1000 Euro Strafe für 30 km/h zu schnelles Fahren

Fotos: Policja Lubuska

Nach tragischen Verkehrsunfällen Anfang Juli hat die polnische Regierung im Express-Tempo ein Maßnahmen-Paket zur Verschärfung der Verkehrsvorschriften angenommen. Es sieht eine drastische Erhöhung der Bußgelder beim Überschreiten der zulässigen Fahrtgeschwindigkeit vor. Deutlich verschärft werden auch die Strafen für Alkohol am Steuer.

Im Vergleich zu Frankreich oder Dänemark kam man bisher bei Geschwindigkeits-Überschreitungen in Polen finanziell noch relativ glimpflich davon, wenn man dabei erwischt wurde. Max. 500 Złoty (rund 110 EUR) durften Polizisten dafür kassieren. Dies wird sich in Kürze ändern. Die jetzt von der Regierung vorbereiteten neuen Vorschriften sehen eine Erhöhung der Bußgelder um das Zehnfache vor. Autofahrer, die die zulässige Geschwindigkeit um 30 km/h überschreiten, müssen künftig mit einem Bußgeld /Geldstrafe von bis zu 5000 Złoty (über 1000 Euro) rechnen.
Das Risiko wegen zu schnellen Fahrens zur Kasse gebeten zu werden, besteht besonders auf den Schnellstraßen, die wie Autobahnen ausgebaut sind. Nicht nur bei polnischen Kraftfahrern, sondern insbesondere bei deutschen Autofahrern, die in Polen unterwegs sind, besteht oft das Missverständnis, das sie hier auf einer Autobahn fahren. Bestes Beispiel dafür ist die S-3, die etwa 80 Kilometer parallel zum deutsch-polnischen Grenzverlauf vom Landessüden direkt nach Stettin und weiter bis zur Ostsee führt. Für Autofahrer aus Ost-Sachsen ist sie der kürzeste und schnellste Weg in die Urlaubs-Region. Ausgebaut ist die S-3 wie eine Autobahn mit Kilometer langen Lärmschutz-Wänden und vier Fahrspuren, bei der die Gegenfahrbahnen durch eine Leitplanke voneinander getrennt sind. Statt der auf Autobahnen in Polen zulässigen 140 km/h als Höchstgeschwindigkeit sind hier nur 120 km/h als Höchstgeschwindigkeit erlaubt, weil die S-3 im polnischen Verkehrssystem nicht als Autobahn, sondern als Schnellstrasse (droga ekspresowa) ausgewiesen ist. Wer also auf dieser vermeintlichen Autobahn zu schnell fährt, muss künftig tief in die Tasche greifen, wenn er ,,geblitzt“ wird.

Und das Risiko, in eine Geschwindigkeitskontrolle zu geraten, ist deutlich gestiegen. Die polnische Polizei hat erst im Frühjahr 350 neue Radar-Messgeräte vom Typ LTI 20.20 Tru cam gekauft, die jetzt in den Dienst gestellt wurden. Bei dem LTI 20.20-System handelt es sich um die mobile Laserpistole, die seit vielen Jahren auch von der Polizei in anderen europäischen Ländern eingesetzt wird. Das System war wegen der Mess-Fehler, wenn die Pistole während des Messvorgangs nicht absolut still gehalten wird, nicht unumstritten. Bei den jetzt von der polnischen Polizei eingesetzten Laser-Pistolen handelt es sich mit der Tru cam um die neueste, von einem amerikanischen Hersteller erworbene Version der LTI 20.20. Sie macht auch eine Verkehrs-Überwachung in den Nachtstunden möglich. Dies hat für die polnische Polizei einen besonderen Stellenwert, da bereits ab 1.Juli eine jahrzehntealte Sonder-Regelung außer Kraft gesetzt wurde. Sie erlaubte in den Nachtstunden ab 23 Uhr Innerorts eine Geschwindigkeit von 60 km/h. Diese Regelung wurde gestrichen. Generell ist jetzt in Ortschaften als Höchstgeschwindigkeit 50 km/h vorgeschrieben.
Um den Rasern das Handwerk zu legen, wurden auch die Handlungsvollmachten der Polizei erweitert. Sie erlauben den Kontroll-Beamten ihre Messungen auch an jeden beliebigen Ort durchzuführen, ,,insofern dadurch nicht die Sicherheit des Straßen-Verkehrs gefährdet ist“. Der Interpretations-Spielraum für diese Regelung scheint aber von den jeweiligen Beamten sehr breit ausgelegt zu sein, wie nachfolgendes, in die sozialen Medien eingestelltes Video zeigt, dass bei Millionen polnischer User Entsetzen ausgelöst hat: Zwei Fahrzeuge überholen mit hoher Geschwindigkeit auf einer Schnellstraße einen Lkw. Während des Überhol-Vorgangs macht der weiße Pkw plötzlich eine Vollbremsung. Der dahinterfahrende Pkw, aus dem das Video gedreht wird, entgeht nur um Zentimeter einen Voll-Crash. Der Grund: Links von der Überholspur auf dem Mittelstreifen zwischen beiden Fahrbahnen hat sich die Polizei für eine Geschwindigkeits-Kontrolle aufgebaut.

Strafen für alkoholisierte Fahrer werden verschärft

Nach Polizei-Angaben hat es im vergangenen Jahr 23 540 Unfalle auf polnischen Straßen gegeben. Dabei kamen 2491 Menschen ums Leben. Mehr als 26 460 Verkehrsteilnehmer wurden verletzt, davon über 8800 schwer. Obwohl der Missbrauch von Alkohol am Steuer seit der Jahrtausend-Wende eine sinkende Tendenz ist die Zahl der von alkoholisierten Autofahrern verursachten Unfälle weiter hoch. Im vergangenen Jahr waren es 1656 Unfälle, bei denen 216 Menschen ums Leben kamen und über 1800 Personen verletzt wurden. Alkohol-Tests (0,2 Promille-Grenze) bilden deshalb weiter ein Schwerpunkt bei Verkehrskontrollen. Nach Angaben des Polizei-Hauptkommandos in Warschau wurden im vergangenen Jahr rund 100 000 Autofahrer unter Alkohol-Einfluss bei Kontrollen aus dem Verkehr gezogen.
Zu den von der Regierung geplanten Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit gehören deshalb eine Verschärfung der Strafen für alkoholisierte Kraftfahrer. So sollen sie automatisch per gesetzlicher Regelung für die Renten der nächsten Angehörigen von tödlich verunglückten Unfallopfern aufkommen.

Polnische Autofahrer verursachen mehr Unfälle im Ausland als in Polen

Geplant ist auch die Höhe der zu entrichtenden Beiträge für die Auto-Haftpflichtversicherung von der Anzahl der im Zentralen Verkehrsregister CEPiK angesammelten Strafpunkte abhängig zu machen. Eine solche Regelung kommt insbesondere einer seit Jahren von den Versicherungsgesellschaften erhobenen Forderung entgegen. Die Versicherungsgesellschaften sind ohnehin schon mit hohen Summen zur Regulierung der von polnischen Autofahrern im Auslands verursachten Unfall-Schäden belastet. Seit 2013 ist die Zahl der von polnischen Autofahrern im Ausland verursachten Unfälle und Kollisionen kontinuierlich von 44 100 auf 73 000 im Jahre 2019 gestiegen. Wie das für die Verrechnung der Unfallschäden mit ausländischen Versicherern zuständige Büro der Verkehrs-Versicherer (PBUK) soeben mitteilt, ist die Zahl der von polnischen Autofahrern im Ausland verursachten Unfälle und Kollisionen im vergangenen Jahr um knapp 13 Prozent zurückgegangen. Mariusz Wichtowski, Geschäftsführer des PBUK, führt den Rückgang allerdings auf die Corona-Krise und den mit ihr verbundenen Rückgang des Reiseverkehrs, Grenzschließungen und Reisewarnungen zurück.
Insgesamt registrierte das Polnische Büro der Verkehrsversicherer 63 500 Unfälle und Verkehrs-Kollisionen, die polnische Autofahrer im vergangenen Jahr im Ausland verursachten. Zumindest statistisch verursachen polnische Autofahrer doppelt so viele Unfälle auf ausländischen Straßen wie im eigenen Land. Die dabei verursachten und von den polnischen Versicherern auszugleichenden Schäden beziffert das PBUK mit 1,3 Mrd. Złoty (rund 300 Mio. Euro). Statistisch verursachen die Lenker von Fahrzeugen mit polnischen Kennzeichen laut PBUK täglich 170 Schadensfälle auf ausländischen Strassen. Jeder zweite davon auf deutschen Autobahnen und Landstraßen. Der hohe Anteil von 54 Prozent (2019 waren es 37 000 Unfälle und Kollisionen auf deutschen Autobahnen und Strassen) ist natürlich auf die regionale Nähe und hohe Frequentierung des deutschen Straßensystem durch polnische Autofahrer zurückzuführen. Die geringe Kontrolldichte und die relativ geringen Verkehrs-Bußgelder im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern scheint aber auch eine Rolle zu spielen. Nach Deutschland mit über 54 Prozent aller Schadensfälle folgen mit weitem Abstand Frankreich (8 Prozent), Italien (7 Prozent) und Holland (6 Prozent).
Als Unfall-Ursachen gibt die PBUK u.a. Selbstüberschätzung und mangelndes Verantwortungsbewusstsein für die Verkehrssicherheit an. ,,Unsere Autofahrer präsentieren sich im Ausland mit einem Mangel an Fähigkeiten und der Kultur, ein Fahrzeug zu führen“, meint Mariusz Wichtowski von der PBUK. Dies wird insbesondere auf deutschen Autobahnen sichtbar. Hinzu kommt die bewusste Ignoranz von ausländischen Verkehrsvorschriften und die Selbstwahrnehmung, straflos zu sein.

