, die gegen die Verbote verstossen, von den Corona-Überbrückungshilfen auszuschließen, hielt sie nicht vor der Öffnung ihrer Lokale ab. Ohnehin ist von den Corona-Hilfen der Regierung bei den Firmen im Dienstleistungsgewerbe kaum oder nur wenig angekommen. Sie beruhen im wesentlichen auf Abschlags-Zahlungen – bis zu 5000 Złoty pro angestellten Mitarbeiter – und die Aussetzung von Sozialversicherungsbeiträgen. In der polnischen Volkswirtschaft sind jedoch rund ein Drittel der Beschäftigten nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt, sondern beziehen ihr Einkommen auf der Grundlage von zivilrechtlichen Regelungen wie den sogenannten Auftrags-Vertrag. In den von den Corona-Verboten besonders betroffenen Branchen, wie der Gastronomie, dem Übernachtungs- und Tourismusgewerbe, Fitnesscentern und anderen Sporteinrichtungen ist dieser Anteil noch viel größer. Hier werden Mitarbeiter viel seltener mit Arbeitsverträgen beschäftigt. Entsprechend fallen die Firmen aus dem Corona-Hilfsgeldern heraus und müssen um ihre Existenz kämpfen. Nach Angaben des polnischen Wirtschaftskammer für das Gastronomiegewerbe haben seit dem 18.Januar rund 20 000 Firmen in ganz Polen trotz des Verbots wieder ihre Lokale geöffnet. Diese Zahlen werden aber vom Entwicklungs-Ministerium dementiert. Inzwischen hat auch der Polnische Fitness-Verband angekündigt, dass rund 4000 Fitnesscenter trotz des weiterhin bestehenden Verbots ab dem 1.Februar öffnen werden.

Massiver Polizeieinsatz gegen Diskotheken und Nachtclubs

Auf die Öffnung trotz weiterhin bestehender Verbote geht der Staat inzwischen mit verschärften repressiven Maßnahmen vor. So lösten 150 Polizisten und Sondereinsatzkräfte am letzten Januar-Wochenende eine Veranstaltung mit 400 Teilnehmern in einer Diskothek im schlesischen Rybnik unter Einsatz von Gas und Gummi-Geschossen auf. Der Nachtclub hatte schon das zweite Wochenende geöffnet. Auch in dem in der Grenzregion zu Deutschland gelegenen Świebodzin wurde eine Nachtclub mit massiven Polizei-Einsatz geschlossen.

Die Zahl der Corona-Infektionen und Todesfälle ist seit dem Jahreswechsel in Polen deutlich gesunken. Das Gesundheits-Ministerium meldete heute 2503 Neuinfektionen und 33 Todesfälle. Die Situation in den Krankenhäuser sei stabil, die Zahl der Patienten auf den Intensiv-Stationen rückläufig.

Ein Risiko-Faktor bleiben Mutanten des Corona-Virus. Mitte Januar wurde erstmals in Polen auch britische Corona-Mutation B 1.1.7 in Polen nachgewiesen. Festgestellt wurde sie von einem privaten Labor aus Poznań bei einem Ausländer.

Mit genaueren Untersuchungen zur Verbreitung von Corona-Mutanten steht man in Polen jedoch erst am Anfang. Die Test–Labore im gesamten Land wurden jetzt angewiesen, genetische Materialproben des Virus zu einem Screening an eine zentrale Forschungseinrichtung einzusenden.

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Auswärtiges Amt warnt vor Reisen an polnische Ostsee

Mit 9622 hat die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen in Polen einen neuen Rekord-Stand erreicht.  Das Robert-Koch-Institut hat deshalb jetzt fünf Wojewodschaften in Polen zum Corona-Risikogebiet als Grundlage für eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gemacht. Reisende, die aus diesen Regionen kommen, müssen ab sofort einen aktuellen Negativ-Test vorlegen oder sich andernfalls in eine 14tägige Quarantäne begeben. Als Risiko-Gebiete werden vom Robert-Koch-Institut die Wojedwodschaften ,,Kujawsko-pomorskie, Małopolskie, Podlaski, Pomorskie und Świętokrzyskie“ angegeben. Die meisten Deutschen können allerdings mit diesen Bezeichnungen wenig anfangen und eine geografische Zuordnung vornehmen. Am ehesten ist Pomorskie , also ,,Pommern“ bekannt. Die Region an der polnischen Ostseeküste ist auch bei deutschen Touristen beliebt. Zum Risiko-Gebiet Pommern gehören die Dreistadt Danzig-Sopot-Gdynia und Słupsk. Beliebte Ostsee-Ferienorte der Region, für die jetzt auch die Warnung gilt, sind Ustka, Władysławowo, die Halbinsel Hel, Krynica Morska und Łeba mit den Wanderdünen. Auch das touristische High-Light der Region – die Marienburg der Kreuzritter (Malbork) – ist Corona-Risiko-Gebiet.
Der insbesondere bei deutschen Rentnern beliebte Ostsee-Kurort Kołobrzeg gehört nicht zur Wojewodschaft Pomorskie. Auch die weiter westlich gelegenen polnischen Ostseebäder wie Międzyzdroje und Świnoujście (Swinemünde) sind gegenwärtig noch nicht von der deutschen Einstufung erfasst.
Mit der Wojewodschaft Małopolskie wurde  eine weitere touristische Region vom Auswärtigen Amt als Risikogebiet klassifiziert. Dazu gehört Kraków und die anliegende Gebirgs-Region der Hohen Tatra bis hoch nach Zakopane.. In dieser Wojewodschaft bewegt sich das Corona-Krisengeschehen auf einen kritischen Punkt zu. Nach Angaben der örtlichen Gesundheitsbehörden vom 16.Oktober sind von den 1359 für Corona-Patienten verfügbaren Krankenhaus-Betten in der Region bereits 942 belegt. Noch kritischer sieht es bei den Geräten zur künstlichen Beatmung aus. Von den 109 in den örtlichen Krankenhäusern verfügbaren Geräten sind nur noch 21 für Intensiv-Patienten frei. Die Wojewodschaft Małopolskie ist in der Größe mit dem Freistaat Thüringen vergleichbar, hat jedoch mit knapp 3,4 Mio. mehr Einwohner.
Die drei weiteren vom Robert-Koch-Institut klassifizierten polnischen Krisen-Gebiete Podlaskie, Świętokrzyskie und Kujawsko-Pomorskie spielen dagegen im polnischen Corona-Krisengeschehen nur eine untergeordnete Rolle. Es wird das Geheimnis des Robert-Koch-Instituts bleiben, weshalb es Wojewodschaften zu Krisengebieten erklärt, die in den polnischen Statistiken als Gebiete mit den niedrigsten Corona-Infektionen ausgewiesen sind.

