Aus 282 Rohren illegale Abwässer in die Oder

Foto: Wody Polskie

Im Ergebnis einer parlamentarischen Kontrolle bei der staatlichen Wassergesellschaft Wody Polskie haben Abgeordnete der Oppositionspartei PO massive Ableitungen von Industriegewässern ohne behördliche Genehmigung in die Flüsse festgestellt. Allein an der Oder wurden 282 Fälle identifiziert, die möglichweise für das Fischsterben und die ökologische Katastrophe an dem durch Polen und Deutschland fließenden Fluss verantwortlich sein können.
Die ökologische Katastrophe an der Oder ist inzwischen zu einem erstrangigen Streit-Thema zwischen Opposition und der Regierungspartei im Vorfeld der im kommenden Jahr anstehenden Wahlen geworden. So sind Abgeordnete der Oppositionspartei PO unter Führung von Ex-Premier und Ex-EU-Ratsvorsitzenden Donald Tusk im Ergebnis einer parlamentarischen Kontrolle bei Wody Polskie zu erschreckenden Ergebnissen bei der Gewässer-Verschmutzung durch die illegale Ableitung von Industrie-Abwässern gekommen.

Wody Polskie ist die staatliche Wassergesellschaft. Sie wurde erst 2018 von der nationalkonservativen PiS-Regierung gegründet. Nach dem Vorbild der staatlichen Forstverwaltung, die seit Jahrzehnten in Polen als ,,Staat im Staate“ agiert, wurden die Beamten der Wassergesellschaft mit eigenen Uniformen im Blauton ähnlich der Marine mit goldfarbenen Ärmelstreifen ausgestattet. Für die Opposition hatte dagegen die zentralistisch geführte Behörde keinen Daseins-Zweck. Sie diene auf der Führungsebene nur zur Versorgung von parteitreuen Kadern der Regierungskoalition und ihren Angehörigen. So ist z.B. der stellvertretende Generaldirektor der Wassergesellschaft privat der Mann an der Seite von Klima- und Umweltschutz-Ministerin Anna Moskwa.

In Verbindung mit der ökologischen Katastrophe an der Oder haben Abgeordnete der Oppositionspartei im Rahmen einer parlamentarischen Kontrolle jetzt die Unterlagen der staatlichen Wassergesellschaft geprüft. Deren auf einer Pressekonferenz im polnischen Parlament vorgestellten Ergebnisse haben in der Öffentlichkeit für Furore gesorgt und setzen die Regierung weiter unter Druck. Laut dem Bericht wurden in den Unterlagen der Wassergesellschaft 429 erteilte wasserrechtliche Genehmigungen zur Einleitung von Industrie-Abwässern in die Oder festgestellt. Darunter befände sich auch eine von der Wassergesellschaft erteilte Genehmigung an ein Unternehmen im schlesischen Kędzierzyn-Koźle, das auf Grundlage dieser Genehmigung jährlich 6000 m3 einer umweltschädlichen Substanz in die Oder einleitet. Dies würde laut dem Bericht der Abgeordneten Phosphor und Schwefel enthalten.
Gleichzeitig haben die Parlamentarier 282 Fälle der illegalen Ableitung von Industriegewässern in die Oder ohne Genehmigung identifiziert. ,,Das bedeutet, dass nicht bekannt ist, welche Substanzen in die Oder eingeleitet wurden“, sagte der PO-Parlamentarier Dariusz Joński. Nur 20 der 282 Fälle der illegalen Gewässer-Einleitung seien bei der Polizei zur Anzeige gebracht wurden. Laut Joński haben die zuständigen Institutionen und ihre Beamten genau über die Situation an der Oder gewusst, jedoch nicht die Informationen weitergeleitet oder entsprechende Maßnahmen dagegen ergriffen. ,,Wir haben es hier mit einem Informations-Chaos und einem fehlenden Informationssystem über die Wasser-Qualität in den Flüssen zu tun.“