Deutsche Autofahrer: Über 4500 Unfälle in Polen

Umgekehrt führt das Polnischen Büro der Verkehrsversicherer auch die Statistik der von Ausländern in Polen verursachten Unfall-Schäden. Für 2020 liegen die Daten noch nicht vor. Wegen der Corona-Krise und den stark eingeschränkten Auto-Reiseverkehr dürften sie jedoch gering ausfallen. 2019 dagegen haben deutsche Autofahrer bzw. Fahrer von Fahrzeugen mit deutschen Kennzeichen rund 4590 Unfälle und Verkehrskollisionen in Polen verursacht. Mit einem Anteil von 27 Prozent sind Deutsche damit die größten Unfall-Verursacher unter den ausländischen Kraftfahrern in Polen. Der Versicherungsschaden lag laut PBUK im Durchschnitt bei rund 6700 Złoty ( ca. 1500 Euro) pro Unfall bzw. Kollision.

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Wieder Container-Frösche an der Ostseeküste

Polens größte Einzelhandelskette Żabka hat mit Beginn der Urlaubssaison wieder saisonale Verkaufsläden an der polnischen Ostseeküste errichtet. Bereits 2016 hatte die Kette, die einst den Frosch (Żabka) in ihrem Firmen-Logo führte, ihre ersten Verkaufs-Container in den Ostsee-Bädern Międzyzdroje (Misdroj) und Międzywodzie aufgestellt. Im vergangenem Jahr waren es bereits 52. In diesem Jahr werden es 80 sein, teilt das Unternehmen mit. Die meisten davon – jeweils 6- – in dem östlich vom Küstenwald bei Międzyzdroje gelegenen Badeort Międzywodzie und in dem geschäftlich lärmenden Władysławowo, das mit seinen Vergnügungs- und Wasserparks für viele inländische Touristen das Mekka des polnischen Ostsee-Tourismus ist.
Bei den Żabka-Läden handelt es sich um Shops vom Typ Convenience. Zum Sortiment gehören vor allem Getränke, verzehrfertige Lebensmittel, Snacks, Eis, etwas Kosmetik und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Die Geschäftsführung von Żabka betont zwar, dass die Saison-Läden ein Komfort für die Touristen bei ihren täglichen Lebensmittel-Einkäufen darstellen. Für ein Voll-Einkauf nutzen die allerdings eher die Super- und Discount-Märkte von Biedronka, Netto, Lidl oder Carrefour, mit denen die Ostsee-Bäder auch gut bestückt sind. Die Żabka-Läden sind dagegen eher Schnellverkaufs-Läden. Deren Sortiment geht in der Regel nicht über 300 Produkte hinaus. So schnell, wie man in dem Laden das schmale Sortiment abgegrast hat, so schnell ist man mit zwei oder drei gekauften Produkten, für die man gerade einem Bedarf hat, auch wieder aus dem Laden heraus.


Bei Żabka werden die Saison-Läden als ,,Verkaufs-Pavillons“ bezeichnet. Mit Pavillons haben die jedoch wenig gemeinsam. Wenn nicht in Containern, sind sie aus Fertigteile-Bauelementen zusammengezimmert – passend zu der in vielen polnischen Ostseebädern dominierenden Rummelplatz-Atmosphäre und Basar-Kultur mit zahlreichen Ständen, Kiosken und Buden mit chinesischen Billig-Kram und vermeintlich hausgemachten Eis oder Speisen auf Plaste- und Papp-Tellern.
Die meisten Żabka -Läden haben rund um die Uhr geöffnet, auch an Sonntagen. Da gilt zwar das 2018 eingeführte Sonntags-Handelsverbot. Doch Żabka war die erste Handelskette in Polen, die das Sonntags-Handelsverbot aushebelte, in dem sie eine der über 20 im Gesetz festgeschriebenen Ausnahme-Regelungen für sich in Anspruch nahm. An den Türen der Żabka -Läden wurde kurzerhand das Schild ,,Poststelle“ platziert. Mit deren Registrierung konnten die Żabka -Läden auch an Sonntagen öffnen. Inzwischen sind viele einheimische Einzelhändler dem Beispiel von Żabka gefolgt. Nahezu jeder zweite Lebensmittel-Laden nimmt heute die Ausnahme-Regelungen in Anspruch und hat auch an Sonntagen geöffnet. Das gesetzliche Sonntags-Handelsverbot ist damit zur Farce geworden.

Innerhalb eines Jahres 1000 neue Filialen

Die saisonalen Läden an der Ostseeküste dienen der Einzelhandelskette Żabka auch dazu, ihre Präsenz und Expansion zu verstärken. Das Unternehmen betreibt aktuell 7200 Filialen in ganz Polen. Żabka ist das zur Zeit am schnellsten wachsende Handelsnetz in Polen. Selbst im Corona-Krisenjahr 2020 wurden über 1000 neue Filial-Standorte eröffnet. Basis des expansiven Wachstums ist das Geschäfts-Modell, das auf Franchise-Organisation beruht. Mehr als 6000 der 7200 Laden-Betreiber sind Franchise-Partner. In der Provinz werden die Filialen von selbständigen Händlern im Format von kleinen ,,Tante-Emma-Läden“ betrieben. Beliefert werden sie von fünf regionalen Logistik-Zentren.

Erster Laden ohne Personal und Kasse 

Fotos: Żabka

Żabka setzt allerdings nicht nur auf Masse. Seit dem CVC Capital Partners, einer der weltweit größten Privat-Equity-Unternehmen der Welt, Żabka 2017 übernommen hat, setzt das Unternehmen insbesondere in den Großstädten auf Modernität und Innovation. So hat das Unternehmen mit ,, Żappka“ eine eigene App mit integrierter Bezahlfunktion, die nach Angaben von Żabka bereits 4 Mio. Menschen nutzen. Der neueste Coup in Sachen Innovation ist die Eröffnung eines ,, Żappka-Stores“ in Poznań. Dabei handelt es sich um einen Laden ohne Kassen und Verkaufspersonal. ,, Żappka Store ist der Verschmelzung der Offline-Welt mit der Online-Welt, die eine neue Kauf-Perspektive für den Kunden eröffnet. Innerhalb von Sekunden kann man einen Schnell-Einkauf vornehmen, indem man die Produkte auswählt und damit ohne Bezahlung vor Ort aus dem Laden geht“, erklärt Tomasz Blicharski, Geschäftsführer von Żabka Future. Dazu braucht man nur ein Smartphone mit der hauseigenen App von Żabka, auf die Bezahlfunktion des Unternehmens aktiviert wird. Vor Eintritt in dem Laden wird von der App ein einmaliger QR-Code generiert, der an der Laden-Tür gescannt wird. Darauf öffnen sich die Türen automatisch. Im Laden nimmt sich der Kunde die gewünschten Produkte nur noch aus dem Regal und verlässt damit wieder den Laden.
Der traditionelle Kassen-Vorgang findet im Laden nicht mehr statt. Dies übernimmt eine im Store installierte Plattform von Digitalkameras und KI-gestützter Software, die die Waren erkennt und aufzeichnet, die der Kunde im Store aus den Regalen genommen hat. Die Bezahlung erfolgt dann über den aktivierten Zahlungsdienst. Die Geschäftsführung von Żabka beteuert, dass der Datenschutz und die Privat-Sphäre des Kunden gewahrt bleiben. Über die zahlreichen Kameras wird nicht der Kunde mit persönlichen Aufnahmen identifiziert.
Bei dem von Żabka eingesetzten System handelt es sich um die OASIS-Plattform von AiFi für den automatisierten Einzelhandel. AiFi wurde von den ehemaligen Apple- und Google-X- Entwicklern Steve Gu und Ying Zheng gegründet und steht im Bereich des autonomen Einkaufens in Konkurrenz zu Amazon Go. Mit dieser Plattform wurde bereits Ende 2019 ein Convenience-Store auf den Amsterdamer Flughafen in Schiphol in Betrieb genommen.
Nach der Eröffnung des ersten Kassen- und Bedienungsfreien Stores auf dem Messe-Gelände in Poznań, soll der nächste Żappka-Store in Warschau eröffnet werden. Inoffiziell ist bereits von 40 weiteren Żappka-Stores die Rede.