Verschärfte Corona-Auflagen auch an der Grenze zu Deutschland

Nicht vom Robert-Koch-Institut, aber von der polnischen Regierung sind jetzt erstmals Gebiete und Ort entlang der Grenze zu Deutschland als ,,Rote Zonen“ erfasst, also Gebiete mit erhöhten Infektions-Geschehen. Die Regierung hat mit Wirkung vom 15.Oktober über 100 Kreise und Großstädte zu ,,Roten Zonen“ erklärt. Vor einer Woche waren es nur 38. Die Zahl der täglichen Neu-Infektionen hat seitdem weitere Höchstwerte erreicht. Vergangenem Mittwoch meldete das Gesundheitsministerium 8099 Neu-Infektionen und über 100 Todesfälle. Die Regierung hat deshalb am nachfolgenden Tag eine weitere Verschärfung der Corona-Auflagen angeordnet, die am 15. Oktober in Kraft treten. Jetzt ist es fast die Hälfte des Lande mit Roten Zonen bedeckt. Wie in anderen Ländern sind auch in Polen die Großstädte Kumulations-Zentren für ein erhöhtes Infektionsgeschehen. Polens Hauptstadt Warschau, Poznań und andere Großstädte sind deshalb von der polnischen Regierung als ,,Rote Zonen“ ausgewiesen.
An der Grenze zu Deutschland ist Gorzów und sein  Umland ,,Rote Zone. Auch die an den Grenzübergängen von Forst und Bad-Muskau anliegende polnische Region mit der Kreisstadt Żary wurde von den polnischen Behörden als ,,Rote Zone“ eingestuft.
Entsprechend der polnischen Risiko-Klassifikation sind Rote Zonen Infektions-Herde, wo innerhalb von 14 Tagen mehr als 12 bestätigte Neu-Infektionen pro 10 000 Einwohnern aufgetreten sind.
Neben der im gesamten Land geltenden Maskenpflicht im öffentlichen Raum (Strassen, Plätze usw.) ist in der Roten Zonen u.a. die Teilnehmerzahl an öffentlichen Versammlung auf max. 10 beschränkt. Gaststätten und andere gastronomischen Einrichtungen müssen um 21 Uhr schließen. In den Läden ist die Zahl der Kunden auf fünf Personen pro Kasse beschränkt. Sportveranstaltungen finden ohne Zuschauer statt. Die Teilnehmerzahl in den Kirchen ist auf eine Person pro 7 qm beschränkt. Hochzeiten sind verboten (ab 19.Oktober).

Die Polizei kontrolliert auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln die Einhaltung der Maskenpflicht

Die Polizei ist angewiesen, die Auflagen mit einer Null-Toleranz-Politik durchzusetzen. In der Umsatz der Maßnahmen ist man auch viel konsequenter als man es in Deutschland kennt. Wie das Polizei-Hauptkommando diese Woche mitteilte, wurden innerhalb eines Tages 3350 Personen wegen Nichteinhaltung der Maskenpflicht mit einer Geldstrafe in Höhe von 500 Zloty (rund 120 Euro) belegt. In fast 500 Fällen wurden Anzeigen zur Weiterbehandlung durch die Gerichte aufgenommen, die Geldstrafen von bis zu 30 000 Zloty (knapp 7000 Euro) verhängen können. Innerhalb eines Tages haben die Polizisten, teilweise mit Unterstützung von Soldaten, im gesamten Land auch rund 227 000 Personen auf Einhaltung der Quarantäne-Bestimmungen überprüft.
Nach neuesten Angaben des polnischen Gesundheits-Ministerium befinden sich gegenwärtig in ganz Polen 311 625 Personen in Haus-Quarantäne. 7612 Personen werden wegen einer Corona-Infektion in den Krankenhäusern behandelt. Die Zahl der Patienten, die eine künstliche Beatmung benötigen, beträgt 604.

