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Politische Demontage des Denkmals Papst Johannes Paul II.

Foto. Kanzlei des Staatspräsidenten Twitter

In gut sechs Monaten sind in Polen Wahlen. Nach einer als ,,beschämenden“ interpretierten ,,medialen Hetzjagd“ hat Kaczyńskis PiS-Partei die Verteidigung des polnischen National-Heiligtums, des Andenkens an seine Heiligkeit des früheren Papstes Johannes Paul II zu dem bestimmenden Wahlkampfthema gemacht. Der Bericht des privaten Fernsehsenders TVN, wonach der Papst in seiner Zeit als Erzbischof von Kraków vom sexuellen Kindes-Missbrauch in seiner Kirche gewusst und vertuscht habe, wertete die PiS-Regierungsmaschinerie als einen Angriff auf Polen. Dessen Auswirkungen seien identisch ,,mit den Zielen eines hybriden Krieges“ und des brutalen Krieges in der Ukraine . Jenseit von jeglicher Rationalität politischen Denkens und Handels wurde deshalb der US-Botschafter ins Außenministerium einbestellt, um sich zu dem Bericht des Fernsehsenders zu erklären. Dessen Eigentümer ist der US-Konzern Warner Bros.

Der Fernsehsender TVN hatte in seiner Recherche-Dokumentation berichtet, dass Karol Wojtyła vor seiner Weihe zum Papst Johannes Paul II in seiner Zeit als Kardinal und Bischof von Kraków von Fällen des sexuellen Kindes-Missbrauchs wusste, die von Priestern in seiner Diözese begangen wurden. Konkret werden in der Reportage namentlich drei Priester genannt, die der Papst durch Versetzungen im kirchlichen Amt beließ, obwohl er von deren pädophilen Neigungen und Handlungen wusste. So wurden sogar zwei der Geistlichen von der damaligen Justiz zu kurzen symbolischen Haftstrafen wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Neben Quellen-Bezügen zu Polizei-, Justiz- und Geheimdienst-Dokumenten aus kommunistischen Zeiten fußt der Enthüllungsbericht von TVN auch auf Aussagen von Zeugen, die Wojtyła in den Siebzigerjahren über den Missbrauch informiert haben wollen. Der spätere Papst haben jedoch keinen Priester seines Amtes enthoben.

Vertuschung von sexuellen Missbrauchs-Fallen

In dem TVN-Bericht wird auch der bekannte Fall des Priesters Bolesław Saduś dokumentiert. Laut Informationen eines Priesters aus der Diozöse an die polnische Stasi soll Saduś mehrfach von empörten Müttern ihrer von ihm sexuell missbrauchten Kinder in der Öffentlichkeit angegangen worden sein. Dies haben ihn laut verflucht. Um einen weiteren öffentlichen Skandal zu vermeiden, habe der spätere Papst Saduś aus dem Schussfeld genommen. TVN zitiert dazu aus einem Empfehlungsschreiben, in dem Saduś dem früheren Erzbischof von Wien, Franz König, bat, dem Priester aus seiner Gemeinde aufzunehmen. Dem Erzbischof von Wien soll er dabei verschwiegen haben, dass Saduś bereits in Polen minderjährige Kinder missbraucht hatte. So konnte der mutmaßliche Kinderschänder unbeschadet im österreichischen Weinviertel seinen Dienst aufnehmen.

,,Hybrider Angriff – Einbestellung des US-Botschafters

Nahezu zeitgleich mit der ausgestrahlten Investigativ-Recherche des Fernsehsenders TVN ist jetzt auch ein Buch des niederländischen Publizisten Ekke Overbeek in polnischer Sprache unter dem Titel ,,Maxima culpa“ erschienen. Darin werden auch die von TVN thematisierten Missbrauchs-Fälle mit detaillierten Beschreibungen bestätigt, wie Kinder zu sexuellen Handlungen unter der Kirchen-Soutane gezwungen wurden. Noch pointierter als bei TVN gibt Overbeck dem späteren Papst eine Mitschuld an dem sexuellen Kinder-Missbrauch.
Die jetzt erhobenen Vorwürfe sind nicht neu. Daher überrascht der plötzlich aufgebrachte Sturm der Entrüstung im Regierungslager, der den Verdacht einer politischen Inszenierung erweckt. So setzte Regierungschef Mateusz Morawiecki (PiS) bei Twitter einen mit klassischer Musik unterlegten Film mit Aufnahmen vom Papst ab. Morawiecki selbst im Bild neben einer polnischen Flagge legt das Narrativ vor, das der russischen Angriffs-Krieg in der Ukraine auf der gleichen Vergleichsebene liegt wie in ,,hybrider Angriff“ auf den Papst.

Ein Tag später wurde der US-Botschafter ins polnische Außenministerium mit der Erklärung einbestellt, dass „die potenziellen Auswirkungen dieser Aktionen identisch mit den Zielen eines hybriden Krieges sind, der darauf abzielt, zu Spaltungen und Spannungen in der polnischen Gesellschaft zu führen“.

Mit den Aktionen ist die Veröffentlichung des Fernsehsenders TVN über den Papst gemeint. Eigentümer des Sender ist der US-Medienkonzern Warner Bros. Bis zu Ende gedacht führt die Erklärung in letzter Konsequenz zu dem jegliche politische Rationalität vermissenden Vorwurf, die USA würden einen hybriden Krieg gegen Polen führen. Vor dem Hintergrund des Besuchs von US-Präsident Joe Biden vor einigen Tagen in Warschau und dass die USA Polens strategischer Partner sind, ist dies politisch völlig absurd. Und auch zynisch. Die polnische Gesellschaft ist durch die Politik von PiS-Parteichef Kaczyński mit seiner Klassifizierung von ,,guten und schlechten Polen“ schon seit Jahren gespalten.

Politisch inszenierter Protest-Sturm

Der inszenierte Proteststurm fand seine Fortsetzung mit einer von der PiS-Partei eingebrachten Resolution gegen die „beschämende mediale Hetzjagd“ zur Verteidigung des guten Rufs des Papstes. Von einem Angriff auf Polen war da die Rede. In dem einem Kreuzzug gleichenden Spektakel zogen Kaczyński und die meisten Abgeordneten der nationale-konservativen PiS-Partei einheitlich mit dem gleichen Foto des Papstes in der Hand in das Parlament ein. In der Parlaments-Resolution werden die TVN-Publikation und das Buch von Ekke Overbeek als Versuch gewertet, ,, Johannes Paul II. mit Material zu kompromittieren, das nicht einmal die Kommunisten zu verwenden wagten“. Deren Recherchen aus anderen Quellen ausblendend, verurteilen die eifernden Papstverteidiger im Regierungslager wie auch der vielfach offen seine Unterstützung für die PiS-Politik ausdrückende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki die Veröffentlichungen als unglaubwürdig, weil sie sich auf Dokumente aus der kommunistischen Zeit stützen.

Zumindest in diesem Punkt ist die Kritik berechtigt. Gerade in den 80er Jahren ist der polnische Stasi-Dienst SB massiv gegen die Kirche und ihre Würdenträger vorgegangen. Ein eindeutiger Beleg dafür ist die Ermordung des Priesters Jerzy Popiełuszko durch drei Beamte der polnischen Stasi im Oktober 1984 und die Ertränkung seines Leichnams.

Juliusz Paetz – ,,Die Antwort war ein langes Schweigen“

Dagegen setzt sich die Vertuschungs-Praxis von Karol Wojtyła als Johannes Paul II. weit über diesen Zeitraum hinaus fort. So ernannte er 1996 Juliusz Paetz zum Erzbischof von Poznań. Auf die Vorwürfe, dass der Kleriker sich massiv an den ihm Untergebenen und insbesondere an den Jungs im Priester-Seminar sexuell vergriffen habe, reagierte Johannes Paul II. nicht. Anna Karoń-Ostrowska, eine langjährige Vertraute des Papstes berichtete später in einem Presse-Interview, dass sie den Pontifex gefragt habe, weshalb er nicht auf die Angelegenheit des Erzbischofs Paetz in Poznań reagiert. ,,Die Antwort war ein langes Schweigen. Um so länger er schwieg, um so mehr drängten mich die Fragen: Weshalb reagiert er nicht? Weshalb trifft er bei den sich anhäufenden Beweisen der Opfer von Paetz keine Entscheidungen? Aus seinem langen Schweigen habe ich gelernt, dass ist die Welt, in der du kein Recht hast, einzutreten.“

Übrigens war zu der Zeit von Paetz als Erzbischof der heutige Vorsitzende der polnischen Bischofs-Konferenz und offene Fürsprecher der PiS-Politik, Jędraszewski, sein damaliger Weihbischof in Poznań!

Ein weiteres prominentes Beispiel für die sexuellen Übergriffe von Geistlichen in der katholischen Kirche Polens ist der Fall des legendären Prälaten der Solidarność Henryk Jankowski. Vorwürfe, dass er Kinder in seinem Gemeindehaus sexuell missbraucht habe, wurden von den Kirchenoberen gedeckelt. Das ihm zu Ehren aufgestellte Denkmal nach seinem Tod wurde in Danzig (Gdańsk) wieder abgebaut, nachdem sich die Vorwürfe durch Zeugen-Aussagen erhärteten. Der Abbau erfolgte im Übrigen nicht auf Initiative der Kirche, sondern auf Grundlage eines Mehrheits-Beschlusses im städtischen Parlament gegen die Stimmen der PiS-Abgeordneten.