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Polen lockt Impf-Skeptiker mit Lotterie-Geld an die Spritze

Foto: PL-Agentur

Erstmals ist vergangene Woche in Polen die Zahl der Impfungen gegen Covid-19 seit langer Zeit zurückgegangen. Nicht wegen fehlender Impfdosen, sondern weil die Zahl der Impfwilligen rückläufig ist. Die Regierung will dies nicht zulassen. Mit einer Geld- und Sach-Lotterie will sie die Impf-Skeptiker an die Spritze bekommen.
In Polen werden in Kürze die Menschen nicht auf eine Impfung warten, sondern die Impfung auf die Menschen. Vor diesem Szenario warnt der Chef der Staatskanzlei Michał Dworczyk. Die Verfügbarkeit von Impfdosen zu sichern, sei nicht mehr das Problem. ,,Eine immer größere Herausforderung wird es sein, die Polen zu überzeugen, sich impfen zu lassen“.
In diversen Umfragen der Meinungsforschungsinstitute äußern sich bis zu 40 Prozent der Befragten ablehnend zu einer Impfung gegen Covid-19. Für Dworczyk, der als Regierungs-Beauftragter die nationale Impf-Aktion verantwortet, ist dies damit begründet, dass die erwachsene Bevölkerung in Polen nicht an Impfungen gewöhnt sei. Dies zeige sich besonders deutlich in den internationalen Vergleichsdaten der Weltgesundheits-Organisation WHO zu Grippe-Impfungen in früheren Jahren. Während in den westlichen Ländern der Anteil der Grippe-Impfungen bei den Senioren zwischen 40 bis 75 Prozent beträgt, liegt er in Polen nur bei 10 Prozent.

Haupt-Gewinn: 1 Million Złoty

Um die Skeptiker zum Impfen zu bewegen , greift die PiS-Regierung jetzt zu einem bewährten Mittel, mit dem man viele Landsleute ködern kann: Mit Geld- und Sachpreisen. Das Sport-Lotto soll dazu eine Lotterie des Nationalen Impfprogramms organisieren. ,,Jede 2000. Person, die sich impfen lässt, wird einen garantierten Geldpreis von 500 Zloty erhalten. Jeder Teilnehmer an der Lotterie hat vier Gewinn-Chancen. Jede Woche werden 50 000 Zloty (rund 11 000 Euro) ausgelost . Es gibt aber auch Sachpreise zu gewinnen wie E-Scooter oder Benzin-Gutscheine“ kündigte Dworzyk auf einer speziell dazu einberufenen Konferenz an. Einmal im Monat werden zwei Geldpreise zu jeweils 100 000 Zloty ausgelost. ,,Und im Finale gibt es dann als Hauptgewinn jeweils zweimal 1 Million Złoty (rund 225 000 Euro) sowie Hybrid-Autos zu gewinnen“. An der Lotterie kann jeder teilnehmen, der sich für eine Impfung registriert und eine erste Impfung erhalten hat.
In die nationale Impfkampagne werden auch die Gemeinden und Städte einbezogen. So werden die Gemeinde- und Stadtverwaltungen verpflichtet, in den direkten Kontakt mit Einwohnern über 70 Jahre zu treten, um sie von einer Impfung zu überzeugen. Für die Impfwerbung soll jede Kommunalverwaltung 10 bis 40 000 Zloty erhalten. Die ersten 500 Gemeinden und Städte, auf deren Gebiet ein Impf-Indexwert von über 75 Prozent erreicht wird, bekommen 100 000 Zloty. Und jenen von ihnen mit den höchsten Wert auf dem jeweiligen Gebiet der ehemaligen 49 Wojewodschaften (frühere Verwaltungsgebiete) winken jeweils 1 Mio. Zloty, verspricht der Chef der Staatskanzlei. Nach seinen Angaben sind für die gesamte Impf-Kampagne 140 Mio. Zloty vorgesehen
Aktuell (Stand 27.Mai) sind in Polen 18,78 Mio. Personen geimpft, davon 5,64 Mio. Menschen mit einem vollständigen Impfschutz (Zweit-Impfung). Die größte Sorge macht den polnischen Gesundheits-Experten die geringe Impfbereitschaft in der Gruppe der Personen über 60 Jahre. Rund 50 Prozent haben hier die ihnen zugesprochene Impf-Priorisierung nicht angenommen.

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Lockdown-Ende – Reisewarnung für Polen aufgehoben

In Polen kann man  im Innern eines Restaurants wieder Platz nehmen. Auch der Besuch in Fitness-Studios und Solarien ist unter Einhaltung der Sanitär-Regelungen und bei Berücksichtigung einer Kapazitäts-Grenze bis zu 50 Prozent möglich. Reglementierungen wie die Adress-Hinterlegung oder die Vorlage eines aktuellen Corona-Tests gibt es dabei nicht.
Auch in den Schulen kehrt man wieder zum vollständigen stationären Unterricht zurück.

Foto: PL-Agentur

Die jetzt vorgenommenen Lockerungen sind die letzte Stufe des von der Regierung bereits im April vorgelegten Mehrstufen-Programms mit zeitlich festgelegten Fristen zum Abbau der Corona-Beschränkungen. All diese Fristen wurden eingehalten. Bereits Anfang Mai öffnete wieder der Handel, Museen und Kunst-Galerien. Am 8. Mai folgten die Hotels und andere Beherbergungs-Einrichtungen mit einer zu belegenden Betten-Kapazität von max. 50 Prozent. Am 15.Mai konnte dann auch wieder die Außen-Gastronomie und Sportobjekte im Außenbereich mit einer beschränkten Teilnehmerzahl-Zahl öffnen.

Der schrittweise Abbau der Beschränkungen ging mit dem rasanten Rückgang der Corona-Infektionen und der Entspannung der Situation in den Krankenhäusern einher. Das Gesundheits-Ministerium in Warschau meldete zuletzt (28.Mai) nur noch 946 Neu-Infektionen und 35 Todesfälle im direkten Zusammenhang mit Corona. Die Zahl der Patienten, die in den Krankenhäusern wegen Corona behandelt werden müssen, ist inzwischen auf unter 6 000 gesunken.
Die in den vergangenen Wochen stark rückläufige Entwicklung der Corona-Infektionslage in Polen hat nun auch das Robert-Koch-Institut in Berlin zur Kenntnis genommen. Polen wurde von der Liste der Risiko-Länder gestrichen. Die Reisewarnung ist damit hinfällig. Ab Sonntag (30.Mai) sind damit wieder Reisen von Polen nach Deutschland per Auto, Bus und Bahn ohne Tests möglich. Nur bei Flugreisen ist weiterhin ein negativer Corona-Test notwendig (nicht für vollständig Geimpfte).