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Corona: Ab sofort ganz Polen im ,,kleinen Lockdown“

Die polnische Regierung hat mit Wirkung vom 10. Oktober die Maskenpflicht für alle im öffentlichen Raum angewiesen. Damit muss jeder in Polen auch auf der Strasse, auf Plätzen, in Parks usw, also unter freiem Himmel, eine Maske tragen.  Polizei und Ordnungsbehörden wurden angewiesen, bei der Durchsetzung der Corona-Schutz-Maßnahmen eine Politik der ,,Null Toleranz“ zu fahren.

Die Regierung zieht mit den angeordneten Maßnahmen die Konsequenz aus den dramatischen Anstieg der Corona-Neuinfektionen. Innerhalb der vergangenen drei Tage hat sich deren Zahl täglich um nahezu 1000 erhöht. Am Mittwoch meldete das Gesundheits-Ministerium  3003 neue Corona-Infektionen und  75 Todesfälle, am Donnerstag 4280 Neu-Infektionen und  76 Tode. Gestern waren 4739 neue Corona-Infektionsfälle. Die neueste Rekord-Zahl vom heutigen Sonnabend: 5300.

 

Ganzes Land eine ,,Gelbe Zone“ 

Noch vor  einer Woche waren nur 28 Kreise und Städte  als ,,Gelbe Zonen“ mit einem erhöhten Gefährdungs-Risiko ausgewiesen. Jetzt hat die polnische Regierung  das gesamte Land mit ,,Gelb“ markiert. Gleichzeitig wurden  32 Kreise und 6 Großstädte als ,,Rote Zonen“ zu Corona-Risikogebieten  erklärt. Dazu gehören jetzt auch die an der Ostsee gelegenen Städte Koszalin, Sopot und Słupsk und Anschlussgebiete.

Ministerpräsident Morawiecki versuchte bei der Vorstellung der Corona-Schutz-Maßnahmen den Eindruck zu vermitteln, dass man weiterhin die Situation unter Kontrolle habe.  Derzeit werden  4725 Personen  wegen einer Corona-Infektion in Krankenhäusern behandelt . Davon sind 346 Patienten an eine künstliche Beatmung angeschlossen.  Die Zahl der zur Verfügung stehenden freien Betten sei doppelt so hoch, beruhigte  Morawiecki. Die Regierung habe Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der freien Betten für Intensiv—Patienten um weitere Tausende Betten  zu erhöhen, versprach der  Ministerpräsident der Bevölkerung.  Auch Beatmungs-Geräte seien in genügender Zahl vorhanden.

Auf die Frage von Journalisten, ob die Regierung die Einführung des Ausnahmezustands in Polen erwäge, antwortete  Morawiecki, dass man bei einer weiteren Eskalation der Situation dies nicht ausschließen könne.

Gleichzeitig wich er kritische Fragen aus, inwieweit er und die Regierung  mit ihrer Politik zur Entwicklung der aktuellen Situation beigetragen haben. Mit propagandistischen Auftritten vor laufenden Kameras hatte Morawiecki in der Vergangenheit  immer wieder die Arbeit seiner Regierung gelobt, wodurch Polen im Vergleich zu westlichen Ländern die  Corona-Krise erfolgreich bekämpft habe. Morawiecki war es auch, der bei den Präsidentschaftswahlen insbesondere ältere Menschen dazu aufrief, an die Wahlurnen zu gehen. Sie sollten sich keine Sorgen machen. Die Situation sei sicher, die Corona-Krise bekämpft.

Empörung in den sozialen Medien – Während die Regierung bereits eine Verschärfung der Corona-Schutzbestimmungen ankündigt, präsentierten sich diese Woche 80 Bischöfe dichtgedrängt und ohne Schutzmasken zum Abschluß der 387.Plenartagung der Polnischen Episkopats-Konferenz im Erzbistum Łódź. Kritiker sehen sich dabei in der Annahme bestätigt, dass es in Polen bei der Einhaltung der Corona-Schutzbestimmung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft gibt. Foto: Episkopat News

Trotz der seit Anfang September  kontinuierlich anwachsenden Zahl der Corona-Infektionen war die Regierung und die Führungsspitzen der Koalitionsparteien im Machtkampf um Posten und Einflußsphären in der Regierung  wochenlang mit sich selbst beschäftigt, kritisiert nicht nur die Opposition.  An der jetzigen Situation seien die Politiker schuld, kritisiert einer der führenden Virologen in Polen  Prof. Krzysztof Simon, Leiter der Klinik für Infektionskrankheiten an der  Medizinischen Universität Breslau (Wroclaw).

,,Das Jonglieren mit Statistiken, wonach es in Polen keinen Mangel an Betten und Beatmungs-Geräten gebe,  verbessert nicht die reale Situation“, schreiben Bürgermeister und Landräte der Wojewodschaft Pommern in einen gestern veröffentlichten Schreiben an Ministerpräsidenten Morawiecki .