Eine ähnliche Einschätzung zum Umgang mit den Wasser-Ressourcen, wenn auch aus einen anderen Blickwinkel, hat jetzt auch die NIK in einem kürzlich veröffentlichen Bericht getroffen. Die NIK ist Polens oberste Kontrollkammer, die weitgehend unabhängig von der Regierung die Verwendung von öffentlichen Geldern prüft.
Polen gehört bei der Verfügbarkeit der Wasserressourcen mit 60 Mrd. m³ Wasser zu den wasserärmsten Ländern Europas. Bei Trockenheit und Dürre stehen sogar nur 40 Mrd. m³ Wasser zur Verfügung. Statistisch ergibt das pro Kopf der Bevölkerung eine Verfügbarkeit von 1600 m³ jährlich. Laut UNO führt eine jährliche Verfügbarkeit von unter 1700 m³ pro Einwohner zum sogenannten Wasserstress. In Europa haben nur die Inselstaaten Malta und Zypern sowie die benachbarte Tschechische Republik ein schlechteres Ergebnis.

Verlust von Millionen Liter Wasser durch Miss-Management in der Wasserwirtschaft

Vor dem Hintergrund der beschränkten Wasser-Verfügbarkeit haben die NIK-Inspektoren nun im Zeitraum von 2019 bis 2021 den Umgang mit den Wasser-Ressourcen in 20 kommunalen Wasser- und Abwassergesellschaften sowie Trinkwasser-Aufbereitungsstationen geprüft. Auf 101 Seiten ihres öffentlich zugänglichen Berichts kritisieren sie eine massive Verschwendung von Grund- und Trinkwasser infolge einer von Miss-Management geprägten uneffektiven Bewirtschaftung der Wasser-Ressourcen. Im Kontroll-Zeitraum kam es zu insgesamt 1800 Havarien in den Leitungs-Netzen. Die damit im Zusammenhang entstandenen Wasser-Verluste beziffert die NIK mit rund 5,3 Mio. m³. In mehr als der Hälfte der geprüften Unternehmen überstiegen die Wasserverluste 30 Prozent des behandelten und in das Rohrleitungsnetz eingespeisten Wassers. Bei fast der Hälfte der Betriebe wurde mehr Wasser verschwendet als ins Netz eingespeist.

„Ausfälle des Wasserversorgungsnetzes wurden hauptsächlich durch den schlechten technischen Zustand, der Abnutzung und des Alters des Wasserversorgungsnetzes sowie durch Schäden während der Reparatur-Arbeiten verursacht“, erklärte die NIK. 67 Prozent der Leitungs-Netze hatten dabei ein Alter von 20 bis 60 Jahren.

Bezeichnend für den Zustand und das Management der Leitungsnetze ist auch der Umstand, dass bei 40 Prozent der geprüften Betriebe keine Informationen über das Alter ihrer Wasserleitungen vorlagen und man bei einem Drittel der Betriebe überhaupt nicht wusste, aus welchem Material die Rohrleitungen sind.
In einem Betrieb waren überhaupt keine Angaben verfügbar, wieviel Gebäude an das Wasser- und Abwassernetz des Unternehmens angeschlossen sind. Auch Angaben über Gebäude mit örtlich stationärer Abwasser-Anlage waren unbekannt.

Ein wilder Müll-Abladeplatz mit Schadstoffen In der unmittelbaren Nachbarschaft einer nicht abgesicherten Trinkwasser-Entnahmestelle. Foto: NIK

Im Zusammenhang mit beanstandeter Trinkwasser-Qualität werden in dem NIK-Bericht auch die mangelhafte Absicherung und Kontrolle von Trinkwasser-Schutzgebieten kritisiert. Auf dem Gelände der zum Oder-Anliegerkreis Słubice gehörenden Gemeinde Górzyca befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Trinkwasserentnahme-Stelle eine Deponie mit gefährlichen Abfällen und Gebäude mit Massentierhaltung und dem nicht vorschriftsgemäßen Umgang mit Düngemitteln.

© André Jański / infopol.PRESS