Probleme mit Impfeintrag von BioNTech/Pfizer an der Grenze

Anders sieht es dagegen bei der Einreise nach Polen aus. Hier gilt noch weiterhin eine Quarantänepflicht von 10 Tagen, von der man sich mit einem negativen Covid-19-Testergebnis befreien kann. Dies gilt allerdings nicht für Grenzpendler und den gewerblichen Warentransport. Auch Personen, die mit einem von der EU zugelassenen Impfstoff vollständig geimpft wurden , sind davon befreit. Allerdings gibt es dabei auch Probleme, speziell bei Deutschen, die mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer geimpft wurden und an der Grenze ihren Impf-Ausweis als Impf-Beleg vorweisen. Da ist aber das Etikett ,,Comirnaty“ eingetragen, das von BioNTech/Pfizer offiziell vorgegebene Etikett für deren Impfstoff. Damit kommen aber die polnischen Beamten an der Grenze nicht klar. Dort hat sich noch nicht herumgesprochen, dass ,,Comirnaty“ der Impfstoff von Pfizer/BioNTech ist. Eine Information aus der Zentrale, wie damit umzugehen ist, gibt es bislang auch nicht. Also wurden auch schon Deutsche mit diesem Impf-Eintrag wieder an der Grenze zurückgeschickt.
Die Kontrollen durch polnische Beamte an der Grenze werden nach amtlichen Angaben zunächst erst einmal noch bis zum 6.Juni fortgeführt.
Im Unterschied dazu geht Polen bei Einreisen aus Großbritannien weiter lax um. Einreise-Beschränkungen zum Schutz vor der indischen Virus-Variante aus Großbritannien, wie sie Deutschland, Österreich und Frankreich eingeführt wurden, hält Polen nicht für nötig.
Aus Fehlern hat man in Warschau offensichtlich nichts gelernt. So hatte man in Rücksicht – oder besser gesagt in Nachsicht auf die knapp eine Million Polen, die in Großbritannien arbeiten und von denen viele erwartungsgemäß zu Weihnachten ihre Familien in der Heimat besuchten, keine Kontrollen durchgeführt. Dies betraf nicht nur jene, die in großer Schar mit dem Auto über Deutschland einreisten. Auch auf den Flughäfen wurden zu Weihnachten keine Corona-Tests durchgeführt, was nach Ansicht der Wissenschaftler eine Ausbreitung der britischen Variante des Corona-Virus in den nachfolgenden Wochen in Polen zur Folge hatte.
Auch jetzt sieht man wieder keine Veranlassung von besonderen Maßnahmen zum Schutz vor der indischen Variante des Corona-Virus aus Großbritannien. Wenn es notwendig ist, werde die Regierung entsprechende Maßnahmen ergreifen, heißt es lakonisch aus dem Gesundheitsministerium. Dies sei gegenwärtig nicht der Fall.

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Polen kehrt zur Normalität zurück – Stufenplan

Das polnische Gesundheits-Ministerium vermeldete heute (4.Mai) nur noch 2296 Neu-Infektionen und 28 Todesfälle durch oder in Verbindung mit Covid-19. Gleichzeitig werden in den Krankenhäusern noch knapp 21 000 Corona-Patienten behandelt Vor einer Woche waren es noch knapp 27 000. ,,Die gesamte Zeit von Woche zu Woche notieren wir einen Rückgang der Erkrankungen um 30 bis 40 Prozent.

Nach 40 Tagen Lockdown sind seit heute die Läden wieder geöffnet. Foto: PL-Agentur

,,Deshalb wollen wir jetzt Schritt für Schritt in die Normalität zurückkehren, auch im Ge-sundheitswesen“, erklärte Gesundheitsminister Adam Niedzielski. Dazu wurde ein Öffnungs-Stufenplan vor der Regierung bereits Ende April veröffentlicht. Gemäß diesem Stufenplan wurden bereits heute alle Läden in Polen nach 40 Tagen Lockdown wieder ge-öffnet. Wie der Handel sind auch Museen und Kunstgalerien unter Einhaltung der bisherigen Sa-nitär-Vorschriften und Ab-standsregeln ab heute wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

Die weiteren Stufen der Öffnung hat die polnische Regierung wie folgt terminiert:

ab dem 8.Mai Öffnung der Hotels mit einer zu belegenden Betten-Kapazität von max. 50 Prozent,

ab dem 15. Mai Öffnung der Außen-Gastronomie und der Sportobjekte im Außenbereich mit beschränkter Teilnehmer-Zahl. In allen Schulen findet wieder Hybrid-Unterricht statt,

ab dem 29. Mai Öffnung der Innen-Gastronomie, Kinos und Theater, Fitness-Studios, Solarien. Wieder stationärer Unterricht in allen Klassen-Stufen der Schulen.

Nach Angaben der Regierung bleiben die stationären Kontrollen an den Außen-Grenzen, einschließlich der Grenzübergänge nach Deutschland, noch bis Ende Mai bestehen.
Einreisende aus dem Schengen-Gebiet, also auch aus Deutschland, die keinen negativen Corona-Testnachweis haben, der nicht älter als 48 Stunden ist, werden in Quarantäne geschickt. Von der Quarantäne-Pflicht sind dabei Personen befreit, die einen Impf-Nachweis gegen Corona vorweisen können.

Indische Virus-Mutation in Warschau und Oberschlesien

Diese Regelung wird allerdings aktuell jetzt durchbrochen und eine Verschärfung der Kontrollen vorgenommen, nachdem das Gesundheitsministerium heute zwei weitere Corona-Hotspots mit der indischen Mutation des Virus vermeldet hat – einen in Warschau und einem zweiten Hotspot in Katowice. ,,Im Moment haben wir 14 untersuchte Proben aus Warschau und Katowice. Diese Proben bestätigen, dass es sich um die indische Mutation handelt“, erklärte Gesundheits-Minister Niedzielski. In der Summe könne man von einer größeren Zahl von Personen ausgehen als von den 14 als indische Mutation identifizierten Proben.
Untersuchungen und Ermittlungen der polnischen Behörden ergaben, dass die Einschleppung der indischen Variante u.a. auf eine Andacht katholischer Ordensschwestern, an der auch eine Ordensschwester aus Indien teilnahm, zurückzuführen sei. Die Ordensschwestern hatten sich auch um Obdachlose gekümmert.
Die polnische Regierung hat jetzt deshalb verschärfte Kontrollen und Verhaltensregeln für Einreisende aus Indien, Brasilien und Südafrika festgelegt. ,,Wir gehen hier nach dem amerikanischen Muster vor“, erklärte Gesundheitsminister Niedzielski. Einreisende aus diesen drei Ländern müssen in Quarantäne, selbst wenn sie nachweislich gegen Corona geimpft wurden.

In Polen selbst haben bislang 11,99 Mio. Menschen eine Impfung gegen Corona erhalten. Das sind knapp ein Drittel der in Polen lebenden Bevölkerung.

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Impf-Mobile: ,,Mit der Impfung in den Mai“

Die Ersten erschienen schon  3 Uhr in der Frühe. Einige von ihnen hatten Decken und Campingstühle mitgebracht.  Als am 1.Mai das  vor dem Wojewodschafts-Amt in Warschau aufgebaute mobile Impfzentrum öffnete,  standen bereits 1000 Personen in der Warteschlange. Eine ähnliche Situation bot sich auch in den anderen Impf-Mobilen , die die Regierung im Rahmen ihrer Impf-Aktion zu den Mai-Feiertagen aufbauen ließ. Traditionell werden die ersten Mai-Tage in Polen in Verbindung mit den Feiertagen (3.Mai -Tag der Verfassung) als ,,Majówka“ mit verstärkten Reise- und Ferienaktivitäten begangen. Anliegen der Regierung ist es, mit ihrer Impfmobile-Aktion einen aufklärerischen und motivierenden Gegenakzent zu setzen, mit dem der Schutz vor der Corona-Infektion durch Impfen auf breiter Basis  popularisiert werden soll. So kann sich jeder in den 16 Impf-Mobilen ohne Anmeldung  unabhängig von der Impf-Priorisierung, die in Polen bereits aufgelöst wurde, impfen lassen. Das Vorgehen orientiert sich dabei an positiven Erfahrungen  der Impfkampagnen ohne Impf-Bürokratie in den USA und Großbritannien.

Geimpft wird mit dem Vektor-Impfstoff von Johnson & Johnson, der bereits nach einer Impfung Schutz bietet. Den Impf-Mobilen sind allerdings Grenzen gesetzt. Es stehen nur jeweils 2500 Impf-Dosen zur Verfügung.  Für die Regierung hat die Aktion dennoch mehr als nur symbolischen Charakter. Vor dem Hintergrund jüngster Umfragen, wonach 40 Prozent der polnischen Bevölkerung einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, will sie die Impfbereitschaft mobilisieren. So werden jetzt bereits die Jahrgänge ab 30 Jahren zur Impf-Registrierung aufgerufen, ab dem 9.Mai sollen dann die Zwanzigjährigen folgen.