Tatsache ist, dass sich die katholische Kirche in Polen im Unterschied zu anderen Kirchen, z.B. in den USA, Irland oder zuletzt auch in Deutschland, einer gründlichen öffentlichen Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchs-Fälle verweigert und sich nicht auf die Seite der Opfer stellt. Nach wie vor herrscht das Doktrin Verschweigen und Vertuschen sowie die Anmaßung, für sich besondere Rechte in Anspruch zu nehmen.

Instrumentalisierung des Papstes für den PiS-Wahlkampf

Die jetzt gegen den Papst erhobenen Vorwürfe sind im Grunde genommen nicht neu. Bereits in der Vergangenheit erschienen Artikel mit ähnlichen Inhalt in der Presse, ohne dass sie von der regierenden PiS-Partei besonders zur Kenntnis genommen oder bewertet wurden. Das jetzt politische Spektakel lässt ein gezielt kalkuliertes Planspiel von Kaczyńskis Regierungspartei erkennen, Papst Johannes Paul II. für den Wahlkampf der PiS-Partei zu vereinnahmen.

In allen Wahl-Prognosen für die im Herbst anstehenden Parlamentswahlen liegt die PiS-Partei zwar vorne. Ihre Stimmen-Mehrheit reicht jedoch nicht aus, um im Herbst eine Regierung zu bilden. Mit der zum Kulturkampf erhobenen Verteidigung des Papstes sieht die Kaczyński-Partei ein probates Mittel, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren und die potenzielle Wählerschaft der Opposition zu spalten. Denn noch immer genießt der polnische Papst bei der Mehrheit der polnisches Bevölkerung für seine historischen Verdienste als Nationalheiliger ein hohes Ansehen. Wer also für seine Verteidigung eintritt, wählt die PiS-Partei. Wer deren Politik kritisiert, greift den Papst an, so die Kalkulation in der PiS-Parteizentrale.
Politische Beobachter sehen die Vereinnahmung des Papstes in die Wahlkampfstrategie der PiS-Partei ein durchaus wirkungsvolles Mittel. Die jetzt inszenierte moralische Entrüstung um den Papst macht jedoch jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und eine Aufarbeitung unmöglich. Langfristig wird die schmerzende Diskussion wieder auf die Tagesordnung treten. Durch die parteipolitische Instrumentalisierung wird der Papst und das Gedenken an seine historischen Leistungen dann das gleiche Schicksal erleiden wie die ihn vereinnahmende Partei. Die auf diese Weise politische Beschädigung des Papst-Denkmals wird den Flurschaden der seit Jahren schleichenden Abwendung von der Katholischen Kirche, insbesondere bei den jüngeren Generationen, nur noch beschleunigen.

© André Jański / infopol.PRESS

Polen sperrt weiter die Grenze zu Belarus ab

Foto: KAS

Nach der Schließung des Grenzübergangs Bobrowniki zu Belarus hat Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki eine weitere Blockierung des Grenzverkehrs zum Nachbarland nicht mehr ausgeschlossen. Für den Lkw- und Pkw-Personenverkehr zwischen Polen und Belarus ist jetzt jeweils nur noch ein Grenzübergang geöffnet.

Freitag, 10. Februar. Es war 11.59 Uhr, als am Grenzübergang Bobrowniki die letzte Person abgefertigt wurde. Wer danach kam, wurde vom polnischen Grenzschutz abgewiesen. Den Tag zuvor hatte Polens Innenminister Mariusz Kamiński auf Twitter bekanntgegeben, dass der Grenzübergang Bobrowniki aus Gründen der nationalen Sicherheit bis auf Weiteres geschlossen wird. Nähere Angaben zu den Gründen machte er nicht.
Die Schließung erfolgte unmittelbar nach der Verkündung des Urteils gegen den Systemkritiker Andrzej Poczobut in Belarus zu acht Jahren Gefängnis. Poczobut ist ein in Belarus bekannter Journalist mit polnischen Wurzeln. Als Vorstands-Mitglied des Verbandes der Polen in Belarus (ZPB) hatte er sich immer für die vollständige Unabhängigkeit der Organisation der polnischen Minderheit von dem Regime in Minsk eingesetzt. Er gehört zu den Gegnern von Machthaber Lukaschenko , dessen Regime er in seinen Artikeln mehrfach kritisierte.

Polnische Minderheit in Belarus

In dem politischen Prozess wurde Poczobut Hass-Hetze und eine Tätigkeit zur Kultivierung des Polentums in Belarus vorgeworfen. In den Fußspuren von Putins Rechtfertigungs-Muster in der Ukraine wertet das Lukaschenko-Regime die von Poczobut veröffentlichten Artikel zur Geschichte des Landes als ,,Rehabilitierung des Faschismus“.
Die polnische Minderheit in Belarus beträgt laut Schätzungen rund 300 000 Menschen. Sie leben vorrangig in dem westlichen Teil des Landes, der wie der Westen der Ukraine und Litauens in der polnischen Geschichtsschreibung als ehemalige Ostgebiete Polens mit dem Begriff ,,Kresy“ bezeichnet wird.
,,Unser Landsmann ist politischer Gefangener im Herzen Europas im 21.Jahrhundert“, kommentierte in Warschau der Regierungsbeauftragte für die Polonia (Auslandspolen), Jan Dziedziczak, in einer offiziellen Regierungserklärung das Urteil. Gleichzeitig rief er zu Protestaktionen vor den Botschaften von Belarus auf.

Sicherheits-Maßnahme für Besuch des US-Präsidenten am 20. Februar

Ungeachtet der politischen Erklärungen scheint die mit der nationalen Sicherheit begründete Grenzschließung jedoch einen anderen Grund zu haben. Wahrscheinlich gehört sie bereits zu dem Maßnahmen-Bündel zur sicherheitspolitischen Absicherung eines Ereignisses von weltpolitischer Bedeutung. Sowohl das Weiße Haus wie auch die polnische Staatskanzlei haben jetzt offiziell bestätigt, dass US-Präsident Joe Biden vom 20. bis zum 22. Februar nach Polen kommen wird. Genau ein Jahr nach Beginn der russischen Aggression in der Ukraine soll Biden auch zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij zusammentreffen, wird in der polnischen Öffentlichkeit spekuliert. Nahezu zeitgleich hat der Kreml für den 21. Februar eine Rede von Putin an die Nation angekündigt. Zeitgleich Biden in Warschau und Putin in Moskau mit Botschaften an die Welt zum Ukraine-Krieg – das bedeutet Hochspannung. Warschau hat alle Hände voll zu tun, dass es nicht zu Störungen und zu einer Entladung kommt.
An der 418 Kilometer langen Grenze zu Belarus ist der Lkw-Verkehr zwischen beiden Länder jetzt nur noch über den Grenzübergang Koroszczyn oder über Litauen möglich. Für den Pkw-Verkehr bleibt nur noch der Grenzübergang Terespol (bei Brest) offen. Die anderen Straßen-Übergänge wurden bereits schon Monate vorher geschlossen. Nach den vom Lukaschenko-Regime organisierten Ansturm von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten hat Polen auch im vergangenen Jahr ein 5,50 Meter hohes stählernes Bollwerk an der Ostgrenze errichtet. Er riegelt das polnische Territorium auf einer Länge von über 200 Kilometern vom Nachbarland ab.

 

Belastung für Anwerbung von Fachkräften aus Belarus

Schwerwiegende Auswirkungen auf den Wirtschaftsverkehr sind durch die Schließung des Grenzübergangs Bobrowniki aus polnischer Sicht nicht zu erwarten. Ohnehin hat sich der Lkw-Verkehr zwischen beiden Ländern durch die nach Beginn der russischen Aggression in der Ukraine eingeleiteten Sanktionen gegen Belarus bereits im vergangenen Jahr halbiert. In die EU dürfen keine in Belarus und Russland registrierte Lkw mehr einreisen. Von den rund 1000 polnischen Transportfirmen, die auf diese Verbindung spezialisiert waren, sind nach Angaben des Branchen-Verbandes ZTiLP gegenwärtig nur noch rund 200 tätig. Dessen Vorsitzender Maciej Wroński weist jedoch auf ein anderes Problem hin. Jeder zehnte Lkw-Fahrer in Polen ist ein Bürger aus Belarus. Insgesamt arbeiten rund 28 000 Belarussen in polnischen Transportfirmen, sagte Wronski dem Radiosender RMF FM. Durch die Grenzschließung in Bobrowniki haben die Fahrer jetzt viel größere Probleme, ihre Familien in der Heimat zu besuchen und nach Polen zurückzukehren. Auch werde es viel schwieriger mit der Anwerbung von Fahrern und anderen Fachkräften aus Belarus.
Bürger aus Belarus haben im vergangenen Jahr nach den Ukrainern auch die meisten Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH/ Sp.z o.o.) gegründet, insgesamt 1700. In der Gründungsstatistik nahmen sie damit noch vor den Deutschen den zweiten Platz ein.

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Wird Diesel an den Tankstellen ab 5.Februar teuer und knapp?

Am 5. Februar treten neue Sanktionen der EU und der G7-Staaten gegen Russland in Kraft. Diesmal geht es um Raffinerie-Produkte. Neben Heizöl und Schmierstoffen handelt es dabei insbesondere um Diesel. Europa hatte sich bisher täglich mit über 600 000 Barrel russischen Diesel versorgt. Damit ist nun Schluss. Steigen jetzt die Preise oder wird Diesel an den Tankstellen knapp?`

Unisono heißt es aus der Politik, von den Mineralölverbänden und Treibstoffversorgern in Deutschland wie in Polen, dass die Versorgungs-Sicherheit mit Kraftstoffen gewährleistet sei. Versorgungs-Engpässe bei Diesel seien in den nächsten Wochen nicht zu erwarten, erklärten auch die polnische Kammer-Organisation für Flüssig-Kraftstoffe PIPP und der Branchen-Verband POPiHN. Die Treibstoff-Lager und Vorrats-Tanks der Mineralölversorger seien bis zum Rande mit Diesel gefüllt. Die beiden polnischen Erdöl-Raffinerien in Płock und Danzig (Gdańsk) decken bereits 70 Prozent des Diesel-Bedarfs in Polen. Der Rest werde auf dem Seeweg importiert.