Es fehlen Ärzte und Schwestern, Mangel an Medikamenten – Bald Auswahl von Patienten mit Überlebenschance

Den Ministern sei überhaupt nicht der Personal-Mangel in den Krankenhäusern  und die Zugangsbeschränkungen für  Patienten, die an anderen Krankheiten leiden, bewußt. In den Krankenhäusern fehle das Medikament Remdesivir und Covid-19 – Rekonvaleszenten-Plasma  (CAPSID) zur Behandlung  von schweren Covid-19 –Erkrankungen.  Wenn die Dynamik der Neu-Infektionen weiter anhalte und in den nächsten 14 Tagen   nicht genügend dieser Präparate zur Verfügung stehen, werde man ,,eine Auswahl der Patienten treffen müssen, bei denen eine Behandlung und Überlebenes-Chance gegeben ist“, heißt es in den Schreiben.

Ähnlich alarmierende Meldungen kommen auch aus anderen Regionen  Polens, wo fehlende Ärzte und Pflegepersonal beklagt wird. Kritisiert wird auch die von der Zentral-Regierung angeordnete dreistufige Krankenhaus-Gliederung, die oft eine Verlegung von Patienten in bis zu 100 Kilometer entfernte Krankenhäuser mit freien Betten zur Folge hat.  Das ganze Lande werde bald eine Rote Zone sein, warnte der Virologe Prof. Simon gegenüber der Zeitung Rzeczpospolita .

Als Rote Zonen sind von der Regierung Infektions-Herde ausgewiesen, wo innerhalb von 14 Tagen mehr als 12 bestätigte Neu-Infektionen pro 10 000 Einwohnern aufgetreten sind.  Zu den dort geltenden Beschränkungen  gehört u.a. die Herabstufung der der Zahl der Teilnehmer   an Familienfeiern und Hochzeitsgesellschaften auf max. 50 Der Besuch von Kirchen ist auf die Hälfte der Platzkapazität beschränkt. In Kinos dürfen nur noch 25 Prozent der Plätze belegt werden. Ab 22 Uhr gilt in gastronomischen Einrichten die Sperrstunde.  Sanatorien müssen geschlossen werden. Verboten sind Messen, Basar-Handel  und Vergnügungsparks.

Wieder Einkaufszeiten nur für Rentner

Die Polizei kontrolliert die Einhaltung der Maskenpflicht auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Foto Policja Wrocław

Im ganzen Land gilt dagegen die absolute Maskenpflicht auch im öffentlichen Raum unter freiem Himmel. Die Polizei und andere Ordnungsbehörden sind zu einer Null-Toleranz-Politik angewiesen. Personen, die keine Maske tragen, werden mit einer Ordnungsstrafe von 500 Zloty (rund 120 Euro) abkassiert. Bei Einleitung eines amtlichen Strafverfahrens durch die Gesundheits-Behörde ist mit einer Geldstrafe von 30 000 Zloty oder einer Inhaftierung zu rechnen.

 

Für die Vor-Ort-Kontrollen der Personen, die von den Gesundheits-Behörden in die Quarantäne geschickt wurden, wird die Polizei in den Corona-Hotspots jetzt wieder von Soldaten unterstützt. Gegenwärtig befinden sich weit über 200 000 Personen in Polen in der Haus-Quarantäne.

Ab kommender Woche sollen auch wieder Handels-Sperrstunden für Rentner eingeführt werden. In der Zeit von 10 bis 12 Uhr ist der Einkauf in den Läden ihnen vorbehalten.

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Corona – Polen führt 9 rote Schutzzonen ein

Im Juli noch bei niedrigen 200, ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Polen seit Anfang August dramatisch angestiegen. Dabei schlägt ein Rekordwert den anderen. War es am 1.August mit 628 Neu-Infektionen der höchste Wert seit Beginn der Corona-Krise im März, wurde seitdem dieser Rekord-Wert mehrfach überschritten: am 7. August 726 Neu-Infektionen, am 8.August 843. Die polnische Regierung hat deshalb als erste Maßnahme die Einführung von 19 Corona-Schutz-Zonen beschlossen. Davon sind 9 Kreise und Städte als rote Zonen ausgewiesen, in denen ab morgen ein strenges Sanitär-Regime durchgesetzt wird. Betroffen sind davon über 1 Mio. Menschen.   Die Ukraine hat als erstes Nachbarland auf die Corona-Entwicklung in Polen reagiert. Ab sofort wird jeder  Einreisende in die Ukraine, der aus Polen kommt, für 14 Tage in die Quarantäne geschickt.

Angesichts der beunruhigenden Entwicklung hatte die polnische Regierung bereits in der vergangenen Woche einen Krisenstab einberufen. In einer ersten Reaktion auf die Entwicklung hatte Regierungs-Chef   Mateusz Morawiecki zunächst von der Möglichkeit gesprochen, wieder eine 14tägige Quarantäne-Pflicht für Ausländer und Einreisende nach Polen  einzuführen.  Bei einer näheren Analyse der Situation  stellte sich jedoch heraus, dass die Ursachen für die jetzt entstandene Situation in Polen selbst  zu suchen sind.