Lebensmittelkonzern: 500 Złoty Impf-Prämie 

Im Mai soll dann auch die Impfung in den Unternehmen, in denen es mehr als 300 Impfwillige (plus ihren Familienangehörigen) gibt, beginnen. Der polnische Lebensmittelkonzern Maspex hat bereits zur Motivierung seiner Belegschaft die Zahlung einer Impf-Prämie in Höhe von 500 Złoty (rund 115 Euro) angekündigt. In eine ganz andere Richtung zum Abbau der Impf-Skepsis gehen dagegen Vorschläge von einigen Vertretern des Medizinischen Rates der Regierung. Sie schlagen vor, dass Impfverweigerer, die an Covid-19 erkranken, selbst die Kosten der Behandlung tragen sollen.  Das Gesundheits-Ministerium lehnt einen solchen Vorschlag momentan noch  ab. Auch die Ausstellung von  Ausweisen für Geimpfte , die den uneingeschränkten Zugang zu Hotels und Restaurant ermöglichen, werden von der Regierung grundsätzlich abgelehnt.

Die Zahl der Neu-Infektionen ist laut den von der Regierung vorgelegten Zahlen seit 10 Tagen kontinuierlich rückläufig. Am 2.Mai meldete das polnische Gesundheitsministerium  4612 Neu-Infektionen und  144 Todes-Fälle durch oder im Zusammenhang  mit Corona. In den Krankenhäusern werden noch 21 209 Patienten wegen Covid-19 behandelt. Auch hier ist die Zahl wie bei den Neu-Infektionen seit einer Woche kontinuierlich um ein Drittel zurückgegangen. Vor dem Hintergrund, dass Polen die höchste Sterblichkeitsrate in der Europäischen Union pro 100 000 Einwohner durch Covid-19 hat, äußern polnische Mediziner wie der Präsident der Ärzte-Kammer in Warschau allerdings  Zweifel an den von der Regierung vorgelegten Zahlen.

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35 000 Neu-Infektionen – Polen steht vor der Schließung

,,Die Situation ist extraordinär“. Mit diesen Worten beschreibt der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski den rasanten Anstieg der Corona-Zahlen im Land. Stieg am vergangenen Donnerstag die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie auf über 30 000, waren es gestern bereits 35 143 Fälle. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 125 Todesfälle in direkten Verbindung mit Corona vermeldet.

Foto: PL-MVI-Agentur

Foto: PL-Agentur

Die polnische Regierung hat deshalb die Lockdown-Beschränkungen ein weiteres Mal verschärft. Bau- und Möbelmärkte mit einer Fläche von über 2000 qm sind ab heute wieder geschlossen. Auch Friseur-Salons und Kosmetikstudios, die seit Monaten ohne Unterbrechung arbeiten konnten, müssen jetzt schließen. Nur noch Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Optiker-Läden und Reparaturdienste sowie Banken bleiben unter der Auflage von größer gezogenen Sicherheitsabständen offen.
Bereits vergangene Woche wurde die Schließung von Hotels, Pensionen und anderen Übernachtungseinrichtungen angeordnet. Verschärft wurden auch die Eingriffe in die Grundrechte. Nachdem bereits die Organisation von Versammlungen, Demonstrationen usw. verboten wurde, gilt jetzt auch die Teilnahme an solchen als Straftat. Dies betrifft auch spontane Menschenansammlungen, für die es aufgrund ihres Charakters keinen Organisator gibt.

Null-Toleranz für die Verwaltungen

Gesundheitsminister Niedzielski erklärte auf einem Presse-Briefing, dass es jetzt keine Zeit mehr gebe für Analysen und endlose Diskussionen. Jetzt müsse schnell gehandelt werden. Von seiner Seite aus gebe es jetzt Null-Toleranz mit fehlender Kooperationsbereitschaft in den regionalen Verwaltungs-Ebenen und der Abschiebung von Verantwortung.
Mit den stark gestiegen Infektions-Zahlen ist auch die Zahl der in den Krankenhäusern mit Covid-19-Patienten belegten Betten rapide gestiegen. Jeden Tag kommen mehr als 500 Patienten hinzu. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden aktuell 27 779 Covid-Patienten in den Krankenhäusern behandelt. Davon müssen 2 730 Patienten (Stand 27.März) künstlich beatmet werden.
Der Chef des medizinischen Berater-Gremiums der Regierung, Prof. Andrzej Horban, warnte bereits, dass Polen geschlossen werden müsse. Wann? ,,Morgen noch nicht. Übermorgen kann das schon möglich sein“, wenn die tägliche Zahl der Neuinfektionen im Wochen-Rhythmus 30 000 überschreite, sagte er der Zeitung Rzeczpospolita.

Notfall-Plan für Patiententransport mit Militärflugzeugen

Als besonders kritisch schätzt das Gesundheits-Ministerium die Situation in der Hauptstadt-Region Warschau (Mazowieckie), Oberschlesien und der Region um Poznań (Wielkopolskie) ein. Das medizinische Personal in den Krankenhäusern und den Rettungsdiensten arbeitet bereits am Limit. Dies bestätigte auch Warschaus Stadt-Präsident Rafał Trzaskowski, der gerade nach einer überstandenen Corona-Erkrankung das Krankenhaus verlassen hat. Das ganze System würde wie ,,feines Mehl zerstäuben, wäre da nicht das helfende Personal aus der Ukraine und Weißrussland“.
Besonders zugespitzt hat sich in den vergangenen Tagen die Situation in Oberschlesien. Im Warschauer Gesundheitsministerium werden nach Angaben seines Ministers bereits Notfall-Pläne für den Transport von Patienten mit Militär-Flugzeugen in Krankenhäusern anderer Regionen vorbereitet, in denen es noch freie Aufnahme- und Behandlungskapazitäten gibt.

Polen mit wenigsten Corona-Tests in der gesamten EU

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist die Zuspitzung der Situation auf die rasante Verbreitung der britische Mutante des Corona-Virus B.1.1.7 zurückzuführen. Aktuell gehen bereits 80 Prozent aller Covid-Erkrankungen auf die britische Mutante zurück. Dies hat die Fehler-Diskussion in der Öffentlichkeit angefacht. Nach Ansicht des Chefberaters der Regierung, Prof. Horban, hätte eine dritte Welle vermieden werden können, wenn die polnischen Landsleute, die in Großbritannien arbeiten (knapp 1 Mio.), bei ihrer Einreise nach Polen für Familien-Besuche zu Weihnachten getestet worden wären. Selbst auf den polnischen Flughäfen wurden jedoch bei Einreisenden aus Großbritannien solche Test nicht durchgeführt. PiS-Senator und Ex-Präsident des polnischen Oberhauses Stanisław Karczewski verteidigte dies. Man habe keine Tests durchgeführt, weil ,,die Regierung dafür gehasst worden wäre“, sagte der PiS-Politiker den privaten Fernsehsender TVN.
Diese Aussage begründet auch den weitverbreiteten Verdacht, dass die stark rückläufigen Corona-Zahlen im Januar und Februar, auf deren Grundlage die Regierung ihre breitangelegten Lockerungs-Maßnahmen anlegte, nur auf keine oder wenige Tests zurückzuführen waren. Dies wird auch durch die vom Europäischen Zentrum für die Krankheits-Prävention und Kontrolle ECDC bestätigt. Danach hat Polen von allen EU-Ländern im Zeitraum vom 1.Januar bis 14.März die wenigsten Corona-Tests durchgeführt. Nach Angaben der EU-Behörde waren es bezogen auf 100 000 Einwohner in diesem Zeitraum durchschnittlich 878 pro Woche!!
Erst seit Mitte März werden in Polen wieder mehr Tests durchgeführt. Nach Angaben einer Sprecherin des Gesundheitsministerium bis zu 95 000 pro Tag. Automatisch ist damit die Zahl der gemeldeten Neu-Infektionen dramatisch angestiegen.