Sicherheits-Reserve für zwei bis drei Monate

Dies bestätigte auch ein Sprecher von PKN Orlen. Der staatliche kontrollierte Konzern mit seinen knapp 2000 Tankstellen in Polen und u.a. 600 Tankstellen in Deutschland ist der unumstrittene Platzhirsch bei der Treibstoff- und Gasversorgung in Polen. Wie in der gesamten EU sei man auch in Polen auf das Embargo auf russischen Diesel gut vorbereitet. Das schon im Juni vergangenen Jahres angekündigte Embargo ermöglichte allen Treibstoff-Versorgern, Vorräte anzuschaffen, die für zwei bis drei Monate eine gewisse Sicherheits-Reserve garantieren.
Schon zum 5.Dezember durfte laut EU-Beschluss kein russisches Rohöl mehr auf dem Seeweg eingeführt werden. Nach einer Veto-Drohung durch Ungarn, der sich Tschechien und die Slowakei anschlossen, wurde der südliche Teil der Erdölleitung Druschba (Freundschaft) von dem vollständigen Rohöl-Embargo ausgenommen. Deutschland und Polen, die an dem nördlichen Teil dieser Erdölleitung angeschlossen sind, erklärten auf dem EU-Gipfel, dass sie zum Jahreswechsel 2022/2023 kein Erdöl aus Russland über diese Pipeline mehr beziehen werden. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums unter grüner Führung von Robert Habeck bezieht Deutschland seit Jahresbeginn kein russisches Erdöl mehr über diese Pipeline, an der die beiden ostdeutschen Raffinerien angeschlossen sind. Insbesondere die Produktionskapazität der PCK-Raffinerie in Schwedt ist seitdem nur noch teilweise ausgelastet, was sich auch bei den Tankstellenpreisen in Ostdeutschland bemerkbar macht.

Polen: Noch im Januar Bezug russischen Erdöls über Druschba-Pipeline

Fotos: PL-Agentur

Im Unterschied zu Deutschland, hat sich Polen nicht an seine abgegebene Erklärung zum Bezugs-Stopp von russischen Erdöl über die Druschba-Pipeline gehalten. Im Gegenteil. Wie die polnische Wyborcza biz. unter Bezug auf Informationen der russischen ,,Wedomosti“ auf Daten-Basis des russischen Energie-Ministeriums berichtet, hat sich der polnische Konzern PKN Orlen im Januar noch einmal richtig mit russischen Rohöl über die Druschba-Pipeline eingedeckt. Laut dem Bericht war Polen, also der vom Staat kontrollierte Konzern PKN Orlen, im Januar der größte Abnehmer von russischen Erdöl in der gesamten Europäischen Union. In dem Bericht werden auch Angaben aus dem russischen Energie-Ministerium bestätigt, dass im Januar keine einzige Tonne russisches Erdöl über die Pipeline an Deutschland geliefert wurde. Im Unterschied dazu hat der Orlen-Konzern noch im Januar vom russischen Konzern Rosnieft 300 000 t Erdöl über die Pipeline, an der seine Raffinerie in Płock direkt angeschlossen ist, erhalten. «Praktisch stammte damit ein Drittel des in der Orlen-Raffinerie im Januar verarbeiten Erdöls aus Russland», schreibt dazu die Wyborza. Biz. Vom polnischen Klima- und Umweltministerium wird dies nur mit der lakonischen Bemerkung abgetan, ,,die Erklärung der polnischen Regierung zum Import-Stopp von russischen Erdöl ab Beginn 2023 war nicht verbindlich“. Das hätte mal Herr Habeck sagen sollen!

Jetzt auch Preisdeckel für Raffinerie-Produkte

Zusammen mit dem Import-Stopp will die EU auch einen Preisdeckel für russische Erdölraffinerie-Produkte ab dem 5.Februar durchsetzen. Der wurde auf 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) festgelegt. Für weniger hochwertig verarbeitete Erdölprodukte, wie z.B. Heizöl, wurde er auf 45 Dollar festgelegt. Westlichen Versicherungen, Händlern und See-Transportunternehmen ist es damit untersagt, Drittländern ihre Leistungen anzubieten, wenn deren Preise im Handel mit russischen Raffinerie-Produkten wie dem Diesel (Benzin spielt im russischen Export keine Rolle) über dem Preisdeckel liegen
Mit diesem Preisdeckel ist die politische Zielstellung verbunden, Russland zu zwingen, seinen Diesel und andere Erdölprodukte unter dem Marktpreis an Abnehmer in Drittstaaten zu verkaufen und damit die Einnahmen zur Finanzierung des russischen Kriegs in der Ukraine auszutrocknen.

Schwarzmarkt in Industrie-Dimension

Ein solches Instrumentarium hatte die EU bereits am 5.Dezember für russisches Rohöl eingeführt. Dies hatte zwar mit zu einer globalen Preis-Stabilität beigetragen. Ob es aber zu einer signifikanten Kürzung der russischen Einnahmen bewirkt hat, liegt nur im Bereich von Schätzungen. Russland selbst behauptet dagegen nach Angaben seines stellvertretenden Regierungschef Alexander Nowak, dass die Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen sind. Russland habe andere Absatzwege gefunden. Vom Nachrichtenmagazin ,,The Observer“ wird dies mit dem Aufbau eines Schwarzmarktes in industriellen Dimensionen beschrieben. Laut den Recherchen des Observers habe sich plötzlich im zurückliegenden Jahr der Handel mit gebrauchten Tankschiffen erhöht. Nahezu 200 Tankschiffe wechselten den Besitzer. In vielen Fällen handelt es sich dabei um marode alte Tanker, die über ein halbes Jahrhundert alt sind. Sie fahren mit ausgeschalteten Transpondern und oftmals wird während einer Fahrt mehrmals die Schiffs-Namen und Farben übermalt. Über bewegliche Terminals oder Pumpschiffe wird das Rohöl mit Rohstoffen anderer Herkunft vermischt wird, um zu verbergen, dass es sich um einen Export aus Russland handelt, berichtet ,,The Observer“. Auf diese Weise sind plötzlich Sri Lanka oder Malaysia zu Ländern geworden, die mit Öl handeln.

Russische Erdölprodukte auf indirekten Weg in die EU Russland verfügt derzeit über eine Flotte von 360 Tankschiffen, die entschieden eine Umgehung der Sanktionen erleichtern und die Belieferung von Ländern erlauben, die nicht die Sanktionen gegen Russland mittragen. Und das ist immerhin die Mehrheit der Staaten dieser Welt. Dazu gehört auch Indien. Nach Angaben des Energy Cargo Tracker Vortexa hat Indien im Januar täglich 1,27 Millionen Barrel russisches Rohöls erhalten , 6 Prozent mehr als im Dezember.
Der russische Ölhandel hat sich weitaus reibungsloser entwickelt, als es vor der Einführung der Preis-Obergrenze in Brüssel erwartet wurde, schätzt Serena Huang, Analystin bei Vortexa, ein. Vieles deutet darauf hin, dass eine großer Teil des russischen Öls, das Indien und künftig verstärkt auch China kaufen, verarbeitet und weiterverkauft wird. Auch nach Europa.

Bestimmung der Herkunft von Diesel schwierig

Zu erwarten ist, dass bei Diesel das gleiche Prozedere zur Anwendung kommt. Und Brüssel hat kein effizientes Instrumentarium, um die Strategien zur Umgehung des Embargos zu unterbinden. Diesel ist ein Endprodukt. Nach Einschätzung von Fachleuten ist durch die bei der Verarbeitung von Erdöl zu Kraftstoffen wie Diesel eingesetzten Blending-Systeme und Zusätze die Feststellung der Herkunft noch viel komplizierter als bei Rohöl.
Mit den jetzt eingeführten Sanktionen wird russischer Diesel nicht mehr direkt in die EU gelangen, sondern voraussichtlich indirekt, z.B. als ,,indischer Diesel“ oder ,,türkischer Diesel“.
Die allgemeinen Deklarationen, dass es mit dem eingeführten Embargo auf russischen Erdöl-Produkte keine Engpässe bei Dieselkraftstoff an den Tankstellen gibt und die Preise stabil bleiben, haben nur eine kurze Halbwerts-Zeit. Doch was ist, wenn in zwei bis drei Monaten die Vorräte aufgebraucht sind. Russland ist einer der größten Exporteure von Diesel. Selbst die USA haben vor Beginn der russischen Aggression in der Ukraine preiswerteren Diesel aus Russland importiert.

Höhere Frachtkosten – höhere Dieselpreise

Die Lücke, die in Europa aufgeht, ist gewaltig. Die EU muss eine Menge von täglich 600 000 Barrel, also knapp 100 Mio. Liter Diesel aus Russland, ersetzen. Ersatz soll dann aus den USA und den arabischen Raum kommen. Auch aus Afrika (Nigeria), China und Indien. Die Herausforderung wird sein, die gesamten Lieferprozesse und Logistik umzustellen. Das kostet Zeit und Geld. So braucht ein Tank-Schiff vom russischen Ostsee-Hafen Primorsk bis Gdynia/Danzig zwei Tage, weitere 2 Tage bis zu den ARA-Häfen (Antwerpen-Rotterdam-Amsterdam). Aus dem Indischen Ozean über den Suez-Kanal oder von den Küsten Afrikas sind es dagegen 40 Tage. Allein schon die höheren Frachtkosten werden in den nächsten Monaten Einfluss auf die Preisentwicklung von Diesel an den Tankstellen haben.