Ohne Maske im Laden – ab 1. September Geldstrafe von mindestens 500 Złoty

Seit der Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen im Mai und Juni  hat eine allgemeine Sorglosigkeit um sich gegriffen. In den  Urlaubsorten wie in Zakopane herrschen Zustände als hätte es eine Corona-Krise nie gegeben.  Die polnische Ostsee-Strände sind  ohne Zugangs-Beschränkungen völlig überfüllt.  In öffentlichen Verkehrsmitteln  gilt zwar noch die Maskenpflicht.  Viele halten sich aber nicht daran. Besorgte Bürger, die darauf hinweisen, werden beschimpft.  Auch in den Supermärkten, Läden und Tankstellen , wo noch im Frühjahr ein strenges Sanitär-Regime herrschte,  hat die Sorglosigkeit um sich gegriffen. Laut dem  Sprechers des Gesundheitsministeriums  arbeitet die Regierung deshalb im Eilverfahren an der Präzisierung von Vorschriften zum Tragen von Mund- und Nasenschutz.  Dabei ist auch geplant, jeden Kunden in einer Verkaufseinrichtung die Bedienung zu verweigern,   der keinen Schutzmaske trägt. Verkaufspersonal und Ladenbesitzer, die sich nicht daran halten, drohen Geldstrafen.Ab 1.September werden die Vorschriften weiter verschärft. Jeder, der in einem Laden oder öffentlichen Verkehrsmitteln keine Maske trägt, droht eine Geld-Buße von 500 Złoty (rund 120 Euro). Dabei bleibt es nicht. Bei Weiterleitung des Verstosses gegen die Maskenpflicht können die Gesundheits-Behörden eine Geldstrafe von bis zu 30 000 Zloty (knapp 7000 Euro) aussprechen.

Hochzeits-Veranstaltungen sind größte Infektionsherde

Neben den Infektionsherden in Altenheimen und Klöstern  machen  Hochzeits-Veranstaltungen den polnischen Gesundheits-Behörden die größten Sorgen. Polnische Hochzeitsveranstaltungen dauern  einschließlich der  traditionellen ,,Poprawiny „ (Nachbesserung) immer zwei Tage. 150 und mehr Hochzeitsgäste sind eher die Regel als die Ausnahme. Eine Menge an Küssen, das traditionelle ,,gorzko gorzko“ mit viel  Wodka, Tanz- und Spielvergnügen  sind bei einer polnischen Hochzeit mit Abstands-Regelungen und Masken nicht denkbar. Nach Angaben der Vize-Ministerin im Entwicklungs-Ministerin, Olga Semeniuk , fand die Ausbreitung des Corona-Virus in 28 Kreisen ihren Auslöser in Hochzeitsveranstaltungen.

Ein bisheriger regionaler Schwerpunkt bei der Ausbreitung des Corona-Virus war Schlesien. Ein Hot-Spot waren  dabei die Steinkohle-Bergwerke, wo die Bedingungen unter Tage zur wirkungsvollen Bekämpfung der Corona-Infektionen besonders schwierig sind. Die Regierung hatte deshalb im Juni zeitweise bis zu 12 Bergwerke geschlossen. Dies hat aber nur vorübergehend zur Beruhigung der Situation  beigetragen. Mit  über 17 500 Infektionen steht Schlesien weiter an der Spitze. Betroffen sind jetzt nicht nur die Bergleute, sondern auch ihre Familien.

Zum Ausbruch von einzelnen  Corona-Infektionsherden ist es jetzt aber auch in Wojewodschaften gekommen, die bisher  nicht im Brennpunkt standen. In einigen Krankenhäusern der Wojewodschaft Małopolskie (Region um Kraków) werden seit gestern bereits keine Patienten mehr angenommen.

9 rote Zonen

Die Regierung hat deshalb jetzt mit Wirkung vom 8.August 19 regionale Corona-Schutzzonen festgelegt. Davon sind 9 Kreise und Städte mit insgesamt 1,004 Mio. Einwohnern  als ,,rote Zonen“  ausgewiesen, in denen wieder ein strenges Sanitär-Regime eingerichtet wurde. Ab 8. August gilt dort wieder eine generelle Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Kinos, Fitness-Räume wurden geschlossen.  Kultur-Veranstaltungen, Messen und andere öffentliche Ausstellungen und Verkaufsveranstaltungen  sind verboten. Hochzeits-Veranstaltungen sind anzumelden und dürfen nur noch mit max. 50 Teilnehmer stattfinden.  Zu den roten Zonen gehören u.a. fünf in Schlesien, darunter die Großstädte Ruda Sląsk und Rybnik, ein Kreis im Süden der Wojewodschaft Wielkopolskie (Region um Poznań), und mit Nowy Sącz eine touristische Schwerpunkt-Region.

Die Situation werde täglich analysiert  und gegebenenfalls weitere Gebiete  in rote oder gelbe Schutzzonen eingegliedert, erklärte Gesundheitsminister  Łukasz Szumowski . der jetzt auch verstärkte Kontrollen in den Touristen-Hochburgen ankündigte.   Die aktuelle Situation gebe aktuell noch keinen Anlass zur Schließung der polnischen Landes-Grenzen. Ausgeschlossen sei dies jedoch nicht. Erwogen werde jedoch wieder die Einführung einer Quarantänepflicht für Einreisende nach Polen. Eine Entscheidung ist darüber  noch nicht gefallen.