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Foto: PL-MVI-Agentur

Kein Oster-Urlaub in Polen – Hotels wieder geschlossen

 

Foto: PL-MVI-Agentur

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♦ Ganz Polen in den Lockdown versetzt
♦ Bundesregierung stuft Polen als Hochinzidenzgebiet ein
♦ Minister: Hysterie um Astra Zeneca durch fehlerhafte Regierungs-Entscheidungen

Die in vier Wojewodschaften eingeführten lokalen Lockdowns haben die Corona-Entwicklung nicht stoppen können. Die Regierung in Warschau hat jetzt wieder ganz Polen mit Wirkung vom 20.März (Sonnabend) in den Lockdown versetzt. Entscheidungs-Grundlage war dabei die kritische Marke von 25 000 Neu-Infektionen pro Tag, die beim Lockdown im vergangenen November überschritten wurde.
Anfang März lagen die täglichen Infektions-Zahlen noch unter 10 000. Seitdem sind die Tages-Zahlen kontinuierlich im schnellen Tempo gestiegen. Mit der am Mittwoch (17.März) gemeldeten Tageszahl an Neuinfektionen wurde die Grenze von 25 000 überschritten. Damit war der Punkt gekommen, auf die Bremse zu treten.
Mit den stark gestiegen Infektions-Zahlen ist auch die Zahl der in den Krankenhäusern mit Covid-19-Patienten belegten Betten gestiegen. Nach Angaben des polnischen Gesundheitsministeriums sind aktuell 72 Prozent der für Covid-19-Patienten verfügbaren Bettenkapazität belegt. Das ist der höchste Stand seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor einem Jahr. Auch die verfügbaren Beatmungs-Geräte in den Krankenhäusern sind zu 74 Prozent belegt.

Friseursalons und Kosmetikstudios weiter offen

Mit dem jetzt für das ganze Land angeordneten Lockdown werden die bereits im Januar und Februar eingeleiteten Lockerungen wieder zurückgenommen. Damit werden die Geschäfte, insbesondere die großen Einkaufszentren (Handels-Galerien) wieder geschlossen. Davon ausgenommen sind Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Optiker-Läden und Reparaturdienste sowie Banken. Allerdings bleiben Möbel-Märkte und Baumärkte weiterhin offen. Selbst für Elektronik-Märkte bietet sich eine Öffnungsluke unter Nutzung des in der amtlichen Verordnung zugelassenen ,,Verkaufs von Telekommunikations-Dienstleistungen“. Auch Friseur-Salons und Kosmetikstudios, die seit Monaten offen sind, können weiter ihre Kunden bedienen.

Hotels in 163 Ländern geöffnet  – in Polen geschlossen

Anders sieht es dagegen bei Hotels und Pensionen aus. Erst am 12. Februar wieder eröffnet, müssen sie jetzt wieder schließen. Polen gehört damit zu den sechs Ländern in Europa, in denen auf der Hotel-Branche die höchsten Restriktionen lasten. Dagegen sind in 163 Ländern der Welt die Hotels nicht geschlossen oder können unter Einhaltung bestimmter Sanitär-Vorschriften weiter arbeiten. Für die Hotel-Fachzeitschrift ,,Hotelarz“ ist dieser Widerspruch nicht erklärbar. Es reiche aus, dass der Mediziner-Rat der Regierung  erklärt, man müsse eine bestimmte Branche schließen und schon handele die Regierung im vollsten Vertrauen zu den Professoren. Präzise Analysen und Untersuchungen, die die Entscheidung begründen, werden dazu aber nicht vorgelegt, kritisieren die Kammerorganisationen für die Hotelbranche.

Für die Hotels und Pensionen an der Ostsee-Küste ist dies ein herber Schlag. Sie hatten gerade darauf gehofft, zu Ostern mit der Aufnahme von in- und ausländischen Urlauber, insbesondere aus Deutschland, ihren drastischen Umsatz-Rückgänge etwas entgegensetzen zu können. Der erst ursprünglich nur für zwei Wochen, dann aber auf dem 9.April festgesetzte Lockdown hat ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht und damit den Saison-Start verhagelt. Und es könnte noch schlimmer kommen. Gesundheits-Minister Adam Niedzielski hat bereits deutlich gemacht, dass bei einem weiteren Anstieg der Infektionszahlen ein ,,typischer Lockdown“ eingeführt wird. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass die jetzt eingeführten Beschränkungen als ,,weicher Lockdown“ zu bewerten sind. Als kritische Marke für eine Maßnahmen-Verschärfung ist die Zahl der täglichen Neu-Infektionen von 30 000 bereits schon im Gespräch
Die höchsten Infektionszahlen werden seit Tagen kontinuierlich aus den Großstadt-Regionen von Warschau, Schlesien und Niederschlesien sowie Poznań gemeldet. Poznań und die umgebende Region sind besonders auffällig bei der Ansteckung mit der britischen Mutante des Corona-Virus B.1.1.7.
80 Prozent der Fälle entfallen hier auf die britische Mutation. In Poznań war Anfang Januar von einem privaten Labor der erste Fall der britischen Variante bei einer Ausländerin aufgedeckt worden. Seitdem hat sich der Virus in der Region rasant verbreitet.

Polen als Hochinzidenzgebiet eingestuft

Bei den Einreise-Regeln bleibt Polen weiterhin entspannt – Die alten, bisher geltenden Regelungen bleiben weiter bestehen, also 10tägige Quarantänepflicht Privat-Reisende, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln einreisen (z.B. Bus, Flugzeug etc). Davon ausgenommen sind Personen, welche ein negatives Corona-Test-Ergebnis, das nicht älter als 48 Stunden ist, vorlegen können. Dies gilt auch für Personen, die bereits gegen Corona geimpft wurden. Von der Quarantänepflicht sind auch die Personen befreit, die eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, in der bestätigt wird, dass sie bereits eine Corona-Infektion hinter sich haben.
Auf deutscher Seite wurden die Einreise-Regelungen jetzt verschärft. Die Bundesregierung hat Polen als Hochinzidenzgebiet eingestuft. Ab Sonntag ist die Einreise aus Polen nur noch mit einem negativen Corona-Test erlaubt, teilte das Robert-Koch-Institut mit. Die Kontrollen sollen aber bislang nur stichpunktartig erfolgen. Allerdings bleibt abzuwarten, wie das im deutschen Puzzle von Bundes- und Landesverordnungen umgesetzt und konkret vor Ort angewendet wird. Schließlich ist Deutschland beim Waren-Import und Dienstleistungsverkehr mit Polen auf einem viel höheren Niveau verflechtet als mit Tschechien oder Österreich (laut Statistischen Bundesamt vom November nimmt Polen noch vor den USA den dritten Platz in der deutschen Import-Statistik hinter China und den Niederlanden ein). Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls hat bereits schon vor einer Woche eine Verschärfung der Quarantäneverordnung beschlossen und Testzentren an der Grenze eingerichtet. Wer als Berufspendler über die Grenze muss, braucht alle zwei Tage einen negativen Schnelltest.

Chef der Staatskanzlei: Hysterie um Astra Zeneca durch fehlerhafte Entscheidungen einiger Regierungen

Mit knapp 5 Mio. Impfungen hat man in Polen bereits ein Fünftel der sogenannten Herden-Immunität erreicht. Die Herden-Immunität ist erreicht, wenn 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft ist.

Anders als das im Bürokratismus erstickende Impfzentral-System in Deutschland werden die Impfungen in Polen dezentral in über 6000 Impfstellen verabreicht. Dabei wurde auch ohne Unterbrechung der Impfstoff von Astra Zeneca eingesetzt. Außer wie bei auch bei anderen Impfstoffen auftretenden leichten Nebenwirkungen im Promille-Bereich, habe es keine schweren Zwischen- oder Todesfälle gegeben.

,,Man muss gesunden Menschenverstand bewahren und sich auf die Fakten und Einschätzungen der Ärzte und Experten stützen“, sagte dazu der Chef der Staatskanzlei Michał Dworczyk mit Hinweis auf die Erklärung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA zum Impfstoff von Astra Zeneca. Nach Auffassung des Ministers haben die fehlerhaften Entscheidungen einiger Regierungen (nicht ausgesprochen, aber gemeint ist auch die Bundesregierung) ,,Panik und Hysterie“ ausgelöst. ,,Für einige waren das vielleicht politische Entscheidungen, die mit Interessen und den enormen Geldern verbunden sind, hinter denen die Pharma-Industrie steht. Es sei genau zu analysieren, ob es nur ausschließlich Panik und Hysterie war oder ,,ob wir es mit einer Desinformations-Kampagne zur Diskreditierung eines der Produzenten zu tun hatten. Eine solche Analyse ist notwendig, weil es Länder gibt, die an die Herbeiführung eines solchen Chaos interessiert sein können“, sagte Dworczyk bei TVP Info.