© André Jański / infopol.PRESS

Ukrainische Flüchtlinge in Polen müssen jetzt selbst Kosten tragen

Foto: PL-Agentur

Ukrainische Flüchtlinge in Polen, die keiner Arbeit nachgehen, müssen künftig selbst einen Teil der Unterhaltskosten tragen. Die polnische Regierung will mit dieser neuen Regelung den Druck auf die Migration in den Arbeitsmarkt erhöhen und Sozial-Mißbrauch verhindern.

Nach offiziellen Angaben des polnischen Sozial-und Familienministeriums gehen über 766 000 Ukrainer in Polen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit in Polen nach (Stand Dezember 2022). Das sind nahezu 10mal so viel wie nach Registrierung des großen Flüchtlingsstroms im April vergangenen Jahres. Nimmt man den neusten Bericht Eurostat zur Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen in den einzelnen EU-Ländern zur Grundlage, der die Zahl für Polen mit 939 865 angibt, dann gehen rund 80 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge in Polen einer Arbeit nach. Verglichen mit Deutschland ist dies eine außerordentlich hohe Zahl. Deutschland hat nach Polen die meisten Kriegsflüchtlinge in der EU aufgenommen. Laut Eurostat 901 930 – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gibt in seiner Statistik die Zahl mit etwa 1.044.000 Menschen deutlich höher an. Doch egal welche Zahl man als Vergleichs-Grundlage nimmt, sind es nicht einmal 10 Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die in Deutschland eine Arbeit gefunden haben. ,,Die Integrationsbereitschaft ist hoch“ , lobte Anfang Dezember die ehemalige Bundesarbeitsministerium und heutige Chefin der Bundesarbeits-Agentur Andrea Nahles bei der Präsentation der Zahl der Geflüchteten, die in Deutschland einer Arbeit nachgehen. Doch verglichen mit Polen nimmt sich die Zahl mit 59 000 Ukrainern, die in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, sehr bescheiden an.
Natürlich sind bei der Bewertung die fehlenden oder mangelhaften Sprachkenntnisse der ukrainischen Kriegsflüchtlinge in Deutschland in Rechnung zu stellen. Ukrainer haben es mit der polnischen Sprache viel leichter. Auch die kulturelle Nähe spielt eine Rolle. Jedoch sind nicht  nur die Verwaltungen, auch die Unternehmen bei der Einstellung von ukrainischen Flüchtlingen in Polen viel flexibler. Befürchtungen, die Personalverantwortliche in deutschen Unternehmen plagen, dass Flüchtlinge aus der Ukraine bald in ihr Heimatland zurückkehren wollen, teilen sie nicht. Ohnehin hat man in Polen mit ukrainischen Arbeitskräften langjährige Erfahrungen. Bereits vor Ausbruch des Ukraine-Krieges haben über eine Million Ukrainer in Polen gearbeitet, insbesondere auf dem Bau, in der Transportbranche und der Landwirtschaft. Als Arbeits-Migranten verschaffte ihnen das ein viel höheres Einkommen als in der Ukraine.

Ukrainer gründen über 13 000 Firmen in Polen

Dass ukrainische Kriegsflüchtlinge den Schutz-Aufenthalt in Polen nicht nur als Übergangslösung betrachten, belegen auch die Zahlen der Firmengründungen. Nach Angaben des Polnischen Wirtschaftsinstituts PIE haben sich in den ersten drei Quartalen des zurückliegenden Jahres 10 207 ukrainische Bürger mit einer Firmengründung selbständig gemacht. Dazu kommen 3600 Unternehmens-Gründungen mit ukrainischen Kapital Laut PIE entfielen damit fast die Hälfte aller Unternehmensgründungen mit ausländischen Kapital in Polen auf ukrainische Bürger. Weit über ein Drittel aller ukrainischen Firmengründungen entfiel auf 2 Branchen – auf den Bau und im weitesten Verständnis des Begriffes auf die Transport- und Lagerbranche. Aus polnischer Sicht ist besonders hervorhebenswert, dass 13 Prozent der Firmengründungen auf die IT-Branche mit hochklassifizierten Fachkräften entfiel.

Besonders markant ist der Schwerpunktbereich bei den Frauen. Mit knapp 90 Prozent entfiel dabei nahezu jede Firmengründung auf Kosmetik- und Friseur-Dienstleistungen.
Wie aus den Untersuchungen des Polnischen Wirtschaftsinstituts hervorgeht, zieht die Mehrheit der ukrainischen Firmengründer eine Fortsetzung der Firmentätigkeit unabhängig von der Situation in der Ukraine in Betracht. Gleichzeitig gaben über 75 Prozent der befragten Firmen an, dass ihre Firmengründung darauf ausgerichtet ist, Einkommen für die Gründer und ihre Familien zu erzielen. Dies entspricht ganz den jüngsten Leitlinien der polnischen Regierungspolitik. Wie in den anderen EU-Ländern können ukrainische Kriegsflüchtlinge in Polen nicht nur Arbeit ohne Beschäftigungsbewilligung aufnehmen. Mit ihrer Anmeldung und Registrierung erhalten sie auch sofort die polnische Personenidentifizierungs-Nummer PESEL, die ihnen neben dem Zugang zum polnischen Gesundheits- und Bildungssystem (Kinder) bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen, wie z.B. bei der monatlichen Auszahlung von Geldern aus dem Sozialprogramm 300 +, 500 + u.a., die gleichen Rechte sichert wie polnischen Bürgern.

Druck auf Migration in den Arbeitsmarkt

Anders als in Deutschland sind die Maßnahmen der politischen Regierungspolitik jedoch stringent auf eine Migration in den Arbeitsmarkt ausgerichtet, auch um die Finanzierung der Sozialausgaben zu stabilisieren. Dem dienen auch die gerade beschlossenen gesetzlichen Änderungen zur Beteiligung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen an den Kosten für ihre Unterbringung.. Danach müssen ukrainische Kriegsflüchtlinge, die keiner Arbeit nachgehen und sich länger als 120 Tage in einer Sammel-Unterkunft aufhalten, zu 50 Prozent an den Unterbringungskostenkosten beteiligen. Ukrainische Bürger, die nicht arbeiten und sich mehr als 180 Tage in einer Sammelunterkunft aufhalten, tragen dagegen schon 75 Prozent der Kosten. Davon ausgenommen sind all jene Personen, die aus gesundheitlichen Gründen oder dem Lebensalter, Schwangerschaft oder wegen Kinderbetreuung keine Arbeit in Polen aufnehmen können.

Maßnahmen gegen Sozial-Missbrauch

Zu den jetzt vom polnischen Parlament beschlossenen Änderungen gehören auch Maßnahmen zur Unterbindung von Fällen des Sozial-Missbrauchs. Dabei geht es in der Sache um das, was der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz im Herbst vergangenen Jahres als ,,Sozialtourismus“ bezeichnete, wofür er sich nach heftiger veröffentlichter Kritik in Deutschland sofort entschuldigte. In den von der PiS-Regierung eingeleiteten und vom polnischen Parlament beschlossenen gesetzlichen Änderungen wird dagegen der polnische Grenzschutz angewiesen, die Daten von ein- und ausreisenden Ukrainern die Sozialversicherungsanstalt ZUS zu übermitteln. Dies soll den sofortigen Stopp der Auszahlungen von Sozialleistungen an Ukrainer bewirken, die Polen wieder verlassen.
In einer Mitteilung der Staatskanzlei wird dazu Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit der Aussage zitiert, dass die Maßnahmen darauf ausgerichtet sind, die polnischen Steuerzahler so gering wie möglich mit den Kosten an den staatlich zugesicherten Hilfsleistungen für ukrainische Flüchtlinge zu belasten.

,,Die Polen lieben die Ukraine, aber  nicht die Ukrainer“

Mit dieser Aussage lässt der Regierungschef eine Wahrnehmung des zunehmenden Stimmungswandels in der polnischen Bevölkerung im Verhältnis zu den ukrainischen Flüchtlingen erkennen. Wie soziologische Studien belegen, ist von der großen Welle der spontanen Hilfsbereitschaft und Solidarität in der polnischen Bevölkerung gegenüber den Ukrainern in den ersten Wochen nach Beginn der russischen Aggression nicht mehr viel übriggeblieben. ,,Die Polen lieben die Ukraine, aber nicht die Ukrainer“ , heißt es in einer Studie, die in der Autorenschaft des Soziologen PrzemysławSadura von der Warschauer Universität erarbeitet wurde. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass sich in allen sozialen Schichten unabhängig vom Bildungsstand, Alter und Wohnort starke negative Gefühle gegenüber den Ukrainern breit gemacht haben. Darin äußern die Befragten ihren Unmut, dass die ukrainischen Kriegsflüchtlinge die gleichen Sozial-Hilfeleistungen bekommen wie polnische Bürger, beim Zugang zur medizinischen Betreuung, den Bildungseinrichtungen und Kitas bevorzugt behandelt werden und überhöhte Ansprüche stellen. Die wachsende Missgunst gegenüber den Ukrainern wird getragen durch die Ängste um das Absinken des eigenen Lebensstandards infolge der in Polen außerordentlich hohen Inflation, der rasanten Preis-Entwicklung und Energiekrise. All diese Probleme, die die Menschen belasten, hatte die Regierung bisher immer mit dem Krieg in der Ukraine erklärt. Die Regierungs-Propaganda wird jetzt auf die Flüchtlinge reflektiert und die Ukrainer sind zu Opfern der Unzufriedenheit der Polen über die sich verschlechternde wirtschaftliche und finanzielle Situation geworden. Der Soziologe Sadura warnt davor, dass durch das Verschweigen der Ängste und Sorgen in den Mainstream-Medien und den politischen Eliten in Polen eine ähnliche Situation wie in Deutschland im Jahre 2015 eintreten könnte, als die AfD dadurch zur drittstärksten politischen Kraft aufstieg.