Die Corona-Entwicklung in Polen hat in der benachbarten Ukraine bereits eine Reaktion ausgelöst. Ab sofort muss jeder Einreisende in die Ukraine, der aus Polen kommt, sich in eine 14tägige Quarantäne begeben.

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Im Osten nichts Neues – Duda gewinnt Wahlen und bleibt Präsident

Nach Auszählung von 99,97 Prozent aller abgegebenen Stimmen hat der amtierende Präsident Andrzej Duda die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Er erzielte 51,21 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer, der stellvertretende Parteichef der PO, Polens größter Oppositionspartei, und Oberbürgermeister von Warschau Rafał Trzaskowski kam auf 48,79 Prozent.

Bei den Parteispitzen der nationalkonservativen PiS hat der Sieg ihres Kandidaten Duda für riesengroße Erleichterung und Triumph-Gefühle gesorgt. Hätte Trzaskowski gewonnen, dann wäre das der Anfang vom Ende der monolithischen PiS-Herrschaft in Polen gewesen. Den größten Stein dürfte aber PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński vom Herzen gefallen sein. Einige polnischen Presseberichten zufolge soll Kaczyński selbst am Wahlabend angesichts des hauchdünnen Kopf-an-Kopf-Rennens noch am Sieg seines Kandidaten Andrzej Duda gezweifelt haben. Als sich Duda schon nach der ersten Prognose als Sieger feierte, hielt sich der Übervater der Nationalkonservativen wie schon beim ersten Wahlgang von der Öffentlichkeit fern. Da hatte er den Wahlabend mit intensiven Gebeten in der Kloster-Kirche Jasna Góra verbracht, wo sich das in Polen als nationales Symbol verehrte Heiligenbild der Schwarzen Madonna befindet.

Die Gebete von Jarosław Kaczyński dürften aber nicht den Ausschlag für den Wahlsieg von Andrzej Duda gegeben haben, der von Kaczyński bereits vor fünf Jahren als Kandidat der PiS-Partei für das Präsidenten-Amt installiert wurde und von der kritischen Öffentlichkeit als ,,Kaczyńskis Kugelschreiber“ bezeichnet wird. Duda selbst hatte noch zu Jahresanfang das umstrittene Gesetz unterzeichnet, dass den inzwischen von der PiS-Partei beherrschten öffentlich-rechtlichen Medien 2 Mrd. Złoty zuerkannte.

 

Öffentlich rechtliche Medien und Regierungschef Morawiecki als Wahlkämpfer für Duda

Diese Medien, vor allem der Staatssender TVP und seine Nachrichtenkanäle erwiesen sich auch jetzt im Wahlkampf wieder als vortreffliche PR-Abteilung für die Wiederwahl von Duda. Wie sehr es bei dieser Wahl nicht um eine Personen-Wahl für das Amt eines Staatspräsidenten ging, der als parteipolitisch unabhängige Instanz über die Einhaltung der Verfassung zu wachen hat, zeigte sich auch darin, wie die Regierungspartei alle die von ihr beherrschten Ämter für die Wiederwahl von Duda einsetzte. Vorneweg Regierungschef Mateusz Morawiecki, der nahezu täglich bei Wahlkampf-Veranstaltungen für die Wiederwahl Dudas warb und den Gegen-Kandidaten Trzaskowski verunglimpfte. In Anspielung auf das Jüngste Gericht warnte Morawiecki die Wähler, insbesondere die Rentner davor, dass Polen ein ,,Trzaskogedon“ für die Renten und Sozialleistungen drohe, wenn Trzaskowski die Wahlen gewinnt.

Dies hat offensichtliche seine Wirkung nicht verfehlt. So zeigen Wahlanalysen, dass Duda vor allem bei den älteren Wählern über 50 Jahren die meisten Stimmen geholt hat. Trzaskowski erzielte dagegen mit seiner weltoffenen, europafreundlichen und die Minderheiten tolerierenden Politik bei den Wählern unter 30 Jahren die meisten Stimmen. Auch in der Altersgruppe bis 49 Jahren lag er gegenüber Duda vorn.

Auch In der regionalen Verteilung der Stimmen zeigt sich wieder die altbekannte Teilung in Polska A und Polska B. Trzaskowski holte die meisten Stimmen in den westpolnischen Wojewodschaften und den Großstadt-Regionen von Warschau und Schlesien (Polska A). Duda war im Osten und Südosten erfolgreich.