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Lokaler Lockdown in Grenzregion zu Deutschland

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Seinen in der Corona-Politik eingeschlagenen Regionalisierungs-Kurs folgend, hat die polnische Regierung heute den lokalen Lockdown für die an Deutschland angrenzende Wojewodschaft Lubuskie eingeführt. Mit 396 Neu-Infektionen (Stand 15.März) liegt Lubuskie bei den Neuinfektionen aktuell zwar nur im Mittelfeld der 16 polnischen Wojewodschaften. Bezogen auf die relative geringe Einwohnerzahl (1Mio) ist der 7-Tage-Inzidenzwert in Deutschlands Nachbarregion in den vergangenen zwei Wochen jedoch deutlich angestiegen. Insgesamt hat sich die Zahl der Neu-Infektionen in ganz Polen innerhalb von einer Woche um 75 Prozent erhöht.

Neben Lubuskie wurde der lokale Lockdown auch in der Warschauer Hauptstadt-Region Mazowieckie verhängt, die gegenwärtig die höchsten Zahlen hat (2311 – 15.März).
Bereits zuvor wurden in den Masuren und der Ostsee-Region Pommern (Pomorskie) der lokale Lockdown verhängt bzw. verlängert.

Lockerungen wieder rückgängig

Mit den lokalen Lockdowns werden die bereits im Januar und Februar eingeführten Lockerungen wieder zurückgenommen. Damit sind in den vier Wojewodschaften  die Einkaufszentren wieder geschlossen. Ausnahmen gelten nur für Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Friseure, Kosmetikstudios, Reparaturdienste, Banken.

Auch die Hotels müssen wieder schließen, was gerade für die an der Ostsee-Küste gelegene Region Pommern und die Tourismus-Region vor Beginn der Osterfeiertage ein herber Rückschlag ist.
Bei den Einreise-Regelungen nimmt Polen keine Verschärfung der Maßnahmen vor, wie eine Sprecherin des Grenzschutzes für die polnische Westgrenze gegenüber infopol.PRESS bestätigte. Es gelten weiter die bereits seit Jahresbeginn geltenden Regelungen mit 10-Tage-Quarantänepflicht für Einreisende mit Massenverkehrsmitteln /u.a. Bus, Test-Nachweis an den Flughäfen, Ausnahmeregelungen für Berufspendler). Testzentren und verschärfte Kontrollen an den Grenzen nach Deutschland seien nicht vorgesehen.

Mecklenburg-Vorpommern: Testzentren an der Grenze zu Polen

Anders sieht es dagegen auf der deutsche Seite aus. Bisher nur mit punktuellen Kontrollen nimmt die Polizei an den Brandenburger Grenzübergängen verstärkt jene deutschen Autofahrer (innen) ins Visier, die trotz bestehender Beschränkungen weiterhin ihren ,,Einkaufstourismus“ nachgehen.
Im deutschen Bundes-Dschungel der Corona-Verordnungen hebt sich Mecklenburg-Vorpommern mit seinen Corona-Maßnahmen an der Grenze zur Polen hervor. Bereits vergangene Woche hat dort die Landesregierung eine Verschärfung der Quarantäneverordnung beschlossen, um einer drohenden Einstufung Polens als Hochrisikogebiet vorzubeugen. Dazu wurden bereits Testzentren an der Grenze eingerichtet. Wer als Berufspendler über die Grenze muss, braucht alle zwei Tage einen negativen Schnelltest. Der ist kostenpflichtig. Dabei hat Mecklenburg-Vorpommern überhaupt keine Grenze zum Lockdown-Gebiet Lubuskie. Die an Mecklenburg-Vorpommern angrenzende Wojewodschaft Zachodnie Pomorskie (Westpommern) gehört zu den Regionen mit den niedrigsten Infektionszahlen in ganz Polen. Für die meisten Polen ist Mecklenburg-Vorpommern auch nur eine Durchfahrts-Region zu den wirtschaftlich interessanteren Gebieten Deutschlands.

Kurkliniken wieder geöffnet

Ungeachtet der wieder stark steigenden Infektionsfälle hat die polnische Regierung gleichzeitig aber auch ab 11.März wieder die Öffnung aller 133 Kurkliniken – und –häuser in ganz Polen zugelassen. Für deren Besuch muss lediglich ein negativer Anti-Covid-Test vorgelegt werden, der nicht älter als vier Tage ist. Für Personen, die bereits eine Anti-Corona-Impfung erhalten haben , gelten ohnehin keine Beschränkungen. Dies trifft auf die meisten Senioren zu, die bereits geimpft wurden.

Polen bei Impfungen in der EU vorn

Polen nimmt bei der Anzahl der durchgeführten Impfungen mit seinen dezentralen Impfsystem in Europa einen vorderen Platz ein. Gemessen an der Gesamtzahl sind knapp 12 Prozent der polnischen Bevölkerung geimpft. Anders als in den zentralisiert gesteuerten Impfzentren der Bundesländer in Deutschland, wird die Impfung in Polen dezentral in über 6000 Impfstellen vorgenommen.
Wie auch in anderen Ländern ist der Mangel an Impfstoffen das größte Problem, Impfungen schneller und umfassender durchzuführen. Wie auch andere EU-Länder verlässt sich Polen nicht mehr auf den durchbürokratisierten Brüsseler Verwaltungsapparat. In einer repräsentativen Umfrage ist auch jeder zweite der Befragten in Polen der Ansicht, dass die von Ursula von der Leyen geführte EU in einer menschlich existenziellen Frage völlig versagt habe.
Polen geht jetzt bei der Impfstoffbeschaffung eigene Wege. Nach Aussage von Gesundheitsminister Niedzielski wurden bereits 16 Millionen -Dosen von Johnson & Johnson bestellt, dessen Impfstoff gerade von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugelassen wurde. Große Hoffnung setzt man auch auf den amerikanischen Pharma-Herstellen Novavax, dessen Impfstoff gerade von der EMA geprüft und voraussichtlich ab Mai zugelassen wird. Das polnische Biotechnologie-Unternehmen Mabion hat bereits mit Novovax eine Vereinbarung zur Produktion von dessen Wirkstoff in Polen getroffen.

Auch der Einsatz eines chinesischen Impfstoffs ist bereits im Gespräch. Staatspräsident Andrzej Duda hat dazu Anfang März mit den chinesischen Regierungschef ein Telefon-Gespräch geführt.

Ordnungsbehörden: Von nachsichtig bis brutal

Bei der Durchsetzung der Corona-Beschränkungen geben die polnischen Ordnungsbehörden ein völlig widersprüchliches Bild ab. So feierten bei der Öffnung der Hotels in der Wintersport-Region von Zakopane Tausenden Passanten auf den Strassen dichtgedrängt ohne Sicherheits-Abstand und Schutzmasken Party, ohne dass die Ordnungsbehörden regulierend eingriffen.
Andererseits gibt es auf lokaler Ebene auch erschreckende Übergriffe von Ordnungs-Beamten, die im Einsatz der Mittel völlig unangemessen sind. Ein besonders brutalen Einsatz, der in den jüngsten Tagen die polnische Öffentlichkeit empörte, zeigt nachfolgendes Video, aufgenommen in der Kleinstadt Ełk in der Urlaubsregion Masuren. Ein Fußgänger, der auf der Straße keine Maske trug, wird vom Straż Miejska gestoppt. Zu den Aufgaben des Straż Miejska gehört ähnlich wie bei den städtischen Ordnungsämtern in Deutschland gewöhnlicherweise die Feststellung von Parksündern und das Ausschreiben von ,,Knöllchen“. In Polen hat der Straż Miejska ausgestattet mit Zwangsmitteln aber auch die Befugnisse einer Stadtpolizei.
Ob der gestoppte Passant auf der Strasse vergessen hatte, die Maske aufzuziehen oder es andere Gründe gab, konnte er überhaupt nicht mehr erklären. Ihm wurde sofort Pfeffergas ins Gesicht gesprüht, um ihn dann wie einen Schwerverbrecher auf den Boden zu zwingen. Siehe Video

 

Quelle: Augenzeugen / Facebook

Auch andere Regionen gefährdet

Die heute eingeführten lokalen Lockdowns gelten zunächst bis 28.März. Gesundheitsminister Niedzielski schließt nicht aus, dass in den nächsten Tagen in weiteren Wojewodschaften Lockdowns folgen werden. Mit sehr hohen Infektionszahlen sind dabei besonders Schlesien und die Region um Poznań gefährdet.