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Polens Staatsoberhaupt erneut von russischen Trollen vorgeführt

Foto: M.Ch./ Kancelaria Prezydenta

Nach einem Fake-Telefongespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres ist Polens Staatspräsident Andrzej Duda erneut von russischen Komikern hereingelegt worden. Diesmal gaben sie sich als Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron aus und entlockten Duda Details zu dem Raketeneinschlag im polnischen Grenzgebiet. In der polnischen Öffentlichkeit hat der Vorfall, der die Frage nach der nationalen Sicherheit aufwirft, scharfe Kritik an den Sicherheitsdiensten in der polnischen Staatskanzlei ausgelöst.

Polens Staatspräsident Andrzej Duda scheint für die russischen Komiker Vovan (Wladimir Kusnezow) und Lexus (Alexej Stoljarow) ein lohnenswerter Partner für gefakte Gesprächs-Situationen per Telefon zu sein. Bereits im Juli vor zwei Jahren ließen die russischen Trolle Duda per Telefon glauben, mit UN-Generalsekretär António Guterres zu sprechen. Das Gespräch drehte sich seinerzeit nicht nur um Wodka, Dudas Wahlsieg und seine Opponenten in Polen. Schon damals auffällig das Interesse des angeblichen UN-Generalsekretärs an den Beziehungen Polens zur Ukraine und dessen Präsidenten Selenskij.

Diesmal gaben sich die die russischen Komiker bei Andrzej Duda telefonisch als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aus. Und das an dem Tag, als die Welt am Rande eines Dritten Weltkrieges stand. Im polnischen Grenzgebiet zur Ukraine war eine Rakete eingeschlagen. Der Präsident hatte den polnischen Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung einberufen. Die Nachrichtenagentur AP meldete, dass russische Raketen in Polen eingeschlagen sind und der polnische Sicherheitsrat erörterte, ob man die Einleitung des Verfahren nach Art. 4 oder gar nach Art. 5 des NATO-Vertrages einleiten sollte. Letzterer sieht den Beistand aller NATO-Verbündeten vor, wenn ein NATO-Mitgliedsland angegriffen wird. Es fällt schwer an einen Zufall zu glauben, dass in dieser angespannten Situation zwei russische Komiker den polnischen Staatspräsidenten anrufen.

Duda verrät brisante Details an vermeintlichen Macron

Duda war jedenfalls zu Anfang des Gesprächs überzeugt, mit dem französischen Präsidenten zu sprechen. In dem Gespräch berichtete er den vermeintlichen Macron im klapprigen Englisch von der Explosion im polnischen Grenzgebiet. ,,Es war ohne Zweifel eine Rakete. Wer sie abgefeuert hat, wissen wir nicht“, sagte Duda. Es sei aber eine Rakete aus russischer Produktion. Er habe darüber bereits mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden gesprochen. ,,Und was sagt er? Beschuldigt er Russland?“, will der Anrufer wissen. Duda verneint und erzählt auch, dass ihm der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versichert habe, dass die Rakete nicht von den ukrainischen Streitkräften , sondern von Russland abgefeuert wurde.
Auf die Frage des vermeintlichen Macron, wie er darüber denkt, sagte Duda, dass er sehr vorsichtig mit der Zuweisung von Beschuldigungen sei. ,,Emmanuel, das ist Krieg. Ich denke, dass beiden Seiten sich gegenseitig beschuldigen“. Als der vermeintliche Macron sagt, dass man keine Eskalation zwischen der NATO und Russland brauche, antwortet Duda: ,,Denkst Du, dass ich Krieg mit Russland will? Du kannst mir glauben, ich will das nicht“.
Als Duda dann durch die ungewöhnliche Gesprächsführung im Verlauf des siebenminütigen Gesprächs langsam und zunehmend schwant, dass man ihn mit der Täuschung hereinlegen will, bricht er das Telefongespräch ab.

Sieben Tage nach dem Raketeneinschlag hat nun das russische Komiker-Duo, das Gespräch auf You Tube hochgeladen. Die polnische Staatskanzlei hat in einer knappen Erklärung offiziell die Existenz eines solchen Gesprächs bestätigt und auf deren Begleit-Umstände verwiesen. In der Nacht vom 15. zum 16.November hatte sich Duda mit zahlreichen Politikern telefonisch konsultiert, u.a. auch mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem britischen Premierminister Rishi Sunak.


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Das Täuschungs-Manöver der russischen Komiker hat in der polnischen Öffentlichkeit eine breite Wille der Kritik ausgelöst. Diese richtet sich insbesondere gegen die Beamten der Staatskanzlei, die schon einmal eine Vorführung ihres Präsidenten durch das gleiche russische Komiker-Duo im Gespräch mit dem vermeintlichen UNO-Generalsekretär vor zwei Jahren zuließen. ,,Der Akzent ist deutlich russisch und nicht französisch . und Andrzej Duda verrät den russischen Witzbolden Einzelheiten der Gespräche mit den US-Präsidenten, den ukrainischen Präsidenten und dem NATO-Generalsekretär. In einem solchen Wiederholungsfall würde ich in Erwägung ziehen, die Hälfte der Mitarbeiter der Staatskanzlei zu entlassen oder sogar ihn selbst“, twitterte Ex-Außenminister Radosław Sikorski. Für den früheren Europa-Abgeordneten Marek Migalski ist ,,das beschämende Englisch-Niveau von Duda“ das geringste Problem. An dem Tag, an dem zwei polnische Bürger durch eine Rakete aus russischer Produktion ums Leben kommen, lassen die Sicherheitsdienste der Staatskanzlei zu, dass ,,Andrzej Duda russischen Hackern die Kulissen von geheimen Gesprächen mit Biden und Selenskyj verrät. Das ist ein Drama des polnischen Staates „schreibt Migalski.
Die beiden Komiker Wladimir Kusnezow und Alexej Stoljarow, die seit zehn Jahren als Vovan und Lexus mit Fake-Anrufen bei Politkern auf sich aufmerksam machen, stehen international in Verdacht, im Auftrag von Putin zu handeln. Beide streiten dies energisch ab.

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Rakete auf Polen kam aus der Ukraine geflogen

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Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat jetzt in einer offiziellen Erklärung eingeräumt, dass die Raketen-Explosion auf polnischen Territorium mit Todessopfern auf einen von den ukrainischen Streitkräften abgeschossenen Geschoss-Irrläufer zurückzuführen sei. In der polnischen Öffentlichkeit wird unterdessen Kritik laut, dass die polnische Bevölkerung über den Zwischenfall im eigenen Land zuerst von amerikanischen Medien informiert wurde und nicht von der eigenen Regierung.

Es war gegen 15.30 Uhr als ein Bauer mit seinem Traktor und Hänger auf die Beton-Waage vor dem Getreide-Trockensilo am Rande des kleinen Örtchen Przewodów fuhr. Dorfbewohner berichteten später, dass der Explosion ein stark pfeifendes Geräusch in der Luft vorausging. Der 50jährige Bauer und ein Mitarbeiter des Trockensilos waren sofort tot.
Przewodów ist ein kleines Dorf im Südosten Polen mit knapp 600 Einwohnern. Zu Zeiten der Zweiten Polnischen Republik gehörte es zur Wojewodschaft Lwów , dem heutigen Lwiw in der Ukraine, das nur 70 Kilometer entfernt ist.

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Es waren nicht polnische Medien, sondern die amerikanische Nachrichtenagentur AP, die wenig später als erste davon berichtete, dass zwei russische Raketen auf polnisches Territorium aufgeschlagen sind. AP berief sie dabei auf amerikanische Geheimdienstkreise ohne Namen zu nennen. Daher ist es nur eine Spekulation, ob es sich um den CIA-Direktor William Burns handelt. Der hielt sich nämlich laut CNN gerade im Moment des massiven russischen Raketen-Angriffs auf die Ukraine zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimyr Selenskij in Kiew auf.
Am Abend rief dann Regierungschef Mateusz Morawiecki in Absprache mit Präsident Duda Polens Nationalen Sicherheitsrat ein. Gründe dafür wurden nicht genannt. Auch nach der Sitzung des Sicherheitsrates als schon weltweit über einen mutmaßlichen russischen Raketen-Angriff auf Polen berichtet wurde, informierte Regierungssprecher Piotr Müller in einer Mitteilung lakonisch, dass es in Przewodów zu einer Explosion gekommen sei, bei der zwei polnische Staatsbürger ums Leben gekommen sind. Gleichzeitig teilte er mit, dass die polnische Regierung erwägt, das Verfahren nach Artikel 4 des NATO-Vertrages in Gang zu setzen, das enge Konsultationen der NATO-Mitgliedsstaaten vorsieht, wenn die Sicherheit eines der Mitgliedsstaaten bedroht ist.
Noch in den Nachtstunden teilte Präsident Duda mit, dass der ukrainische Präsident Wolodimyr Selenskij ihm in einem Telefongespräch versichert hatte, dass der Raketen-Einschlag in Polen nicht auf eine von den ukrainischen Streitkräften abgefeuert Rakete zurück zuführen sei. Sein Außenminister Dmytro Kuleba erklärte auf Twitter, Russland verbreite die Verschwörungstheorie, dass es angeblich eine Rakete der ukrainischen Luftabwehr war, die auf Polen niederging. Der ukrainische Außenminister forderte eine harte und prinzipienfeste Reaktion auf den Raketeneinschlag in Polen sowie einem „sofortigen“ Nato-Gipfel.