Die Wahl-Analysen bestätigen in ihren Ergebnissen aber nur die Muster früherer Wahlen. Bei dem knapp im Ergebnis ausgefallenen Kopf-an-Kopf Rennen von Duda und Trzaskowski fällt allerdings auf, dass der amtierende Präsident Duda im Vergleich zu den Wahlen von 2015 diesmal rund 1,7 Mio. mehr Stimmen holen konnte. Und das bei höherer Wahlfrequenz!  Die Oppositionspartei PO, die Trzaskowski vertritt, ,hat dagegen im Vergleich zu 2015 an Stimmen verloren. Der Sieg von Duda bei den als ,,Richtungswahlen“ ausgegebenen Präsidentschaftswahlen hat damit bestätigt, dass die schon vor Jahren von Kaczyński ausgegebene Vision eines auf ultranationalistischen und weltanschaulichen Konservatismus mit sozialen Versprechen gestützten Staates für die Mehrheit der polnischen Bürger , wenn auch nur knapper Mehrheit, weiterhin attraktiv ist.

Polens größte Oppositionspartei PO, für die Trzaskowski antrat, hat dagegen abermals unter Beweis gestellt, dass sie ihre Fähigkeit verloren hat, andere Oppositionelle im Kampf gegen die PiS-Alleinherrschaft zu vereinen. Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel den damaligen Ministerpräsidenten und PO-Parteichef Donald Tusk gegen den Widerstand anderer EU-Regierungschefs im Amt des EU-Ratspräsidenten durchsetzte – und das wenige Wochen vor Beginn der Wahlen in Polen (Zitat polnischer Medien ,,Merkel hat der Opposition das Genick gebrochen) – erlebt die Partei einen Niedergang. Seit 2015 hat die Oppositionspartei kontinuierlich jede Wahl gegen die PiS-Partei verloren, jetzt die sechste in Folge. Die PO ist zwar in den vergangenen Jahren konsequent gegen den von der PiS-Partei vorgenommenen Abbau rechtsstaatlicher Normen vorgegangen. Für die Mehrheit der polnischen Bürger ist das aber zu wenig. Inhaltliche Alternativen zur PiS-Politik konnte sie den Wähler nicht nahebringen. Dies war auch im Wahlkampf von Trzaskowski zu spüren. Umfragen ergaben, dass jene, die einen Sieg von Duda und damit der PiS-Partei verhindern wollten,  Trzaskowski als das ,,geringere Übel“ ihre Stimme gaben.  Nur 30 Prozent der Wähler hielten Trzaskowski für einen idealen Kandidaten.  Bei Duda dominierte diese Meinung bei 70 Prozent seiner Wähler.

Politische Beobachter schließen deshalb nicht aus, dass es in den nächsten Monaten zu einem Zerfall der Oppositionspartei kommen könnte und sich die Opposition grundlegend neu formieren wird. Zeit dafür ist genügend vorhanden, denn die nächsten Wahlen finden in Polen erst in drei Jahren statt.
Dank des Sieges von Amtsinhaber Duda kann die PiS-Partei jetzt ungestört ihre Vormachtstellung ausbauen und ihren Kurs zum Umbau des Staates, der Aushöhlung der Gewaltenteilung und der Beschränkung der Bürgerrechte und der Pressefreiheit fortsetzen. Stoppen kann sie dabei nur die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung, wenn sie mit den Auswirkungen der von der PiS-Regierung forcierten Wirtschafts – und Sozialpolitik konfrontiert wird. Bereits vor der Corona-Krise haben sich erste Risse bei der Finanzierung der PiS-Wahlgeschenke – u.a. Herabsetzung des Rentenalters, PIS-Sozialprogramm 500 + , Zahlung einer 13. und einer versprochenen 14. Rente – gezeigt. Die strukturelle Staatsverschuldung ist weiter gestiegen. Um sie zu kaschieren, wurde die Finanzierung eines Teils der Sozialausgaben in Instanzen wie z.B. dem Solidaritätsfonds ausgelagert, die in der Bilanz des Staatshaushalts nicht auftauchen. Seit Jahren gehen auch die Investitionen der privaten Unternehmen zurück.
Die Probleme sind durch die Corona-Krise um ein Vielfaches verschärft worden. Die Banken – zwei der drei größten Banken werden vom Staat kontrolliert – mit den Aufkauf von staatlichen Schuldverschreibungen belastet, verlieren zunehmend ihre Funktion, die Entwicklung der Wirtschaft zu finanzieren. Und mit dem notwendigen Umbau des Kohle- und Energiesektors und seinen sozialen Folgen steht die PiS-Regierung vor einer noch viel größeren Herausforderung.

© Andreas Höfer / infopol.PRESS

Foto: PL-MVI-Agentur

Präsidentschaft: Stich-Wahl wird zur Richtungswahl

Erwartungsgemäß fällt die Entscheidung über den künftigen polnischen Staatspräsidenten im zweiten Wahlgang. Amtsinhaber Andrzej Duda hat zwar – nach Auszählung von 99,7 Prozent der Stimmen – die Wahl am Sonntag mit 43,67 Prozent deutlich gewonnen. Für seine Wiederwahl im ersten Wahlgang, was das erklärte Ziel der ihm stützenden nationalkonservativen Regierungspartei PiS war, reicht das aber nicht. Dafür wäre die absolute Mehrheit notwendig gewesen. Sein Herausforderer, der Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski und stellvertretender Parteivorsitzender der liberalkonservativen Bürgerkoalition KO, kam auf 30,34 Prozent der Stimmen.