© André Jański / infopol.PRESS

Polen gibt Astra Zeneca auch für über 65jährige frei

Der bei der polnische Regierung tätige Medizinische Rat hat die Alters-Obergrenze für den Einsatz des Impfstoffes von Astra Zeneca erhöht. Diese Entscheidung stütze sich auf neueste wissenschaftliche Untersuchungen. Das Experten-Gremium empfiehlt daher, den Impfstoff in der Altersgruppe von 18 bis 69 Jahre einzusetzen. Ab dem 2.März werden deshalb entsprechend der polnischen Impf-Priorisierung jetzt auch Lehrer und Hochschul-Lehrer bis 69 Jahren mit dem Vakzin von Astra Zeneca geimpft. Neben dem medizinischen Personal, hochbetagten Personen und Vertretern sicherheitsrelevanter Bereiche wurden bis Ende Februar auch bereits über 200 000 Personen aus dem Bildungswesen geimpft.


Nach Angaben des polnischen Gesundheitsministeriums sind bisher 3,164 Mio. Personen (Stand 26.Februar) in Polen gegen Covid-19 geimpft wurden. Davon haben bereits über 1,121 Personen eine zweite Impfung erhalten.
Seit Ende Dezember hat Polen 3,8 Mio. Impf-Dosen erhalten, neben Astra Zeneca vor allem von Pfizer /Bio NTech und Moderna. Davon wurden 3,5 Mio. an die Impf-Punkte überwiesen. Anders als in den zentralisiert gesteuerten Impfzentren der Bundesländer in Deutschland, wird die Impfung in Polen dezentral in über 6000 Impfstellen vorgenommen.

Wie Gesundheits-Minister Adam Niedzielski informierte, hat Polen sich jetzt neben den von der EU kontraktierten Impfstoffen weitere 8 Mio. Impfdosen vom US-amerikanischen Pharmaunternehmen Novavax und knapp 6 Mio. Impfdosen vom deutschen Impfstoff-Hersteller CureVac aus Tübingen vertraglich gesichert. Das Präparat des amerikanischen Unternehmens Novavacsei ein traditioneller Impfstoff, der in umfangreiche Studien nicht nur eine hohe Wirksamkeit unter Beweis gestellt, sondern auch gegen die britische Coronavirus-Variante sowie gegen die südafrikanische Mutation eine Immunantwort gezeigt habe. Der Impfstoff des deutschen Unternehmen CureVac sei dagegen in der gleichen mRNA-Technologie entwickelt wurden wie Präperate von Pfizer/BioNTech und Moderna, sagte der Minister.

Impfstoff aus China?

Einen Bezug des russischen Impfstoffs Sputnik V, der bereits in Ungarn eingesetzt wird und für den jetzt die Slowakei einen Vertrag unterzeichnet hat (und voraussichtlich auch Tschechien), lehnt Polen kategorisch ab. Polen erwägt jedoch den Einsatz eines Impfstoffes aus China. Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat dazu ein Telefongespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping geführt, wie die Staatskanzlei in Warschau bestätigte.

Die chinesische Nachrichtenagentur berichtete danach, dass der chinesische Präsident eine Zusage zur Lieferung von chinesischen Impfstoffen nach Polen getroffen habe. Konkret geht es dabei um den Impfstoff des chinesischen Konzerns Sinopharm, der bisher innerhalb der EU nur von Ungarn eingesetzt wird. Ob Polen tatsächlich den Impfstoff aus China einsetzen wird, ist aber bislang noch völlig offen. Der Kauf von chinesischen Impfstoff ist Gegenstand von weiteren Festlegungen auf Regierungsebene , heißt es dazu aus der Warschauer Staatskanzlei. Fest steht jedoch, dass sich Polen wie auch andere EU-Länder in der existenziellen Frage der Impfstoffe nicht mehr auf die Brüsseler Bürokratie unter Führung von der Leyens verlassen will.

Nach einem kontinuierlich Rückgang seit Jahresbeginn ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Polen wieder deutlich angestiegen. Auch die Belegung der Intensivstationen nimmt wieder zu. Am letzten Februar-Tag vermeldete das Gesundheits-Ministerium 10099 Neu-Infektionen und 29 Todesfälle in direkter Folge von Covid 19. In Verbindung mit anderen Vorerkrankungen verstarben 85 Personen. Am Vortag waren es 12 100 Neu-Infektionen und 55 Todesfälle in direkter Folge von Covid-19.
Bezogen auf den 7-Tages-Zeitraum verzeichnet das Gesundheits-Ministerium bei den Neuinfektionen eine Wachstums-Rate von 30 Prozent. ,,Es ist ein Fakt, dass wir uns bereits in der 3.Corona-Welle befinden“, sagte der medizinische Berater des Ministerpräsidenten, Prof. Andrzej Horban, in der heutigen Morgensendung des privaten Fernsehsenders TVN. In einem optimistischen Szenario des Verlaufs der dritten Welle rechnet er mit täglich 20 000 Neu-Infektionen in den nächsten Wochen. Im pessimistischen Fall könnten es 50 bis 60 Prozent mehr sein. Der Anstieg der Infektionen werde wesentlich vom Verhalten der Menschen und der Einhaltung der Hygiene-Schutz-Regelungen abhängig sein.
Die polnische Regierung hatte bereits ab 1.Februar eine Lockerung der Lockdown-Beschränkungen eingeleitet. Seitdem sind wieder alle Läden sowie Kultureinrichtungen wie Museen und Kunstgalerien geöffnet. Dienstleistungseinrichtungen wie Friseur- und Kosmetiksalons konnten schon vordem ohne Einschränkungen unter Einhaltung der Hygiene-Regelungen (Schutzmasken, Abstands-Regelungen, Desinfektion) arbeiten.

Am 12. Februar folgte dann die Öffnung der Hotels und Pensionen. In den Wintersportzentren wie in Zakopane kam es darauf hin zu einem enthemmten Publikums-Spektakel. Tausenden feierten auf den Strassen dichtgedrängt ohne Sicherheits-Abstand und Schutzmasken Party. Ob die zuletzt eingeleiteten Lockerungen im Zusammenhang mit den jetzt deutlich zugenommenen Infektionszahlen im Zusammenhang stehen ist nicht belegt, kann nur vermutet werden.

,,Es macht keinen Sinn, mit der Axt auf einen armen Virus loszugehen“

Am vergangenen Wochenende hat die Regierung die Lockerungen wieder zurückgefahren, jedoch nur regional begrenzt auf die Region Ermland-Masuren (Wojewodschaft Warmińsko-Mazurskie). Diese Wojewodschaft gehörte in der Vergangenheit zu den Regionen mit den niedrigsten Infektions-Zahlen. Zuletzt betrug dort die Zahl der Neuinfektionen jedoch im 7-Verlauf 45 auf 100 000 Einwohner. Bei den 1,4 Mio. Menschen, die in Ermland-Masuren leben, ergibt dies 600 Neuinfektionen im Verlauf von 24 Stunden. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch in Regionen ab, die in der Vergangenheit sehr niedrige, weit unter dem Landes-Durchschnitt liegende Infektionszahlen aufwiesen, so in Pommern sowie in der an Deutschland angrenzenden Wojewodschaft Lubuskie.
Eine generelle und radikale Rücknahme der Lockerungen schließt Gesundheits-Minister Niedzielski allerdings im Moment aus. ,,Es wäre unbegründet, dass wir einen Schritt zurück machen und das ganze Land schließen“. Statt sich nur von landesweit vermeldeten Inzidenz-Zahlen leiten zu lassen, will die polnische Regierung künftig ihre Maßnahmen nach regionalen Schwerpunkten in der Infektionslage ausrichten. Die seit einem Jahr andauernde epidemiologische Situation ändere sich ständig dynamisch. ,,In Verbindung damit gibt es andere Erfahrungen und auch unsere Handlungs-Möglichkeiten sind völlig andere. In der gegenwärtigen Situation macht es keinen Sinn, mit der Axt auf einen armen Virus loszugehen“, sagte dazu ironisierend der Chefberater des Ministerpräsidenten, Prof. Horban.

© Magda Szulc/ infopol. PRESS