Fakten sprechen gegen Raketen-Start aus Russland

Dazu ist es nicht gekommen. Zur Deeskalation der eine bedrohliche Weltkriegsgefahr auslösenden Situation erklärte US-Präsident Joe Biden am frühen Morgen: Es sei wegen deren Flugbahn unwahrscheinlich, dass die Rakete auf Polen von Russland abgefeuert wurde.
Bei der Rakete soll es sich nach Einschätzung von Militärexperten um eine Rakete des Abwehrsystems S-300 handeln. Diese ist bereits seit Sowjet-Zeiten bei vielen Armeen im Einsatz. Auch die ukrainischen Streitkräfte benutzen sie. In der Basis-Version hat die Rakete eine Reichweite von 70 Kilometer, in spezifizierten Varianten max. 200 Kilometer. Damit ist ausgeschlossen, dass sie von Russland auf Polen abgefeuert wurde. Da sie zum Abschuss von anfliegenden Raketen eingesetzt wird, ist nur eine vergleichsweise relativ niedrige Sprengkraft nötig. Dies macht auch die Detonationsstelle in Przewodów deutlich, wo Reste von Raketenteile aus russischer Produktion gefunden wurden.

Wie der Chef des Büros des Sicherheitsrates General Polko gegenüber dem Sender Radio Zet jetzt erklärte, ist aber kaum anzunehmen, dass Russland wegen der Zerstörung eines Traktors auf dem polnischen Land das Risiko eines Krieges mit dem NATO-Bündnis eingeht.

Duda: Unglücklicher Zufall

Nach einem Telefongespräch mit US-Präsident Biden hat der polnische Staatspräsident Duda nun auch öffentlich eingeräumt, dass es mit ,,hoher Wahrscheinlichkeit“ eine Rakete der ukrainischen Luftabwehr bei der Abwehr des russischen Raketenangriffs gewesen sei, die in Polen eingeschlagen ist. Die Untersuchungen vor Ort weisen darauf hin, dass es nicht zu einer klassischen Explosion der Sprengladung einer Rakete gekommen sei, sondern zu einer Explosion des Raketentreibstoffes. Duda sprach von einem unglücklichen Zufall. Hinweise auf einen gezielten Angriff auf Polen gebe es nicht. Die Schuld für den tragischen Zwischenfall mit polnischen Todesopfern trage aber allein  Moskau.
Inzwischen sieht sich die polnische Regierung aber auch im eigenen Land einer Kritik an ihrer Informationspolitik ausgesetzt. Für stolze nationalbewusste  Polen ist  es  schon eine Schmach,  dass sie über einen derartig ernsten Zwischenfall im eigenen Land zuerst von amerikanischen Medien informiert werden, und nicht von der eigenen Regierung. Der Chef des Sicherheitsbüros Polko warnte denn auch davor, dass eine derartige Geheimnis-Krämerei der russischen Propaganda in die Hände spielt. Dies dürfte sich nicht noch einmal wiederholen.

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Amerikaner bauen erstes Atomkraftwerk in Polen

 

Die Entscheidung ist gefallen: Der US-Konzern Westinghouse wird das erste Kernkraftwerk in Polen bauen. Es soll bis 2033 nahe des Ostsee-Bades Lubiatowo-Kopalino in Betrieb gehen. Die Entscheidung der polnischen Regierung ist überschattet von einer Klage des US-Konzerns gegen den koreanischen Mitwettbewerber KHNP um den Kraftwerksbau in Polen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat auf Twitter bekanntgegeben, dass die polnische Regierung den US-Konzern Westinghouse für den Bau des ersten Atomkraftwerks in Polen ausgewählt hat. Die  Investition werde die europäische Energie-Sicherheit stärken und die amerikanisch-polnischen Beziehungen vertiefen, begrüßten US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Blinken in einer ersten Stellungnahme die Entscheidung der polnischen Regierung..
Entsprechend dem polnischen Programm zur Energiepolitik bis zum Jahre 2040 soll der erste Atomenergie-Block im Jahre 2033 mit einer Leistung von rund 1 bis 1,6 GW in Betrieb gehen. Danach sollen im Zeitraum von zwei bis 3 Jahren weitere Blöcke folgen. Insgesamt sind im polnischen Kernenergie-Programm der Bau von sechs Atom-Reaktoren  mit einer Gesamtleistung von bis zu 9 GW geplant.
Mit dem Bau des ersten Kernkraftwerkes soll 2026 begonnen werden. Als Standort wurde bereits die Region um die Ostsee-Badeorte Lubiatowo-Kopalino festgelegt, in westlicher Richtung rund 60 Kilometer von Danzig (Gdańsk) entfernt.
Westinghouse wird dafür drei Druckwasser-Reaktoren vom Typ APR 1000 liefern und aufbauen.
Für den Bau der zwei im polnischen Energie-Programm geplanten Atomkraftwerke hatten sich auch der französische Energie-Konzern EDF und der südkoreanische Konzern KHNP beworben. Beide Angebote wurden von ihren jeweiligen Regierungen massiv beworben. Dessen ungeachtet galt der US-Konzern Westinghouse von Anfang an in Warschau als uneingeschränkter Favorit bei der Auftragsvergabe. Die politischen Rahmenbedingungen wurden dazu bereits 2020 mit der damaligen US-Administration unter Donald Trump mit dem Abschluss eines polnisch-amerikanischen Vertrages über die strategische Partnerschaft bei der Entwicklung der Atomenergie in Polen besiegelt.
Als im September der US-Konzern Westinghouse sein 2000 Seiten umfassendes Angebot abgab, ließ Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa auch deutlich werden, wo die Präferenzen bei der Entscheidungsfindung liegen. Die Amerikaner zeigten sich bereits siegessicher. «Polen wird keine besseren Partner als Westinghouse finden.» teilte der US-Botschafter in Polen Brzezinski mit.

Die Amerikaner drängten darauf , dass die polnische Regierung Warschau bis zum 12.Oktober ihre Entscheidung zur Auswahl des Partners für den Bau der Kernkraftwerke treffen soll. Dieser Termin verstrich jedoch ohne Ergebnis.
Die polnische Regierung wollte ihre Entscheidung davon abhängig machen, dass der Partner für das polnische Atomenergie-Programm 49 Prozent der Anteile an der Gesellschaft PEJ (Polnische Atomkraftwerke) übernimmt, eine entsprechende Finanzierung liefert. und sich nicht nur am Bau, sondern auch am späteren Betrieb der Atomkraftwerke beteiligt. Das Angebot der Amerikaner war jedoch weit von diesen Werten entfernt, berichtete das Nachrichtenportal money.pl unter Berufung auf nicht benannte Informationsquellen aus Regierungskreisen.

Günstigeres Angebot aus Korea

In der polnischen Regierung gab es daher die Überlegung , den Bau der beiden im polnischen Energie-Programm geplanten Kernkraftwerke auf zwei Partner aufzuteilen. Dabei spielte nicht nur der im Angebot des koreanischen KHNP-Konzern unterbreitete Preis eine Rolle. Nach Angaben des Nachrichtendienstes Business Korea , ist KHNP in der Lage, sechs Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 8,4 GW mit einem Kostenaufwand von 26,7 Mrd. Dollar zu bauen, «während die Kosten der Vereinigten Staaten und die von Frankreich für die gleiche Anzahl von ähnlichen Atom-Reaktoren 31,3 Mrd. Dollar und 33 Mrd. Dollar betragen». Von noch größerer Bedeutung für die polnische Regierung ist die im koreanischen Angebot unterbreitete Möglichkeit des Transfers von Atom-Technologie nach Polen. In Polen könnte eine Fabrik gebaut werden, die Elemente für Kernreaktoren baut. Nachdem die polnische Regierung bereits im Sommer Milliardenschwere Verträge für die Lieferung von koreanischen Kampfflugzeugen, Panzern und Haubitzen sowie deren Bau in Polen unterzeichnet hatte, ist man in Warschau zu der Überzeugung gelangt, dass ein Atom-Deal mit den Koreanern ein weiterer wichtiger Schritt für eine engere wirtschaftliche Kooperation mit dem asiatischen Land wäre.

Klage von Westinghouse gegen koreanischen Konzern KHNP

Dies hatte Unruhe in Washington ausgelöst. An die polnische Regierung wurde die Warnung gesendet, dass der Export von koreanischer Atom-Technologie einer Genehmigung von Westinghouse und Zustimmung durch die amerikanische Regierung bedarf. Der Warnung folgten Taten. Am 21.Oktober reichte Westinghouse beim US-Bezirksgericht für den District of Columbia Klage gegen den koreanischen Konzern ein. Diese beruht darauf, dass KHNP für seine Atom-Reaktoren ein Reaktor-Design benutze, dass geistiges Eigentum von Westinghouse sei. Das US-Unternehmen teilte mit, es habe Kenntnis davon erhalten, dass KHNP im Begriff sei, eine Absichtserklärung mit der polnischen Regierung zur Lieferung von APR1400-Reaktoren an Polen zu unterzeichnen. Die Bereitstellung der technischen Informationen für ein solches Memorandum würde die Genehmigung des US-Energieministeriums und die Zustimmung von Westinghouse erfordern, so Westinghouse. Der amerikanische Konzern forderte Gericht auf, KHNP zu untersagen, diese technischen Informationen mit Polen zu teilen.