Damit kommt es zur Stichwahl zwischen Duda und Trzaskowski am 12.Juli. Deren Ausgang entscheidet nicht nur über die Ausgestaltung des parteipolitischen Kräfteverhältnisses, sondern generell über die Situation in Polen in den nächsten Jahren. Bei einer Wiederwahl von Andrzej Duda wird die Allmacht der nationalkonservativen Partei PiS-Partei für die nächsten Jahre betoniert. Die nächsten Wahlen finden dann erst in drei Jahren statt. In dieser Zeit kann die Partei von Jarosław Kaczyński ihre ,,Politik des guten Wechsels“ fortführen und die eingeleiteten Veränderungen im Justiz-System, den Medien, dem Bildungswesen, in der Außenpolitik und den kommunalen Selbstverwaltungen vertiefen. Kaczyński selbst hat mit seiner Meinung nie hinter dem Berg gehalten, dass ein dauerhafte Veränderung Polens in seinem Sinne ohne ,,seinen Präsidenten“ (Duda) nicht möglich wäre.
Wenn dagegen Trzaskowski die Stichwahl gewinnt, dann sind die Tage der PiS-Regierungszeit gezählt. Anders als der Bundespräsident in Deutschland beinhaltet das Amt des polnischen Staatspräsidenten nicht nur repräsentative Funktionen. Der polnische Staatspräsident hat ein Veto-Recht. Damit kann er jedes Gesetz blockieren und damit die Regierungsarbeit paralysieren. Wie dies funktioniert, hat Aleksander Kwaśniewski in der Vergangenheit demonstriert. In seiner Amtszeit (1995 bis 2005) hat er zahlreiche Gesetze der damaligen AWS-Regierung (mit dem Justizminister Kaczynski), aber auch der Regierung des ihm politisch nahestehenden SLD-Linksbündnisses blockiert.
Wenn Trzaskowski dem Beispiel Kwasniewskis folgt und darüber dürfte kein Zweifel bestehen, dann könnte die Regierungskoalition,,Vereinigten Rechte“ (nationakonservative PiS mit der Partei Solidarna Polska und Partei Porozumienie als Juniorpartner) keines ihrer umstrittenen Gesetze mehr durchbringen. Früher oder später wären dann Neuwahlen die Folge.
Die Stichwahl am 12.Juli verspricht ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Duda und Trzaskowski. Mit seinen über 45 Prozent der Wählerstimmen liegt zwar der amtierende Staatspräsident deutlich vorn. Doch sein Spielraum, im Wähler-Lager der anderen neun, jetzt aus dem Rennen geworfenen Präsidentschafts-Kandidaten zu fischen, sind beschränkt. Am ehesten kommen da die Wähler des Kandidaten der Konföderation in Frage. Die Konförderation ist ein Bündnis von Splitter-Gruppierungen, das rechts von der nationalkonservativen Partei PiS steht und nach den Maximen von deren Partei-Chef Kaczyński keine Existenz-Berechtigung hat (,,Für eine Partei rechts von der PiS gibt es keinen Platz“). Der Kandidat der Konföderation, Krzysztof Bosak kam auf 6,75 Prozent der Wählerstimmen.

Bosak hat zwar bereits schon die Aussage getroffen, bei der Stichwahl seinen Wählern keine Empfehlung für die Wahl von Duda oder Trzaskowski auszusprechen, allerdings gehen Beobachter davon aus, dass zumindest ein Drittel der Konföderations-Wähler Duda ihre Stimme geben werden. Ob das ausreicht und es Duda gelingt, noch Stimmen aus anderen Lagern für sich zu gewinnen, bleibt abzuwarten.

Trzaskowski steht im Vergleich zu Duda vor einer noch schwierigeren Aufgabe. Er muß praktisch 20 Prozent der Stimmen zugewinnen. Aus dem Lager der Linken, deren Kandidat Robert Biedron nur auf 2,21 Prozent kam, scheint ihm deren Stimmen sicher. Auch auf die Stimmen von Szymon Hołownia kann er zählen. Hołownia, der nicht dem politischen Establisment angehört, gilt als der heimliche Sieger dieses ersten Wahlgangs. Der parteiunabhängige Kandidat, Journalist und bekannter Buch-Autor, war mit dem politischen Anspruch angetreten, eine ,,neue und bessere“ Bürgerpartei zu schaffen als die, die Trzaskowski vertritt. Nur wenige Monate in der Politik kam er auf Anhieb auf knapp 14 Prozent der Wählerstimmen. Viele Polen hätten ihn lieber anstelle von Trzaskowski im zweiten Wahlgang gesehen. Holownia hat jetzt unmittelbar nach dem ersten Wahlgang die Empfehlung an seine Wähler ausgegeben, mit ihrer Stimmvergabe an Trzaskowski ,,das kleinere Übel zu wählen“.

Die liberalkonservative Partei, der einst Ministerpräsident und später EU-Ratsvorsitzender Donald Tusk vorstand, hatte sich zwar konsequent seit der Macht-Übernahme durch die PiS konsequent für die Verteidigung rechtsstaatlicher Normen in Polen eingesetzt. Nur mit sich selbst beschäftigt und mit ihrer Klientel-Politik ist sie jedoch in der Vergangenheit den Erwartungen der Polen als Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft nicht gerecht geworden.