Der Streit ist nicht neu. Bereits beim Bau von vier Kern-Reaktoren von KHNP in den Vereinigten Arabischen Emiraten hatte er sich entzündet. Unbestritten ist, dass die Entwicklung der Kern-Technologie in Korea ähnlich wie in Japan auf die Zusammenarbeit mit den Amerikanern beruht. KHNP besteht jedoch darauf, im Laufe der Jahre eine eigene unabhängige Kerntechnologie entwickelt zu haben.
Für Westinghouse ist der koreanische Konzern jetzt bei der Entwicklung des polnischen Atomenergie-Programms ein Konkurrent. Westinghouse verspricht sich vom Bau der Atomkraftwerke in Polen Folge-Aufträge in der Tschechischen Republik und mittelfristig auch in der Ukraine, um in den dortigen Kernkraftwerken die russische Technologie durch die eigene Atomtechnologie zu ersetzen.

Interesse an Kernenergie neu belebt

Westinghouse hat von seinen Druckwasser-Reaktoren der neuesten Generation APR 1000, die auch in Polen zum Einsatz kommen, weltweit bisher vier in Betrieb genommen, alle in China. In den USA selbst war Westinghouse dagegen mit massiven Problemen konfrontiert. Aufgrund der Schwierigkeiten bei den Neubau-Projekten für die Kernkraftwerke Vogtle und Virgil C. Summer in den USA hatte der Mutterkonzern Toshiba die Westinghouse Electric nach Insolvenz 2018 an die kanadische Brookfield Business Partners, einschließlich mit deren Schulden, verkauft. Für den Bau der beiden Westinghouse-Reaktoreinheiten AP 1000 für das Kernkraftwerke Vogtle im US-Bundesstaat Georgia, die in den nächsten Monaten in Betrieb gehen sollen, waren ursprünglich 16 Mrd. Dollar Baukosten geplant. Diese sind inzwischen auf 34 Mrd. Dollar gestiegen.
Anfang Oktober gaben nun die Brookfield Renewable Partners und die Cameco Corp bekannt, dass sie die Westinghouse Electric im Rahmen eines 7,9-Milliarden-Dollar-Deals einschließlich deren Schulden, übernehmen würden. Die Übernahme wird mit einem wieder sprunghaft gestiegenen Interesse an der Kernenergie infolge der Energie-Krise in Europa und gestiegener Energiepreise in Verbindung gebracht.

Ist das französische Angebot noch im Rennen?

Um die Wogen in den USA  wegen eines möglichen polnischen Deals mit den Koreanern zu  zu glätten, waren Polens Vizepremier Jacek Sasin und Klimaministerin Anna Moskwa noch Ende Oktober  in Washington mit der US-Energieministerin Jennifer Granhol zusammengekommen.  Nach Angaben von Sasin habe man die strittigen Fragen geklärt. Die jetzt bekanntgegebene Entscheidung zugunsten des US-Konzerns Westinghouse ist offensichtlich das Ergebnis. Allerdings ist bislang weiter offen, wer das zweite Atomkraftwerk in Polen bauen wird.  Das EDF-Angebot des EU-Partners Frankreich, für das sich Staatspräsident Macron zuletzt massiv eingesetzt hatte, scheint aus dem  Rennen zu sein. Die polnische Regierung hatte ursprünglich kalkuliert, dass Frankreich Druck auf Brüssel und Berlin bei der Freigabe der wegen der in Polen umstrittenen Rechtsregelungen zurückgehaltenen 36 Mrd. Euro aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds ausübt. Dies ist offensichtlich nicht geschehen.

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Strompreisdeckel für Firmen und Privat festgelegt

Foto: PL-Agentur

Auf umgerechnet rund 165 Euro (785 Złoty) pro MWh werden in Polen die Strompreise für Firmen gedeckelt. Zu den bereits eingefrorenen Preisen für den Basis-Stromverbrauch hat das polnische Parlament jetzt auch einen maximalen Höchstpreis definiert, den Privat-Haushalte für den über das Basis-Kontingent darüberliegenden Stromverbrauch bezahlen.

Mit großer Mehrheit hat das polnische Parlament die Regierungsvorlage zur Begrenzung der Strompreise angenommen. Danach wird der für kleine und mittlere Firmen auf 785 Złoty (~165 Euro) pro MWh gedeckelt. Der Preisdeckel ist auf 90 Prozent der von den Firmen verbrauchten Strommenge limitiert. Für die restlichen 10 Prozent müssen die Firmen den vollen Marktpreis bezahlen. Ursprünglich hatte die Regierung nach den Worten von Entwicklungs-Minister Waldemar Buda die Absicht, dass die Firmen die maximalen Strompreis-Obergrenze für ihren gesamten Strombedarf zur Anwendung bringen können. Dies stand aber im Widerspruch zu den von der EU beschlossenen Regelungen. Daher müssen die Firmen für die restlichen 10 Prozent den vollen Marktpreis bezahlen. Auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sparte bei der Vorstellung des Strompreisdeckels für Firmen nicht mit Kritik an der EU-Politik. Man könne nicht krankhaft an der Klimapolitik festhalten, weil diese unter den Bedingungen des Kriegs in der Ukraine und der Energie-Erpressung von russischer Seite teilweise nicht mehr aktuell sei. Der Strompreisdeckel soll bereits für den Stromverbrauch ab 1.Dezember dieses Jahres zur Anwendung kommen und bis zum 31. Dezember des kommenden Jahres gelten. Dabei werden auch die bereits abgeschlossenen neuen Verträge zwischen Unternehmen und Stromanbietern berücksichtigt. beschränkt. Kein Unternehmen wird mehr bezahlen”, versicherte Buda.

Max. 0,14 EUR pro KWh Strom für Privathaushalte

Nicht nur für Firmen, auch für die sogenannten sensiblen Stromabnehmer wie Krankenhäuser, Schulen, Kitas u.a. wurde der maximal zu zahlenden Strom-Höchstpreis auf 785 Złoty festgelegt. Auch für andere öffentlich genutzte Einrichtungen wie Kirchen, Kultureinrichtungen und selbst Schwimmbäder und Wasserparks kommt er zur Anwendung.
Zu der bereits beschlossenen Einfrierung der Strompreise für den Grundverbrauch von Privathaushalten, wurde der Maximal-Preis für Privatverbraucher für den über das Basis-Kontingent (2000 KWh) darüberliegenden Stromverbrauch auf 693 Zloty pro MWH festgelegt. Das sind umgerechnet rund 0,14 EUR pro Kilowattstunde.

 

Refinanzierung durch Gewinn-Abschöpfung

Refinanziert werden soll der Strompreisdeckel durch die Abschöpfung von überdurchschnittlich erzielten Gewinnen der Stromerzeuger. Dies schließt auch Energieerzeuger ein, die ihren Strom aus Erneuerbaren Energiequellen erzeugen wie Wind, Sonne und Wasser, einschließlich Biogasanlagen Sollte dies nicht ausreichen, werden Mittel aus dem Staatshaushalt bereitgestellt. Die Kosten zur Refinanzierung des Preisdeckels werden auf ca. 17 Mrd. Złoty geschätzt. Das sind umgerechnet rund 3,5 Mrd. Euro. Vor dem Hintergrund der 200 Mrd. Euro, die die Bundesregierung für die Reduzierung der Energiekosten in Deutschland einplant, erscheint diese kalkulierte Summe als sehr niedrig und nicht ausreichend. Allerdings gelten die jetzt getroffenen Preis-Regelungen nur für kleine und mittlere Firmen. Laut der polnischen Definition sind dies Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten und Jahresumsätzen von maximal 50 Mio. Euro. Für größere Unternehmen, von denen es in Polen schätzungsweise 2000 gibt, wurde außer den von der Regierung versprochenen und von Marktexperten als überhaupt nicht ausreichend bewerteten Zuschuss-Zahlungen noch keine weitergehende  Strompreis-Regelung getroffen.

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Polen vom Leck an Erdöl-Pipeline nicht betroffen

Foto: PERN

Wenige Tage nach dem Anschlag auf die Nord-Stream Pipeline ist jetzt an einer zweiten strategischen Versorgungs-Pipeline nach Deutschland ein Leck aufgetreten. Diesmal auf polnischen Territorium. Die Betreibergesellschaft der Erdöl-Pipeline ,,Przyjaźń“, über die russisches Rohöl zur PCK Raffinerie Schwedt und die TOTAL Raffinerie in Spergau transportiert wird, meldete ein Leck an einen der beiden Versorgungsstränge. Über die Ursachen ist bislang nichts bekannt. Ein technischer Defekt oder Sabotage? ,,Alle Hypothesen sind möglich“, twitterte der Staatssekretär Żaryn aus dem Amt für die Koordinierung der polnischen Geheimdienste.

Bereits am späten Dienstagabend hatten die automatischen Überwachungs-Systeme der Pipeline-Betreibergesellschaft PERN einen Druck-Abfall an einen der beiden Leitungen der Erdöl-Pipeline ,,Przyjaźń“ gemeldet. Diese über das polnische Territorium verlaufende Trasse ist Bestandteil der einst als ,,Druschba-Freundschaft“ –Leitung bezeichneten Pipeline, über die russisches Erdöl an deren Endpunkt nach Deutschland geliefert wird. Abnehmer auf deutscher Seite ist die MVL (Mineralölverbundleitung GmbH Schwedt), die das ankommende Erdöl in ihrem Tanklager zwischenlagert und an die Raffinerien in Schwedt und Spergau zur Weiterverarbeitung pumpt.
Nach Angaben des polnischen Pipeline-Betreibers ist das Leck an der größeren der beiden Leitungen aufgetreten. Über diese Hauptleitung fließt das Erdöl nach Deutschland. Die Pumpen seien sofort abgeschalten worden. Der andere Strang der Pipeline, also die kleinere Leitung, sei aber unverändert in Betrieb. Hieß es zuerst von der Betreibergesellschaft, das Leck sei in der Höhe der Ortschaft Łania aufgetreten, vermeldete das Wojewodschafts-Kommando der Feuerwehr von Kujawsko-Pomorskie den Leck-Austritt weiter westlich in der Region um die Ortschaft Żurawice. Dort sind inzwischen alle notwendigen Einsatzkräfte vor Ort, darunter die Betriebsfeuerwehr und die technischen Dienste der PERN, die das Erdöl von einer rund 1000 Quadratmeter großen Flächen-Niederung eines Maisfeldes abpumpen. Inzwischen sind bereits 400 Kubikmeter aufgenommen worden.

Geheimdienst-Koordinator: Alle Hypothesen sind möglich

Ob es sich um Sabotage oder nur um einen technischen Schaden handelt, ist bislang nicht bekannt. Nach Informationen der Einsatzkräfte ist man bislang auf der verseuchten Feldfläche noch nicht an die Leckstelle herangekommen. Der erst seit einigen Wochen zum Regierungs-Sonderbeauftragten für die strategische Energie-Infrastruktur benannte Mateusz Berger hatte schon vorher der Nachrichten-Agentur Reuter mitgeteilt, dass es sich um eine ,,unbeabsichtigte Beschädigung“ handelt. Der Staatssekretär und Sprechers des Amtes für die Koordinierung der polnischen Geheimdienste Żaryn twitterte dagegen, dass im Moment überhaupt noch keine Voraussetzungen gegeben seien, um über Ursachen der Havarie zu sprechen. ,,Alle Hypothesen sind möglich“. Gleichzeitig verwies er darauf, dass das Leck keinen Einfluss auf Versorgungssicherheit Polens habe.

Grafik: PL-Agentur /PERN

Polnische Autofahrer müssen sich keine Sorgen machen, betonte auch die PERN. Tatsächlich befindet sich die Lokalisation des Lecks 70 Kilometer hinter (westlich) dem Punkt, an dem die beiden polnischen Raffinerien in Płock und Danzig (Gdansk) das russische Erdöl für seine Weiterverarbeitung abzweigen. Der russischen Pipeline-Betreiber Transneft teilte laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur Interfax mit, dass weiter Rohöl in Richtung Polen gepumpt wird.

Schaden vom Leck an der Pipeline haben bislang nur die beiden deutschen Raffinerien. Sie erhalten zwar weiter Rohöl über die Leitung. Nach Angaben der PCK Raffinerie kommt dort jedoch weniger an.

Die Druschba-Pipeline, zu der die über Polen verlaufende Rohrtrasse gehört, zählt zu den größten Erdölleitungs-Systemen der Welt. Neben Polen und Deutschland werden über sie auch andere Länder Mitteleuropas versorgt. Nach PERN-Angaben hat der polnische Trassen-Abschnitt eine Durchleit-Kapazität von 27 Mio. t Rohöl im Jahr.

Ab 1. Januar Embargo auf russisches Erdöl geplant 

Mit dem russischen Rohöl durch die Pipeline wird bald Schluss sein. Grund ist das geplante Öl-Embargo gegen Russland ab dem 1.Januar. Ob die PCK-Raffinerie in Schwedt, die bisher hauptsächlich an den russischen Erdöl-Lieferungen über die Druschba-Pipeline hängt, dann im neuen Jahr noch voll weiterarbeiten kann, ist bislang noch offen. Die PCK-Raffinerie ist zwar auch an eine Leitung zum Hafen Rostock angebunden. Darüber können allerdings nur etwa 60 Prozent der bisherigen Kapazitäten besorgt werden: Im Frühjahr war noch der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit seinem Begehren, Schwedt zusätzlich über den PERN-Erdölhafen in Danzig (Gdańsk) zu versorgen, in Warschau abgeblitzt. Das Öl sollte über die Pipeline besorgt werden, die vom Ölhafen nach Płock führt, wo sie an die Druschba-Pipeline andockt. Allerdings wird sich auch der Polnische Mineralölkonzern PKN Orlen nach Ablösung der russischen Rohöl-Lieferungen über diese Pipeline mit Erdöl für seine Raffinerie in Płock versorgen.

Polnischer Mineralölkonzern PKN Orlen an PCK Schwedt interessiert

Im Zuge der Übernahme des ebenfalls vom Staat kontrollierten Erdölverarbeitungs-Konzerns Lotos (Raffinerie in Danzig) hatte PKN Orlen zum Jahresanfang mit dem weltgrößten Erdöl-Lieferanten, der saudiarabischen Aramco einen langfristigen Liefervertrag geschlossen, auf dessen Grundlage russisches Rohöl durch Erdöl von den Saudis ersetzt wird. In Warschau verwies man deshalb auf die begrenzte Durchleitfähigkeit der Pipeline vom Danziger Erdölhafen, die für die Orlen-Raffinerie in Płock Versorgungs-Grundlage ist. Tatsächlich war man jedoch nicht bereit, Erdöl direkt an die PCK-Raffinerie zu liefern, solange deren Eigentümer die russische Rosneft ist.
Mit der Überführung der PCK-Raffinerie in die treuhänderische Verwaltung der Bundesregierung hat sich die Situation jetzt geändert. Zwar nicht offiziell bestätigt, aber auch nicht dementiert, soll der staatlich kontrollierte Polnische Mineralölkonzern PKN Orlen, der über 600 Tankstellen in Deutschland besitzt (Star- und Orlen-Tankstellen), an einer Übernahme der PCK-Raffinerie in Schwedt interessiert sein. Und plötzlich erklärt auch Umwelt- und Klimaministerin Anna Moskwa die Bereitschaft Polens, die vollen Erdöl-Überschüsse nach Deutschland zu liefern und die Pläne zum Bau eines zweiten Leitungsstranges vom Danziger Ölhafen nach Płock zu intensivieren.

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Polen will Atomwaffen zur Abschreckung gegenüber Moskau

Polens Präsident Andrzej Duda bei seiner Rede zur Anschaffung von südkoreanischen Kampfflugzeugen vom Typ FA-50 auf dem Stützpunkt der 23. Taktischen Luftwaffen-Basis in Mińsk Mazowiecki. Foto: KPRP/Szymczuk

 

Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat sich für die Integrierung seines Landes in das  Nuclear Sharing Program und die Stationierung von US-Atomwaffen in Polen ausgesprochen.

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und Drohgebärden Moskaus, sein gesamtes Waffenarsenal, einschließlich der Atomwaffen, einzusetzen, müsse man die Überlegung anstellen, ob ,,Polen nicht einen atomaren Schutzschirm haben sollte“, erklärte Duda in einem Interview mit der Zeitung ,,Gazeta Polska“. ,,Das Problem ist jedoch vor allem, dass wir keine Atomwaffen haben“, sagte Duda. Es weise zwar nichts darauf hin, dass Polen in nächster Zeit Atomwaffen in eigener Verwaltung haben werde. Es bestehe jedoch immer die potenzielle Möglichkeit der Teilnahme am Nuclear Sharing Program der USA.

Nach Angaben von Duda habe Polen bereits mit führenden amerikanischen Politikern über die Möglichkeit einer Beteiligung Polens am Programm zur gemeinsame Nutzung von Atomwaffen gesprochen. ,,Das Thema ist offen“.

Polens Staatspräsident Duda stellt sich mit seinem Plädoyer für Atomwaffen in eine Reihe mit Jarosław Kaczyński. Der Chef der nationalkonservativen Partei hatte bereits im Frühjahr eine Ausweitung der nuklearen Teilhabe auf die NATO-Ostflanke gefordert. „Wenn die Amerikaner uns bitten würden, Kernwaffen in Polen einzulagern, stehen wir dem aufgeschlossen gegenüber. Es würde die Abschreckung gegenüber Moskau deutlich verstärken.“

Militär-Experten stehen dem polnischen Drängen nach Atomwaffen skeptisch gegenüber. Ungeachtet der hohen Ausgaben für das Anlegen von Bunkern sind Atombombenstellungen in Polen äußerst verletzlich gegenüber russischen Präventivschlägen. Innerhalb von wenigen Minuten können sie von Iskander-Raketensystemen aus der russischen Enklave Kaliningrad bombardiert werden. Praktisch ohne Vorwarnzeit haben die auf den wichtigsten polnischen Luftwaffenbasen wie der 31. Taktischen Luftwaffen-Basis bei Poznań oder der 31. Luftwaffenbasis in Mińsk Mazowiecki bei Warschau stationierten Flugzeuge wenig Spielraum, um innerhalb der Reichweite von russischen Luftabwehrraketen aufzusteigen. Im übrigen ist dann der hochexplosive Vergleich zur Kuba-Krise 1962, als die Sowjetunion 90 Meilen vor der US-Küste bei Florida Mittelstrecken-Raketen in Stellung brachte, nicht mehr von der Hand zu weisen. .

Das Nuclear Sharing Program, also die ,,Nukleare Teilhabe“, wurde bereits zu ‚Zeiten des Kalten Krieges in den 50er Jahren entwickelt. In seinen Rahmen können NATO-Verbündete im Extremfall US-Atomwaffen einsetzen.

Das Programm ist seit Jahrzehnten sowohl politisch wie auch unter völkerrechtlichen Aspekt umstritten. Zu den Ländern, in den US-Atomwaffen stationiert sind, gehört neben Belgien, den Niederlanden, Italien und der Türkei auch Deutschland (Fliegerhorst Büchel). Die Bundesregierung hatte erst im Frühjahr dieses Jahres im Rahmen der nuklearen Teilhabe Deutschlands über die Anschaffung von F-35-Tarnkappenjets als Ersatz für die veralteten Tornados entschieden.

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